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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Vor beginn der massenproteste:



Die Nachricht über den Freispruch der 3 Angeklagten im Schattendorfer Prozeß verteilte sich nun über Wien wie ein Lauffeuer. Jeder spürte in der Stadt und im ganzen Land, daß dieses Urteil das künftige Schicksal Österreichs zeichnen würde.
Niemand erwartete exemplarisch strenge Strafen - es ging nur ums Prinzip. Der Schuldspruch sollte eine Mahnung zur Besinnung sein: Hört endlich auf mit der Soldatenspielerei, mit dem lebensgefährlichen Wettrüsten. Macht Schluß mit der Bürgerkriegsstimmung im Land...!
Wie fast die gesamte Wiener Bevölkerung wurde auch Friedrich Austerlitz, Chefredakteur der AZ, von dem Freispruch überrascht (er hatte vorher einen langen Leitartikel vorbereitet, der ganz auf eine Verurteilung eingestellt war, und somit nun unbrauchbar geworden war). Als er sich gerade seine ganze Empörung in einem neuen Leitartikel vom Leibe schrieb, bekam er Besuch von E-Werks Arbeitern, die so ziemlich als erste von dem Freispruch erfahren haben.

Kurzer Auszug aus dem Leitartikel von Friedrich Austerlitz:
Nach Ansicht der Geschworenen bedeutet es also gar nichts auf Menschen zu schießen; das ist, wenn die Schießenden Frontkämpfer sind, wohl ein erlaubtes Jagdvergnügen! Die aber den Eid, den sie geleistet haben, so schnöde mit Füßen treten, die sich über Recht und Unrecht so frech hinweg setzen, die sind keine Geschworenen, sind ehrlose Gesetzesbrecher, denen für ihren schamlosen Freispruch Haß und Verachtung aller rechtlich denkenden Menschen gebührt. Diese Verachtung wird ihnen auch werden...
Mit den Elenden auf der Geschworenenbank, die diesen Freispruch auf dem Gewissen haben, sind die mitverantwortlich und mitschuldig, auf deren Anstiftung dieser feile Wahrspruch zurückzuführen ist...
Die bürgerliche Welt warnt immer vor dem Bürgerkrieg; aber ist diese aufreizende Freisprechung von Menschen, die Arbeiter getötet haben, nicht schon selbst der Bürgerkrieg? Wir warnen sie alle, denn aus einer Aussaat von Unrecht, wie es gestern geschehen ist, kann nur schweres Unheil entstehen...

Die Arbeiter wollten sich erkundigen, ob von Seiten der Partei Demonstrationen bzw. Aufmärsche geplant seien. Doch Austerlitz wußte auch nichts, und so zog die Delegation wieder ab.
Polizeipräsident Schober hatte Demonstrationen vor dem Landesgericht befürchtet, doch es gab keine, weil so sicher mit einer Verurteilung der drei Frontkämpfer gerechnet worden ist. Schober ließ anfragen, ob die Sozialdemokraten irgendwelche Aktionen geplant hätten, doch der Parteivorstand antwortete mit einem entschiedenen \"Nein\".
Die Sozialdemokraten hatten lange überlegt ob man demonstrieren sollte. Doch sie konnten nicht zu einer Demonstration gegen ein Urteil aufrufen, das von einem Geschworenenprozeß gefällt worden war. Hatten sie doch so lange dafür gekämpft, daß das Volk die oberste Richtergewalt bekommen sollte. Die Partei wollte keine Gewalt, schon gar nicht in diesem Augenblick, in diesem Sommer 1927, angesichts der scheinbaren Sicherheit, mit dem man auf einen Wahlsieg zusteuerte.
Doch die Betriebsräte der städtischen E-Werke sahen das nicht so. Sie faßten zwischen 5 und 6 Uhr den Beschluß, von 8 bis 9 Uhr in der Früh zum Zeichen des Protests den elektrischen Strom für die Straßenbahnen abzuschalten. Julius Deutsch (Obmann des Schutzbundes) versuchte sie vom Streik abzuhalten; ahnte er doch als einer von wenigen die Tragweite der Protestaktion; seine Bemühungen blieben aber erfolglos.

 
 

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