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geographie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Das verhÄltnis zum ausland



Amalrik spielt in seinem Essay die verschiedenen möglichen Ursachen des Zusammenbruchs durch - mehr oder weniger ausführlich. Allein nach quantitativen Gesichtspunkten beurteilt, wird jedoch schon deutlich, was seiner Meinung nach Ausgangspunkt eines sowjetischen Niedergangs sein wird: auf 75 Seiten breitet Amalrik seine Analysen des Staates und der Gesellschaft, seine Thesen über die Zukunft der Demokratischen Bewegung und deren Rückhalt im Volk und seine Prognosen über den Zusammenbruch des Sowjetimperiums aus. Mehr als ein Viertel des ganzen Aufsatzes - genau 27 Seiten - sind dabei für die Außenpolitik der UdSSR bestimmt, für das Verhältnis zur USA und zu den sozialistischen Staaten Europas, vor allem aber zu China.
5.1. Prognosen über die Außenpolitik der UdSSR
5.1.1. Krieg mit China

"Die unerbittliche Logik der Revolution (führt) China zum Kriege hin, der, wie es die chinesischen Führer hoffen, die schwierigen ökonomischen und sozialen Probleme Chinas lösen und ihm eine führende Rolle in der heutigen Welt sichern soll."


Für Amalrik ist ein Krieg zwischen der UdSSR und China aus politischen, ideologischen und geographischen Gründen "unerbittlich logisch". Seine Ausgangshypothese ist, dass die sozialistische Revolution in China "genau die gleichen Etappen" durchlaufe wie die sowjetische. Diese unterteilt er in eine internationale, eine nationale und eine militärisch-imperialistische Phase, die sich allgemein durch Expansionsstreben auszeichne und im Fall der Sowjetunion "mit der Kontrolle über halb Europa" geendet habe . Nach Amalriks Theorie hatte das China der 70er Jahre sowohl die internationale als auch die nationale Phase durchlaufen. Ein Krieg ist also allein nach ideologischen Gesichtspunkten für Amalrik vorprogrammiert. Zusätzlich biete er jedoch, so der Historiker, einerseits die Möglichkeit zur Lösung sozialer und wirtschaftlicher Probleme und andererseits zur "nationalen Rache für jahrhundertelange Demütigung und Abhängigkeit" . Als Expansionsobjekte seien für China drei Staaten bzw. Räume möglich: die USA, die UdSSR und allgemein der südasiatische Raum. Zu einem Krieg mit der USA ist China jedoch laut Amalrik vom militärischen Gesichtspunkt aus "keinesfalls in der Lage" . Damit scheide auch eine Expansion in den Süden Asiens, der unter amerikanischem Schutz stehe aus, da es andernfalls "zu zermürbenden lokalen Kriegen nach Art des Vietnamkrieges" kommen könne. Ein Krieg in dieser Region sei umso gefährlicher, da "im Norden ein heimtückischer Feind steht, der bereit ist, jeden Fehler Chinas auszunutzen" - die Sowjetunion. Die Ausschaltung dieses Feindes und die Eroberung seiner wirtschaftlich interessanten Gebiete müsse also logischerweise Ziel chinesischer Außenpolitik sein. Diese Überlegungen könnten außerdem auch das Sowjetregime zu einem "präventiven Schlag" seinerseits veranlassen.


5.1.2. "Und die USA?"

"Die Frage der Annäherung der USA an die UdSSR oder an China (muß) nicht nur auf der Gleichheit der Kräfte und auf den negativen Bestreben, die eigene Ausnahmestellung zu erhalten basieren, sondern auch auf der Gemeinsamkeit irgendwelcher positiven Interessen. (...) Was gibt es schon Gemeinsames zwischen einem demokratischen Land mit seinem Idealismus und seinem Pragmatismus und einem Land ohne Glauben, ohne Tradition, ohne Kultur und ohne die Fähigkeit, irgend etwas richtig zu machen?"


Eine amerikanisch-sowjetische "Front gegen Gelb" ist für Amalrik aus oben genannten Gründen unwahrscheinlich. Ein "rassenfanatischer Standpunkt" seitens der USA wäre "sehr bedauerlich", aber auch genauso unwahrscheinlich, da China mit steigendem Lebensstandard "in eine Periode der Liberalisierung eintreten (werde), was in Verbindung mit seinem traditionellen Glauben an geistige Werte aus ihm einen ausgezeichneten Partner für das demokratische Amerika machen würde."

5.1.3. Das Verhältnis zu Europa

"Es (wird) vermutlich zur Wiedervereinigung Deutschlands kommen, (was) mit dem Prozeß der "Entsowjetisierung" Osteuropas zusammenfallen und diesen stark beschleunigen würde."

Ausgangspunkt für Amalrik ist auch bei der "europäischen Frage" der Krieg mit China, der "Kräfte der Sowjetunion in den Osten verlagern (werde)" und so der "Verteidigung sowjetischer Interessen in Europa" im Weg stehen werde. Mögliche Varianten des europäischen Umbruchprozesses seien "die ungarische, die rumänische und die tschechoslowakische", allerdings "dürften höchstwahrscheinlich nationalkommunistische Regimes entstehen", die in den einzelnen Ländern Ähnlichkeit mit dem vorkommunistischen Regime haben würden. Im Falle einer sowjetischen Okkupation dieser Staaten werde die UdSSR in einen Zweifrontenkrieg zwischen China und Europa geraten, "worauf sich die UdSSR natürlich nicht einlassen kann."
5.2. Entwicklung der sowjetischen Außenpolitik
5.2.1. Perestrojka in der sowjetischen Außenpolitik
Ziel der sowjetischen Regierung war es Anfang der 80er Jahre "möglichst viel Zeit, Mittel, Aufmerksamkeit und Phantasie auf die Lösung der enormen inneren Umstellungsprobleme zu verwenden. Dazu bedarf es eines relativ entspannten internationalen Klimas, das der UdSSR einen weitgehenden Rückzug von den überambitionierten Positionen und Engagements der 70er Jahre erlaubt." Nicht Krieg und Expansion - wie von Amalrik vorhergesagt - bestimmten also die sowjetische Außenpolitik, sondern internationale Entspannung. In einer Grundsatzrede konkretisierte 1987 der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse Ziel und Weg der Außenpolitik, die in Verringerung der militärischen Konkurrenz, Beseitigung bestehender Konfrontationen zu anderen Staaten und Dämpfung von Konflikt- und Krisensituationen bestehen sollten. Konkrete Ereignisse waren beispielsweise das erste sowjetisch-amerikanisches Gipfeltreffen im November `85 in Genf, das auf Initiative der UdSSR zustandegekommen war. 1986 stellte Gorbatschow die Idee eines "gemeinsamen europäischen Hauses" vor, ab 1988 unterhielten der Rat für gemeinsame Wirtschaftshilfe (RGW) und die Europäische Gemeinschaft (EG) offizielle Beziehungen. Am deutlichsten wurde der Wandel der sowjetischen Außenpolitik jedoch in der Aufgabe der ideologischen wie politischen Hegemonialmacht im Osten Europas. Die Vereinigung Deutschlands fand 1990 auch durch die Vermittlung Gorbatschows statt


5.2.2. Der Chinakonflikt
Der Konflikt zwischen China und der Sowjetunion war in ideologischen Gegensätzen begründet. Der chinesische Kommunismus war geprägt von dem jahrzehntelangen Partisanenkampf der 30er und 40er Jahre und von der siegreichen Revolution 1949 geprägt. Staat und Partei waren Teil und Ergebnis einer revolutionären, dynamischen Kraft. Die UdSSR dagegen zeichnete sich auch nach Ende der Diktatur Stalins durch bürokratischen Zentralismus aus, die KPdSU war bloßes Machtinstrument. Zu diesen unterschiedlichen ideologischen Ausgangspunkten kam hinzu, dass beide Staaten auf verschiedenen Entwicklungsstufen standen und damit unterschiedliche Ziele und Interessen in Wirtschaft sowie in Außen- und Innenpolitik vertraten. Dieser Gegensatz wog umso schwerer, da der Kommunismus immer als ahistorische Ideologie gesehen wurde, die unabhängig von Ort und Zeit gleich ablaufen sollte. Der Konflikt gipfelte Ende der 60er Jahre in Grenzstreitigkeiten am Ussurifluss. In der Folge warf China der Sowjetunion "Sozialimperialismus" vor und bezeichnete deren Regierung als "neue Zaren im Kreml" - für Kommunisten waren beides schwerwiegende Vorwürfe, die von tiefen Konflikten in dieser Zeit zeugten. In den 60er und 70er Jahren durchlief China jedoch die Entwicklung, die die Sowjetunion unter Gorbatschow erst ein Jahrzehnt später erfasste. Die Kulturrevolution (1965-1969) stürzte China in eine tiefgreifende wirtschaftliche Krise. Nach dem Tode Mao Zedongs und der Entmachtung der alteingesessenen Kader gelangte Deng Xiaoping an die Macht, der wie Gorbatschow auf einen "Kurs der administrativen und wirtschaftlichen Konsolidierung" umschwenkte. Ziel der chinesischen Politik war "'sozialistische Modernisierung' in Gestalt von Wirtschaftsreformen und Öffnung zur Außenwelt" . Diese Veränderungen im Innern ließen außenpolitische Ambitionen vonseiten Chinas nicht mehr zu. Die Verfolgung ideologischer Ziele rückten in den Hintergrund und damit auch der Konflikt mit dem "Freund-Feind" UdSSR.



5.3. Zusammenfassung

Mit der Vorhersage seines sowjetisch-chinesischen Krieges hat sich Amalrik am offensichtlichsten geirrt. Dies wiegt umso schwerer, da für den Autor dieser Konflikt Ausgangspunkt sämtlicher von seinen Analysen ist. Ursache der Fehleinschätzung ist die bereits erwähnte wirtschaftliche Überschätzung der UdSSR und auch Chinas. Beide Staaten hatten wenn auch phasenverschoben in den 70er und 80er Jahren innere Probleme zu bekämpfen. Für Expansion blieben weder die finanziellen, noch die militärischen Mittel.

 
 

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