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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Entwurf einer erklärung der "regierung" beck / goerdeler 1944



Nachdem uns die Geschäfte der Reichsregierung übertragen sind, ist es unsere Pflicht, die Grundsätze bekanntzugeben, nach denen wir die Regierung führen werden, und die Ziele mitzuteilen, die wir erstreben.

1. Erste Aufgabe ist die Wiederherstellung der vollkommenen Majestät des Rechts. Die Regierung selbst muß darauf bedacht sein, jede Willkür zu vermeiden, sie muß sich daher einer geordneten Kontrolle durch das Volk unterstellen. Während des Krieges kann diese Kontrolle nur vorläufig geordnet werden. Einstweilen werden lautere, sachkundige Männer aus allen Ständen berufen werden; ihren Rat wollen wir einholen. Vor allem aber werden wir sie beauftragen, auf allen Gebieten genau die Erbschaft festzustellen, die wir übernommen haben. [...]

2. Wir wollen die Moral wiederherstellen, und zwar auf allen Gebieten des privaten wie öffentlichen Lebens.

Die Korruption ist in unserem früher so reinen Volk von hohen und höchsten Würdenträgern in einem bisher in der Welt nicht dagewesenen Umfang großgezogen. Während draußen unsere Soldaten kämpfen, bluten und fallen, ihre Glieder verlieren, führen Männer wie Göring und andere Größen ein Luxusleben, rauben Edelsteine, Gemälde und sonstige Wertstücke, füllen ihre Keller und Böden mit Vorräten, fordern das Volk zum Durchhalten auf und drücken sich und ihren Anhang feige vor dem Opfer dort draußen. [...]

Zur Sicherung des Rechts und des Anstandes gehört die anständige Behandlung aller Menschen. Die Judenverfolgung, die sich in den unmenschlichsten und unbarmherzigsten, tief beschämenden und gar nicht wiedergutzumachenden Formen vollzogen hat, ist sofort eingestellt. Wer geglaubt hat, sich am jüdischen Vermögen bereichern zu können, wird erfahren, daß es eine Schande für jeden Deutschen ist, nach einem unredlichen Besitz zu streben. Mit solchen Marodeuren und Hyänen unter den von Gott geschaffenen Geschöpfen will das deutsche Volk in Wahrheit auch gar nichts zu tun haben. [...]

3. Der Lüge sagen wir den Kampf an, die Sonne der Wahrheit soll ihre dicken Nebel auflösen. Unser Volk ist in der schamlosesten Weise über seine wirtschaftlichen, finanziellen und politischen sowie über die militärischen Ereignisse belogen worden. [...]

4. Die zerbrochene Freiheit des Geistes, des Gewissens, des Glaubens und der Meinung wird wiederhergestellt.

Die Kirchen erhalten wieder das Recht, frei für ihr Bekenntnis zu wirken. Sie werden in Zukunft vom Staate getrennt leben, weil sie nur in Selbständigkeit und unter Fernhaltung von aller aktiven politischen Betätigung ihrer Aufgabe gerecht werden können, [...]

Die Presse soll wieder frei sein. Im Krieg muß sie sich den Beschränkungen unterwerfen, die in jedem Kriege für ein Land unerläßlich sind. Jeder, der eine Zeitung liest, soll erfahren, wer hinter dieser Zeitung steht. Der Presse wird es nicht wieder gestattet sein, bewußt oder fahrlässig die Unwahrheit zu sagen. [...]

5. Es ist vor allem die deutsche Jugend, die nach der Wahrhaftigkeit ruft. Wenn es eines Beweises für die göttliche Natur des Menschen bedürfte, hier haben wir ihn. Selbst die Kinder wenden sich in natürlicher Erkenntnis dessen, was wahr und gelogen ist, beschämt und empört von der ihnen zugemuteten Unwahrhaftigkeit der Gesinnung und Rede ab. Es war wohl das größte Verbrechen, diesen Wahrhaftigkeitssinn und mit ihm den Idealismus unserer Jugend zu mißachten und zu mißbrauchen. Wir wollen ihn daher schützen und stärken - der Jugend und ihrer Erziehung gilt eine unserer Hauptsorgen. [...]






7. Die Wirtschaft kann im Kriege nur in der bisherigen Verfassung der Zwangswirtschaft und der bewachten Kreise fortgeführt werden. Solange ein Mangel an lebenswichtigen Gütern besteht, ist, wie jeder einsehen wird, eine freiere Wirtschaft nicht möglich, es sei denn, daß man über die Lebensinteressen der Minderbemittelten kaltherzig zur Tagesordnung übergehen wollte. Wir werden auch alle Maßnahmen aufheben, die zu tief in die Freiheiten des einzelnen eingegriffen haben und die ohne Überlegung und zwingende Notwendigkeit die wirtschaftliche Existenzen in Handel, Handwerk, Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft vernichtet haben. [...]

9. Daraus ergibt sich der Inhalt der auf Ausgleich gerichteten Staatspolitik, Sozialpolitik. Sie soll unverschuldete Schwäche schützen und die Möglichkeit geben, sich solidarisch gegen die Widrigkeiten dieses Lebens zu sichern. Sie soll ferner da eintreten, wo das Interesse, Ersparnisse zu erhalten, in Widerspruch gerät mit dem Interesse, die Arbeitskraft der jetzt Lebenden zu sichern. [...]

10. Grundvoraussetzung gesunder Wirtschaft ist die Ordnung der öffentlichen Haushalte. Die Ausgaben müssen sich im Rahmen der echten Einnahmen halten, die Staat, Gaue, Kreise und Gemeinden in ihren Bürgern beziehen können. Es erfordert Anstrengung, Charakter, Verzicht und Kampf, um diese Ordnung wiederherzurichten; aber sie ist die wichtigste und unerläßliche Grundlage gesicherter Währung und allen wirtschaftlichen Lebens. Von ihr hängt der Wert aller Ersparnisse ab. Ohne sie ist auch der Außenhandel nicht möglich, auf den wir seit mehr als hundert Jahren angewiesen sind. Wir sehen in den wachsenden Schuldenlasten aller kriegführenden und neutralen Staaten eine ungeheuer große Gefahr. Sie bedrohen die Währungen. Jeder Staat wird sich nach dem Kriege vor eine ganz außerordentlich schwierige Aufgabe gestellt sehen. Wir hoffen, für die Schuldentilgung Lösungen finden zu können, wenn es gelingt, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Völker wiederherzustellen. [...]

11. Aber noch ist Krieg. In ihm gebührt unser aller Arbeit, Opfer und Liebe den Männern, die das Vaterland verteidigen. Ihnen haben wir alles an seelischen und materiellen Werten zuzuführen, was wir irgend schaffen können. Mit ihnen stehen wir in Reih und Glied, aber nunmehr alle wissen, daß nur die zur Verteidigung des Vaterlandes und zum Wohle des Volkes notwendigen, nicht aber die der Eroberungssucht und dem Prestigebedürfnis eines Wahnsinnigen dienende Opfer verlangt werden, und daß wir diesen Krieg fernerhin mit reinen Händen, in Anstand, mit der Ehrenhaftigkeit, die jeden Soldaten auszeichnet, führen werden. [...]

Gehen wir wieder den Weg des Rechts, des Anstandes und der gegenseitigen Achtung! In solchem Geist wollen wir alle unsere Pflicht erfüllen. Folgen wir ernsthaft und in allem den in unser Gewissen geschriebenen Geboten Gottes, auch dann, wenn sie uns hart ankommen, tun wir alles, um verwundete Seelen zu heilen und Leid zu mindern. Dann allein können wir die Grundlage für eine gesicherte Zukunft auch unseres Volkes in einer wieder von Vertrauen, von gesunder Arbeit und friedlichen Gefühlen erfüllten Völkerfamilie schaffen.

 
 

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