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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die zweite phase: das lagerleben





Die eben beschriebene Reaktionsweise der ersten Phase, beginnt sich in der zweiten Phase völlig zu wandeln. Diese Wandlung setzt nach wenigen Tagen nach der Ankunft ein. Nach dem ersten Stadium des Schocks schlittert der Häftling in das zweite Stadium hinein, das Stadium der Apathie.
Der Häftling beginnt innerlich zu sterben. Seine Gemütsregungen werden abgetötet und alles welches im Lager passiert wird mit anderen Augen gesehen. Es wird nicht mehr wahrgenommen als Wirklichkeit. Auf der einen Seite ist hier die Sehnsucht nach den geliebten Menschen daheim, auf der anderen Seite der Ekel vor all der Hässlichkeit von der der Lagerinsasse umgeben wird.
Durch das tägliche Mitansehen von Gewalttaten gewinnt die Brutalität eine gewisse Normalität, der Häftling wird abgehärtet, das Abtöten der normalen Gefühlsregungen schreitet weiter voran.
Der Anblick wie Kameraden gequält und getötet werden, war anfangs unerträglich, doch nach einigen Wochen gewöhnt sich er Häftling daran. Er nimmt es gleichgültig da er innerlich bereits vollkommen abgestumpft ist. Leidende, Kranke, Tote, all dies gehört zum täglichen bild im KZ begleitet vom Ekel, Grauen, Mitleid und Empörung. Der Insasse empfindet nicht mehr mit Gefühl sondern mit Gleichgültigkeit und Freude darüber nicht an der Stelle des Gepeinigten zu sein.
Der Häftling beginnt alles um sich herum zu entwerten, er macht dabei auch nicht vor der eigenen Person halt. Alle Werte stürzen bei diesem Vorgang mit seiner eigenen Person in einen Abgrund der Fragwürdigkeit herab. Diese entwerteten Suggestionen durch die Umwelt oder sich selbst, führt dazu das das eigene Ich eine Entwertung erfahren muss, das Subjekt verliert das Gefühl noch Mensch zu sein, geschweige denn ein Wesen mit innerer und geistiger Freiheit. Man empfindet sich lediglich noch als unbedeutender Teil einer noch unbedeutenderen großen Masse.
Das Dasein fällt herab auf das Niveau eines Herdendaseins. Und auf diese Art und Weise wird der Häftling von den beaufsichtigenden Organen seiner Umwelt auch behandelt. Somit kennzeichnen Apathie, die Abstumpfung des Gemüts, die innere Wurstigkeit und das Gleichgültigwerden die zweite Phase.
Diese Unempfindlichkeit ist die wertvollste Waffe gegen das permanente Geschlagenwerden des Häftlinge. Sie stellt die im Lageralltag höchst notwendige Panzerschicht dar, ohne die der Häftling leichte Beute wäre.
Die Apathie als Hauptsyndrom der zweiten Phase ist ein notwendiger Schutzmechanismus er Psyche. Die Wirklichkeit wird abgeblendet und das gesamte Gefühlsleben konzentriert sich auf die Lebenserhaltung.
Für Viktor Frankl war es die Ungerechtigkeit bzw. die Grundlosigkeit seines Leidens welches er als den wesentlichen Schmerz ansah. Der seelische Schmerz und die Empörung darüber waren es die Frankl am meisten weh taten. Aber auch der Hohn der den Schlägen folgte war schwer zu ertragen.
In dieser zweiten Phase litt Frankl und fast alle weiteren Insassen bereits an schweren Hungerödemen. Umso größer war seine Freude, wie er als Leibseelenarzt des Herrn Capo berufen wurde. Diese Stellung brachte im nämlich etwas mehr Nahrung als üblich.


4.b Träume der Häftlinge

Während dieser schweren Zeit im KZ, wird das gesamte Seelenleben des Häftlings auf eine sogenannte primitive Stufe herabgeschraubt. Diese Aktion ist lebensnotwendig und schützt den Häftling davor sich selbst aufzugeben. Psychologen sprechen von einer "Regression", dem Rückzug auf eine primitivere Form seelischen Lebens. Deutlich wird diese Primitivität an den typischen Träumen des Häftlings. Am häufigsten beziehen sich die Trauminhalte auf banal erscheinende Dinge wie Brot, Torten oder Zigaretten. Es sind die ganz gewöhnlichen, alltäglichen Dinge die der Häftling vermisst. Er ist bestrebt die primitivsten Verlangen zu befriedigen und manifestiert dies in seinem Geträumten. Was dieses Träumen dem Träumenden jedoch antut, kehrt er in die kalte, wahre Realität zurück ist eine Sache für sich. Eines steht jedoch fest, nicht der schlimmste Alptraum ist mit der Realität im KZ zu vergleichen.



4.c Sexualität

Die Unterernährung wird in dieser Phase als schlimmste Qual empfunden. Der Nahrungstrieb wird in den Bewusstseinsvordergrund gestellt, und ist dieser zuletzt auch der Grund das der Sexualtrieb im allgemeinen ausgeschaltet wird. Auch in den Träumen der Insassen tauchen sexuelle Inhalte äußerst selten auf, während Liebesregungen und anderwärtige Regungen Sehrwohl im Traum zum Vorschein kommen.


4.d Politik und Religion


Da der Häftling während seines KZ-Aufenthalts durch Unsentimentalität glänzt, die er sich zum Schutz angeeignet hat, ist jeglicher Gedanke der nicht zur Lebenserhaltung dient scheinbar nutzlos. Dies geistige Haltung führt zu einem Zurückziehen aller moralischen oder eben geistiger Fragen. Er verliert sämtliche höheren Interessen. Es herrscht ein sogenannter "kultureller Winterschlaf" im Lager. Ausgenommen von dieser Erscheinung sind lediglich zwei Interessen: politische Interessen, da von ihr auch verständlicherweise das Leben des Häftlings abhängt, und religiöses Interesse. Politisiert wird Im Lager zu genüge, da man die aufgeschnappten Gerüchte ja natürlich gleich verbreiten will und diese zu interpretieren versucht. Da die aufgeschnappten Gerüche sich aber größtenteils widersprechen und somit an Wahrheitsgehalt verlieren, stellen diese nur einem weitern Bestandteil des Nervenkriegs im Lager dar. Den Hoffnungen vom Kriegsende wahrten also nie sehr lange. Die Optimisten im Lager stellten, laut Frankl, eine weitere Plage im Lager dar.
Das religiöse Interesse war das innigste der Häftlinge. Dies zeigte sich in den improvisierten Gottesdiensten und Gebeten in Winkeln der Lagerbaracke.



4.e Das höchste Gut

Das eindeutig wertvollste, an welches sich die Häftlinge auch in schwersten Zieten berufen konnten, war die Liebe. In Träumen sprachen sie mit ihren geliebten Ehefrauen, führten Gespräche oder warfen einander ermutigende Blicke zu. Im Widerspruch zu anderen philosophischen Theorien, bestätigte sich eine Für Viktor Frankl: Die Liebe ist das letzte und Höchste Gut des Menschen. Hat man also nichts mehr auf dieser Welt, ist man vollkommen enteignet, hat man immer noch die Gedankenfreiheit, seine Träumer in denen man die Geliebte erscheinen lassen kann sooft man beliebt. Dabei wird es auch belanglos, ob der geliebte Mensch denn überhaupt noch unter den Lebenden verweilt oder nicht :" So wenig meint Liebe die körperliche Existenz eines Menschen, so sehr meint sie zutiefst das geistige Wesen des geliebten Menschen". Das der Mensch also physisch anwesend ist spielt hier eine untergeordnete Rolle, das erwärmende Gefühl der Liebe macht all dies wett.


4.f Meditation und Flucht in die Vergangenheit

Durch die Leere des geistigen Dasein im Lager wird der Häftling dazu gezwungen, in erfüllelende Ebenen zu flüchten, die er in der Vergangenheit findet. In seiner Phantasie beschäftigt er sich immer wieder mit verflossenen Erlebnissen, aber erstaunlicherweise nicht etwa mit den spektakulären, es sind die alltäglichen Begebenheiten, die nichtigsten Dinge oder Geschehnisse seines früheren Lebens um die sein Denken kreist. Sehnsüchtig blickt der Geist nach Innen zurück: Man kommt nachhause, sperrt die Wohnungstüre auf, lässt sich auf die weiche Couch sinken- solche scheinbar lächerlichen, banalen Details sind es die der Häftling in seinen schwersten Stunden Revue passieren lässt. So ist auch zu verstehen, dass manchmal die zarter Konstruierten, die welche zu solch subtilen, einfühlsamen Gedanken fähig sind, das Lagerleben besser überstehen konnten als die robusteren Naturen, welche zu solcher innern Flucht in die Vergangenheit nicht fähig waren und sich zu sehr mit dem tatsächlichen Alltag beschäftigten.



4.g Kunst im KZ

Kunst im KZ- eine etwas makabere Vorstellung, doch gab es sie gelegentlich. Von Zeit zu Zeit gab es Kabarettveranstaltungen, die in vorübergehend leergeräumten Baracken, in denen einige Holzbänke aufgestellt wurden, abgehalten wurden. Sogar Capos oder Lagerarbeiter begaben sich an diesen besonderen Abenden unter die normalen Häftlinge, um einwenig kulturellen Hochgenus für sich in Anspruch zu nehmen. Sie alle kamen um ein wenig zu lachen oder zu weinen, und auf jeden Fall zu vergessen. Es wurden Lieder gesungen, Gedichte aufgesagt und sogar Späße gemacht.
Der Sonnenaufgang oder das Abendrot, brachte die Lagerinsassen jedoch in den größten künstlerischen Genuss. Die Tendenz zur Verinnerlichung, und der Drang an dem letzten Schönen, festhalten zu müssen, baten eine gute Gelegenheit zu einem intensiven Erleben von Kunst und Natur. Trotz aller Müdigkeit und trotz aller Kälte, schleppten sie sich manchmal hinaus auf den Appellplatz, nur um den Anblick eines Sonnenuntergangs nicht zu entgehen. Aus diesem künstlerischen Verständnis ergibt sich der wohl gespenstische Kontrast gegenüber dem trostlosen Lagerleben doch hilft es wenigstens ein paar Minuten oder Stunden zu vergessen.
Ist dies schon seltsam, gibt es auch noch den Lagerhumor der uns für unangebracht erscheinen mag. Natürlich gibt es diesen nur ansatzweise und wenn dann nur für ganz kurze Zeit. Doch stellt er eine weitere Waffe dar um den Alltag zu bewältigen, auch er ist eine Waffe der Seele im Kampf um ihre Selbsterhaltung, die den Häftlingen nur schwer genommen werden kann. Der Wille zum Humor, der Versuch Dinge aus witziger Perspektive zu sehen, stellt gleichsam einen Trick als auch eine Lebenskunst dar, die zu hegen ein weiteres Glück darstellt. Der Begriff Glück lässt sich schwer definieren in den Umständen eines Häftlings, für ihn ist all jenes Glück was ihm erspart bleibt, dies stellt eine positive Gefühlsregung dar, die es nur selten gibt.


4.h Sehnsucht nach Einsamkeit

Wie schon erwähnt, fühlt sich der Häftling der zweiten Phase weniger als Individuum , mehr als Herdentier. Er hat sich selbst und sämtliche moralischen Grundsätze entwertet und wird gezwungen an die Wertlosigkeit des einzelnen Menschenlebens zu glauben. In einer Baracke mit bis zu 1100 Menschen zusammengepfercht, ist es nur allzu verständlich, verspürt man den Drang nach Einsamkeit. Es ist eine tiefe Sehnsucht nach dem Alleinsein mit sich selbst und den eigenen Gedanken, die einen packt. Da der Häftling die meiste Zeit bestrebt ist in der Masse unterzutauchen und um keinen Preis aufzufallen, ist dies ein weiteres interessantes Phänomen der KZ-Psychologie. Den sobald er die Aufmerksamkeit der SS auf sich lenkt ist dies gleichzeitig sein Todesurteil, über dessen Vollstreckung er keinen weiteren Einfluss mehr besitzt.



4.i Gereiztheit

Diese Gereiztheit stellt neben der Apathie eines der hervorstechendsten Merkmale der Häftlingspsyche dar.
Die auslösenden Komponenten sind der permanente Hunger und der Schlafmangel. Schon im normalen Leben machen beide, den Menschen schlechtgelaunt und unausgeglichen, nun kann man sich vorstellen wie dies Mängel in hochkonzentrierter Form, sich auf den Menschen im KZ auswirken. Durch weitere Komponenten wie Hygienemangel und die daraus resultierende Ungezieferplage und den Fortfall jeglicher Zivilisationsgifte wie Koffein oder Nikotin, wird diese Gereiztheit des Häftling noch gesteigert. Zu diese körperlichen Auslösern treten dann auch noch eine Reihe von seelischen auf, und zwar in Form von Komplexen. Die Minorität der Häftlinge leidet begreiflicherweise an einer Art Minderwertigkeitsgefühl. Was darauf zurückzuführen ist, dass die Menschen buchstäblich entmenschlich wurden. Sie besitzen weder Güter noch Namen, ihr Leben ist nichts wert.
Diese Gereiztheit kommt in Schlägerein unter den Häftlingen zu ihrem Höhepunkt und wurde von Frankl beobachtet und analysiert.


5.a Die Seele

Nach diesem Versuch die typischen, prägenden Charakterzüge eines KZ-Häftlings darzustellen, müsste man den Eindruck gewinnen, dass die menschliche Seele letzten Endes von der Umwelt her zwangsmäßig und eindeutig bestimmt wird. Ist es ja beispielsweise das Konzentrationslager, oder eben das alltägliche Lagerleben welches als soziale Umwelt das Verhalten des darin Lebenden prägt und gestaltet. Und hier stellt sich zurecht die Frage:
Wo bleibt die persönliche Freiheit des Menschen? Die geistige Freiheit die ihm erlaubt Ansichtsweisen aufzubauen und danach zu leben? Gibt es diese unter solch katastrophalen Umständen überhaupt noch? Oder ist der Mensch lediglich Produkt vielfacher Bestimmtheiten und Begebenheiten, seien diese biologische, psychologisch oder sozial? Besitzt der Mensch die ihm schon vielfach zugesprochen Gedankenfreiheit oder ist er guter letzt nur ein Resultat seiner leiblichen Konstitutionen und seiner Disposition in einer Gesellschaft? Kann er sich nun den Einflüssen dieser Daseinform, der er gezwungenermaßen unterstellt ist, entziehen oder unterliegt er ihr vollkommen?
Um diese Fragen beantworten zu können bezieht Frankl sich auf all die guten Menschen, welchen er während seines KZ-Aufenthalts begegnete. Menschen die aus freier Einstellung heraus Ja zum Leben sagten und trotz des erdrückenden Alltags immer noch fähig dazu waren, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.
An ihnen konnte er ausmachen, dass man Menschen im Konzentrationslager alles nehmen kann, nur nicht: die letzte menschliche Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältniss4en so oder so einzustellen. Mögen es auch nur weinige Menschen gewesen sein die ein gutes Lächeln oder ein Stück Brot spendeten, doch haben diese genug Beweiskraft, dass die geistige Freiheit des Menschen bis zu seinem letzten Atemzug nicht genommen werden kann. Lässt man ihm noch bis zum letzten Atemzug Gelegenheit sein Leben sinnvoll zu gestalten, wird er dieses auch tun.


6.b Der Sinn des Lebens

Je nachdem ob der Mensch im KZ sein unabwendbares Schicksal auf sich nimmt oder nicht und auch in den schwierigsten Situationen die ihm gegebenen Möglichkeiten ausnützt, um sein Leben sinnvoll zu gestalten, je nachdem ob er sich sowohl geistig als auch menschlich fallen lässt, dem Lagerleben verfällt und vollends zum Herdentier wird, je nachdem hat der Mensch die Wertmöglichkeiten, die ihm seine Leidsituation und sein schweres Schicksal geboten haben, verwirklicht oder verwirkt. Nun wird bewiesen, ob er der Qual würdig ist oder nicht. Nur wenige Menschen sind in der Lage eine solche Überlegung durchzuführen, und diese vor allem auszuführen. Nur wenige und seltene Menschen waren in der Lage sich zu ihrer vollkommenen inneren Freiheit zu bekennen und die Werte zu verwirklichen, die das Leiden ermöglichen. Doch schaffte es lediglich ein Mensch, so war dieser der Zeuge dafür, dass der Mensch innerlich stärker sein kann, als sein äußerliches Schicksal. Der Mensch wird vor die Herausforderung gestellt aus seinem bloßen Leidenszustand eine innere Leistung zu gestalten. Denn, wenn Leben überhaupt einen Sinn hat, dann muss doch Leiden auch einen Sinn haben.
Gehört das Leiden nicht irgendwie zum Leben dazu, genauso wie der Tod, der aus dem menschlichen Dasein erst ein Ganzes macht? Hier lehrt Frankl, dass es nie und nimmer darauf ankommt, was man vom Leben erwartet, vielmehr kommt es darauf an was das Leben von einem erwartet. Verantwortung tragen für die rechte Beantwortung der Lebensfragen, für die Erfüllung der Aufgaben, die jedem einzelnen das Leben stellt, für die Erfüllung der Forderung der Stunde, diese Handlungen und mit ihr der Sinn des Daseins, beinhalten den
wesentlichen Sinns des KZ-Lebens, denn nie kann man den Sinn des menschlichen Lebens allgemein verfassen.



6.c Leiden als Leistung

Diese hängt eng mit der Frage nach dem Sinn des Lebens zusammen, wir im KZ ja aus dem Leiden eine Tugend gemacht die einem erlaubt zu einer menschlichen Größe zu gelangen, die man früher in der Alltagsexistenz vielleicht niemals erfahren hätte können. Sofern nun das konkrete Schicksal dem Menschen ein Leid auferlegt, wird er auch in diesem Leid eine Aufgabe sehen müssen. Von seinem leidvollen Schicksal nun gepeinigt, welches im kein anderer abnehmen oder erleichtern könnte, steht er nun vor der einzigartigen Herausforderung, eine einmalige Leistung zu vollbringen, nämlich das Leid zu durchleiden und vor allem zu überleben! Den nur die Häftlinge die den Sinn im Leiden und somit im Leben erkannten, hatten die Möglichkeit zu überleben. Wehe dem, den Mutlosigkeit und Hoffnungslosigkeit überkamen, sobald man nicht mehr vermochte an seine Zukunft zu glauben und den geistigen Halt verlor, war man selber verloren. Mit dem Lebensziel wird auch die Existenz ausgelöscht. Für Viktor E. Frankl war das Leiden eine Aufgabe geworden, deren Sinnhaftigkeit er sich nicht mehr verschließen mochte, er hatte Mut zum Leiden.


7.a Psychologie der Lagerwache

Wie ist es möglich, dass Menschen aus Fleisch und Blut anderen all das antun, vordem sie sogar Tiere verschonen würden? Diese Frage stellte sich Frankl wiederholt. Erstens gab es unter den Wachtposten des Lagers ausgesprochene Sadisten und zweitens wurden gerade diese Sadisten ausgesucht wenn es darum ging eine scharfe Bewachungsmannschaft zusammenzustellen.
Diese Posten stellten dann die negative Auslese dar, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Häftlinge in sämtlichen, menschenunwürdigen Vorgängen zu foltern und zu demütigen. Um sich eine solche Vorgehensweise der Lagerwache erklären zu können muss erwähnt werden, das die Lagerwache, als auch die Häftlinge, großteils abgestumpft waren, durch die vielen Jahre, in denen sie Zeugen als auch Ausführende, des sadistischen Betriebs im Lager waren.
Aus all dem lernte Frankl, dass es zwei Menschenrassen auf Erden gibt, nämlich die Rasse der anständigen Menschen und die der unanständigen Menschen. Beide Rassen sind im allgemeinen verbreitet und nicht homogener Natur oder rassenrein. In jeder Gruppe befinden sich anständige als auch unanständige.
Das Leben Im KZ bot Frankl die Möglichkeit in einen Abgrund, in die äußersten Tiefen des Menschen zu blicken , diese zu analysieren und letztendlich zu dem Entschluss zu kommen: Das Menschliche all das was es ist, ist eine Legierung von gut und böse.


8.a Die dritte Phase: Die Befreiung aus dem Lager

Dies ist nun die letzte Phase die der Häftli9ng gezwungen wird zu durchlaufen. Sie ist zwar weniger facettenreich als die erste und vor allem die zweite Phase, doch wird sie ebenfalls in seelischer Hochspannung durchlaufen, der dann die totale Entspannung folgt. Diese Befreiungserlebnis kann freilich nicht objektiv geschildert werden und besteht deshalb aus einer persönlichen Darstellung Viktor Frankls. Die dritte Phase wird der Erscheinung der typischen weißen Flagge eingeläutet, die das Ende des verlorenen Kriegs artikuliert.
Wer nun denkt ab diesem Zeitpunkt machte sich riesengroße Freude breit der täuscht sich. Mit müden Schritten, getragen von noch müderen Beinen, schleppten sich die Häftlinge zum Lagertor vor, um erstmalig die Umgebung des Lagers zu erkunden. Zum erstenmal, gehen sie diesen Weg ohne Angst vor dem Tod durch Erschießung haben zu müssen. Sie sind nun freie Menschen, können dies aber nach jahrelangem Aufenthalt in einem Tötungslager weder fassen noch realisieren. So lange haben sie von der Freiheit geträumt, dass sie sich
Schwer vorstellen können, diesen abgegriffenen Begriff nun endlich bewusst zu erleben. Noch dringt die Wirklichkeit nicht recht in das Bewusstsein vor.
Man nimmt dieses erlösende Schreiten auf der Wiese vor dem Lagertor, zwar zur Kenntnis, aber nicht zum Gefühl. Noch macht die Welt keinen Eindruck, man muss erst wieder lernen sich zu freuen, denn das hat man buchstäblich verlernt. Was die Häftlinge während dieser Phase erleben würde der Psychologe als Depersonalisation bezeichnen. Alles erschient unwirklich und unwahrscheinlich, der Häftling fühlt sich wie in einem Traum.
Solange hat man sich auf diesen Tag gefreut, sosehr hat man sich danach gesehnt, doch ist er viel zu rasch Wirklichkeit geworden. Die Seele tut sich schwer, nach jahrelanger Folter plötzlich, sämtliche Reize, die mit dem Freiheitsbegriff in Verbindung stehen, zu verarbeiten. Der Körper jedoch baut seine Hemmungen etwas schneller ab, als die Seele. Von der ersten Möglichkeit an,beginnt der Entlassenen zu essen. Er ißt stundenlang, tagelang und sogar Nächte lang, so groß ist sein Kalorien Defizit.
Der zweite Drang unter dem der Ex-Häftling steht, ist der Drang zu erzählen.
Er beginnt bei nächster Gelegenheit zu erzählen, stundenlang.
Der jahrelange Druck der auf ihm lastete, wird durch dieses zwanghafte erzählen abgelassen. Nach der Befreiung und wegen der plötzlichen Druckentlassung, zeigen sich jedoch gewisse Gefahren in seelischer Bezeihung, die mit der Caisson-Krankheit verlichen werden können. Durch die plötzliche Druckentlassung der Seele des Menschen, kann er bestimmte Schäden davontragen. Gerade bei primiveren Individuen kann man während dieser Phase oft beobachten, daß sie nach wie vor in ihrer seelischen Einstellung unter der Kategorie der Macht und Gewalt verharren, nur das sie in dieser neuen Situation diejenigen darstellen, die ihr Macht, ihre Freiheit hemmunglos und bedenkenlos nutzen dürfen. Diese Menschen tun Unrechtes, weil sie selber Unrechtes erfahren mussten und dieses als Enschuldigung für ihr Fehlverhalten heranziehen.
Sie denken, daß nicht was sie unrechtes tun könnten, mit dem gleichgestellt werden könnte, welches sie erfahren mussten und somit gerechtfertigt sei.
Doch eines könnte den Entlassenen noch gefährlicher werden, nämlich die Verbitterung und die Enttäuschung des Häftlings, der als freier Mensch in sein altes Leben zurückkehren möchte.
Hier ist es die Ignoranz der Umwelt und der Gesellschaft die dem Häftling zu schaffen macht. Die Mesnchen dahiem begegnen ihm mit Achselzucken oder üblichen Redewendungen wie:\" wir haben von nichts gewußt..\" oder \" wir haben auch gelitten\". Dann drängt sich dem Ex-Häftling die frage auf, wozu er das alles erdulden musste.
Diese beiden Grunderlebnisse können den Entalssenen schwerwiegend deformieren und seelisch gefährden. Noch schlimmer wird es, möchte der Befreite seinen Geliebten Menschen aufsuchen, der geliebte Mesnch vom dem er im Traum tausendmal geträumt hatte, und der ihm einen weiteren Sinn im trostlosen Alltag gab.
Gekrönt wird aber all dieses Erleben des heimkehrenden Mesnchen von dem köstlichen Gefühl, nach all dem Erlittenen nichts mehr auf der Welt fürchten zu müssen!

 
 



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