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philosophie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Kreativität

Geschichte und rolle der jungen welt als zeitung der fdj



Daß es die junge Welt überhaupt gibt, ist ein paar bemerkenswerten Singularitäten der Weltgeschichte zu verdanken. Am Anfang steht eine Zeitung gleichen Namens (aber mit großem \"J\"), die während des Zweiten Weltkriegs im Londoner Exil von der damals schon als Bündnisorganisation existierenden Freien Deutschen Jugend herausgegeben wurde. In der SBZ und der DDR wurde die Junge Welt das Zentralorgan der gleichnamigen Staatsjugendorganisation. Zuletzt war sie die auflagenstärktste Zeitung der DDR, (...).\" [22]
Für die Junge Welt war nach 1989 eine grundsätzlich neue Standortbestimmung erforderlich. Meinungsfreiheit als Voraussetzung, um endlich das schreiben zu können was man für richtig und wichtig hält, war aber noch kein Konzept. Der mit dem Systemwechsel verbundene Rollentausch von der Stütze der Macht zu deren Kritikerin, erforderte eine Positionierung im politischen Spektrum, verbunden mit einer Setzung inhaltlicher wie formeller Schwerpunkte.
In der DDR zielte die Junge Welt als Teil der FDJ darauf, die Jugend für die DDR und gegen Kapitalismus, BRD und USA zu erziehen. Die FDJ fügte sich in dem im Politbüro zentralisierten Machtapparat ein. Das für die \"Diktatur des Proletariats\" einstehende Politbüro begriff sich als geschichtlich wie ideologisch legitimiert; weitere Instanzen zur demokratischen Entscheidungsfindung, die nicht direkt oder indirekt durch das Politbüro zu legitimieren waren, wurden als potentiell bedrohlich wahrgenommen und nach Kräften verhindert. Die FDJ und mit ihr die Junge Welt diente so der Lenkung nach unten ohne nach oben selbst je mitbestimmen zu können, kurz: ihre Rolle war als grundsätzlich staatstragend definiert.
Mit dem Übergang zum politischen System der Bundesrepublik war die Machtfrage nicht mehr so klar zentralisiert. Der Pluralismus teilte Macht zwischen Regierung und Parlament, Bundesrat und Bundestag, Exekutive und Judikative, Parteien, Verbänden und Lobbys, den sich als vierte Gewalt verstehenden Medien und natürlich dem Wahlvolk. Wogegen und wofür sollte die Junge Welt fortan einstehen? Welchen Ansatzpunkt für Kritik gab dieses, in der politischen Mitte stabilisierte System her? Der durch die Massen herbeidemonstrierte und durch Gorbatschow vorhergesagte Systemzusammenbruch machte eine Weiterführung der alten Systemkritik an der BRD unmöglich, gleichzeitig konnte man im Stil der Wendehälse weder die eigenen Biographie umdichten noch gegen die linken Einstellungen der verbliebenen Leserschaft schreiben. Die Junge Welt besann sich in dieser Situation darauf, ihre grundsätzlich staatstragende Funktion weiterzuführen und fortan im politischen System der BRD konstruktive Kritik von links zu leisten und nahm fortan, zusammen mit der ihr nahestehenden PDS, als linke Sachwalterin ostdeutscher Interessen am politischen System der BRD teil, ohne freilich genauer zu wissen, wie diese Interessen zu definieren sind und wie man realistisch/konstruktiv und gleichzeitig links sein konnte. Konzeptionslosigkeit war die Folge.
\"Es war nicht unbedingt selbstverständlich, daß die Junge Welt nach 1989 unter die Räder geraten mußte. Der neue Chefredakteur Jens König, der am 20 November 1989 noch vom alten FDJ-Chef Eberhard Aurich eingesetzt wurde, gab sich alle Mühe, die Zeitung überflüssig zu machen. Königs Junge Welt steuerte einen unentschiedenen, kaum erkennbaren politischen Kurs, der fern an die Wege sowohl der PDS als auch der Bündnis 90-Rechten erinnerte, vor allem aber auf das im Untertitel angesprochene Bekenntnis Ostdeutsche Tageszeitung\" setzte. Die publizistische Linie des Blatts griff ein paar Boulevardpresseelemente auf, ohne freilich auch hier eine wirkliche Entscheidung zu treffen. Leitartikel in einem Stil, der die angestrengte Jugendlichkeit der FDJ mit staatstragenden Wenn-ich-Bundeskanzler-wäre-Kommentaren auf das unerquicklichste verband, rundeten das Bild ab. (Einige Edelfedern jener Zeit zieren heute angebrachterweise diverse PDS- und Bündnis 90-Pressestellen.)\" [23]
Andreas Fanizadeh beschreibt die Junge Welt in ihrer alten Form (nach 1989) mit den Worten: \"(...) mit ihrem Konzept nach 1989 hat sie sich ein klein wenig den Ruf erworben, sowas wie die Bildzeitung für Ost-Linke zu sein. Ihre LeserInnenschaft hat sie mit einer verwaschenen und populistischen Kritik an der politischen Klasse\" bedient, darüber einen reaktionären Opfermythos eintrainiert und zur nostalgischen Ost-Identitätsbildung beigetragen.\" [24]
Einher ging diese Richtungslosigkeit mit dem freien Fall der Abonnentenzahl, die vor 1989 bei 1,6 Millionen lag, dann auf 70 000 im Jahr 1992 sank und nochmals auf 30 000 in 1994. Der damalige Inhaber der jungen Welt, die Mediengruppe Schmidt und Partner, entschied in dieser Situation den Konkret-Herausgeber Herrmann L. Gremliza für der Beratung zu einem neuen Zeitungskonzept heranzuziehen.

 
 

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