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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die entwicklung der mafia seit 1989





7.1 Italien Dass sich die Mafia in Italien seit einiger Zeit relativ ruhig verhält, ist nach Auffassung einiger kritischer Beobachter nicht Ergebnis einer erfolgreichen Bekämpfung der Mafia durch den Staat. Vielmehr gibt es Anzeichen, dass sie sich verstärkt dem nicht-italienischen Raum zugewandt hat. Diese Tendenz hängt eng mit den Umbruchsjahren 1989/90 in den ehemaligen sozialistischen Republiken Osteuropas zusammen. Dort forderte die offenkundige Schwäche des Staates die Mafia und andere kriminelle Vereinigungen geradezu heraus: die Ähnlichkeiten zum Sizilien des 19. Jahrhunderts sind vielfach frappierend.
Vor allem das Spekulanten- und Immobiliengeschäft wird für die organisierte Kriminalität als Nische benutzt, um illegale Gelder reinzuwaschen. Neu ist, dass gerade die italienische Mafia hier pseudolegal vorgeht. Sie führt ihre Devisen- und Immobilienkäufe über Strohfirmen durch, was auf Grund der noch nicht angepassten Gesetzeslage in den osteuropäischen Ländern keine Schwierigkeit darstellt. Diese Form des Kapitalflusses wird übrigens bereits seit 1985 verstärkt von italienischen Ermittlern beobachtet (wobei eventuell der Vatikan Verbindungen nach Osteuropa herstellte).
Neben der italienischen Mafia, die, wie die chinesischen Triaden, die japanischen Yakuzas oder das kolumbianische Drogenkartell Osteuropa überflutet haben, ist in der letzten Zeit auch von einer russischen \"Mafia\" die Rede.

7.2 Die \"Rote Mafia\": Anfänge
Seit etwa 1970, als nach der ersten Entspannungsphase zwischen den Supermächten eine längere Frostperiode folgte und die sowjetische Planwirtschaft immer weniger die Bedürfnisse der Menschen befriedigen konnte, entstand das Phänomen der \"Schattenwirtschaft\": Nicht die staatlichen und genossenschaftlichen Betriebe sicherten die Versorgung der Bevölkerung, sondern der wuchernde Schwarzmarkt. Staatliches Eigentum wanderte mehr und mehr in die Hände von Dunkelmännern. Es entwickelte sich ein landesübergreifendes Korruptionssystem.
Die Schattenwirtschaft übernahm Aufgaben der Staatswirtschaft und schuf zusätzlich Märkte für Luxusgüter, Waffen, Drogen und Prostitution. Die Versorgung auf diesen illegalen Teilmärkten war weitaus besser als in der maroden Planwirtschaft. Zur Kontrolle ihres Einflussbereiches gründeten die \"Schwarzmarktler\" bald eigene Zünfte. Deren Aufgaben veränderten sich mit der Zeit. Zunehmend traten sie als Garanten illegaler und legaler Geschäfte auf und verlegten sich auf die lukrative Schutzgelderpressung. Der Staat konnte keinen Einhalt bieten, da er von diesem inoffiziellen Wirtschaftssystem nichts wusste bzw. nichts wissen wollte.
7.3 Strukturen der russischen Mafia
Die \"Rote Mafia\" hat, wie wir gesehen haben, auffällige Ähnlichkeiten mit der sizilianischen \"Schwester\": Sie entstand in einer Zeit staatlicher und wirtschaftlicher Schwäche. Ihre Anfänge lagen im legalen Sektor, doch wuchs sie schnell in den illegalen Bereich hinein. Sie verfilzte sich mit der Bürokratie und machte ihre Geschäfte zunehmend mit speziellen \"Dienstleistungen\" (Garantie von Schutz und Ordnung).
Neben Gemeinsamkeiten gibt es aber auch erhebliche Unterschiede zwischen russischer und italienischer Mafia: So ist die russische primär ethnisch strukturiert, Familienbindungen spielen eine vergleichsweise geringe Rolle. Ihre Wurzeln liegen nicht in der Krise des Feudalismus, sondern im Zusammenbruch der sozialistischen Planwirtschaft. Ihre Gewinne schöpfte sie nicht aus der Verpachtung von Land an Bauern, sonern aus dem Handel mit regulären Gütern wie Maschinenteilen und Weizen. Letzteres war übrigens auf Grund der vielen Missernten in den 70-er Jahren äußerst lukrativ.

7.4 Aufbau der \"Brigaden\"
Brigaden nennen sich die Moskauer Banden, die mittlerweile Drogengeschäft, Prostitution, Glücksspiel und Waffenhandel kontrollieren und diese auch in den Westen \"exportiert\" haben. Deutschland als zentraleuropäisches Land ist hierbei erste Anlaufstelle. Die ethnische Struktur der Banden zeigt sich darin, dass einzelne Banden jeweils eine Sparte der Kriminalität beherrschen, was brutalen Konkurrenzkampf natürlich nicht ausschließt: Serben, Kroaten, Bosnier dominieren den osteuropäischen Drogenhandel, die Routen kontrollieren meist Tschechen. Jüdische Russen verdingen sich als Hehler von Kraftwagen, die polnische Autoschieber im Westen zusammengeklaut haben. Die Russen profitieren hauptsächlich von der Prostitution und der Erpressung von Schutzgeldern, während sich Bulgaren und Georgier um das Glücksspiel streiten, ähnlich wie Dagistaner und Ossetier um das Monopol im Straßenraub. Allerdings sollte man sich vor Verallgemeinerungen hüten, die Banden sind nicht immer ethnisch sauber zu trennen und es gibt auch keine gesicherten \"Monopole\" in der Kriminalität.
Die größte bekannte kriminelle Gruppe, die tschetsche, ist eine solche Ausnahme von der Regel und nicht ethnisch aufgebaut. Von anderen Organisationen, die es wohl bereits unter Stalin gab, kennen wir oft nur den Namen. Sie heißen etwa Dolgoprodnaya oder Ingoschy.
7.5 Abschließende Bemerkung
Wie gesehen, ist das Netz der europäischen Kriminalität nur schwer zu durchschauen. Der Ermittlungsstand erlaubt, nur die Spitze des berüchtigten Eisberges zu sehen. Russische Experten wie A. Gurow oder L. Timofejew gehen davon aus, dass die Verflechtungen der kriminellen Organisationen und deren Machtfülle weit über die der \"klassischen\" italienischen Mafia hinaus reicht.
Es ist nicht falsch, im Hinblick auf die Phänomene im Osten Europas von Mafia zu sprechen, da sich viele Ähnlichkeiten zu den italienischen Verhältnissen nachweisen lassen. Dort freilich war an Waffenhandel mit Nuklearmaterial oder chemischen Kampfstoffen nicht zu denken gewesen, und die Verschmelzung legaler und krimineller Geschäfte sowie die Verbindung mit der Politik hat in Rußland eine Intensität erreicht, die den italienischen Fall noch weit übersteigt.

 
 



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