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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Linguistische programmatik


1. Drama
2. Liebe

An der besonderen Stellung des Wortes "Name" in der Lyrik Celans (durch seine starke Geladenheit und auffallende Kontinuität) liest W. Menninghaus eine "Intention auf den Namen" ab, die er als "Intention auf die Sprache" versteht. Dadurch ergibt sich eine Verbindung mit Walter Benjamins Sprachphilosophie, die mit dieser "Intention auf die Sprache" "keine bloße Absicht oder ein abstraktes Wollen [meint], sondern die die innere Form eines Sprechens ,prägende Gewalt', die alles ,Gemeinte' durchwaltende ,Art des Meinens', das ,Prinzip' von Sprachgestaltung, nach dem eine Rede (Text) in ihrer (seiner) inneren Form ,gerichtet' ist."
Allgemein gesprochen zeigt sich also, daß es in Celans Gedichten in irgendeiner Weise um eine Motivation des sprachlichen Zeichens geht. Eine auf rein formale Schönheit ausgerichtete Lyrik im Sinn der poésie pure Mallarmés, der es um eine "absolute Motivation des materiellen signifiant jenseits und in bewußter Loslösung vom signifié" geht, kommt dabei schon aufgrund der poetologischen Äußerungen Celans im "Meridian" nicht in Frage. Die Gedichte scheinen daher auf eine Korrelation von Signifikant und Signifikat zu zielen, die gewöhnlich als arbiträr angesehen wird.
"Das von ihm angestrebte ,Sprechen' des ,Gedichts' - so formuliert Celan in offenkundiger Anspielung auf Saussures Unterscheidung von langue und parole - sei grundsätzlich verschieden von dem allgemeinen, arbiträr-differentiellen System der ,Sprache schlechthin'. Es solle vielmehr eine ,Individuation' des ,Sprechens' realisieren, die ,vermutlich auch nicht erst vom Wort her ,Entsprechung'' sei, also eine innere Beziehung zwischen der materiellen Form der signification und ihrer geistigen Bedeutung herstelle und damit auch das für gewöhnlich als abwesend (,draußen') gedachte signifié nicht-signifikativ=unmittelbar in die materielle ,Gegenwart und Präsenz' des Gedichts einwebe [...]."

Das Gedicht soll also eine Verbindung von Signifikant und Signifikat anstreben, um eine Unmittelbarkeit des Sprechens zu erreichen. Celan wendet sich gegen die "totzuschweigende Zeichen-Zone" (GWII, 91) und spricht ausdrücklich vom "zu versenkenden Zeichen" (GWII, 37) oder von bereits "zusammengetretenen / Zeichen" (GWII, 69) - sein erklärtes Ziel ist, mit W. Menninghaus gesprochen, das "Versenken der semiologischen Differenz" .
Zwei Aspekte dieser Differenz stören Celan besonders: die Arbitrarität des Zeichens und die damit verbundene Abwesenheit und Abstraktheit der Bedeutung, die beide durch ein lebendiges Sprechen im Gedicht überwunden werden sollen. Anhand von Beispielen soll vorgeführt werden, wie Celans Gedichte die angestrebte Indifferenz der "signification" thematisieren bzw. auch zu realisieren versuchen.
W. Menninghaus gelingt es zu zeigen, daß sich Celans metapoetische Sprachreflexion einer optischen Metaphorik bedient, die von grell "blendendem Licht" über Zwischenstufen bis hin zum "Schatten" reicht. Das grell blendende Licht bildet durch seine schroffe "Differenz zum Wahrnehmungsapparat des von ihm Geblendeten" und seine "kommunikationsfeindliche Atmosphäre" den negativen Pol und entspricht damit der "in sich unvermittelten, nicht miteinander kommunizierenden" Differenz von Signifikat und Signifikant. Den Gegenpol dazu bildet der "Schatten".

"SCHWIMMHÄUTE zwischen den Worten,


ihr Zeithof -
ein Tümpel,

Graugrätiges hinter

5 dem Leuchtschopf
Bedeutung." (GWII, 297)

Hier zeigen sich weitere Aspekte Celans metapoetischer Metaphorik. Die "Schwimmhäute zwischen den Worten" (1), ihr "Tümpel" (3) und die ,Gräten' sind dem "Leuchtschopf / Bedeutung" (5f.) nicht nur farblich ("grau" - "leuchten"), sondern auch bildlich entgegengesetzt: ",Häute' und ,Gräten' als Gestalten des vermittelnden ,Zwischen' versus unvermitteltes Herausstehen des ,Leuchtschopfs', Vermischtheit der Materien bis zur Ununterscheidbarkeit im ,Tümpel' versus scharfe Konturen des ,Leuchtschopfs'" . Diese Gegensätze entsprechen der Opposition von (vertikaler) Differenz und (horizontaler) Indifferenz der "signification".
Den Vorgang des Überführens der semiologischen Differenz in die Indifferenz thematisiert das folgende kurze Gedicht:
"KLOPF die

Lichtkeile weg:


Das schwimmende Wort
hat der Dämmer." (GWII, 268)

Durch das "Wegklopfen" der vertikalen "Lichtkeile" (2) Bedeutung kann die Differenz zwischen Signifikat und Signifikant aufgehoben werden. Der "Dämmer" (4) bewirkt ein Verschwimmen der scharfen Konturen. Sowohl der "Dämmer" als auch die Metapher des "Schwimmens" erscheint in mehreren anderen Gedichten Celans. Schon im Gedicht "Sprich auch du" aus dem 1955 erschienen Band "Von Schwelle zu Schwelle" heißt es:

"[...]
Beim Tode! Lebendig!

15 Wahr spricht, wer Schatten spricht.

Nun aber schrumpft der Ort, wo du stehst:
Wohin jetzt, Schattenentblößter, wohin?

Steige. Taste empor.
Dünner wirst du, unkenntlicher, feiner!

20 Feiner: ein Faden,
an dem er herabwill, der Stern:

um unten zu schwimmen, unten,
wo er sich schimmern sieht: in der Dünung

wandernder Worte." (GWI, 135)

Das Gedicht läßt sich als poetologisch-programmatische Selbstanweisung lesen. Der Dichter soll zum "Faden" (20) werden, der den (hellen) "Stern" (21) mit der "Dünung / wandernder Worte" (23f.) verbindet. Die vertikale Differenz zwischen dem "Stern" und den wandernden "Worten" wird aufgelöst, der "Stern" "schwimmt" in einer horizontalen Ebene mit den "Worten". Das erinnert an folgende Verse aus "Sprachgitter":
"Iris, Schwimmerin, traumlos und trüb:
der Himmel, herzgrau, muß nah sein." (GWI, 167)

Auch hier das Motiv des Schwimmens, ein "Himmel", der "nah" ist (d.h. es gibt keine vertikale Differenz), die Worte "trüb" und "herzgrau" als Gegensatz zum grellen Licht.
Das Gedicht "Bakensammler" aus "Lichtzwang" (1970) spricht ebenfalls von der Aufgabe des Dichters:

"BAKEN-

sammler, nächtlings,
die Hucke voll,

am Fingerende den Leitstrahl
5 für ihn, den einen an-

fliegenden Wortstier.


Baken-
meister." (GWII, 244)

"Baken", Orientierungszeichen auf Verkehrswegen (auch Leuchtzeichen für Schiffe), stehen nach W. Menninghaus in diesem Gedicht für die arbiträren Zeichen, von denen der Dichter, der Bakensammler, "die Hucke voll" (3) hat. Der "Wortstier" (6) stehe für eine "besondere, einzigartige Sprachgestalt" , deren Anflug nicht durch die Baken selbst, sondern durch den Bakensammler geleitet werde. Mit dem "Leitstrahl" (4) am Fingerende, möglicherweise dem Schreibmaterial, meistere er gleichsam durch eine Blendung des Blendenden die arbiträren Zeichen.
Der "an-/fliegende[] Wortstier" (5f.) steht im Kontrast zu den arbiträren Zeichen, während allerdings der "Leitstrahl" (4), der den Landevorgang des "Wortstier[s]" (6) regeln soll, dieselben Eigenschaften wie die Baken selbst hat. Die Landung kann nur glücken, wenn dem "Wortstier" (6) die Funktionsweise der Baken - in Form des "Leitstrahl[s]" (4) - entgegengehalten wird. Menninghaus schreibt dazu:
"Das Wort ,Leitstrahl' markiert mithin sowohl die inhaltliche Funktion und die semiologische Form der Bake als auch - eine Art Mimikry - die Strategie dessen, der die arbiträr-instrumentelle Zeichen-Logik, bis zum Überdruß von ihr erfüllt (,die Hucke voll'), immanent durchbricht und aus einem Zeichen-Sammler zu ihrem Bewältiger, Überwältiger, kurz: ,Meister' wird."

Wenn der Dichter den "Wortstier" (6) so zur Landung bringt, schafft er aus arbiträren Zeichen etwas Neues und wird dadurch selbst vom Bakensammler zum Bakenmeister. Die neuartige sprachliche Figur, der "Wortstier" (6), kann aber nur im Durchgang durch die Funktionsweise der "Baken" zur Landung gebracht werden - vergleichbar dem im "Meridian" beschriebenen Gang der Dichtung durch die Kunst hindurch.
W. Menninghaus weist ein dichtes sprachliches Beziehungsgefüge nach, zeigt aber gleichzeitig, daß dessen "Vielstelligkeit" nicht mit seiner "Präzision" konkurriert. Das Gedicht aktiviert auf poetische Weise seine Metapoesie: Die Bake als Inbegriff der "zu versenkenden Zeichen" (GWII, 37), "Bakensammler" und "Bakenmeister" als neologische Metaphern für den Dichter. Der Landevorgang des "an-/fliegenden Wortstier[s]" (5f.) (als Einebnung der Differenz) zeigt ebenfalls sehr deutlich eine Opposition zur vertikalen semiologischen Differenz der Baken als arbiträre Zeichen.

Es stellt sich allgemein die Frage nach der Intention des angestrebten "Versenkens" der semiologischen Differenz. Zunächst ließe es sich - rein theoretisch - als eine Intention auf eine "natürliche" Nomenklatur der Dinge verstehen, also auf onomatopoetische Relationen zwischen singulären Worten und singulären Dingen. Obwohl Celans metapoetische Gedichte (durch die Intention auf den "Namen") das zu bestärken scheinen - weshalb viele Interpreten diese Intention nahegelegt haben -, widerspricht hier, nach Menninghaus, die Poetologie der "Meridian"-Rede, die auf ein "signifié sui generis" hindeutet, "das sich durch die Worte hindurch realisiert" . Menninghaus sieht das signifié, das im Gedicht zu unmittelbarer "Präsenz" gelangen soll, "statt auf der atomistischen Ebene singulärer signifiants in der inneren Form, in der strukturellen Bewegung der Worte [...], in demjenigen, was Benjamin eine sprachliche ,Mimesis' im ,weiteren Sinn' nennt [...]." Das scheint viel eher der "Meridian"-Poetologie zu entsprechen, in der die angestrebte "Gegenwart und Präsenz" (GWIII, 198) des Gedichts nicht als Vergegenwärtigung von Dingen in einzelnen Worten definiert wird, sondern als Verbindung der "Gestalt" einer Person und des (historischen) "Neigungswinkels [ihres] Daseins" (GWIII, 197) mit "Gestalt", "Richtung" und "Atem" (GWIII, 188) ihres Sprechens. Deshalb spricht auch Menninghaus von einer ",magische[n]'=nicht-instrumentelle[n] Ineinsbildung von (historischer, psychologischer) Subjektivität und der ,Gestalt', der inneren Form ihres Sprechens."
Im "Namen" sieht er den Inbegriff dieser "eigenen Gestalt" des Sprechens, das - "un-/berührt von Gedanken" (GWII, 15) - "Gestalt" und "Richtung" (GWIII, 188) der Subjektivität einer Person und ihrer historischen Bedingungen zum Ausdruck bringen soll. Da sich dieses Sprechen nur im Extremfall direkt in einem singulären Wort ("Name") realisieren kann, hat es ihren "Ort" (GWIII, 199) in der inneren Gestalt des Sprechens.

"KLEIDE DIE WORTHÖHLEN AUS
mit Pantherhäuten,

[...]
und lausch ihrem zweiten

und jeweils zweiten und zweiten
Ton." (GWII, 198)

Die angestrebte Sprachform kann sich nicht in verbalen Inhalten der Worte verwirklichen, sondern nur im "zweiten / Ton" einer Sprachbewegung. Es handelt sich in vielen Gedichten um metapoetische Umschreibungen dieser Sprachdimension, "die Humboldt die innere Sprachform und Benjamin die ,magische Seite der Sprache' nennt, ihren ,physiognomischen Ausdruckscharakter' jenseits der ,verbalen Inhalte', kurz: die ,Sprache der Sprache'."

Aus all dem resultiert eine Paradoxie von Celans Metapoesie des "Namens". Eine Sprachform jenseits von transportierten Inhalten wird gefordert, während die Gedichte selbst dennoch weitgehend der kritisierten (inhaltstransportierenden) Sprachlogik gehorchen. In nicht-metapoetischen Gedichten finden sich, nach Menninghaus, sogar "stark markierte ,Bedeutungen' im traditionellen Sinn" .
Anders betrachtet verwirkliche, so Menninghaus, zumindest die Metapoesie "in manchem bereits an sich selbst, was sie scheinbar nur postuliert" . Das geschehe einerseits durch Parallelismen und Oppositionen der metapoetischen Metaphern ("Licht" - "Schatten") und Motiven, andererseits in der Art der Verwendung des Wortes "Name".
Im Verhältnis zur nicht-metapoetischen Lyrik Celans finde hier wieder die Bewegung einer Vermittlung der Differenz in die Indifferenz statt.
"Beide Momente - der Widerspruch zwischen dem metapoetischen Postulat des Transzendierens instrumenteller Signifikativität und der selbst noch in vielem der kritisierten Sprachlichkeit verhafteten Form sowohl des Formulierens als auch des ,poetischen' Realisierens dieses Postulats einerseits, die immanente Poetisierung der metalingualen Sprachfunktion und damit die Ineinsbildung von Poesie und Metapoesie andererseits - werden [...] immer wieder als ein konstruktives Spannungsfeld von Celans ,Sprechen' erkennbar [...]."

 
 

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