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philosophie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Lessing



Gottscheds mechanistische Ansicht vom Schaffensprozeß des Dichters und die mechanische Vorstellung von wirklichkeitsgeteuer Nachahmung der Natur, das starre Festhalten an den drei Einheiten und der Ständeklausel erwiesen sich als hinderlich und einengend für die Entwicklung einer neune bürgerlichen Literatur und wurde auch wie schon erwähnt von den Zeitgenossen sehr früh kritisiert.
Der wichtigste Kritiker der Gottschedschen Literaturtheorie und -praxis war Gotthold Ephraim Lessing. In seinem "Briefwechsel mit Mendelssohn und Nicolai über das Trauerspiel" distanzierte er sich von den drei Einheiten, der Ständeklausel, dem Nachahmungsprinzip und der moralischen Funktionalisierung der Dichtung bei Gottsched, ohne dabei den aufklärerischen Standpunkt zu verlieren. Gottsched vertrat einen frühbürgerlichen Standpunkt, der noch nicht ganz frei von der feudalen Literaturtheorie war, während Lessing einen bürgerlich fortgeschrittenen Standpunkt einnahm, wo der Feudalismus endgültig überwunden wurde. Im dienten dabei im literarischen Bereich das französische bürgerliche Lustspiel und die englische bürgerliche Tragödie als Vorbilder. Er bewunderte besonders das Naturtalent Shakespeares und seine Treffsicherheit in der psychologischen Charakterzeichnung. In ihnen fand er die Aufhebung der feudalen Ständeklausel, die das bürgerliche Selbstbewußtsein beleidigte. Der Bürger war tragödienfähig geworden. Lessinge überwand die feudale Ständeklausel, indem er den Menschen unabhängig von seiner Ständegebundenheit zum Handelnden machte. "Die Namen von Fürsten und Helden können einem Stück Pomp und Majestät geben; aber zur Rührung tragen sie nichts bei. Das Unglück derjeniger, deren Umstände den unsrigen am nächsten kommen, muß natürlicherweise am tiefsten in unsre Seele dringen; und wenn wir mit Königen Mitleiden haben, so haben wir es mit ihnen als mit Menschen und nicht als mit Könige".
Diese Berufung Lessings auf das Menschliche hing mit seinem Bemühen um einen neue Funktionsbestimmung der Literatur zusammen. Nicht moralische Belehrung (Gottsched), sondern eine sittliche Läuterung wollte er erreichen. Für Lessing war das Ziel der Tragödie Furcht und Mitleid beim Zuschauer zu erregen, dadurch sollte die Tragödie zur Reinigung der Leidenschaften (Katharsis) führen. Der Zuschauer sollte sich mit dem Helden identifizieren, und mit ihm Mitleid empfinden und Angst bekommen, daß vielleicht das dargestellte Unglück auch ihn treffen könne. Dieses Ziel konnte nur erreicht werden, wenn die dargestellte Figur, eine realistische Figur war, die weder gut noch böse war. (Wider ein Widerspruch zu Gottsched.) So wird er zum Begründer des deutschen bürgerlichen Trauerspiels.
Lessing führte auch den Begriff der poetischen Nachahmung ein. Der Dichter soll die Dinge nicht naturalistisch darstellen, sondern er soll alles Unwichtige, Zufällige und Nebensächliche weglassen und nur das Wesentliche und Typische darstellen. "Auf dem Theater sollen wir nicht lernen, was dieser oder jener Mensch getan hat, sondern was jeder Mensch von einem gewissen Charakter unter gewissen Umständen getan hätte." Diese Funktionsbestimmung der Literatur eröffnete neue künsterlische Möglichkeiten. Das Prinzip der poetischen Nachahmung machte erst eine künstlerische Gestaltung im modernen Sinn überhaupt möglich. Der Dichter wurde gleichzeitig aufgewertet und als Künstler definiert.
Ebenfalls bedeutsam sind seine Leistungen als Theoretiker, besonders mit seiner Schrift "Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie (1766)", und als Kritiker. Seine kritischen Schriften "Briefe, die neueste Literatur betreffend (1759), die er mit seinen Freunden Nicolai und Mendelssohn herausgab, und in denen er scharf gegen das von Gottsched bevorzugte französische Theater vorgeht, und die Wichigkeit des englischen Theaters für die deutsche Dramatik herausstreicht, und die "Hamburgische Dramaturgie (1767-69)", waren noch Jahrzehnte später ein Muster der Kritik. Mit Lessings literaturkritischen Arbeiten setzte eine neue Ära der literarischen Auseinandersetzung in Deutschland und ein Aufschwung des literarischen Lebens insgesamt ein.
Lessing gab auch 1764 philosophisch-religiöse Schriften eines Freundes heraus, dessen Namen er nicht verriet. Strenggläubige Katholiken, besonders der Hamburger Hauptpastor Goeze, sahen darin einen Angriff auf den Offenbarungsglauben und die Bibel. Es kam zu Streit, den der Braunschweiger Herzog dadurch beenden wollte, daß er Lessings Schriften der Zensur unterwarf. Lessing wich aber in die Dichtung aus, und schrieb sein Drama "Nathan der Weise". Wo er anhand einer Ringparabel, die den Kern des Dramas bildet, die aufklärerische Vorstellung von der Toleranz in der Religion darstellt.
Viele Gedanken Lessings waren zukunftsweisend, der dem Dichter nun zur Verfügung stehende schöpferische Spielraum, war für die nachwachsende Autorengeneration wichtig, vor allem für die Stürmer und Dränger.

 
 

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