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englisch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Knudsen - ein stummer fisch?





In dem Buch "Sansibar oder der letzte Grund" beschreibt der Autor Alfred Andersch die Situation der Kommunisten im Dritten Reich am konkreten Beispiel des Fischers Knudsen, seines Zeichens Vorsitzender und - einziges Mitglied der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) in Rerik, dem Schauplatz des Romans.
Rerik ist in den Augen aller, insbesondere in denen der Partei, ein toter Punkt, weshalb es auch als Sprungbrett in die Freiheit für einige Flüchtende vor dem drohenden Krieg und der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten fungiert. Wie tot Rerik wirklich ist, zeigt nicht allein die Tatsache, dass selbst Reriks Dorfpfarrer Helander sich im wahrsten Sinne des Wortes "gottverlassen" fühlt, nein, sondern vielmehr, wenn man die Situation Reriks mit der Restdeutschlands vergleicht:
In fast ganz Deutschland herrschten zu der Zeit, zu der die Handlung des Buches abläuft, Bürgerkriegsähnliche Zustände: Straff organisierte Kampfverbände, namentlich die SA (Sturmabteilung) der NSDAP, das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold der SPD mitsamt Gewerkschaften und nicht zuletzt der Rote Frontkämpferbund der KPD, standen sich gegenüber, lieferten sich Straßenschlachten, begingen Gewalttaten und politische Morde; kurzum, Gefechte waren an der Tagesordnung.
Interessant ist hierbei eine ganz bestimmte Tatsache: Die KPD, längst von den Nationalsozialisten durch Vernichtung der Parteimitte, die als Bindeglied zwischen Führung und Parteibasis gewirkt, ein schnelles Reagieren gewährleistet hatte und ohne die KPD gelähmt und schutzlos dastand, sah immer noch die SPD als direktere, schlimmere Bedrohung an als die Nationalsozialisten. Diese Naivität und Kurzsichtigkeit wird augenscheinlich und wirkt nur allzu verständlich, vergleicht man den von Marx definierten Grundgedanken des Kommunismus mit den damaligen Gegebenheiten und zielen sowie Ansichten der politischen Gegner der KPD.
Der Grundgedanke des Kommunismus beläuft sich schlicht und einfach auf der Annahme, das Bürgertum zerstöre sich selbst. Wartet man nur lange genug, verfliegen politische Gegner und - wenigstens der Meinung der Kommunisten nach - irrige Weltanschauungen, kurzum die bürgerliche Ordnung von selbst, einer lästigen Modeerscheinung gleich, die ja meist auch nicht dauerhaften Bestand hat; über kurz oder lang vernichten sich die politischen feinde des Kommunismus von selbst. Dies zu begründen hilft ein Blick in die Geschichte der Gesellschaftsordnung bis in die Antike:
Jede bürgerliche Ordnung ist automatisch eine kapitalistische, da sich die Grundfesten eines jeden Staates und einer jeden Gemeinde und Gesellschaft auf das Verhältnis Herrscher - Untergebener, Ausbeuter - Ausgebeuteter, Unterdrücker - Unterdrückter, arm - reich, kurz: Oberschicht - Unterschicht gründet.
Diese kapitalistische Gesellschaft ist deshalb nicht überlebensfähig, da das "Gönner-Untergebenen-Prinzip" zur Folge hat, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Irgendwann, das ist dem Kommunisten klar, bemerkt auch der letzte Arbeiter, der letzte Ausgebeutete, was Sache ist: Die sozialen Umstände werden immer unhaltbarer und - die Arbeiter sind der Oberschicht in puncto Quantität und Aktionismus grenzenlos überlegen, was nur eine Folge, einen logischen Schluss zulässt: die Arbeiter lehnen sich gegen ihre Arbeitgeber auf, die Unterdrückten sprengen ihre Ketten: Revolution!
Und so fühlt sich der Kommunist bestätigt, seine Vermutung, seine Hypothese hat sich als richtig erwiesen. Ein kapitalistisches System ist nicht auf Dauer überlebensfähig.
Um ein kapitalistisches System wie das der Nazis brauchte man sich also keine Sorgen machen. Das Problem würde sich - wie immer - über kurz oder lang von selbst beseitigen.
Viel bedrohlicher wirkte auf einmal eine Partei, die der KPD auf den ersten Blick recht ähnlich schien: die SPD. Beide verfolgten die politisch linke Richtung, traten für den "Kleinen Mann" ein, hatten also eindeutig soziale Zielsetzungen. Doch was den Kommunisten immer mehr Angst machte als das ihnen ureigenste Feindbild, die politisch rechte extreme, die sich nach der Dezentralisierung der politischen Richtungen in den Wahlen der letzten Jahre immer mehr herauskristallisierte, aber wegen obengenannter Gründe sowieso nicht überlebensfähig war, vielmehr Angst machte eine Partei, die die Ansichten des Kommunismus verwässerte und obendrein als Quintessenz ein ernsthafter Konkurrent auf KPD-Wähler war, da sie ähnliche Ansichten vertrat.
Man konzentrierte sich also auf den Kampf gegen die Sozialdemokratie und wurde von den Nationalsozialisten "hinterrücks erschlagen". Während der Kommunismus größenwahnsinnig auf die Weltherrschaft schielte, tötete er sich doch selber, was im krassen Gegensatz zu seinem eigenen Grundgedanken steht.
Gerade diese Konflikte waren in einem kleinen Städtchen wie Rerik nicht gegeben: hier ist an Straßenschlachten nicht zu denken, genauso wenig wie an groß angelegte Propaganda. Kommunisten und Nationalsozialisten wissen voneinander, misstrauen sich, gehen einander aus dem Weg - ohne sich "die Schädel einzuschlagen".
Verständlich, dass Knudsen sich auf verlorenem Posten wähnt. Die KPD an sich ist bewegungsunfähig, existiert nur noch in Papierform, im Untergrund, bestenfalls aber immer noch sowenig, dass sie sich nicht mehr lange, auf alle Fälle aber nur noch kopflos an Straßenschlachten und anderen Aktivitäten beteiligen kann, und Knudsen als "Ein-Mann-Partei Reriks" kann noch viel weniger tun.
Klar, dass er sich von der Partei im Stich gelassen fühlt und wütend auf sie ist.
Er als einfaches, niederes Parteimitglied hat die Zeichen der Zeit erst recht nicht bemerkt, noch weniger als die Führung es konnte. Knudsen kommt mit der neuen Situation, in der sich das Land nach der Schwächung der KPD befindet, nicht zu recht und fühlt sich beunruhigt. Er projiziert seine Beunruhigung auf seine Wut auf die Partei.

 
 



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