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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Kann der termin 01.01.1999 eingehalten werden?



In den letzten Monaten ist eine heftige Debatte über den Starttermin für die europäische Währungsunion geführt worden. Dabei wird in öffentlichen Debatte der 01.01.1999 als "vertraglich vereinbartet Starttermin" angesehen, obwohl Art. 109j(4) EGV diesen Termin nur dann als Starttermin vorsieht, wenn bis Ende 1997 der Rat keinen anderen - auch wesentlich später liegenden - Starttermin vereinbart hat.

Im Mittelpunkt stehen im zwei Positionen:

1. Der Starttermin 01.01.1999 soll auf keinen Fall verschoben werden

Wolfgang Gerhardt (FDP-Vorsitzender) begründet die o.g. Position mit den Argumenten, daß den Termin in Zweifel zu ziehen, dazu führen könnte, daß die Bemühungen nachlassen könnten, die Voraussetzungen für die dritte Stufe zu erfüllen. Das wird auch vom ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München gefordert. Seiner Ansicht nach ist einer Teilwährungsunion einer Verschiebung vorzuziehen, weil "eine Verschiebung das Bemühen um die Erfüllung der Konvergenzkriterien erlahmen lassen und auch unerwünschte Reaktionen der Finanzmärkte zur Folge haben könnte."

Bundespräsident Roman Herzog sagt, daß der gemeinsame Binnenmarkt die Währungsunion als Ergänzung brauche. Diese These vertritt auch die Kommission: "Heute macht der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten 60% des gesamten Außenhandels der Union aus. Die Verwirklichung des gemeinsamen Marktes und die Liberalisierung des Kapitalverkehrs bedürfen einer logischen und wesentlichen Ergänzung: der einheitlichen Währung."

Gegen eine Verschiebung hat sich auch das Bundesbank-Direktoriumsmitglied Peter Schmidhuber ausgesprochen. Er vertritt die Ansicht, daß die EU nur unter Zeitdruck im fähig sei, etwas zustande zu bringen. Wenn der Start-Zeitpunkt verschoben würde, wird die Unsicherheit nur viel größer. Der Starttermin 01.01.1999 sei möglich. Das Entscheidende ist der politische Wille. Eine ähnliche Ansicht vertritt auch der bayrische Landeszentralbankchef Franz-Christoph Zeitler, der vom Festhalten am 01.01.1999 eine disziplinierende Wirkung erwartet.

Beworben wird die Währungsunion und vor allem das Einhalten des Zeitplans vom Europäischen Unternehmerverband Unice. Der Unice-Präsident François Perigot stellte klar, daß die zu spürende Verlangsammung des Wirtschaftswachstums kein Grund sein dürfe, vom Integrationspfad und vom Währungsunion-Zeitplan abzuweichen. "Verschieben heißt stoppen", hielt Perigot Skeptikern im eigenen Lager und in der Politik entgegen.

Die o.g. Stellungnahmen beinhalten den Tenor: Keine Verschiebung des Zeitplans, damit es zu keiner Vernachlässigung der Stabilitätsdisziplin sowie Beeinträchtigung des Binnenmarkts kommt. Es gibt aber noch andere Argumente in der Termin-Debatte, die für eine Einhaltung des Zeitplans sprechen. So haben sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Mitgliedsgewerkschaften gegen eine Verschiebung des Starttermins ausgesprochen. Sie meinen, daß je früher die Währungsunion komme, desto eher könne es auch zu einer europäischen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik kommen. Der DGB-Vorstand erklärte, daß sofern Anfang 1998 mindestens Deutschland und Frankreich die Konvergenzkriterien erfüllten, sollte die Währungsunion 1999 starten.

Diese Haltung ist für Arbeitnehmervertreter eher verwunderlich, da die harten Budgetrestriktionen, die zur Erreichung und Einhaltung der Konvergenzkriterien notwendig sind, eher dazu führen, Arbeitsplätze zu gefährden bzw. die Bereitstellung von Mitteln für arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wesentlich zu erschweren. Hinzu kommt, daß auch nach dem Starttermin die Teilnehmer an der Währungsunion große Anstrengungen unternehmen müssen, um die Stabilität zu sichern. Es ist also nicht damit zu rechnen, daß kurzfristig nach dem Start der Währungsunion mehr Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, um die vom DGB zurecht verlangte Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik zu finanzieren.



2. Lieber den Starttermin verschieben

Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Dieter Spöri (SPD) fordert eine Verschiebung des Projekts um fünf Jahre. "Die neusten Arbeitsmarktdaten zeigten, daß wir es uns absolut nicht leisten können, zusätzliche Arbeitsplätze auf dem Altar einer schludrig vorbereiteten Währungsunion zu opfern". Belgiens Wirtschaftsminister Elio Di Rupo hält eine Verschiebung für akzeptabel, falls die Hauptteilnehmer nicht bis 1999 dafür bereit seien. Falls sich Deutschland und andere wichtige Mitglieder der EU sich aufgrund der stetig verschlechternden europäischen Wirtschaftslage dazu entschlössen, die Währungsunion zu verschieben, "sollte die Entscheidung so schnell wie möglich fallen". Auch der schwedische Finanzminister Goran Persson hält eine Verschiebung für möglich.






Mit Blick auf die aktuellen Schwierigkeiten die Kriterien für die Währungsunion zu erfüllen, vertrat der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Horst Köhler die Ansicht, daß Konvergenz Vorrang vor den Terminen haben muß. Eine Verschiebung darf aber nicht das Ziel haben, auf die Währungsunion zu verzichten. "Wenn man den Kreis der Teilnehmerländer politisch zusammenbastelt und die Konvergenzkriterien aufweicht, dann ist die Wahrscheinlichkiet groß, daß die Finanzmärkte mißtrauisch werden und es statt zu Stabilität zu Währungsturbulenzen kommt. Deshalb sollte es auch keinen Terminzwang zu jedem Preis geben."

Der bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber sagte, daß die Währungsunion so augestaltet werden sollte, daß ein späteres Auseinanderbrechen oder Scheitern ausgeschlossen ist. "Dies wäre eine wirkliche Katastrophe für Europa. Dies zu verhindern, ist wichtiger als die Einhaltung des Zeitplans, wenn es am grundsätzlichen Ziel einer Währungsunion keinen Zweifel gibt."

Vor starrem am Zeitplan festhalten hat der SPD-Vorsitzende Oscar Lafontaine gewarnt. Er vertrat die Ansicht, daß wenn die konjunkturelle Lage auch 1996 und 1997 schlecht bleibe, müsse die für 1999 geplante Währungsunion verschoben werden. Wörtlich sagte er: "Die Währungsunion ist kein Selbstzweck. Sie muß Wachstum und Beschäftigung in Gesamteuropa sichern."

Die Frage ist nun aber, wie realistisch ist der in der öffentlichen Debatte diskutierte Starttermin 01.01.1999? Für die Kommission scheint dieser Termin festzustehen. Im "Grünbuch über die praktischen Verfahren zur Einführung der Einheitswährung" (Grünbuch) betont sie noch einmal, daß die dritte Stufe spätestens am 01. 01.1999 beginnen wird.




Der Chef-Volkswirt der Dresdner Bank Klaus Friedrich vertrat die Ansicht, daß die Währungsunion 1999 mit Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich, Luxemburg, Irland, Dänemark und den Niederlanden starten werde. Die Wahrscheinlichkeit für eine Verschiebung ist allerdings zwischenzeitlich größer geworden. Größtes Risiko für die Währungsunion ist eine Rezession mit ihren negativen Folgen für die Staatshaushalte.
Mit diesem Risiko einer Rezession rechnet Dieter Spöri. Er sagt, daß ein Beharren auf dem Starttermin ein Ausbleiben der Konjunkturankurbelung zur Folge haben wird. In ganz Europa sei dann mit einer Rezession zu rechnen.

Die derzeitige Bundesregierung scheint nicht mehr an einen pünktlichen Beginn der Währungsunion zu glauben. Helmut Kohl vertrat die Ansicht, daß der Termin nur "das Zweitwichtigste" sei. "Komme die Währungsunion zwei Jahre später geht die Welt auch nicht unter." Auch in der deutschen Industrie wachsen zunehmende Zweifel. "Eine Währungsunion nach Fahrplan werde Europa mit erheblichen Gefahren für die deutsche Wirtschaft in zwei Klassen trennen", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Hans-Olaf Henkel.

Entscheidend über den Starttermin wird die Anzahl der Länder sein, die die Konvergenzkriterien erfüllen, bzw. wieweit der Toleranzspielraum beim Auslegen der Kriterien ausgereizt wird. Baron Alexandre Lamfalussy, Chef des EWI, meint, damit das System Sinn macht, werden fünf bis sieben Länder gebraucht. Dabei müßten die meiten EU-Länder noch einiges leisten, um sich zu qualifizieren. Aber viele haben eine gute Chance, das Ziel zu erreichen. Nach den Aussagen von Lamfalussy kann es eine kleine zeitliche Verzögerung geben.






Aber nicht nur der Startzeitpunkt scheint momentan zur Debatte zu stehen, sondern auch der Zeitpunkt zu dem eine Einzelprüfung der Einhaltung der Konvergenzkriterien durch die einzelnen Mitgliedsländer durchgeführt werden soll. Es sieht so aus, daß "die Staats- und Regierungschefs sich vor einer unangenehmen Pflicht drücken wollen." Beim nächsten Gipfeltreffen im Dezember 1996 in Dublin soll nicht - wie der Maastricht-Vertrag ausdrücklich vorschreibt - jedes Mitgliedsland einzeln geprüft werden, ob es die Konvergenzkriterien erfüllt. Das ergibt sich aus einem bislang kaum beachteten Teil der Abschlußerklärung des EU-Gipfeltreffens Ende Juni 1996 in Florenz.

Diese sich jetzt abzeichnende Verschiebung der Prüfung bleibt nicht unkritisiert: Christa Randzio-Plath (SPD, Vorsitzende des Unterausschusses Währung des EP) fordert, daß der Rat sich nicht drücken darf. "Sonst werde der Maastricht-Vertrag verletzt, und die Glaubwürdigkeit des ganzen Projektes nehme schaden."

 
 

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