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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Ideen und vorgehen - raf



Es stellt sich zunächst die Frage, was Terrorismus überhaupt ist. Nach Konrad Hobe ist er \" [...] das Verbreiten von Schrecken durch unberechenbare und überraschende, aber systematisch eingesetzte Gewalttaten, um politische Ziele zu erreichen.\" Viele Wörterbücher definieren den Terrorismus auch als ein System der Angst oder Schreckensherrschaft. Der Historiker Walter Laquer hingegen macht bezüglich einer umfassenden Definition des Terrorismus
folgende Aussage: \"Eine solche Definition gibt es nicht, und es wird sie auch in naher Zukunft nicht geben.\". Diese Aussage beruht hauptsächlich darauf, daß es den \"Terrorismus\" schon sehr lange in den unterschiedlichsten Facetten gegeben hat, vom griechischen und römischen Tyrannenmord bis hin zu den heutigen Terroristengruppen. Er ist in politischen Lagern unterschiedlicher Couleur anzutreffen, als auch Staat und Gesellschaft ihn unterschiedlich definierten. Am 23. März 1819 ermordete der liberale Theologiestudent Karl Ludwig Sand den Schriftsteller August von Kotzebue, der die politische Opposition an den deutschen Hochschulen verspottet hatte. Der Burschenschaftler Sand hielt ihn deswegen für einen Hauptvertreter der konservativen Reaktion, der für die Idee eines "neuen Deutschland" beseitigt werden müsse. So ging der Terrorismus auch mit der Teilen der liberalen Oppositionsbewegung ein Bündnis ein. Er muss also keineswegs sozialistisch begründet sein. Auch seine Definition als politische Kampfbewegung, die einen Gesellschaftsumsturz anstrebe, trifft nicht immer zu. So leuchtet nicht ein, weshalb Deutsche, die auf dem Höhepunkt des Terrors "RAF" auf Häuserwände sprühten, des Terrorismus verdächtigt wurden. Festzuhalten bleibt nur, dass Terrorismus kein neuerliches gesellschaftliches Gespenst darstellt. Dieses facettenreiche Spektrum unter eine allgemeingültige Definition zu fassen , mit all seinen unterschiedlichen Zielrichtungen, Ideologien und Strategien, dürfte schwer erreichbar sein.
Selbst unter den neueren Terrorismusgruppierungen gibt es die unterschiedlichsten Formen in Bezug auf Orientierung , Ideologie und Strategie. Man kann hier unterscheiden in separatistische Bewegungen (z. B. ETA in Spanien, IRA in Nordirland), sozialrevolutionäre Aufstandsbewegungen
gegen diktatorische Regimes (z. B. Guerillabewegungen in Südamerika) und schließlich die sozialrevolutionären Gruppierungen, welche gegen demokratische-parlamentarische Systeme (z. B. Brigate Rosse in Italien, RAF in Deutschland) ankämpfen. Nicht vergessen werden darf natürlich auch
der staatlich oder privat ausgeübte Terrorismus (z. B. Diktaturen, Ku Klux Klan in den USA). Während sich viele Formen des oben genannten Terrorismus von selbst erklären, wie beispielsweise die Unabhängigkeitsbestrebungen in Nordirland oder die gewaltsame Auflehnung gegen ein diktatorisches Regime sowie der Versuch eben dieses Regimes, seine Macht durch Gewaltanwendung zu etablieren, so erscheint dem Beobachter die Gewaltanwendung gegen ein demokratisch-parlamentarisches Regierungssystem, wie die BRD, als vermutlich am unverständlichsten. Denn es bietet Schutz vor der Staatsgewalt und zugleich größtmögliche Freiheit für alle, insbesondere die Möglichkeit Regierungen per Mehrheitswillen abzulösen und eigene soziale und politische Begehren zu verwirklichen. Diese antidemokratischen Gruppierungen haben dann auch in stärkerem Maße versucht, ihre Taten ideologisch zu rechtfertigen, hauptsächliche Grundlagen bilden hierbei die Erklärungen zu sogenannten \"Aktionen\", wie beispielsweise die erste Erklärung des Kollektivs Rote Armee Fraktion anläßlich der Baader-Befreiung am 14.05.1970 aus der Bibliothek des Zentralinstituts für soziale Fragen in Berlin: \"Die Rote Armee aufbauen\". Im folgenden sollen ihre ideologischen und strategischen Ansätze herausgearbeitet werden.
Die Rote Armee Fraktion war ein Zerfallsprodukt der studentischen Protestbewegung Berlins am Ende der 60er Jahre. Somit ist ihre Entstehungsgeschichte und Grundlage unweigerlich mit dieser Protestbewegung verknüpft, wenn auch im weiteren Verlauf der Geschichte die Gruppierung um Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler und Ulrike Meinhoff sich immer weiter in puncto Ideologie, Zielrichtung und vor allem Strategie von dieser Außerparlamentarischen Opposition (APO) entfernt hat. Eine gemeinsame Grundlage hatten beide Bewegungen:
- die Verlogenheit der Politik,

- die Vertuschung der Naziverbrechen,
- die veralteten Methoden, nach denen an Universitäten gelehrt wurde
- die USA, welche Krieg gegen den Vietnam führte,
- den Schah von Persien, welcher in Deutschland mit allen Ehren empfangen
wurde, obwohl er die Opposition in seinem Land niedergeschlagen hatte.
Zu Beginn der Studentenrevolten \"beschränkten\" sich die Aktionen des Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) sowie mehrerer anderer kleinerer Gruppierungen wie der Kommune I, umherschweifende Haschrebellen, Blues, u.s.w. auf Demonstrationen, Sit-ins, Teach-ins,
Happenings und vor allem in Diskussionen über das weitere Vorgehen. Zentrale Themen hierbei waren schon zu Beginn dieser Protestbewegung die Anti-Imperialismus-Theorie, der Vietnam Krieg, das Springer´sche
Pressemonopol und dessen Hetzkampagne gegen die Studentendemonstrationen sowie die Kritik an der bundesrepublikanischen Gesellschaft an sich. Viele dieser Thematiken finden sich auch in der späteren Ideologie der Rote Armee Fraktion wieder. Auch wurde zu diesem Zeitpunkt schon über die Legitimation der Gewaltanwendung gegenüber dem Staat und seinen Institutionen diskutiert. Die große Mehrheit der APO lehnte diese Vorgehensweise der Revolution ab, wohingegen sich einzelne Personen, darunter auch Andreas Baader und Gudrun Ensslin - sich berufend auf die Theorien von Marx, Lenin, Mao Tse-tung, Marcuse und Che Guevara - eher gewalttätigen Aktionen zuwandten. Die Frage, ob denn nun gewaltsame Aktionen gegen den Staat gerechtfertigt seien, beantworteten Staat und Gesellschaft, wenn auch vermutlich unabsichtlich, zumindest teilweise selbst. Zwei entscheidende Ereignisse haben höchstwahrscheinlich den Weg hin zum bundesdeutschen Terrorismus stärker als alles andere geebnet: Am 02.06.1967, anläßlich einer Demonstration gegen den Besuch des Schah von Persien und dessen Frau in Berlin, wurde der Demonstrant Benno Ohnesorg von Kriminalobermeister Karl Heinz Kurras in einem Hinterhof der Krummen Straße, Berlin, erschossen. Warum sich der Schuß aus der Dienstwaffe löste und dem Student tödliche Kopfverletzungen zufügte, konnte später nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden. Nur eines stand für die studentische Revolutionsbewegung zum damaligen Zeitpunkt fest: Die Auseinandersetzung hat ihr erstes Todesopfer gefordert. Es war einer aus den eigenen Reihen. Der Staat war für dessen gewaltsamen Tod verantwortlich. Kurzum, die junge Bewegung hatte ihren ersten Märtyrer. Das zweite folgenschwere Ereignis war das Attentat auf den charismatischen Führer des SDS, Rudi Dutschke am 11.04.68, an dessen Folgen er elf Jahre später verstarb. In beiden Fällen war die Staatsgewalt sowie die Presse nicht ganz unschuldig, und beide müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie an der Entscheidungsfindung hin zur Gewaltanwendung durch einige Personen aus dem Umfeld der APO, mitbeteiligt gewesen sind. Nach dem Tod von Benno Ohnesorg erlebte der SDS einen Mitgliederboom, die Gewaltdiskussion geriet in die entscheidende Phase, man redete: \"[...] darüber, ob man als Ausdruck des Protests zu Gewalt greifen darf [...] Eier gegen Fassaden, Steine gegen Autos, [...] gibt es stärkere Formen des Widerstandes, die legitim sind und mehr bewirken?\" So wurde im Anschluss an die Osterunruhen 1968 im radikalen Umfeld Baaders und Ensslins teilweise zwischen legitimer Gewalt gegen Sachen und illegitimer Gewalt gegen Personen unterschieden. Was sich bis zu dem Jahr 1968 im Rahmen der studentischen Protestbewegung an Aktionen abgespielt hatte, war zumeist noch im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung abgelaufen, das heißt, bis auf vereinzelte Sachbeschädigungen oder Widerstände gegen die Staatsgewalt waren nicht gezielt Rechtsnormen verletzt worden. Dieses Bild änderte sich jedoch schlagartig mit dem 2. April 1968. An jenem Abend waren in den beiden Frankfurter Kaufhäusern Schneider und Kaufhof mehrere Brandsätze gezündet worden und richteten nicht unerheblichen Sachschaden an. Die beiden Brandstiftungen wurden dem aus München stammenden Andreas Baader, der schwäbischen Pfarrerstochter Gudrun Ensslin, dem aus Kassel stammenden Architektensohn Thorwald Proll sowie dem Schauspieler Horst Söhnlein im anschließenden Strafprozeß zugeschrieben. Vor Gericht erklärten sie, die Tat sei " [...] Ausdruck des Protests gegen die Gleichgültigkeit, mit der die Menschen dem Völkermord in Vietnam zusehen.\" Bislang war über konkrete Gewaltanwendung nur diskutiert worden, an jenem 2. April machten dann vier Personen ernst. Es steht außer Frage, daß Politik und Polizei zu diesem Zeitpunkt mit dieser, noch nie dagewesenen, Situation völlig überfordert waren und versuchten, mit hartem Vorgehen die eigene Ohnmacht zu überspielen und die Sache in den Griff zu bekommen.
Eine Theorie für die Entstehung der RAF besagt demnach, dass der Staat überreagiert und so den Terroristen der ersten Generation neuen Zulauf beschert sowie deren Tendenz zu Gewaltanwendung gestärkt habe. Statt die Motive der Täter ernst zu nehmen, hätte der Staat die Aktivisten wie gemeine Verbrecher behandelt und habe so zur Eskalation der Gewalt beigetragen. Öffentliche Isolierung und Verfemung der Aktivisten in der Presse hätten die Terroristen zunehmend radikalisiert.
Weiter darf auch kein Geheimnis daraus gemacht werden, inwieweit die Presse, und hier insbesondere der Springer Verlag, versucht hat, die öffentliche Meinung zu einer absoluten Negation der studentischen Revolution zu bewegen. Die junge Linke in der BRD hatte diese sogenannte \"Hetzkampagne\" der Presse für das Attentat auf Rudi Dutschke, durch einen jungen - eher dem nationalistischen Lager zuzuordnenden - Arbeiter, verantwortlich gemacht. Auch wenn die Geburtsstunde der Rote Armee Fraktion erst mit der Baader-Befreiung offiziell in Verbindung gebracht wird, so waren die beiden Kaufhausbrände doch der erste Schritt in die Illegalität und für einen, wenn auch zunächst nur sehr kleinen Personenkreis, hatte sich die Frage der Legitimation von Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Ziele beantwortet. Zur Begründung gaben Baader und Ensslin im Prozess gegen sie weiter an, dass es im Rahmen der APO keine Möglichkeit in Form von Demonstrationen und ähnlichem geben würde, um die Bevölkerung auf diese Mißstände aufmerksam zu machen. Andreas Baader ging sogar noch weiter in dem er sagte: \"Damit ist bewiesen, daß die revolutionäre Bewegung in der Bundesrepublik tot ist.\" Hiermit grenzte er sich und seine Mitstreiter von der restlichen linken Protestbewegung aus. Und bereits in dieser ersten, recht spontanen und ungeplanten Aktion, äußern sich Ideologien der späteren Rote Armee Fraktion. Zum Ersten wird das Versagen der revolutionären Kräfte wie Proletariat, kommunistische Parteien und - hier konkret benannt - der Studentenbewegung genannt. Ein solches Scheitern erfordert das Tätigwerden einer sogenannten Avantgarde, die der gesamtrevolutionären Bewegung zu neuem und ganzheitlichem Schwung verhelfen soll. Zum Zweiten findet sich auch das sogenannte "Primat der Praxis" in den Ausführungen von Baader und Ensslin in deren Strafprozeß. Dies bedeutet, kurz zusammengefaßt, daß die Tat im Vordergrund und am Anfang stehen muß, und später erst die Theorie. Hier wird Kritik an der gescheiterten Studentenrevolte deutlich, die sich selbst über ihre endlosen Diskussionen über die Anwendung von Gewalt und das weitere Vorgehen tot geredet habe.
Die Kaufhausbrände von Frankfurt wurden von der sogenannten Neuen Linken unterschiedlich gewertet. Während der gemäßigtere und auch größere Teil der Revolutionsbewegung die Gewaltanwendung für sich verneinte und die Anschläge verurteilte, gab es einen radikaleren Teil, der diese Aktion gut hieß und aus dessen Kreisen sich auch die späteren Mitglieder terroristischer Vereinigungen rekrutierten. Das Strafmaß für die beiden Brandstiftungen wurde auf drei Jahre festgesetzt. Während der Haft kam Gudrun Ensslin erstmals mit der konkret-Kolumnistin Ulrike Meinhof in Kontakt, die sie zum Zwecke eines Interviews besuchte. Andreas Baaders Anwalt im Brandstifterprozeß war der Berliner Rechtsanwalt Horst Mahler.
Diese vier Personen sollten fortan als Führungskader der sogenannten ersten RAF-Generation gelten. Nach der Befreiung Andreas Baaders erhielt die Szene-Zeitung 883 einen Brief mit der Erklärung zur Baader-Befreiung: \"Die Rote Armee aufbauen\". Am Ende dieses Schreibens heißt es: \"Die
Klassenkämpfe entfalten Das Proletariat organisieren Mit dem bewaffneten Widerstand beginnen Die Rote Armee aufbauen!\" Bereits aus dieser ersten Erklärung gehen wesentliche Grundsätze für die Gründung der Rote Armee Fraktion hervor.

 
 

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