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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Chemnitz: "sächsisches manchester":





Das im Mittelpunkt Sachsens liegende Chemnitz bildete das Zentrum der sächsischen Industrie und war das Musterbeispiel einer durch die Industrielle Revolution geprägten Fabrikstadt, deren Antlitz vor allem Werkanlagen bestimmten und deren Lebensrhythmus die Dampfpfeifen der Fabriken regelten. In den Jahren zwischen der bürgerlichen-demokratischen Revolution 1848/49 und der Reichsgründung 1871 erhielt Chemnitz den ehrenden und zugleich abfälligen Beinamen das "sächsische Manchester".
In den fünfziger und sechziger Jahren des 19.Jh. entwickelte sich vor allem der Maschinenbau, der Chemnitz nationale und internationale Bedeutung verlieh. Deutlich widerspiegeln dies die Zahlen über den Einsatz der Dampfmaschine im Chemnitzer Maschinenbau: Jahr Anzahl PS-Leistung
1846 11 114

1856 20 277
1861 41 462

1864 57 743
Die Industrie wuchs sehr schnell an, und somit wuchs natürlich auch die Anzahl der Dampfmaschinen rapide an. Im Jahre 1869stand allein in dem Unternehmen von Richard Hartmann eine Antriebskraft von 342 PS zur Verfügung. Der Chemnitzer Maschinenbau, welcher den wachsenden Bedarf an Dampf-, Spinn-, Web- und Wirkmaschinen befriedigte, beschäftigte 1861 bereits über 3000 Arbeiter. Bei nicht wenigen Erzeugnissen war das technische Niveau weltmarktbestimmend. Besonders viel wurden Arbeitsmaschinen für die Textilindustrie hergestellt, so zum Beispiel produzierte das Unternehmen von Louis Schönberg bis 1871 allein 10000 Webstühle. Die Zahl der Arbeiter war seit der Gründung des Schönherrschen Unternehmens im Jahre 1852 von 20 auf 400 gestiegen. Nach dem viele weiter Unternehmen gegründet wurden und weiter Entwicklungen den technischen Fortschritt förderten, hatte Chemnitz die führende Stelle im Bau von Arbeitsmaschinen für die Textilindustrie inne. Diese Maschinen hatten in Sachsen, mit zahlreichen Textilbetrieben, ein besonders günstiges Absatzgebiet gefunden.
Als die durch den nordamerikanischen Bürgerkrieg ausgelöste Baumwollkrise in den sechziger Jahren zahlreiche Spinnereien vernichtete, verlor der Spinnereimaschinenbau seine herausragende Bedeutung innerhalb des Maschinenbaus. Um so größeres Gewicht gewann der Bau von Arbeitsmaschinen für die Werkzeugherstellung. 1848 hatte Johann Zimmermann in einem kleinen Unternehmen mit dem Bau solcher Erzeugnisse begonnen. Damit war Chemnitz die Geburtsstätte des deutschen Werkzeugmaschinenbaus geworden. Da im heimischen Textilmaschinenbau die bisherige Holz- durch Eisenkonstruktionen ersetzt wurden, erschloss sich dem neuen Produktionszweig ein erstes günstiges Absatzgebiet. Die Erfolge, die Zimmermann im Bau von Bohrmaschinen und Drehbänken nach englischen Vorbildern errang, gaben Anlass zur Gründung zahlreicher weiterer Fabriken für Werkzeugmaschinenbau. Auch bereits bestehende Unternehmen begannen mit der Einrichtung spezieller Produktionsabteilungen, so z.B. 1857 die Hartmann-Werke. Mit der Londoner Weltausstellung 1862 wurde der Ruf des Chemnitzer Maschinenbaus entgültig begründet. Die dort ausgestellten Maschinen von Johann Zimmermann standen den bisher führenden englischen Modellen in keiner Weise nach und zeichneten sich überdies durch niedrigere Preise aus. Die Werkzeugmaschinen Englands wurden nunmehr zunehmend vom deutschen Markt verdrängt und die Chemnitzer Erzeugnisse gehörten zu den begehrtesten in aller Welt. Der Auf- und Ausbau nationaler Eisenbahnnetze und steigende Bedarf für die Rüstungsproduktion wirkten auf die Entwicklung des Werkzeugmaschinenbaues besonders stimulierend.

Jahr Arbeiterzahl produzierte Maschinen in Zentnern
1858 150 4700

1860 200 6800
1862 300 12800

1864 480 20000
1866 600 24000

1869 900 50900
1870 950 60000

Aus diesen Zahlen wird nicht nur das rasche Wachstum des Unternehmens ersichtlich, sondern auch deutlich, welch große Menge an Eisen der Maschinenbau benötigte. Zur Befriedigung des Bedarfs an Gussteilen entstanden deshalb zahlreiche Gießbetriebe. Die größten Unternehmen der Chemnitzer Metallindustrie - Richard Hartmann, Louis Zimmermann - gliederten ihren Betrieben eigene Gießereiabteilungen an, die ständig erweitert werden mussten.
Nicht nur der Bau von Textil- und Werkzeugmaschinen war in Chemnitz heimisch. Eine Reihe von Werken stellte Dampfmaschinen und -kessel her. Die Hartmannsche Fabrik besaß eine beachtliche Abteilung für den Bau von Lokomotiven, aus der 1858 bereits die 100. Lok hervorging. Bedeutung erlangten auch jene (meist kleinere) Unternehmen, die sich auf die Zulieferung von Maschinenteilen (Schrauben, Muttern, Armaturen, Pumpen, Transmissionen, Nadeln usw.) spezialisierten. Als in den sechziger Jahren der Bau von Spinnereimaschinen an Gewicht verlor und eine Welle von Brauereigründungen einsetzte, wurde auch der Brauereimaschinenbau ein wichtiger neuer Produktionszweig des Chemnitzer Maschinenbaus.
Dem Wirtschaftsaufschwung folgte jedoch bald eine Absatzkrise. Dem "Gründerkrach" von 1873 fielen neben zahlreichen kleinen Betrieben drei große Werke des Maschinenbaus zum Opfer. Im Chemnitzer Maschinenbau sank die Produktion bis 1878 um etwa 70 Prozent. Dieser einst blühende Wirtschaftszweig stagnierte bis zum Ende der achtziger Jahre. Um ihre Existenz nicht aufs Spiel zusetzen, veränderten zahlreiche Betriebe ihr Produktionsprofil und begannen nunmehr Dampfmaschinen, Holzbearbeitungsmaschinen, Motoren u.a. herzustellen.
Als sich am Ende der achtziger Jahre im Werkzeugmaschinenbau eine Belebung abzeichnete, war Chemnitz längst nicht mehr das alleinige nationale Zentrum dieses Wirtschaftszweiges, denn mittlerweile hatten die USA die Führung übernommen. Erst Julius Reinecker hatte mit seinen Präzisionsmaschinen nach dem Vorbild amerikanischer Maschinen zum Entwicklungsstand der USA aufgeholt. Die rasche Entwicklung dieser Firma zeigte, wie groß der Bedarf der Industrie an derartigen Präzisionsmaschinen war. Waren 1881 in den Reinecker-Werken über 100 Arbeiter an rund 80 Maschinen tätig, so waren es am Ende des 19.Jh. über 1000 Arbeiter, denen etwa 600 Maschinen zur Verfügung standen.
Der Chemnitzer Werkzeugmaschinenbau beschäftigte zur Jahrhundertwende in 24 Fabriken rund 5000 Arbeiter.
In den neunziger Jahren wuchs die Fahrradindustrie zu einem wichtigen Fabrikationszweig heran und beschäftigte zur Jahrhundertwende über 1000 Arbeiter. Vor allem die Typen "Wanderer" und "Diamant" fanden einen guten Absatz. Ein weiterer neuer Industriezweig war die Elektrotechnik. Die 1874 von Hermann Pöge begründete Chemnitzer Telegrafenbauanstalt produzierte seit 1883 u. a. auch Dynamomaschinen und wurde kurz vor der Jahrhundertwende zur Elektrizitäts-Aktiengesellschaft umgewandelt. Weltgeltung auf ihrem Spezialgebiet erlangten die 1876 gegründeten elektronischen Werkstätten von Max Kohl, die physikalische Apparate, Prüf- und Röntgengeräte fertigten. Präzisionsgeräte in fast allen Länder der Erde lieferten auch die 1874 gegründeten Reißzeugfabrik von E.O. Richter.

 
 



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