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biologie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Zur funktionsweise reaktiver bewegungsabläufe





2.1 Anatomisch-biomechanische Besonderheiten

Das entscheidende Kriterium für ein reaktives Krafttraining liegt in der explosiven Bewegungsausführung.
"Die Betonung liegt bei diesem Bewegungsverhalten in der "schlagartig" einsetzenden schnellen Dehnung des Muskels zu Beginn der exzentrischen Phase, weshalb man in der Sportpraxis diese Trainingsformen auch als Schlagmethode bezeichnet [...]."
Ein schlagartiges Einsetzen des Kraftstoßes, bei dem der Muskel trotz hohem willkürlichem Tetanus gedehnt wird, beinhaltet sehr hohe Kraftspitzen, die auf den Organismus einwirken. Es ist also bei der Trainingsdurchführung auf eine exakte Bewegungsausführung zu achten.
So besteht neben einer nicht zu unterschätzenden Verletzungsgefahr auch die Verpflichtung zur genauen Kontrolle der Zielformulierung einer Trainingsform.
SCHMIDTBLEICHER/ GOLLHOFER erklärten, daß bei Tiefsprüngen ohne Aufsetzen der Ferse vor allem der M. gastrocnemius trainiert wird.



Hat die Ferse Bodenkontkt ist die größere Trainingswirkung beim M.quadriceps femoris feststellbar.
Offensichtlich müssen reaktive Trainingsformen äußerst präzise auf ihre biomechanische Funktionalität überprüft werden, um keine unerwünschten Effekte zu erzielen.


2.2 Physiologische Prinzipien
2.2.1 Grundprinzip des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus

Die Kontraktionsformen eines Muskels in fast allen sportlichen Bewegungen sind nicht einer bestimmten Form zuzuordnen. In der Regel laufen sie als rasche Kombination von exzentrischer und konzentrischer Kontraktion ab und werden als Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus definiert.
KOMI (1983) stellt fest, daß die Kontraktion nach vorhergegangener Dehnung desselben Muskels kraftvoller und leistungsfähiger ausfällt als bei einer rein konzentrischen Ausführung. Als Ursache für dieses Phänomen nimmt er die Elastizitätsfähigkeit der (Skelett-)Muskulatur an:
"Wird ein aktivierter Muskel gedehnt - oder ein passiv gedehnter Muskel plötzlich aktiviert - bedeutet dies, daß der Muskel seine Spannung erhöht und elastisches Energiepotential in seinen serienelastischen Komponenten (SEK) speichert. [...] Hält die Dehnung des Muskels zu lange an, geht ein Großteil der gespeicherten Energie als Wärme verloren. Folgt jedoch kurz nach der Dehnungsphase (exzentrische Kontraktion) eine Verkürzung (konzentrische Phase) des Muskels, so steht ein beträchtlicher Teil der Energie zur Verrichtung der äußeren Arbeit zur Verfügung."
Die Forschungslage in Bezug auf die Lokalisierung der SEK ist noch unsicher. Zum einen wird vermutet, sie könnten zum Bereich der Sehne gehören (ALEXANDER/BENNET-CLARK 1979, zit. nach KOMI 1983). Zum anderen wurde herausgefunden, daß ein großer Teil der Serienelastizität in den Querbrückenbindungen der Aktin- und Myosinfilamente liegt.
Aus letzterem Modell wird auch die Forderung nach einer schlagartig einsetzenden Belastung mit sofortiger nachfolgender Kontraktion für ein reaktives Bewegungsmuster einsichtig.
"Da die Bindungsdauer der Querbrücken zwischen 15 ms (STIENEN u.a. 1978) und 120 ms (CURTIN u.a. 1974) variiert, ist es für die Utilisation [Nutzbarmachung] der gespeicherten Elastizität vorteilhaft, wenn sowohl die Dehnung selbst, als auch die Übergangsperiode (Coupling Time) zwischen Dehnung und Entdehnung kurz sind."
Das Umsetzen derart kurzer Zeiten für ein sinnvolles plyometrisches Training bedarf umfangreicher Vorbereitungen im langfristigen Trainingsprozeß.
So fanden SCHMIDTBLEICHER/GOLLHOFER 1985 heraus, daß trainierte Sportler in der Lage sind, nach einem Tiefsprung wesentlich schneller (im Test ca. 100 ms) in die konzentrische Phase "umzuschalten", als untrainierte Personen.
Aus den ermittelten Zeiten, besonders der Dauer der Querbrückenbindung, geht hervor, daß ein reaktives Umschalten nach einer Muskeldehnung keineswegs willkürlich ablaufen kann. Es ist also zu vermuten, daß es sich um einen reflektorischen Prozeß handelt.
Somit summiert sich die konzentrische Leistung nach einer schlagartig einsetzenden exzentrischen Belastung aus der Kraftspeicherung der SEK (mechanische Kraftentwicklung) und der Reflexreaktion des Muskels (myoelektrische Kraftentwicklung). Über die Anteile beider Parameter liegen noch keine gesicherten Daten vor.


2.2.2 Monosynaptischer und polysynaptischer Dehnungsreflex

Als Reflex wird in der Physiologie "die auf einen überschwelligen Reiz folgende unwillkürliche motorische Reizantwort" verstanden. Der Verlauf eines Reflexes wird durch den Reflexbogen bezeichnet. Ein Rezeptor wirkt über afferente Nervenbahnen exzitatorisch (erregend) auf die entsprechenden Motoneurone im Zentralen Nervensystem (ZNS). Diese wiederum innervieren über efferente Bahnen die Effektoren (Skelettmuskulatur).
Der monosynaptische oder auch myotatische Reflex ist der einfachste aller spinalen Reflexe. Die Rezeptoren des gedehnten Muskels melden über afferente Nervenfasern (Ia- bzw. IIa Bahnen) die Änderung an homonyme Motoneurone, die dann wiederum über ihre Axone (efferente Bahnen) die Skelettmuskulatur innervieren.
Da die Rezeptoren im gleichen Organ (Muskel) wie die Effektoren liegen, spricht man auch vom Muskeleigenreflex. Im Prinzip gilt: je stärker der Reiz, desto stärker der Reflex.
Der polysynaptische Reflex ist von entscheidender Bedeutung für die sportliche Bewegung. Hier bestehen neben dem Reflexbogen des monosynaptischen Reflexes noch Verbindungen zu einem Pool von spinalen Interneuronen. Diese Interneurone haben exzitatorische (erregende) Wirkung auf synergistische Motoneurone und inhibitorische (hemmende) Wirkung auf Motoneurone, die die Antagonisten versorgen ("reziproke Hemmung")."
Der polysynaptische Reflex ist demnach der entscheidende Mechanismus, der den Tiefsprung zu einer reaktiven Bewegung werden läßt.



2.2.3 Funktion der Muskelspindel und der Golgi-Sehnenorgane

Die primären Rezeptoren, die eine Änderung der Muskellänge registrieren, sind die Muskelspindeln. Sie reagieren sowohl auf den Betrag, als auch auf die Frequenz einer Längenänderung. Die Golgi-Sehnenorgane melden Spannungsveränderungen der Sehne als Folge starker Dehnungen oder Kontraktionen der jeweiligen Muskulatur.
Als Schutzinstanz wirken sie hemmend auf eine Kontraktion, wenn sich der Muskeltonus dadurch zu stark erhöhen würde. Eine Kontraktion im plyometrischen Training muß der exzentrischen Phase demnach so rasch folgen, daß der hemmende Einfluß der Golgi-Sehnenorgane nicht eintritt.
Ihre Effekte bewirken beide Rezeptoren über den Reflexbogen. Vermutlich haben die Muskelspindeln für das plyometrische Training eine entscheidendere Bedeutung.
Entscheidend ist das Ausmaß der Afferenz der Muskelspindeln. Diese intermuskulären Sensoren geben in Form von Nervenimpulsen ständig Informationen über den Dehnungszustand des Muskels an die spinalen Motoneurone weiter. Bleibt die Intensität dieser Nervenimpulse unter einer bestimmten Reizschwelle (z.B. beim sanften Stretching) werden die Motoneurone nicht aktiv. Im Falle einer Überschreitung (z.B. bei plözlicher, d.h. schlagartiger Dehnung) jedoch wird der betreffende Muskel innerviert, sich zu kontrahieren, um einer Schädigung durch zu starke Dehnung vorzubeugen. Diese Innervierung und somit die Kontraktion fällt um so stärker aus, je mehr der Muskel gedehnt wird.
Außer dem Ausmaß der Dehnung des Muskels ist noch die Zeit, in der diese Dehnung auftritt, von entscheidender Bedeutung. Es ist zu vermuten, daß sich die Zeit, die der Muskel benötigt, um von der exzentrischen Phase einer plyometrischen Bewegung in die konzentrische "umzuschalten", mit der Verbesserung des Trainingszustandes reduziert. Dies ist zum einen in der Verkürzung der Vorinnervationsdauer (bessere Bewegungsantizipation und -Ausführung = Technik) bei trainierten Sportlern begründet , zum anderen in deren stärkerer und schnellerer Innervationsfähigkeit, die von SCHMIDTBLEICHER 1984 durch Elektromyographieunter-suchungen nachgewiesen wurde.
Außerdem ist die Innervationsdauer und -Stärke bei Tiefsprüngen von der Größe des Kniegelenk- und Fußgelenkwinkels abhängig und variiert je nach beteiligter Muskelgruppe.
Hilfreich erweisen sich zu diesem Problem die Untersuchungen von BOSCO u.a. 1982 (zit. nach KOMI 1985, S. 260), die den mechanischen Wirkungsgrad reaktiver und nicht-reaktiver Sprünge in Abhängigkeit vom Kniewinkel untersuchten. Sie berechneten für nicht-reaktive Sprünge (2s dauernde verharrende Phase vor der konzentrischen Phase) einen Wirkungsgrad von 19,7%, für reaktive Sprünge mit kleiner Winkelamplitude 38,5% und für reaktive Sprünge mit großer Winkelamplitude 28%.
Diese Erkenntnisse müssen aber noch verfeinert werden, damit eine genauere Voraussage möglich ist, bei welcher Winkelamplitude und welcher Ausgangsstellung im Kniegelenk das effektivste Sprungverhalten möglich ist.
Probanden in den Tiefsprung-Untersuchungen von GOLLHOFER/SCHMIDTBLEICHER 1982 (zit. nach SCHMIDTBLEICHER 1984, S. 170) erzielten Kraft-Zeit-Verlaufskurven zwischen 200 und 400 ms bei einer Kniegelenksamplitude von 90° für den M. rectus femoris und den M. gastrocnemius.
Die Beobachtung, daß die Reflexaktivität des M.gastrocnemius bei einer Absprunghöhe von 50 cm und die des M. rectus femoris bei einer Höhe von 110 cm maximal ausfiel, untermauert die These von dem unterschiedlichen Innervationsverhalten beteiligter Muskelgruppen. Für die theoretische Erklärung des plyometrischen Krafttrainings besteht bei der Vielzahl von einflußnehmenden Parametern (Absprunghöhe, Trainingszustand, beteiligte Muskelgruppen, Absprungwinkel in Hüfte, Knie und Fußgelenk, Arbeitsamplitude in den beteiligten Gelenken) noch großer Bedarf an weiterer Forschung.

 
 


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