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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Tatsachen und das buch, jürg jenatsch, im vergleich



Im Buch von Conrad Ferdinand Meyer, Jürg Jenatsch, werden eine Reihe von Landschaftsbildern, Reiserouten und geschichtlichen Gegebenheiten erwähnt. Da ich die Gegend und auch die geschichtlichen Abläufe Graubündens kenne, werde ich nun versuchen, ausfindig zu machen, in wieweit Meyer seiner Phantasie freien Lauf gelassen hat.



Schon als ich die ersten Seiten des Buches las, wie der Jugendfreund Jenatschs, der Zürcher Amtsschreiber Heinrich Waser, auf der Passhöhe des Juliers angelangt, war ich überrascht. Die Passhöhe wird in den kleinsten Details geschildert. Die alten römischen Säulen beim Eingang des Hospiz von der Engadinerseite her sowie der kleine Bergsee werden erwähnt. Auch die, die Passhöhe umringenden Gipfel sind genau beschrieben. Auf Wasers Reise gegen Maloja, wo er in einem Gasthof übernachtet, werden die Dörflein Silvaplana und Sils ebenfalls kurz erwähnt. Sogar das in Sils gelegene Kirchlein von Sils-Baselgia findet einen Platz in Meyers Erzählung. Die Stimmung, die zur







Zeit Wasers in dem Tal herrscht, ist genau beschrieben. Wie Meyer die Lichtverhältnisse und die Farben des Silvaplaner- und Silsersees beschreibt, konnte ich schon unzählige Male in meinen Ferien bewundern. Wasers anschliessende Reise über den Muretto-Pass ist in gleichem Masse an Genauigkeit und eindrücklichen Worten wiedergegeben.

Um in einem ganzen Buch die landschaftliche Gegend so genau zu beschreiben, genügt es nicht, sich an einige Gemälde, Fotos oder Erzählungen zu halten. Conrad Ferdinand Meyer muss also jene



Wege ebenfalls gegangen sein. Diese rauhe, grobe und felsige Landschaft muss auf Meyer einen sehr starken Eindruck hinterlassen haben, denn die Beschreibung einzelner Gipfel sowie ganzer Landschaftsbilder werden leidenschaftlich und mit wunderschönen Worten niedergelegt.



Auch die geschichtliche Erzählung ist interessant. Der Veltliner Mord, die anschliessende Flucht vor den pro-spanischen Verbündeten werden ausführlich beschrieben. Der anschliessende Aufenthalt von Jenatsch nach den Feldzügen in fernen Ländern und die Bekanntschaft mit dem "guten Herzog Heinrich" scheinen wohl recherchiert. Auch die Feldzüge des Duc du Rohan, sowie die nachfolgenden Begebenheiten des Verrats und das geheime Bündnis mit Spanien durch den Obersten Jürg Jenatsch haben ihre Richtigkeit. Die nach der Vertreibung der Franzosen aus Bünden geführten Verhandlungen mit Spanien über das Untertanenland Graubünden, welch den drei Bünden die lang ersehnte Unabhängigkeit, aber konfessionelle Einschränkungen brachte, stimmt mit dem Geschichtsbuch überein.



Obwohl in Meyers Buch "Jürg Jenatsch" alles sehr detailliert und genau beschrieben wird, gibt es einige Ausschmückungen des Künstlers. Eine Jugendliebe zwischen Jürg Jenatsch und Lucretia, in Wirklichkeit hiess sie Katharina von Planta, wird in keinem der Geschichtsbücher erwähnt. Jedoch ist es richtig, dass Jürg Jenatsch deren Vater, Pompejus von Planta, erschlagen hat. Die im Buch beschreibenen Begegnungen von Jenatsch und Lucretia sind historisch nicht belegt. Der Mord am stattlichen Obersten Jürg Jenatsch am 24. Januar 1639 in der Wirtschaft des Pastetenbäckers Fausch, im "staubigen Hüetli", stimmt jedoch weitgehend mit den geschichtlichen Unterlagen überein. Es stimmt, dass zwei Anschläge am selben Abend auf Jenatsch ausgeübt wurden. Es ist richtig, dass Jenatsch den ersten unverwundet überstand. Es ist wahr, dass maskierte Männer den Obersten einkreisten. Dass aber Katharina (Lucretia) von Planta den Volkshelden eigenhändig niedergestreckt hat, entspricht dichterischer Freiheit.



Conrad Ferdinand Meyer hat sich in diesem Werk genau an geschichtliche und geographische Tatsachen gehalten. Als Dichter hat er die Beziehung zwischen Jürg Jenatsch und Lucretia von Planta so in die historischen Gegebenheiten eingebettet, dass das Werk eine Spannung ausstrahlt und Geschichte, Politik und Menschlichkeit in sich vereint. Jürg Jenatsch - in seinem Innersten hin und her gerissen - wird als schillernde Persönlichkeit so dargestellt, wie er in Wirklichkeit war - eine nicht unumstrittene Person. Die Tragik seines Lebens beginnt mit der Jugendliebe zu Lucretia und endet nach turbulenten Jahren mit seinem durch Lucretia heraufbeschworenem Tod.

 
 

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