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biologie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Der mensch-



Die Frage nach dem Wesen des Menschen ist nie abgeschlossen, denn der
Mensch besitzt kein universelles, kein endgültig definierbares Wesen. Jeder
Mensch und jede Zeit muß sich neu entscheiden und verantworten. Und jede
Antwort auf die Frage ¯Was ist der Mensch?® ist in sich unstimmig weil ab-

strakt, denn sie scheitert an der konkreten Situation. So ist die Frage ¯Was ist
der Mensch?® eigentlich die Frage ¯Was soll i c h sein als Mensch?® Die
Unbestimmbarkeit des Menschen ist also seine Bestimmung. Deshalb kann jede
Antwort gültig, aber nicht end-gültig sein.



2.1 Der Mensch als Suchender

Schon im 18. Jahrhundert beschreibt Johann Gottfried Herder (1744-1803) den
Menschen als ¯das verwaisteste Kind der Natur® (Herder 1772, 24), er sei der
¯erste Freigelassene der Schöpfung® (Herder 1784, 119). Seine dadurch
bedingte Ortlosigkeit überwindet er durch die Schaffung einer 2. Natur, die er
Kultur nennt. Auch Friedrich Nietzsche (1844-1900) beschreibt die Unsicherheit
des Menschen drastisch: ¯Der Mensch ist kränker, unsicherer [...] als irgendein
Tier sonst®. Er ist das kranke Tier, sein Verstand macht ihn krank. Die Un-

menschlichkeit des Menschen ist die faktische Wirklichkeit. Der Mensch findet
nicht sein Wesen, er treibt sein Unwesen.
In unserem Jahrhundert war es Max Scheler (1874-1928), der mit seiner
berühmten Schrift ¯Die Stellung des Menschen im Kosmos® (1928) die Diskus-

sion weiterführte. Seine Frage lautet: Besteht mehr als ein gradueller Unter-

schied zwischen Mensch und Tier? Besteht ein Wesensunterschied?
Den ersten und entscheidenden Unterschied sieht Scheler in dem, was wir
¯Geist® oder ¯Person¯ nennen, also ¯seine existentielle Entbundenheit vom
Organischen, seine Freiheit®¯ (Scheler 1928, 38). Das Tier ist trieb- und um-

weltgebunden, der Mensch ist ¯umweltfrei®, ¯weltoffen® (Scheler 1928, 38).
Der zweite Unterschied besteht darin, daß der Mensch im Gegensatz zum Tier
Selbstbewußtsein hat; das heißt, daß er seine eigene physiologische und
psychische Beschaffenheit sich selbst gegenständlich machen kann. ¯Das Tier
hört und sieht - aber ohne zu wissen, daß es hört und sieht® (Scheler 1928,
42).
Die Gründe für die Weltoffenheit des Menschen sieht Arnold Gehlen
(1904-1976) in den für den Menschen konstitutiven Mängeln. Es fehlt der
Schutz des Haarkleids, es fehlen die natürlichen Angriffsorgane, es fehlt die
Schärfe der Sinne, und es fehlt an echten Instinkten. Dazu kommt als Nest-

flüchtler seine lange Schutzbedürftigkeit in den Säuglings- und Kinderjahren. Er
spricht deshalb vom ¯Mängelwesen Mensch®.
Entscheidend ist nun, daß diese Mängel den Menschen dazu zwingen, wenn er
überleben will, die Welt so umzugestalten, daß Leben möglich ist. Da der
Mensch nicht auf eine bestimmte Umwelt festgelegt ist, muß er sich seine
Umwelt schaffen, die umgearbeitete Natur heißt Kultur, also z.B. Ackerbau,
Züchtung von Pflanzen und Haustieren, präparierte Nahrung, Behausung.
¯Der Mensch ist, um existenzfähig zu sein, auf Umschaffung und Bewältigung
der Natur hin gebaut und deswegen auch auf die Möglichkeit der Erfahrung der
Welt hin. Er ist handelndes Wesen, weil er unspezialisiert ist und also der
natürlich angepaßten Umwelt entbehrt® (Gehlen 1962, 38).


2.2 Der Mensch als Stellvertreter Gottes

Man muß aber noch weiter zurückgehen, um die heutige Problematik zu ver-

stehen, man muß bei Adam und Eva anfangen. Das Verständnis des Menschen
im Alten Testament hat unseren Kulturkreis geprägt. Von allen geschaffenen
Wesen steht der Mensch gemäß der Genesis an der Spitze einer Pyramide. Der
Mensch ist in der Natur ein ¯Aristokrat® (Fraser-Darling 1968, 9), er allein ist
ausgezeichnet durch eine besondere Beziehung zu seinem Schöpfergott, er ist
sogar der Stellvertreter Gottes auf Erden.
Diese im Judentum konzipierte Vorstellung der Beziehung Natur - Mensch hat
ihre unbestreitbaren Vorzüge: Der Mensch emanzipierte sich von seiner Befan-

genheit in den Naturgewalten und Naturgottheiten. Die Natur wird entsakrali-

siert, ein primitiver Animismus wird überwunden. Der Dichotomie zwischen
Gott und Welt, Himmel und Erde, Leib und Seele entspricht die Dichotomie
Mensch - Natur. Es ist aber auch nur noch ein kleiner Schritt zur bedenkenlosen

Naturbeherrschung und -ausbeutung.
Natürlich wird heute von der Theologie betont, daß der Herrschaftsauftrag des
Menschen, das sog. dominium terrae, im Sinne des Hegens und Pflegens ver-

standen werden muß, denn das ¯Gott sah, daß es gut war® gilt für die belebte
und unbelebte Natur gleichermaßen. Daraus leitet die christliche Theologie eine
Verantwortung des Menschen für die gesamte Natur ab. Aber die Einstellung
eines Franziskus blieb historisch gesehen leider die Ausnahme.
Dieter Birnbacher (1980, 111ff) weist noch auf eine logische Schwierigkeit
dieses Ansatzes hin. Er unterscheidet zwischen einer Verantwortung gegenüber
der Natur und einer Verantwortung in Ansehung der Natur. Aus der Sicht des
biblischen Schöpfungsberichts hat der Mensch eine Verantwortung für die
Natur, weil auch sie von Gott geschaffen ist. Das eigentliche Objekt der Ver-

antwortung ist also Gott und nicht die Natur selbst. Der Mensch steht also in
der Rolle des ¯stewardship®, des ¯Hausvogts®, wie Luther Gen 15, 2 übersetzt.
Eine Pflicht besteht demnach gegenüber dem Auftraggeber, also Gott, und nicht
gegenüber der Sache, also der Natur.



2.3 Der Mensch als Träger von Rechten

Diese biblisch begründete Anthropozentrik blieb über Jahrhunderte relativ
gefahrlos für die Natur (und für den Menschen selbst, wie man hinzufügen
muß). Dies aber allein dadurch, weil die Zahl der Menschen und deren Möglich-


keiten begrenzt blieb.
Im Fortgang der Freiheitsgeschichte des Menschen stoßen wir auf entscheiden-

de Veränderungen im 18. Jahrhundert. Der christliche Schöpfungsglaube hatte
zwar prinzipiell allen Menschen Freiheit und Gleichheit als Kinder Gottes zu-

erkannt, aber die politische Durchsetzung begann erst, bedingt durch die
gesellschaftlichen, politischen und sozialen Revolutionen, im Zeitalter der
Aufklärung. Das Machtvakuum, das durch die Durchsetzung des kopernikani-

schen Weltbildes entstanden war, in dem nicht mehr die Erde der Mittelpunkt
des Universums war, wurde dadurch gefüllt, daß sich jeder einzelne Mensch

als Mittelpunkt eines Universums verstehen konnte.

Die Befreiung des Menschen aus der Vormundschaft der Institutionen, der Mut,

sich seines eigenen Verstandes zu bedienen (Kant), hatte auch eine konse-



quente Abgrenzung zur Natur zur Folge. Indem der Mensch Subjekt wird, wird

alles andere zum Objekt. Nur der Mensch ist das erkennende Wesen (res

cogitans), ihm gegenüber stehen die Dinge, die erkannt werden sollen (res

extensa). Das ¯Cogito ergo sum® eines Ren, Descartes begründet und festigt

denkerisch die Spaltung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Mensch und

Natur.

Damit ist politisch gesehen der Weg frei für die Proklamation der Menschen-



rechte, die jedem Menschen aufgrund seines Menschseins ohne Ansehung der

Person, Alter, Stand oder Rasse genuine Rechte zuerkennt. Weil der Mensch ein

moralisches Wesen ist, das allein Gut und Böse unterscheiden kann, stehen ihm

Rechte zu. So schreibt z.B. John Passmore: ¯Die Annahme, daß irgend etwas

außer dem Menschen \"Rechte\" besitzen könnte, ist gänzlich unhaltbar® (Pass

more 1974, 229). Eine Begründung sieht er darin, daß Dinge keine Interessen,

Wünsche und Hoffnungen haben können. Der Wert der Dinge besteht rechtlich

gesehen nicht in einem Eigenwert, sondern im Wert, der von einem Menschen

zugesprochen wird, denn sie sind Gegenstand des Interesses eines erkennenden

Menschen.

Man erkennt hierbei sehr gut die anthropozentrische Bestimmtheit dieses Den-



kens.





2.4 Der Mensch als moralisches Wesen



Die Aufklärung hat den Menschen nicht nur als freies Wesen definiert, sondern

auch als ein Wesen, das Verantwortung hat. Frei sein bedeutet ja wählen, was

wir wünschen, was wir tun sollen. Dieser Sollensanspruch muß gefunden,

rational begründet und damit für jeden nachvollziehbar sein.

Das ist nicht so einfach. Ein typischer Fehler, der dabei unterlaufen kann, ist der

sog. ¯naturalistische Fehlschluß®, d.h. man schließt von einer deskriptiven

Prämisse auf ein Pflicht- oder Werturteil. So kann z.B. von einer deskriptiven

Wissenschaft, wie etwa der Medizin oder Tkologie, keine Aussage darüber

gemacht werden, was erhalten werden muß oder nicht. Die Naturwissenschaf-



ten können Folgen beschreiben, etwa daß Zigarettenkonsum schädliche Aus-



wirkungen auf den menschlichen Organismus hat, ob ich aber rauche oder nicht

rauche, ist keine medizinische Entscheidung, da müssen eindeutig außermedizi-



nische Kriterien hinzukommen.

Oder ein Beispiel aus der Tkologie: Hier wird oft vom ¯ökologischen Gleichge-



wicht® gesprochen. Dies klingt für den Laien normativ, denn mit dem Wort

¯Gleichgewicht® verbindet jeder etwas Gutes; ob dies aber der einzig wün-



schenswerte oder gar der optimale Zustand ist, ist mit dieser deskriptiven

Aussage bei genauerem Hinsehen nicht entschieden und kann auch gar nicht

entschieden werden.

Bei der Suche nach Werten, die unser Handeln bestimmen können, kann der

sog. Utilitarismus ein ganzes Stück weiterhelfen. Als teleologische Ethik werden

hierbei Pflichten auf außermoralische Werte zurückbezogen. Ein solcher Wert,

der für Mensch und Natur gleichermaßen Geltung beanspruchen kann, ist nach

Jeremy Bentham, dem Begründer des Utilitarismus, die Leidensfreiheit. Hier

setzt nun auch die Bedeutung der deskriptiven Wissenschaften an: Wenn

Leidensfreiheit als Kriterium genannt wird, dann muß die Wissenschaft sagen,

inwieweit ein Tier unter den Bedingungen, die der Mensch geschaffen hat,

leidet.

Welche Schwierigkeiten sich dabei allerdings auftun, sieht man schon an dem

Urteil des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe, der darüber zu entscheiden hatte,

ob das Betreiben von Legehennen-Batterien strafbar sei oder nicht (AZ: 1 StR

159/86). Die befragten Wissenschaftler waren sich uneins, ob durch die Mas-



sentierhaltung den Hennen ein ¯erhebliches Leid® zugefügt werde. Deshalb

endete das Verfahren mit einem Freispruch.

So sehr die moralische Entrüstung bei Tierschützern verständlich ist, sie hilft bei

einer rationalen Argumentation nicht weiter und ersetzt diese nicht. Ein Satz

wie ¯Schmerz ist Schmerz, ob er Menschen oder Tieren zugefügt wird®, ist so

problematisch wie suggestiv.

Umgekehrt wird aber durch ein solches Urteil kein Mensch aus der Verantwor-



tung auch für die Leiden der Natur entlassen. Es stellt sich vielmehr verstärkt

die Frage, ob z.B. Tiere ein Recht darauf haben, von uns vor Leiden bewahrt zu

werden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang das Urteil des Amtsgerichts Hamm,

das zwei Sportfischer zu einer Geldbuße von 1200 DM verurteilte, weil das

Gericht es für erwiesen ansah, daß sie etwa zehn Zentnern Fischen ¯lang an-



haltende und erhebliche Leiden® (FAZ 19.4.1988) zugefügt hatten. Zwar

konnten auch hier die Gutachter nicht klären, ob Fische Schmerz empfinden, die

Leidensfähigkeit der Tiere stand aber außer Zweifel.







2.5 Zusammenfassung



Zusammenfassend kann man sagen: Die Frage nach dem Menschen ist die

Frage des Menschen nach sich selbst. Das Mängelwesen Mensch kennt keine

ökologische Nische, es ist extrem unangepaßt. Der Mensch muß sich deshalb

seine Umwelt schaffen. Er ist zur Freiheit verurteilt, wie Jean-Paul Sartre es

ausdrückt.

Das heißt aber nicht, daß der Mensch außerhalb oder gar über der Natur stände.

Das wäre eine Schlußfolgerung, die nicht logisch wäre. Die anthropozentrische

Engführung dieses Ansatzes hat zu jenem Denken geführt, das die Natur als

den Besitz des Menschen ansieht. Die Wechselbeziehungen, die aber eben auch

zwischen Natur und Mensch bestehen, werden dabei sträflich vernachlässigt.

Der Mensch steht der Natur gegenüber, er kann und muß sie zum Gegenstand

seines Denkens und Handelns machen, denn er allein hat die Möglichkeit der

Erfahrung der Welt. Die Ambivalenz dieser Tatsache ist uns heute klar: es ist

seine Chance, aber auch eine Gefahr.

Je größer nämlich seine Möglichkeiten durch Wissenschaft und Technik wer-



den, umso unübersichtlicher werden die Folgen seines Handelns und umso

größer wird seine Verantwortung.

Dies führt heute zu einem neuen Nachdenken über den Menschen und sein

Verhältnis zur Natur.

 
 

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