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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die solonischen neuerungen





2.1. Solon Solon war ein vermutlich um 640 hochgeborener athenischer Dichter und Staatsmann. Er wurde 594 in seiner Heimatstadt zum Archon (hoher Beamter) und zum Diallaktes (Versöhner) bestellt, um die soziale Krise, die Athen umfasste zu schlichten. Sein Lebenswerk wurde zur Grundlage des vordemokratischen athenischen Staates. Er starb 540 im Alter von 80 Jahren.



2.2. Die vorsolonische Krise

Ab dem 7. Jahrhundert war das soziale Gefälle zwischen Adel und Demos in Folge des Bevölkerungswachstums und der hierdurch bedingten Wertsteigerung von Grund und Boden zunehmend größer geworden.
Jedoch waren die Ursachen der Krise Athens in vorsolonischer Zeit natürlich nicht allein in der Not der ländlichen Bevölkerung zu sehen. Die explosive Lage vor
der Gesetzgebung war auch Folge der Machtkämpfe zwischen den athenischen Adelshäusern. So spielte der Putschversuch Kylons und seiner Gefolgsleute - fast ausschließlich junge Adlige - im Jahr 632 eine überaus wichtige Rolle. Die Polisbehörde musste das attische Heer mobilisieren, um Kylon zu schlagen. Nach der Niederschlagung des Putschversuches nahmen die Auseinandersetzungen neue Dimensionen an. Die Gefolgsleute Kylons, welche den Kampf überlebten, wurden in Blutrachefehden (kylonischer Frevel) getötet. Vermutlich resultieren die Feindschaften der Adelshäuser untereinander aus dieser Zeit. Es war sicher auch kein Zufall, dass wenige Jahre später 642 die Gesetzgebung Drakons (drakonische Gesetze) zur Unterbindung der blutigen Fehden eingeführt wurden.
Eine weitere Ursache ist auch im Erb- und Schuldrecht der damaligen Zeit zu suchen. Die Bauern vererbten ihr Land zu gleichen Teilen an ihre männlichen Nachkommen. Dies hatte eine zunehmende Parzellierung des Bodens zur Folge. Weiterhin dürften mangelhaftes Düngen, Monokulturen und die Störung des Wasserhaushaltes durch Rodungen Ursachen für immer geringer werdende Ernten gewesen sein. Hierdurch nahm die wachsende Zahl von Kleinbauern ein bedenkliches Ausmaß an.
Die Schuldner verpfändeten zwar nicht ihre Person, konnten aber bei Zahlungsunfähigkeit zur Arbeit für den Gläubiger gezwungen oder als Schuldsklaven verkauft werden.
Eine andere Form der Schuldeneintreibung war die Verpflichtung der Bauern, regelmäßige Abgaben an den Gläubiger zu leisten. Dies war in der Regel ein Sechstel der eigenen Ernte, weshalb sie auch Hektemoroi (Sechsteiler) genannt wurden. Da die Hektemoroi durchweg sehr kleine Parzellen zu bearbeiten hatten, war ihre Abgabenpflicht eine bedrückende Last, garantierte jedoch dem Gläubiger selbst in schlechten Erntejahren einen guten Ertrag.
In dieser Zeit lebten viele ehemals freie Athener in ihrer Heimat in Knechtschaft, während weitere als Schuldsklaven in andere Poleis verkauft wurden oder sich als Flüchtlinge außerhalb Athens aufhielten.
Diese explosive Lage führte dazu, dass der Adel sowie der Demos nach einer Neuordnung der Polisgesellschaft verlangten.
In dieser Situation wurde Solon, ein athenischer Adliger, zum Archon und Diallaktes im Jahre 594 bestellt. Da er die Gefahr der Tyrannis auf das Schärfste kritisierte, bot er die Gewähr, die ihm zu übertragende Macht nicht zu missbrauchen und hatte durch seine Kritik an der ungerechten Landverteilung den Demos hinter sich. Solon hatte vor den Folgen der sozialen Krise gewarnt und den Gedanken der Polisgemeinschaft betont sowie einen Sinneswandel hin zur Gerechtigkeit gefordert.


2.3. Die solonischen Gesetze

2.3.1. Die Seisachteia

Solon erkannte, dass seine vordringlichste Aufgabe darin bestand, die Not der Kleinbauern zu lindern. Nur hierdurch konnte die allgemeine soziale Unzufriedenheit gemindert und die Gefahr der Tyrannis gebannt werden.
Seine erste Maßnahme war die Aufhebung der Hypothekenschuld für Bodenbesitz und die Befreiung aus der Schuldknechtschaft, was allgemein als die Seisachteia (Lastabschüttlung) bezeichnet wurde.
Mit der Seisachteia war also eine "Amnestie" für alle Schuldner verbunden. Schuldsklaven wurden zurückgekauft und flüchtige Schuldner kehrten nach Athen und Attika zurück.
Er verbot weiterhin den Zugriff auf die Person des zahlungsunfähigen Schuldners, in dem er das bis dahin bestehende Zugriffsrecht aufhob und schaffte somit die Schuldknechtschaft ab. Ebenfalls erhielten die Hektemoroi ihr Land wieder zur freien Verfügung und wurden so von ihren Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern befreit.
Jedoch hatte Solon viele Bauern enttäuscht, in dem er die Forderung nach einer gänzlichen Neuverteilung des Landbesitzes nicht erfüllte. Eine allgemeine Landverteilung barg aber die Gefahr eines Bürgerkrieges, da er nicht davon ausgehen konnte, dass der Adel freiwillig auf einen erheblichen Teil seiner Ländereien verzichten würde. Hinzu kam, dass der Grundbesitz die Basis der politisch führenden Schicht war. Es herrschte nach der Seisachteia aber auch Enttäuschung unter den Gläubigern, da sie dadurch erhebliche Einbußen erlitten.



2.3.2. Maß-, Gewichts- und Münzreform

Die Neugliederung und Vereinheitlichung der Maße und Gewichte war auf Grund der Vielzahl von verschiedenen, in Attika verwendeten Systemen notwendig geworden. Solon passte die attischen Maß- und Gewichtseinheiten dem dorischen, einem im archaischen Griechenland weitverbreiteten System, an. Diese Reform diente der Erleichterung des Binnen- und Außenhandels Athens, war aber für Solon von weit größerer Bedeutung. Auf diese Weise wurde es ihm möglich, die solonische Ordnung (siehe 2.3.5.) herzustellen.
Die Münzreform bleibt ungeklärt, da zu solonischer Zeit in Attika weder Münzen geprägt wurden, noch als Zahlungsmittel im Umlauf waren. Der Handel basierte auf der Naturalwirtschaft, so dass die eingeführten Silber- und Goldmünzen ausschließlich einen materiellen Wert besaßen.



2.3.3. Die Förderung des Handwerks

Da nicht jeder der ehemaligen, nach Attika zurückkehrenden Schuldnern mit einem Grundstück versorgt werden konnte, mussten neue Erwerbsmöglichkeiten gefunden werden. Solon bemühte sich, auswärtige Handwerker nach Athen zu holen. Sie konnten die athenischen Bürgerrechte erhalten, wenn sie mit ihren Familien nach Attika übersiedelten.
Ein Gesetz bezugnehmend auf diese neu anzusiedelnden Handwerker förderte die Ausbildung und Umschulung grundbesitzloser athenischer Bürger.



2.3.4. Die juristische Neuerungen

Erstmalig wurden durch Solon Gesetze verfasst, welche die schon erwähnten wirtschaftlichen Probleme, wie auch Delikte gegen Personen, Straftaten gegen das Gemeinwesen, familienrechtliche Angelegenheiten, Fragen des Kultes sowie das Nachbarschaftsrecht behandelten.
Er führte ebenfalls die Möglichkeit der "Popularklage" ein. Sie ermöglichte "jedem" Bürger, Straftaten und Rechtsbrüche anzuzeigen, wenn der Geschädigte selbst nicht dazu in der Lage war und die Verfolgung des Unrechts im öffentlichen Interesse lag.
Weiterhin verpflichtete Solon jeden Bürger Athens, unter Androhung der Verluste seiner Bürgerrechte, bei inneren Unruhen zu den Waffen zu greifen. Wahrscheinlich sollte mit diesem Mittel ein Abschreckungseffekt erzielt werden, so dass potenzielle Verschwörer von vornherein mit dem Widerstand der breiten öffentlichen Masse rechnen mussten.
Die Blutgesetze des Drakon aus dem Jahre 642, welche das Verfahren bei Tötungsdelikten regelten, wurden von Solon nicht angetastet. So blieben die wegen eines Mordes oder Umsturzversuches verbannten ehemaligen Athener von der solonischen Amnestie ausgeschlossen.





2.3.5. Die solonische Ordnung

Die von Solon geschaffene Einteilung der Bürger in vier Schichten, auch Timokratie genannt, basierte auf der Naturalwirtschaft, obwohl die Bezeichnungen der drei unteren Klassen aus einer früheren Zeit stammten, in der die Bürger nach ihrer militärischen Zuordnung innerhalb einer Phalanx (Schlachtreihe) eingeteilt wurden.
Die Bezeichnung Pentakosiomedimnoi (Fünfscheffler) zeigt, dass die Zuordnung nach jährlichen Ernteerträgen vollzogen wurde. Um zu der ersten oder Oberschicht zu gehören, musste man also 500 Medimnoi (Scheffel) fester oder flüssiger Produkte (ca. 22500 l Getreide oder 18000 l Öl oder Wein) Ertrag nachweisen. 300 Medimnoi Einkunft waren notwendig, um der zweiten Schicht, den Hippeis (Reiter), anzugehören. Die dritte Klassen waren die Zeugiten (von Zeugon, einem Glied in der Phalanx). Diese hatten ein Mindestmaß von 200 Medimnoi zu erwirtschaften. Die als Theten (leicht Bewaffnete, Proviantträger) benannte vierte Schicht waren die ärmeren Athener. Sie waren aber trotzdem Landbesitzer und somit freie Bürger, deren Vertreter in der Ekklesia saßen.
Es ist leider nicht geklärt, wie die im athenischen Polis beschäftigten Handwerker zur Zeit der Naturalwirtschaft klassifiziert wurden, da ein messbarer Ernteertrag nicht vorhanden war.
Als Problem dieses Zensussystems stellte sich das Abmessen der Erträge dar, da es an ausreichend Messinstrumenten fehlte. Die Ernte der einzelnen Landbesitzer wurde einfach einer Timema (Schätzung) unterzogen. Dies führte dazu, dass die solonische Ordnung auch Timokratie genannt wurde.
Diese Neuordnung hatte zur Folge, dass reichen Bauern, die nicht adliger Abkunft waren, die Möglichkeit gegeben wurde, in die höchsten politischen und gesellschaftlichen Positionen vorzudringen.


2.3.6. Die Boulè

Die Schaffung eines dritten gesellschaftlichen Organs, das die Lücke zwischen Volksversammlung und Adelsrat schließen sollte, war eine der letzten Neuerungen Solons. Die Boulè, auch Volksrat oder Rat der Vierhundert genannt, setzte sich aus je einhundert delegierten Mitgliedern der vier Phylen zusammen und durfte nur Bürger der Zeugiten, der Hippeis sowie Pentakosiomedimnoi aufnehmen.
Es war sehr wahrscheinlich, dass Solon nicht nur die bereits erwähnte Lücke schließen, sondern auch den genossenschaftlichen Elementen zu einer Aufwertung verhelfen wollte, damit sie eine starke Institution gegen das Machtstreben einzelner Schichten oder Personen bildeten.




3. Schlusswort


Von größter Bedeutung für die Polisbildung war die Bindung kleinerer personeller Gemeinschaften an mehr oder weniger begrenzte landschaftliche Räume oder Regionen. Hier war gemeinschaftsbezogenes Denken und Handeln der einzelnen Personenverbände, die sich im Verlauf der Jahrhunderte zu staatlichen Einheiten entwickelten, notwendig, um den Frieden nach innen zu bewahren und dadurch stark nach außen zu sein. Die Einführung bestimmter Zulassungskriterien für die Ausübung von Gemeinfunktionen, die Aufteilung der Kompetenzen von Beamten und Gremien sowie die Verfahrensregelung bei der Besetzung von Funktionen und dem Ablauf von Entscheidungsprozessen ermöglichte auch bei wachsenden Bevölkerungszahlen ein gesellschaftliches, öffentliches Leben.
Mit Solon begann eine dieser neuen Etappen der politischen Entwicklung. Seine Neuordnung ließ fast keinen Lebensbereich aus, so dass mir nur ein Vorstellen der Maßnahmen übrig blieb, die mir nach heutiger Sichtweise am Eindrucksvollsten erschienen. Nicht ohne Grund sahen die Athener, auch lange Jahre nach seinem Tod, in Solon den Begründer des demokratischen Gedankens und somit der Demokratie selbst.
Jedoch scheint mir dies eine Fehleinschätzung einiger Historiker aus alter Zeit und der Athener selbst zu sein. Solon war ein Traditionalist und verstand sich zunächst als Schlichter, der die in Streit geratenen politischen und sozialen Lager wieder in die alte Ordnung zurückführen wollte. Er löste diese Aufgabe im Sinne eines Mittlers zwischen den Parteien. Da er wusste, dass der von ihm gewählte mittlere Weg beide Lager wenig befriedigen würde, führte er die attische Bevölkerung durch seine Gesetzgebung zu einem Bewusstsein der Einheit und Zusammengehörigkeit. Das war das eigentlich Neue und weit in die Zukunft Weisende an der solonischen Neuordnung. Jedoch verknüpfte Solon politisches Recht mit dem wirtschaftlichen Vermögen der Bürger und in deren Abstufung mit Vermögensklassen. Er gab jedem freien Bürger das Recht, Mitglied eines Gremiums oder gar Beamter zu werden, gleichzeitig verwehrte er den kleineren Bauern und Händlern durch die Einführung der Timokratie diese Möglichkeit. Er glaubte fest daran, dass nur der Adel in der Lage wäre, einen Staat zu führen und so versuchte Solon auch nicht an dessen Vormachtstellung zu rütteln.
So möchte ich abschließend feststellen, dass Solon aus heutiger Sicht ein wahrhaft großer Staatsmann gewesen ist, welcher zwar keinen demokratischen Staat geschaffen hat, wohl aber den Grundstein dafür legte. Seine Gesetzgebung gleicht nicht unserem Grundgesetz, das allen Bürgern gleiche Rechte und Pflichten einräumt, sonder war das Fundament für die erste im Jahre 510 durch Kleistenes eingeführte Verfassung.

 
 


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