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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die einschränkung der identität



Am Beispiel der Behandlung der Juden vor dem Zweiten Weltkrieg weist Ceija auf das ähnliche Schicksal der Roma hin: "Der Jude war zuerst der "schöne Nachbar", dann nur ein "Jud'", und dann ein "Nichts", das im KZ vernichtet wurde:

"Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts gibt es sogar noch Massengräber. So wie damals der Jude auch der schöne Nachbar im Haus war, ist das heute wieder Dein Nachbar. Er hat der armen Bürgerin Brot gegeben, ihr Schilling geborgt und plötzlich war's der Jud. Man hat ihnen alles weggenommen."

Das Leben im Konzentrationslager ist von der gewohnten Außenwelt völlig getrennt. Die Identität im Lager kennzeichnet nur die Tätowierungsnummer: "Am nächsten Tag mußten wir uns alle zu fünft aufstellen und in den Tätowierungsblock marschieren. Ich bekam die Nummer Z 6399."
Im Lager Ravensbrück bekommen die Häftlinge auch eine Nummer:

"Anschließend bekamen wir alle eine Registriernummer: ein weißer, länglicher Stoffstreifen mit einem schwarzen Winkel, das hieß arbeitsscheu. (Aber wie konnte ich arbeitsscheu sein, ich war ja noch ein Kind!) Den Streifen mußten wir uns auf die linke Seite nähen. Nun waren wir alle gekennzeichnet: der letzte Abschaum der Menschheit."

Der zunehmende Identitätsverlust wird beim Aufenthalt in den verschiedenen Lagern sichtbar:

"Nein! Nicht mehr in Bergen-Belsen. Da warst Du nichts mehr. Da warst Du kein Zigeuner, da warst Du ein Niemand. In Bergen-Belsen, da hast Du keine Registriernummer mehr gehabt. Da hast Du keinen Namen gehabt. Da warst du Nichts."

Als sie aus dem KZ kommen ist, hat sie wieder mit der Einschränkung der Identität zu kämpfen. Ausgegrenzt, weil sie eine Romni ist, spürt sie auch die Einengung bei der Erziehung ihrer Kinder. Ihren Sohn Jano holt man von zu Hause weg und steckt ihn in eine Erziehungsanstalt, weil er in der Schule schwänzt:

"Ich konnte es nicht fassen. Da plagte man sich für seine Kinder, und ein anderer nahm sie und machte mit ihnen was er wollte. Für mich ging alles unter, ohne meinen Jano konnte ich nicht mehr leben. In meinen Träumen sah ich sein Gesicht. [...] Es war mir unbegreiflich, wieso sie mein Kind in ein Heim steckten. Es war Winter 1968 und ich spürte die Kälte von Auschwitz."


Auch jetzt versucht man die Roma-Identität zu leugnen. Ceija kritisiert, daß das Schicksal der Roma in der Öffentlichkeit zu wenig präsent ist:

"Es ist auch eine Behandlung, die ungerecht ist. Es wird alles nur über die Juden gesprochen und die Zigeuner haben nichts erlebt. Wir werden unter den Minderheiten noch diskriminiert. [...] und als Frau."

Die geschlechtliche Diskriminierung der Frau ist ein wichtiger Punkt, besonders in der jungen "Zigeuner-Literatur". Ceija hat als Frau große Probleme mit ihren männlichen Verwandten, als sie zu schreiben beginnt:

"Und da ist aber der Machtkampf zwischen den Männern - jetzt sind wir wieder dort: Männer. Hätte er früher (zu schreiben begonnen), hätte ich keine Chance, überhaupt eine Aussage zu machen."

Verwandtschaft spielt eine große Rolle in Ceijas Leben. Gerne erinnert sie sich an die schöne Zeit ihrer Kindheit, wo noch die gesamte Familie zusammen ist. Zugleich bereitet ihr die Erinnerung einen stetigen Schmerz, da mit ihr der Verlust der geliebten Personen verbunden ist. In ihrem ersten Buch spricht Ceija von einem Haus im sechzehnten Bezirk, in dem die Familie vor der Deportation ins Lager gelebt hat. Am Haus befinden sich die ersten \"Identitätsspuren\" ihrer Kindheit, das \"Gekritzel\", das sie als Kinder an die Mauern geschrieben haben. Diese schriftlichen Zeugnisse sind für sie wichtige Anhaltspunkte für ihre Identität. Sie besucht oft diesen Platz, damit sie der Erinnerung freien Lauf geben kann.

"Es gibt eine Mauer, an der so viel Gekritzel von uns steht, unsere Namen, wer alles da war. Heute noch kann man viel davon lesen. Es ist schon sehr blaß, aber man kann es noch sehen. Stundenlang sitz ich dort. Das lebt in mir. [...] Manchmal denk ich, könnt ich die Zeit nur halten. Oder die Sekunde verwünschen, wo mein Vater gerade zu Hause war. Er war eh nur selten da, [...] Diese Sekunde, wo er zu Hause war und der Wagen gekommen ist, die könnt ich verfluchen."

 
 

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