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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Italienische nacht


1. Drama
2. Liebe

Volksstück in sieben Bildern von Ödön von Horváth, Uraufführung: Berlin, 20. 3. 1931, Theater am Schiffbauerdamm. - Der Autor, der sich bereits in seinem Roman Der ewige Spießer (1930) um eine Typologie des zeitgenössischen Philisters unter ge¬sellschaftlichem Aspekt bemüht hatte, führt in sei¬nem Schauspiel die politische Ausprägung dieses Menschentyps vor, indem er mit den Mitteln der Satire die phrasenhafte Vereinsmeierei der Ange¬hörigen verschiedener Parteien entlarvt. Im Gegen¬satz zu den ideologisch engagierten Stücken Brechts oder Tollers aus jenen Jahren nimmt Horváth für keine Partei Stellung: "Ich schreibe nicht gegen, ich zeige nur." Seine Kritik, so Horváth, richtet sich "nicht gegen die Politik, aber gegen die Masse der Politisierenden, gegen die vor allem in Deutschland sichtbare Versumpfung, den Gebrauch politischer Schlagworte".
Am Sonntagmorgen im Wirtshaus einer süddeut¬schen Kleinstadt: Zusammen mit einigen ehemali¬gen Gesinnungsgenossen sitzt der inzwischen ver¬bürgerlichte republikanische Stadtrat beim Kar¬tenspiel. Derweil begeht die Ortsgruppe der Faschisten unter großer Anteilnahme der Bevölke¬rung einen "Deutschen Tag". Der republikanische Schutzverband will am Abend ein Volksfest unter dem Motto "Italienische Nacht" feiern. Dem jun¬gen radikal gesinnten Marxisten Martin ist die Hal¬tung des Stadtrats gegenüber den Faschisten nicht energisch genug: Er protestiert, dass die Partei gemütliche Tanzabende veranstaltet, während Rechtsradikale durch die Straßen marschieren und Schießübungen abhalten. In fanatisiertem Überei¬fer bringt Martin seine Braut Anna dazu, sich mit SA-Leuten einzulassen, um ihre Kampfstärke aus¬zuprobieren. Von einer solchen Unterordnung privater Beziehungen unter politische Zielsetzungen hält Martins Freund Karl wenig. Gegenüber dem konsequenten Ideologen Martin ist Karl gebroche¬ner, politisch indifferenter. Von kleinbürgerlicher Herkunft schlägt der künstlerisch und intellektuell veranlagte Karl am Ende den Weg in eine gemein¬same Zukunft mit Lene ein: zusammen wollen sie eine Kolonialwarenhandlung aufmachen. Martin dagegen entwickelt sich vom klassenbewussten Ar¬beiter und Marxisten zur Führernatur, die ganz und gar von ihrer politischen Doktrin besessen ist. Als am Abend die "Italienische Nacht" mit kleinbür¬gerlich kitschigem Stimmungszauber die Gäste einlullt, sprengt Martin mit seinen Gefolgsleuten das Fest. In der Konfrontation mit dem Stadtrat wirft er ihm als Vorsitzenden des republikanischen Schutzverbandes Untätigkeit vor. Martin wird dar¬aufhin aus dem Verband der Republikaner ausge¬schlossen. Inzwischen hat Anna erfahren, dass die Faschisten im Vormarsch sind, um den "roten" Stadtrat zu verprügeln, weil jemand das Denkmal des Kaisers besudelt hat. Sie appelliert an Martin, den Gesinnungsgenossen zu helfen. Um den Fa¬schisten nicht den "Triumph" über die Republikaner zu ermöglichen, lässt Martin sich zur Hilfe überre¬den. Gerade noch rechtzeitig kam er eingreifen und die Gefahr des Augenblicks abwenden. Doch der ebenso großmäulige wie für die politische Ge¬fahr durch den Faschismus blinde Stadtrat hat aus dem Vorfall nichts gelernt. In ahnungsloser Fehl¬einschätzung verkündet er: "Von einer akuten Be¬drohung der demokratischen Republik kann natürlich keineswegs gesprochen werden... Solange es einen re¬publikanischen Schutzverband gibt..., solange kann die Republik ruhig schlafen!"
Gerade weil Horváth schon früh, nachdem er Hit¬ler 1929 in einer Privatgesellschaft kennen gelernt hatte, vor den Nationalsozialisten warnte und vor 1931 von ihnen wiederholt öffentlich angegriffen wurde, enthüllt er in diesem Stück auch unnach¬sichtig die gefährliche Apathie und den blinden Fa¬natismus ihrer Gegenspieler und gibt diese der Lächerlichkeit preis. "Der beste Zeitspaß dieser Läuf¬te!" (A. Kerr). Das Stück zeigt Horváths große Be¬gabung, eine Fülle plastisch geschauter Figuren auf die Bühne zu stellen, aber auch seine Neigung, mehrere Gesprächsgruppen gleichzeitig in fresko¬haften Bildern zu zeigen; zu einem umfassenden Gegeneinanderspiel oder einem zentralen Zusam¬menstoß der verschiedenen Handlungsstränge kommt es nicht.

 
 

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