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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Vergiftungskatastrophe durch blei:





"Durch so viele giftige Zusätze wird der Wein gezwungen zu munden,
und wir wundern uns dann, dass er schädlich ist!" (Plinius)
Wein:
Gesundheitsgefährdende Betrügereien bei der Weinherstellung haben eine lange Tradition. Wie Plinius in seinem Werk schrieb, wurde der Wein durch künstliche Aromatisierung, Färbung und durch den Zusatz von Konservierungsmittel "nachbearbeitet". Zu den verwendeten Stoffen gehörten Pech, Gips Marmorstaub, Schwefel und Kreide. Plinius erkannte wie auch andere eine Gefahr an dieser abenteuerlichen Verfälschung an Geschmack und Farbe. Solche Stimmen waren aber eher untypisch, da die Römer den besseren Geschmack sehr schätzten. Doch die antiken Weinkritiker wussten gar nicht, wie recht sie hatten. Sie übersahen nämlich den höchst toxischen Wirkstoff, der den Wein sehr häufig kontaminiert hat, nämlich Blei. Die meisten Gesundheitsschädigungen wurden durch das Blei verursacht, und nicht durch die Stoffe, die Plinius kritisierte.
Wie kam Blei in den Wein?
Um den Wein süßer zu machen, verwendete man sapa () und defrutum (). Die beiden Süßstoffe wurden nach demselben Verfahren hergestellt, sie unterschieden sich nur in der Konzentration. Saft aus besonders ausgereiften Trauben wurde durch Aufkochen eingedickt, und dabei wurden vornehmlich Bleigefäße verwendet Bronzene Gefäße schienen ungeeignet zu sein, da sie beim Kochen Grünspan abgeben und den Geschmack verschlechterten. Bei Bleigefäßen bekam der Wein einen noch süßeren Geschmack, doch das aufgelöste Blei in dem Most führte auch zu Kopfschmerzen, Trunkenheit und Magenbeschwerden, wie schon der griechische Arzt Dioskurides erkannt hatte.
Blei galt trotzdem als unbedenklicher Stoff, obwohl es zahlreiche Indizien für seine gesundheitsschädigenden Auswirkungen gab. Plinius erkannte, dass man bei Bleidampf Nase und Mund verschließen sollte, da er schädlich sei und zumindest auf Hunde sogar tödlich wirkte. Es war allgemein bekannt, dass die Arbeit in Bergwerken wegen der dort entstehenden Stäube und giftigen Ausdünstungen riskant sei, und dass Erde, Luft und insbesondere Waser rings um Minen jeder Art häufig kontaminiert waren. Dass cerussa (Bleiweiß), welches in der Kosmetik gern verwendet wurde, bei oraler Anwendung zum Tode führte, war ebenfalls bekannt. Doch Vitruv entdeckte die größte Gefahr, die aus dem Blei ausging. Er meinte, Wasser aus Tonröhren soll gesünder sein als aus Bleiröhren, da aus ihm Bleiweiß entsteht. So dürfte seiner Meinung nach Blei selbst ebenfalls ungesund sein. Als Beispiel führte er die Bleiarbeiter an, die eine blasse Körperfarbe hatten.
Doch es herrschte eine Wegseh-Mentalität. Man wollte diese Gefahren nicht beachten, da Blei ein sehr günstiges Metall ist mit hervorragenden Eigenschaften. Nicht zu Unrecht sprach man vom . Die Förderung war relativ unproblematisch. Blei kam in allen Silberbergwerken als Nebenprodukt des Silbers vor. Die wichtigsten Bleiminen der alten Welt lagen in Südattika (Laureion), in Spanien, Britannien sowie auf Sardinien. Aber auch in Italien selbst wurde Blei gewonnen. Angesichts der Fülle von Blei-Ressourcen konnte man es sich erlauben, weniger profitable Bergwerke stillzulegen. Der Preis des Bleis war dementsprechend gering. Noch dazu ist er leicht formbar, weitgehend korrosionsbeständig und hat mit 327° C einen vergleichsweise niedrigen Schmelzpunkt.
Die Schätzungen der Produktionsmengen von Blei liegen weit auseinander. Es dürfte aber während der röm. Kaiserzeit im gesamten Imperium mehrere Millionen Tonnen gefördert worden sein, mit Jahresrekorden bis an die 60000 Tonnen - eine Größenordnung, die erst wieder in der Mitte des 19. Jhd. erreicht wurde.

Verwendung:
Blei fand Verwendung für Urnen wie für Votivstatuetten, für Schreibtafeln, zur Herstellung von Gefäßen und zur Anfertigung von Kugeln und Gewichten, mit denen man Angeln und Fischernetze beschwerte. Bleiweiß diente neben Kreide auch als Schminke. In der Medizin galt Blei als Heilmittel bei Wunden, als Mittel gegen Warzen und Geschwüre. Das meiste Blei wurde aber für die berühmten bleiernen Wasserröhren, von denen sich ansehnliche Stücke erhalten haben, verwendet. Überall in der römischen Welt wurden diese fistulae plumbae hergestellt und verwendet. Eingesetzt wurden sie meist als Zuleitungen in Häuser und andere Verbrauchsstellen, die von den Aquädukten beziehungsweise den von ihnen genährten Verteilungsbecken abzweigten.
Inwieweit stellten die Wasserleitungen eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung dar?
Große Bedeutung kommt dem Härtegrad des Wassers zu. Je härter das Wasser, um so geringer die Gefahr einer Kontamination durch Blei. Durch die bei hartem Wasser verstärkt auftretenden Kalkablagerungen entstand relativ schnell eine Isolierschicht, die das Trinkwasser vor dem Bleimantel der Röhre schützte. Bei weicherem Wasser (ph Wert~6.5) löst sich das Blei im Wasser und vergiftet es. Zwar kann der Härtegrad des von dem Römern benutzten Trinkwassers nicht mehr festgestellt werden, doch aufgrund der nachweisbaren Kalkablagerungen dürfte keine besondere Gefährdung der stadtrömischen Bevölkerung vorgelegen haben dürfte. In anderen Regionen Italiens und in den Provinzen mag es freilich ganz anders ausgesehen haben. Überall dort, wo das Wasser weich war, ist mit einer spürbaren toxischen Wirkung auf den Organismus von Menschen zu rechnen, die in ihrem Leben große mengen durch Bleiröhren geleiteten Wassers tranken. Besonders gefährdet waren diejenigen, die ihr Trinkwasser aus Bleitanks schöpften, die nicht selten zur Speicherung des zugeleiteten Wassers verwendet wurden. Ein weiterer Risikofaktor war die Temperatur. Die Löslichkeit von Kalk im Wasser nimmt mit steigenden Temperaturen ab. In warmen Gegenden - und ein Großteil des in subtropischen Breiten liegenden Imperium Romanum gehörte dazu - bestand die Gefahr, dass sich Blei verstärkt in Wasser löst. Ohne Zweifel dürfte eine nicht geringe Zahl an Römern an Bleivergiftungen und ihren chronischen Folgen gelitten haben. Besonders die römische Oberschicht war davon betroffen. Der Philosoph Seneca vermittelte die Zusammenhänge zwischen ausschweifenden Zivilisationsgenüssen und Krankheiten ein anschauliches Bild der durch Völlerei ausgelösten Körperschwäche vieler Zeitgenossen vor allem aus der oberen sozialen Schichten. Ihre Haut soll blass gewesen sein, sie sollen einen schwankenden Gang gehabt haben, und ein ständiges Zucken der ständig vibrierenden Nerven. Diese Krankheitssymptome könnten sich durchaus auf eine Bleivergiftung beziehen. Es ist leicht möglich, dass jenes chronische Leiden, das der römischen Oberschicht zugesetzt hat, vielfach durch den Genuss bleiverseuchten Weines ausgelöst und verschärft worden ist, nämlich die Gicht. Ihr übermäßiger Konsum von Wein dürfte die Grundlage für die Podagra (Gicht) gewesen sein. Außerdem verwendeten sie private aus Bleiröhren gefertigte Wasseranschlüsse. Die ärmere Schicht erhielt das Wasser aus den zugänglichen Brunnen, das offensichtlich gesundheitsförderlicher war. Bleivergiftungen können zu vielen fatalen Langzeitfolgen geführt haben, darunter Anämie, neurologische Erkrankungen, aber auch geringere Fruchtbarkeit bei Männern und Frauen.
A. Kobart hat sogar im Jahre 1909 detailliert nachzuweisen versucht, dass der Fall des Römischen Imperium mit der Ermattung und dem Aussterben der führenden Schicht zufolge von Bleivergiftung zu erklären ist. Allerdings wird sie von dem meisten ernstzunehmenden Forschen als indiskutabel abgelehnt. Komplexe und historische Prozesse lassen sich nicht mit monokausalen Erklärungsmustern deuten, doch könnte das Blei eine Schwächung der körperlichen und geistigen Kräfte bewirkt haben und einen gewissen Anteil an dem Niedergang Roms gehabt haben.


9. Fazit
Vergleicht man antike und moderne Umweltprobleme so lässt sich ein prinzipieller Unterschied feststellen: Antike Klagen über ökologische Missstände sind immer partiell: Wenn Seneca oder Sallust umweltzerstörendes Verhalten beklagen, dann als Verletzung einer moralischen, ideellen Norm: Naturzerstörung als Folge und Zeichen von Habgier, Luxusstreben und Maßlosigkeit. Die Umweltprobleme der Antike sind dabei stets geographisch begrenzt: Wenn die Stadtluft zu stickig ist, flieht man an die Küste, wenn die Hektik in Rom unerträglich geworden ist, reist man auf sein Landgut, wem Italien zu vergiftet erscheint, kennt reizvolle Plätze außerhalb Italiens oder flieht gedanklich in die Dichtkunst der Bukolik.
Nie jedoch erscheinen in der Antike die natürlichen Lebensgrundlagen insgesamt gefährdet, nie ist die Existenz der Menschheit und der nachfolgenden Generationen in Frage gestellt. Dies ist der fundamentale Unterschied zwischen der antiken Umweltsensibilität, die partielle und regionale Missstände feststellt, und der globalen Bedrohung der Natur und des Lebens in unserer heutigen Zeit.

 
 


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