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kunst artikel (Interpretation und charakterisierung)

Maifest





Wie herrlich leuchtet Mir die Natur! br /> Wie glänzt die Sonne!

Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten

Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen

Aus dem Gesträuch
Und Freud und Wonne

Aus jeder Brust.
O Erd\', o Sonne,

O Glück, o Lust,
O Lieb\', o Liebe,

So golden schön
Wie Morgenwolken

Auf jenen Höhn,
Du segnest herrlich

Das frische Feld,
Im Blütendampfe

Die volle Welt!
O Mädchen, Mädchen

Wie lieb\' ich dich!
Wie blinkt dein Auge,

Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche

Gesang und Luft,
Und Morgenblumen

Den Himmelsduft,
Wie ich dich liebe

Mit warmen Blut,
Die du mir Jugend

Und Freud und Mut
Zu neuen Liedern

Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,

Wie du mich liebst.
Dieses Gedicht entstand aufgrund der Liebesbeziehung Goethes zu Friederike Brion. Das Gedicht \"Maifest\" besitzt einen großen autobiographischen Bezug:
Im Mai 1770 wurden Goethe und Friederike Brion immer öfter in die Gärten von Sesenheim gelockt. Die Natur hatte sich, wie immer im Frühling, mit allen Reizen geschmückt. Das Entzücken des Dichters über die Klarheit des Himmels, den Glanz der Erde, die schönen Morgen, die lauen Abende, die jene Tage auszeichneten, klingt aus dem Mailied hervor, um in einem seligen Liebes- und Lebensjauchzen auszutönen.
Das Auffälligste an diesem Gedicht ist das von der ersten bis zur letzten Zeile immer wieder vorkommende Wort \"wie\". Dieses Wort wird in drei verschiedenen Varianten benutzt: Zuerst in dem Ausruf: \"Wie herrlich leuchtet\". Das ist kein vollständiger Vergleich, hat aber doch Vergleichscharakter. (Dieses \"wie\" taucht in den Zeilen 1,3,4,22,23 und 24 auf.). - Dann folgt das zweite \"wie\": \"So golden schön / wie Morgenwolken\". Diesen ausgeführten Vergleich findet man in den Zeilen 15 und 19. - Am Schluß das dritte \"wie\": \"Sey ewig glücklich / Wie du mich liebst!\" (Z.35f.). Dieses Wie ist nicht einfach zu beschreiben. Es steht kein qualitativer oder quantitativer Vergleich in diesem \"Wie\". Man könnte vielleicht am besten sagen: \"Sei ewig glücklich, wie du mich ja auch liebst!\" Dieses \"Wie\" könnte man eine selbstverständliche Entsprechung nennen.
Das Wörtchen \"wie\" zieht sich gleichsam wie ein sprachliches Leitmotiv durch den Text, aber genauso das Wort \"Liebe\", das siebenmal im Gedicht auftaucht. Es erscheint zwar erst in der 4. Strophe, dafür aber um so häufiger (Zeile 13,22,24,25,29,36). Kombiniert man das Wort \"Liebe\" mit den drei Formen des Leitmotivs \"wie\", so ergibt sich äußerlich schon eine erste Gliederung:
1.-3.Strophe 4.-6.Strophe 7.-9.Strophe
\"Wie\" als Vergleichscharakter \"Wie\" als Vergleichscharakter ---
--- Liebe Liebe

--- ausgeführter Vergleich Vergleich
--- --- selbstverständliche Entsprechung
Das Gedicht ist im Präsens geschrieben, d.h. die Differenz zwischen dem erzählenden und dem erlebenden Ich ist auf das kleinste Minimum reduziert. In den ersten drei Strophen wird die Natur so dargestellt, als sei sie eine Person, als sei sie in Bewegung auf das lyrische Ich zu und nur für das Ich da. \"Wie herrlich leuchtet / Mir die Natur!\" (Z.1f.). Die Natur leuchtet nicht nur einfach, sie leuchtet nur für das lyrische Ich.
Den ersten beiden Versen folgt die Personifizierung: \"Wie lacht die Flur!\" Schließlich wird die wachsende Natur beschrieben: Die Blüten dringen aus den Zweigen, ebenso die Stimmen aus dem Gesträuch. In der vierten Strophe erscheint erstmals das Stichwort \"Liebe\". Man muß schon genau hinsehen, um etwas Nicht-Selbstverständliches darin zu erblicken. Vor der vierten Strophe wird aus Liebe gesprochen, nachher über Liebe. In der vierten und fünften Strophe wird die Liebe angeredet, thematisiert und mit einer Naturerscheinung (\"Morgenwolken\") verglichen. Damit wird auch die Natur gegenständlich, man kann auf sie zeigen (\"Auf jenen Höhn\"). Dieser Vergleich dient der Vergewisserung, daß in dem allseitigen Dringen der Natur (1.-3.Str.) wirklich Liebe am Werk war. Die fünfte Strophe führt den Vergleich mit einer Personifizierung der Liebe fort und nimmt Worte und Motive aus den ersten Strophen wieder auf. \"Du segnest herrlich\" (17) - \"Wie herrlich leuchtet\" (1), \"Das frische Feld\" (18) - \"Wie lacht die Flur\" (4), \"Im Blütendampfe\" (19) - \"Es dringen Blüten\" (5). Die letzte Zeile der fünften Strophe stellt das Ergebnis dar, daß die ganze Welt voller Liebe ist. Und dieses Ergebnis erst schafft Raum für das Bekenntnis der eigenen Liebe: \"0 Mädchen, Mädchen, / Wie lieb\' ich dich!\" (Z.21f.).
Auch in der sechsten Strophe finden sich Rückbezüge zum Anfang im absoluten Vergleich. \"Wie blinkt dein Auge!\" nimmt deutlich ein Motiv der ersten Strophe wieder auf: \"Wie glänzt die Sonne\" (Z.3). Das Glänzen der Sonne, in der vierten Strophe als liebeserfüllt anerkannt, ist die Beglaubigung dessen, daß das Blinken der Augen ebenfalls ein Liebeszeichen ist. Die vergleichende und ständig rückbezügliche Naturerkenntnis löst dem Liebenden die Zunge zu seiner Liebeserklärung, und die Naturerkenntnis kann umgesetzt werden in eine Menschenerkenntnis, weil das Mädchen sich dem Ich gegenüber gleich verhält wie die Natur.
Der dritte Teil schließt sich an den zweiten genauso, wie dieser an den ersten Teil. Die eigene Liebe wird zum Gegenstand eines Vergleiches mit der Natur gemacht, der sich diesmal über zweieinhalb Strophen hinzieht. Das lyrische Ich will sich bestätigen, daß die Liebe nicht nur ihm und der Natur gemeinsam ist, sondern ihm auch dasselbe bedeutet wie den Lebewesen in der Natur. Genauso wie für Lerchen und Blumen der Gegenstand ihrer Liebe etwas ist, was ihr Wesen ausmacht und von dem sie abhängen, genauso liebt das lyrische Ich das Mädchen. Durch sie erhält er seine Jugend und die Freude und den Mut zum Dichten. Das lyrische Ich scheint hier zunächst nur als das Nehmende, doch als Abrundung des Gedichtes schließt sich noch ein Segenswunsch an: \" Sei ewig glücklich, / Wie du mich liebst.\" (Z.35f.).

 
 


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