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biologie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Über die entstehung von ethik-kommissionen



Josef Viktor Broussais (1772-1838) war einer der berühmtesten Kliniker von Paris von hohem Ansehen und in hohen Stellungen. Er hatte im Anschluß an die Lehre des schottischen Arztes John Brown (1735-1788) eine Krankheitstheorie entwickelt, die als letzte Krankheitsursache eine entweder zu starke oder zu schwache Reizung des Organismus annahm. Beides manifestierte sich für ihn in der Gastro-Enterite, die er therapeutisch mit der Blutentziehung durch Applikation von Blutegeln anging. In seiner Pariser Klinik floß das Blut in Strömen. Obwohl Hunderte seiner Patienten starben, mußten 1824 schon 100.000 Blutegel nach Frankreich eingeführt werden, eine Zahl, die sich bis 1827 auf 33 Milionen steigerte, ehe sie unter dem Eindruck der tödlichen Mißerfolge langsam zurückging. (Toellner, 9)


In Anbetracht Viktor Broussais' Opfer und unzähliger anderer, die auf Grund von spektakulären Heilversuchen ihr Leben lassen mußten, verwundert es ganz und gar nicht, daß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts endlich der Ruf nach einer Regelung, die Versuche am Menschen betreffend, laut wurde. Besonders die an Kindern und Jugendlichen sowie an "geschäftsunfähigen" (Toellner,12) Personen durchgeführten Experimente, insbesondere die des berühmten Dermatologen Neissers , schienen hier im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Es sollte jedoch noch bis zum 29.12.1900 dauern, als eine Verfügung des preußischen Kultusministers erstellt wurde, die besagt, daß "medizinische Eingriffe zu Versuchszwecken an minderjährigen oder geschäftsunfähigen Personen verboten und in den anderen Fällen die Zustimmung nach sachgemäßer Belehrung gefordert [werden]." (Toellner, 12).

Im Jahr 1931 wurden schließlich erstmals präzise Richtlinien abgefaßt, die die Kontrolle der Forschung am Menschen zum Inhalt hatten. Unter anderem wurde gefordert, daß jeglichen Versuchen an Menschen Tierversuche vorausgehen sollten, und daß weiters die Versuchspersonen vollständig über die Tragweite des Unterfangens aufgeklärt werden und ihre Zustimmung zum Versuch geben müssen. In den 30er Jahren wurde dann auch erstmals der Wunsch nach der Errichtung von sogenannten Ethik-Kommissionen laut. Diese Richtlinien waren ein Anfang; jedoch ein Anfang mit nur geringer Wirkung.

Wesentlich mehr Wirkung hatte hingegen der vom amerikanischen Militärgericht 1947 aufgestellte Nürnberger Kodex, der zehn wesentliche Punkte "über die Zulässigkeit und Grenzen von medizinischen Versuchen an Menschen" (Toellner, 31) enthält. Dieser Kodex wurde jedoch 1964 durch eine vom Weltärztebund noch präziser erarbeitete und formulierte Ausarbeitung ersetzt: Der Deklaration von Helsinki. Diese Deklaration, die inzwischen schon mehrfach überarbeitet und in wesentlichen Punkten noch verbessert wurde, fand weltweite Anerkennung. Eine der bedeutendsten Revisionen der ursprünglichen Deklaration von 1964 trug sich im Jahr 1975 zu. Es war wiederum der Weltärztebund, der auf Grund der großen medizinischen Fortschritte der letzten 30 Jahre eine erneute Überarbeitung der Deklaration forderte und diese schließlich auch durchsetzte. Somit entstand 1975 die revidierte Deklaration von Helsinki, auch unter Deklaration von Tokio bekannt. Im Mittelpunkt steht in allen Versionen jedoch nur eines: das Wohl des Patienten, das Vorrang gegenüber der Wissenschaft und der Allgemeinheit hat. Somit war der Grundstein für die Entwicklung von Ethik-Kommissionen gelegt worden. Denn mit der revidierten Deklaration von Helsinki gab es nun zwar den rechtlich einzuhaltenden Grundsatz, das Wohl des Patienten unter keinen Umständen zu gefährden, aber noch keine Institution, die über die Anwendbarkeit eines medizinischen Verfahrens entscheiden sollte.

Es waren dann schließlich und endlich die Vereinigten Staaten, die vor etwa 30 Jahren erstmals Kommissionen gründeten. In so einer Kommission befanden sich neben medizinischem Personal auch Menschen aus Kirche und Gesellschaft, die sich gemeinsam dem Problem des Versuchs am menschlichen Körper widmeten. Europa ist vor etwa 10 Jahren dem amerikanischen Beispiel gefolgt und mit dem Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich wurde am 15.Juni 1988 auch für die Bewohner Österreichs die medizinische Lage rechtlich gesichert, wie folgender Auszug aus dem Bundesgesetzblatt zeigt:


Nach § 8b wird folgender § 8c eingefügt:

"§8c. (1) In Krankenanstalten, an denen klinische Prüfungen von Arzneimitteln durchgeführt werden (§§28 bis 48 des Arzneimittelgesetzes, BGBI. Nr. 185/1983), sind Kommissionen einzurichten, die die Durchführung dieser Prüfungen in der Krankenanstalt beurteilen.
(2) Die Kommission hat mindestens zu bestehen aus
1. einem Vertreter des ärztlichen Dienstes, der weder ärztlicher Leiter der Krankenanstalt (§7 Abs.1) noch Prüfungsleiter (§32 Abs.1 Arzneimittelgesetz) ist,
2. einem Vertreter des Pflegedienstes,
3. einem Vertreter des Trägers der Krankenanstalt und
4. einer mit der Wahrnehmung seelsorgerischer
Angelegenheiten in Krankenanstalten betrauten Person.

(3) Über jede Sitzung ist ein Protokoll aufzunehmen. Die Protokolle sind dem ärztlichen Leiter der Krankenanstalt und dem Prüfungsleiter zur Kenntnis zu bringen und gemeinsam mit allen für die Beurteilung wesentlichen Unterlagen gemäß §10 Abs.1Z3 aufzubewahren." (Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich vom 15. Juni 1988; 281. Bundesgesetz: 7. §8c).

 
 

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