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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die bündner wirren





Die geschichtlichen Abläufe jener Zeit sind sehr komplex, nicht umsonst wird von "Bündner Wirren" gesprochen. Die wesentlichen historischen Abläufe werden im Folgenden zusammengefasst.



Weitaus heftiger als die übrige Schweiz wurde Graubünden in den Dreissigjährigen Krieg einbezogen. Das Interesse der kriegführenden Mächte galt neben den Söldnern und Alpenpässen in immer grösserem Masse dem Veltlin. Diesem bündnerischen Untertanenland kam als kürzeste und bequemste Verbindung zwischen dem österreich-habsburgischen Tirol und dem spanischen-habsburgischen Mailand, als Einfallstor ins Herzogtum Mailand sowie als Grenzland der Konfessionen grosse geopolitische und strategische Bedeutung zu. Die Venezianer und die Franzosen waren bestrebt, diesen Transitkorridor für die habsburgische Herrschaft zu sperren. Die Habsburger hingegen verfolgten genau das entgegengesetzte Ziel. Um die Bündner Politik für sich zu gewinnen, wurde versucht, mit Geld, Drohungen und Versprechungen Einfluss zu schaffen. Die daraus entstandenen Parteiungen stürzten das Land in anarchistische Zustände und drohten, es zu zerreissen. Durch die in Graubünden erst spät einsetzende Gegenreformation wurden diese Turbulenzen noch verstärkt. Die sehr lockere politische Struktur des Dreibündenstaates, die weder eine gesamtstaatliche Regierung noch Justiz zuliess, erschwerte die Lage zusätzlich. Familienfehden innerhalb der Bündner Führungsschicht, Rivalitäten in und unter den Talschaften, der Streit zwischen den zumeist kohärenten österreich-spanischen und venezianisch-französichen Parteigruppen sowie der Kampf zwischen den Häusern Habsburg und Bourbon um Europas Vorherrschaft durchwirkten sich in den Bünden.



Strafgerichte und sogenannte "Fähnlilupfen", von Aristokraten angeführten Parteien, standen sich bereits vor 1600 gegenüber. Die gemeinstaatlichen Versuche, diesen Umtrieben Einhalt zu gebieten, scheiterten weitgehend. Die Bemühungen um Graubünden wurden zu Beginn des 17 Jahrhunderts von den ausländischen Mächten verstärkt. 1602 gelang Frankreich die Bündniserneuerung mit Bünden. 1603 schloss Venedig eine Allianz mit Graubünden. Doch dies gefiel Mailand gar nicht. Man reagierte auf die geschlossenen Bündnisse mit einem Handelsembargo und liess am Eingang des Veltlins die Festung Fuentes bauen. 1607 folgte einem "Fähnlilupf" ein Strafgericht, das sich vorerst gegen die venetianische, später aber auch gegen die habsburgische Seite wandte.



An die Spitze der 1618 gegen Spanien gerichteten Bewegung stellten sich junge radikale Prädikanten, unter Ihnen auch Jürg Jenatsch. Nach einem von ihnen in die Wege geleiteten "Fähnlilupf" spielten sie im hart vorgehenden Strafgericht von Thusis eine führende Rolle. Wenig später hob ein weiteres Gericht die in Thusis verhängten Urteile wieder auf, worauf ein neuerliches diese wiederum bestätigte.



Der Verlauf der Strafgerichte führte im Veltlin, zusammen mit dem lang gehegten Wunsch, die Fremdherrschaft abzuschütteln und das Tal vom Protestantismus zu reinigen, 1620 zum Aufstand gegen die Bündner (Veltliner Mord). Dieser wurde von der einheimischen Führungsschicht angezettelt. Die Drei Bünde verloren die Talschaft. Am Widerstand Mailands scheiterten die Versuche, das Veltlin zurück zu erobern. Aus Rache wurde darum in Bünden der Parteiführer der pro-spanischen katholischen Partei, Pompejus vom Planta, ermordet.



1621 fielen österreichische Truppen ins Land ein. Graubünden musste 1622 in den Mailänder Artikeln und später im Vertrag von Lindau auf seine Untertanenlande verzichten. Die Prättigauer, Davoser und







Unterengadiner wurden zudem, nach alten Rechten, wieder habsburgische Untertanen. 1622 wurde ihnen auch die Ausübung des protestantischen Glaubens verboten. Dies hatte den Prättigauer-Aufstand zur Folge, bei dem die Österreicher vertrieben wurden. 1623-1624 und 1629-1631 folgten zwei weitere österreichische Invasionen.



Kardinal Richelieu, er war neu an die Spitze Frankreichs getreten, betrachtete das Veltlin als geeigneten Ansatzpunkt, um Spanien zu schwächen. 1624-1625 wurde das Veltlin durch bündnerische und französische Truppen besetzt. 1629 überliess Richelieu jedoch die eroberte Talschaft wieder den Spaniern. Nach der schwedischen Niederlage in Deutschland griff Frankreich 1634 erneut ein. Es erteilte Duc Henri de Rohan den Auftrag, ins Veltlin einzumarschieren. Richelieu war aber auch diesmal nicht bereit, das Untertanenland den Bündnern zurückzugeben. Der Vertraute von Rohan, Jürg Jenatsch, knüpfte aus diesem Grund sowie wegen erheblichen französischen Soldrückständen heimliche Verbindungen zu Österreich und Spanien. 1637 kam es zum Aufstand der mit ihren Truppen in spanischen Sold wechselnden Bündner-Offiziere. Rohan musste kapitulieren. Gemäss dem 1. Mailänder Kapitulat mit Spanien konnten die Bündner 1639 ihre Untertanenlande mit einigen - vorab konfessionellen - Einschränkungen wieder in Besitz nehmen.



Im Januar 1639 verbrachte Jürg Jenatsch einige Wochen im Kreise seiner Familie in Chur. Am 24. Januar begab sich der Oberst mit einigen früheren Waffengefährten in die etwas abseits gelegene Wirtschaft des Pastetenbäckers Fausch, das "Staubige Hüetli". Immer mehr Gäste trafen ein, um bei Musik und Tanz einen gemütlichen Abend zu verbringen. Als sie sich anschickten, die Stube gegen Mitternacht wieder zu verlassen, betrat eine grosse Maske - es war Fastnacht - die Stube. Sie schritt auf Jenatsch zu und fasste ihn kräftig bei der Hand. Die Maske zog eine Pistole und feuerte sie auf Jenatsch ab, verfehlte jedoch ihr Ziel. Jenatsch ergriff einen Leuchter, um sich zu wehren. Im selben Augenblick drangen weitere Maskierte ein und droschen mit Äxten und anderen Mordwerkzeugen auf Jenatsch ein. Als Jürg Jenatsch mit zerschmettertem Haupte auf den Boden sank, verschwanden die Täter in der Nacht. Die Leiche des Volkshelden wurde am nächsten Tage unter grosser Prachtentfaltung in der Kathedrale von Chur bestattet.



Durch das Strafgericht wurde noch am Begräbnistage eine Untersuchung anberaumt, diese förderte aber nichts Greifbares zu Tage. Die Ermordung wurde allgemein als ein Akt verwandtschaftlicher Blutrache angesehen. Die wirklichen Mörder waren nämlich Rudolf von Planta, der Sohn des 1621 in Rietberg von Jenatsch und Mitverschworenen ermordeten Pompejus von Planta, und sein Hauptmann, Prevost-Zambra, der Sohn des in Thusis vom Strafgericht hingerichteten Prevost. Die intellektuelle Urheberin war wahrscheinlich die Schwester Rudolfs, Katharina (Lucretia) von Planta. Auf alle Fälle war sie Mitwisserin. Politische und persönliche Feinde und einige Jenatsch nahestehende Obersten begünstigten den Mord. Ihre Werkzeuge waren maskierte Haldensteiner-Bauern. Nicht nachweisbar ist jedoch, dass die französische Regierung an der Bluttat teilgehabt hatte.



 
 



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