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mathematik artikel (Interpretation und charakterisierung)

Pythagoras

Die grundlagenkrise



Die Antinomien schlugen wie ein Gewitter in die eben erst beruhigte mathematische Atmosphäre der Jahrhundertwende hinein und ihre Wirkung war vielfach geradezu niederschmetternd

A. Fraenkel (1928, 210)

Die dargestellten Antinomien zeigten, dass die intuitive Logik in Tat und Wahrheit keineswegs sicherer war als die klassische Mathematik, im Gegenteil, sie konnte Widersprüche erzeugen, wie sie in der Geometrie oder Arithmetik nie vorkommen. Dies war die Grundlagenkrise, die zentrale Frage in den berühmten Kontroversen die das erste Viertel des 20. Jahrhunderts erschütterten. Es gab deren drei Lösungsansätze: der Logizismus; der Formalismus; der Konstruktivismus
Das Programm des Logizismus und sein Scheitern wurden im letzten Abschnitt bereits skizziert. Das Frege-Russel-Whitehead-Projekt, eine Neuformulierung der Mengenlehre, wobei Antinomien ausgeschlossen blieben, war zu einer so komplizierten Struktur geworden, dass es schwerlich mit Logik im philosophischen Sinne ("als Richtlinie zum korrekten Schließen") zu identifizieren war. Damit wurde auch die Vorstellung von Mathematik als gewaltige Tautologie zur Logik unhaltbar. Russel schrieb (portraits from memory):

Ich wollte Gewissheit in der Weise in der Menschen Religion wollen. Ich glaubte, dass Gewissheit in der Mathematik eher zu finden ist als anderswo. Doch ich entdeckte, dass viele mathematische Beweisführungen, welche meine Lehrer mir beibringen wollten, voller Trugschlüsse waren und dass, falls Gewissheit in der Mathematik überhaupt zu entdecken war, dies in einem neuen mathematischen Gebiet, mit solideren Grundlagen sein müsste als diejenigen, die man bisher für sicher gehalten hatte. Doch als die Arbeit fortschritt, wurde ich immer wieder an die Fabel vom Elefanten und der Schildkröte erinnert. Nachdem ich einen Elefanten konstruiert hatte, auf dem die mathematische Welt ruhen konnte, begann der Elefant plötzlich zu schwanken, und ich machte mich daran eine Schildkröte zu konstruieren, um den Elefanten aufrecht zu halten. Doch die Schildkröte hatte keinen besseren Stand als der Elefant, und nach ungefähr zwanzig Jahren harter, zäher Arbeit kam ich zu dem Schluss, dass ich nichts mehr tun konnte, um die mathematische Erkenntnis gewiss zu machen.

Das Programm des Formalismus stellt das zweite große mathematische Dogma dar: Es gibt keine mathematischen Objekte, Mathematik besteht allein aus Formeln, Symbolketten, die keine Auskunft über etwas geben. Mathematik ist ein "Spiel ohne Inhalt", mathematische Erkenntnisse sind nur ableitbar, somit höchstens richtig, aber niemals wahr. Erst wenn man einer Formel eine physikalische Interpretation gibt erhält sie einen Inhalt, und einen Wahrheitswert. Mathematik ließe sich als "Lehre von den formalen Systemen" umschreiben In der Frage der Existenz und Realität vertreten Platonisten und Formalisten entgegengesetzte Standpunkte, in den Argumentationsprinzipien besteht zwischen ihnen keine Uneinigkeit. Die "formalistische Grundlegung" der Mathematik, der Neuaufbau auf der Basis eines durch einen Widerspruchsfreiheitsbeweis abgesicherten Vollformalismus, war das Programm eines bedeutenden Mannes: David Hilbert (1862-1943) Sein Programm setzte sich aus drei Schritten zusammen:
(1) Man führe eine formale Sprache und Schlussregeln ein, die ausreichen, das jeder richtige Beweis eines klassischen Satzes dargestellt werden kann, die von Axiomen ausgeht, wobei jeder Schritt mechanisch überprüfbar sein muss (dies war zu einem großen Teil bereits von Frege, Russel, Whitehead geleistet worden).
(2) Man entwickle eine "Metamathematik", eine Theorie deren Gegenstand die gesamte Mathematik in einer Gestalt sein sollte, in der alle ihre Sätze aus endlich vielen Ausgangssätzen mittels logischer Schritte hergeleitet werden können (für den Gesamtbereich der Mathematik formuliert hat diese Forderung etwas utopisches)..
(3) Man beweise mittels rein endlicher Argumente, dass ein Widerspruch, zum Beispiel 1 = 0, in diesem System nicht hergeleitet werden kann.
Auf diese Weise hätte die Mathematik eine sichere Grundlage - im Sinne, dass ihre Widerspruchsfreiheit garantiert wäre. David Hilbert (Über das Unendliche):

Meine Theorie hat zum Ziel, die definitive Sicherheit der mathematischen Methode herzustellen... . Es soll zugegeben werden, dass der Zustand in dem wir uns gegenwärtig angesichts der Paradoxien befinden, für die Dauer unerträglich ist. Man denke: In der Mathematik, diesem Muster von Sicherheit und Wahrheit führen die Begriffsbildungen und Schlüsse, wie sie jedermann lernt, lehrt und anwendet, zu Ungereimtheiten. Und wo soll sonst Sicherheit und Wahrheit zu finden sein, wenn sogar das mathematische Denken versagt?

Dieser Ausspruch liest sich ganz ähnlich wie der von Russel weiter oben, während aber die logiszistische Interpretation versuchte, die Mathematik auf festen Boden zu stellen indem sie sie in eine Tautologie verwandelte, versuchte die formalistische dasselbe indem sie ein Spiel ohne Inhalt aus ihr machte, gemäß der Auffassung der Mathematik als ein System von Handlungsschemata für den Umgang mit von jedem Inhalt freien Figuren nach genau angegebenen Regeln. Hilberts Aussagen ihm seien "im genauen Gegensatz zu Frege und Dedekind die Gegenstände der Zahlentheorie die Zeichen selber" oder "am Anfang (..) war das Zeichen" illustrieren diesen Unterschied. Das beweistheoretische Programm Hilberts tritt somit erst in Kraft, nachdem die Mathematik in eine formale Sprache übertragen und ihre Beweise so geschrieben sind, dass eine Maschine sie kontrollieren kann (unter Formalisierung versteht man den Prozess, durch den die Mathematik für die mechanische Verarbeitung vorbereitet wird; Bsp. Computerprogramm). Wie sich zeigte war, Gewissheit auch zu diesem Preis nicht zu haben. 1930 zeigte Kurt Gödel (1906-1978), dass das Hilbertsche Programm unhaltbar ist.

 
 

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