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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Satirische beleuchtung des theaterlebens


1. Drama
2. Liebe

Dichterdämmerung Im Jahre 1980 entstand das Drama "Dichterdämmerung". Es handelt sich dabei um die dramaturgische Fassung des Hörspiels "Abendstunde im Spätherbst", das 1956 von Friedrich Dürrenmatt verfasst wurde.
Im Anhang des Werkes sagte Dürrenmatt Folgendes zu der szenischen Umarbeitung:
Dem Autor war es klar, dass er diese Bearbeitung, die Parodie der Literatur, gleichzeitig in eine Parodie des Theaters erweitern müsse. Er legt im weiteren Wert darauf, zu bemerken, dass seine Meinung über die Kritik nicht so freundlich ist wie die, welche in diesem Stück geäußert wird.
Das Bühnenstück wird von Dürrenmatt nicht nur als Komödie betitelt, sondern auch als Nobelpreisträgerstück. Er nannte dieses Stück, und auch das Drama "Der Meteor", Nobelpreisträgerstück, da in beiden ein Nobelpreisträger die Hauptrolle spielt. Bei beiden handelt es sich um einen Autor.
Die Handlung ist schnell erzählt: Ein Hobbydetektiv besucht den berühmten Schriftsteller Korbes und unterstellt ihm, dass alle Morde, die er in seinen Büchern beschrieben hat, wahr seien, von ihm ausgeführt. Der Schriftsteller streitet zunächst alles ab, tötet dann aber seinen Besucher und beschließt, seinen neuesten Roman über ihn zu schreiben.

In "Dichterdämmerung" erörtert Friedrich Dürrenmatt öffentlich seine Meinung über seine Kritiker. In diesem Werk fertigte er besonders Hellmuth Karasek, Joachim Kaiser und Marcel Raich-Ranicki ab. Aber auch sonst sind rüde Äußerungen über Schriftstellerkollegen und Kritiker zu hören. Diese veröffentlichte er aber auch in seinen, größtenteils kritischen, Essays.
Die Personen in dem Stück haben, wie in vielen Werken Friedrich Dürrenmatts, keine Namen. Sie werden nur als "Der Autor" oder "Der Besucher" betitelt.
Eine weitere Besonderheit des Dramas ist die Art und Weise, wie Dürrenmatt satirische Elemente einbaut. Er kritisiert weniger die Gesellschaft, sondern mehr die Dramaturgen, Kritiker, Schauspieler, Bühnenbildner und zum Teil auch die Zuseher.

Zu Beginn des Bühnenwerks tritt der Autor auf und hält einen Monolog über das Stück und seine Beschaffenheit:
DER AUTOR [...] Wenn ich Ihnen schon eine wahre Geschichte
erzähle, [...], warum dann noch die Beschreibung des Ortes, stellte mir doch dazu die Direktion dieses Hauses eine ganze Bühne zur Verfügung, weder Kosten noch Mühe scheuend. [...]Die Gagen, [...], diese Gagen, wird geklagt, seien der Grund der immensen Defizite, die trotz der noch immenseren Subventionen die Direktion verzweifeln lassen. [...] Wenn sich der Vorhang hebt, werden Sie sehen, was der Direktion wirklich Kosten und Mühe bereitet und ihr Budget ruiniert: das Bühnenbild unseres weltberühmten Lothar Kegel. Es kostet das Theater eine Summe, gegen die meine Gage ein Trinkgeld ist, [...].

Der Vorhang öffnet sich und man sieht das Bühnenbild, das nur aus Drei- und Vierecken, Kuben und Kegeln und zusammengekegelten Kegelstümpfen und -schnitten besteht . Er fordert die Zuschauer auf, sich die Bühne wie ein normales Zimmer vorzustellen, in der ein Schriftsteller wohnt. Die Person stellt sich schlussendlich auch selber vor:
DER AUTOR [...] Ich bin eine der Hauptpersonen. [...] Maximilian
Friedrich Korbes, Romancier, Nobelpreisträger, usw. [...]
Der Besucher tritt auf, vom Autor angekündigt:
DER AUTOR Du bist von rechts gekommen?

DER BESUCHER [...] Ich gehe wieder.
DER AUTOR Unmöglich. Das Spiel hat schon begonnen. Du solltest

doch schon da sein.
DER BESUCHER Falsches Kostüm.
[...]
DER AUTOR Ich?
DER BESUCHER Ich. Du hast mich als einen alten Reisenden in
Versicherungen mit einer Mappe unter dem Arm beschrieben.

DER AUTOR Und?
DER BESUCHER Ich trete als Fußballspieler auf.

DER AUTOR Kegels Idee.
Dürrenmatt kritisiert damit, dass die Bühnenbildner und Regisseure die Künstler oft in zusammenhanglose Kleidung stecken, die nichts mit dem Stück zu tun hat. Auch die Darstellung des Bühnenbilds wird in modernen Werken oft völlig absurd ausgelegt und anstatt den getreuen Angaben der Dramatiker zu folgen, werden utopische Mittel eingesetzt.
Friedrich Dürrenmatt kritisiert außerdem, dass die Regisseure eines Stückes während der Proben wechseln, was zusätzliche Arbeit für die Schauspieler bedeutet, die sich oft auf völlig neue Vorgaben einstellen müssen:
DER BESUCHER Hat Altenstein angeordnet.

DER AUTOR Wer ist Altenstein?
DER BESUCHER Der Regisseur. Seit vier Wochen.
DER AUTOR Der Regisseur ist doch Weiberlein.
DER BESUCHER Nur die ersten zehn Wochen.
Das Interessante dabei ist vor allem, dass Dürrenmatt die Kritik am Theaterleben ohne besondere Hinweise in das Stück einfließen lässt. Die beiden Akteure unterhalten sich völlig ungezwungen auf der Bühne, ohne auf die Zuschauer zu achten. Dürrenmatt benutzt dieses besondere dramaturgische Mittel jedoch nicht nur in dieser Szene, sondern wendet sie im gesamten Stück an:
DER BESUCHER Dein "Setzen Sie sich" ist gestrichen

DER AUTOR Von wem?
DER BESUCHER Von Altenstein.
DER AUTOR Weiberlein hat es nicht gestrichen.
DER BESUCHER Altenstein hat die Regie übernommen.
DER AUTOR "Setzen Sie sich" habe ich gelernt. Ich lasse mir nicht
streichen, was ich gelernt habe. [...]
Wieder erkennt man sehr deutlich, dass Dürrenmatt das schnelle Wechseln zwischen zwei oder mehreren Regisseuren kritisiert, ebenso, dass manche Schauspieler sich so stur stellen, dass sie die Änderungen des Textes nicht annehmen, was manchmal eine Verbesserung des Stückes bedeuten kann.

Eine ebenfalls sehr interessante Szene ist, wo Dürrenmatt sich sozusagen selbst auf die Schaufel nimmt. Er kritisiert jedoch nicht sich selber, sondern die Autoren insgesamt. In diesem Stück diskutieren der dargestellte Autor und der Besucher gerade, ob Altenstein oder Weiberlein gerade den Saal verlassen hat.
DER AUTOR Weiberlein.
DER BESUCHER Ach wo! Der inszeniert doch in irgendeinem Nest
einen Dürrenmatt.
DER AUTOR Wird Dürrenmatt denn noch gespielt?
Er will damit vermutlich zeigen, dass auch Dramatiker sich selber nicht allzu ernst nehmen wollen. Oder er will damit ausdrücken, dass er von den Kritikern schon so sehr verrissen wurde, dass es manche schon als unglaublich betrachten, wenn er überhaupt noch gespielt wird.
Ein weiterer Autor, der sich wie Friedrich Dürrenmatt in seine Werke mit einbezieht ist Paulo Coehlo. Dieser erwähnt sich selbst, in einem Caféhaus sitzend, in dem Prosatext "Veronika beschließt zu sterben". Coehlo wählte aber auch einen sehr interessanten Weg sich einzubauen, indem er ein eigenes Werk in einem anderen erwähnte. Dies ist bei "Elf Minuten" zu finden, wo die Hauptfigur Maria ein Buch liest, das von Coehlo verfasst wurde.


DER AUTOR Sebastian! Sebastian!
DER SEKRETÄR Herr Korbes wünschen?

DER AUTOR Wie kommst du denn daher?
DER SEKRETÄR Als Bergsteiger.

DER AUTOR Auf einmal?
DER SEKRETÄR Anordnung Altensteins. Das Stück sei ihm zu hoch.
Diese Szene veranschaulicht deutlich, dass Dürrenmatt wohl schon öfters die Erfahrung gemacht hat, dass manche Regisseure die Stücke, die sie inszenieren sollen, nicht verstehen.

Doch auch die Schauspieler und ihre Arbeit betrachtet Friedrich Dürrenmatt kritisch:
DER AUTOR Dein Textbuch.
DER BESUCHER Unterbrich mich bitte nicht wieder. Ich bin textsicher.
DER AUTOR Ich weiß nicht. Vorhin sagtest du "unermessliches
Gewitter mit Regenschauer" statt "unermesslicher Regenschauer eines Gewitters".
DER BESUCHER Und du statt "Lieber Hofer, Sie reden sich da in eine
gewaltige Begeisterung hinein, "Lieber Hofer", Sie reden sich in eine gewaltige Begeisterung hinein". [...]
DER AUTOR Du bist pedantisch.
Diese Szene spielt darauf an, dass Schauspieler oft den Text ihres Dialogpartners besser können als ihren eigenen. Auch die pedantische Nötigung, den Text Wort für Wort wiederzugeben, wird dargestellt.
Außerdem wird in diesem Drama gezeigt, welche Abneigung Schauspieler oft gegenüber ihren Bühnenbildnern und Regisseuren haben:
DER AUTOR Sie war ja nicht nackt, sondern in einem reizenden
Bademantel von Kegel. Sieh nur im Manuskript nach. Wirft ihm das Manuskript zu.
DER BESUCHER Tatsächlich. Schüttelt den Kopf. Dieser Kegel! Ihr
nächstes Opfer?

DER AUTOR Kegel?
DER BESUCHER Die junge Dame.

Dürrenmatt kritisiert zudem, dass oft zu viele Dramaturgen an einem Stück arbeiten und es daher zu sehr verfälschen. Doch könnte man die dargestellte Szene auch so interpretieren, dass Dürrenmatt meint, dass ein Dramaturg alleine reicht, um ein Stück zu verändern und nicht im Sinne des Autors zu inszenieren. Friedrich Dürrenmatt mokiert sich auch darüber, dass Kritiker die verfälschten Dokumente der Dramaturgen loben, und nicht das Stück an sich, wie es der Autor geschrieben hat:
DER BESUCHER Du - jetzt sind vier gegangen.
DER AUTOR Waren überhaupt so viele im Saal!

DER BESUCHER Ein Miststück.
DER AUTOR Ein Konzept. Sieben Dramaturgen haben es bearbeitet

und Kaiser hat es in den Himmel gelobt.
DER BESUCHER Nur sieben Dramaturgen?
DER AUTOR Wir sind schließlich ein kleines Theater. [...]

In einer weiteren Szene merkt man, wie Dürrenmatt das Unverständnis mancher Regisseure und Bühnenbildner kritisiert:
DER AUTOR [...] Aber warum trittst du denn im Tiefseekostüm auf?
DER SEKRETÄR Steht im Manuskript. Anmerkung von Kegel:
"Sekretär kommt im Tiefseetaucherkostüm, weil er, an der Tür horchend, den ganzen Tiefsinn mitbekommen hat."
In einem weiteren Punkt kritisiert Dürrenmatt die Autoren und er tut dies, indem er sich selbst als Beispiel hervortut. Besonders bemerkenswert ist, mit welcher Selbstironie sich Dürrenmatt betrachtet:
DER AUTOR Du siehst wie eine Statue aus.

DIE ERSTE JUNGE DAME Regie-Dramaturgie.
DER AUTOR Von allen sieben zusammen?
DIE ERSTE JUNGE DAME Von allen vierzehn zusammen. Es sind
sieben dazugekommen.
DER AUTOR Dramaturgen vermehren sich. Doch wozu dein Auftritt?
Das Stück ist zu Ende.
DIE ERSTE JUNGE DAME Dürrenmatt hat einen neuen Schluss
geschrieben.

DER AUTOR Schreibt der immer noch?
DIE ERSTE JUNGE DAME Nur noch um.

Interessant ist auch, dass Dürrenmatt gegen Ende des Stückes noch eine weitere Person auftreten lässt, MacFire. Er erklärt den Zusehern, dass das Licht auf Erden ausgefallen sei. Es folgt ein langer Monolog, in dem er davon spricht, dass die gesamte Bühne, inklusive der Akteure, in ein schwarzes Loch gefallen ist, was sich auch bald auf alles andere ausdehnen wird. Die anderen Schauspieler treten wieder auf:
MACFIRE Da ist ja noch eine zweite Leiche.
[...]

DER AUTOR Wer?
MACFIRE Der Intendant.
[...]
DER SEKRETÄR Schade, dass es kein Kritiker ist.
DER AUTOR War unser Intendant auch einmal.
DIE ERSTE JUNGE DAME Oder ein Regisseur.
DER AUTOR War unser Intendant auch einmal.
Gezeigt wird in dieser Szene, dass Dürrenmatt wahrscheinlich Regisseure, Intendanten und Kritiker manchmal verwünscht, da er scheinbar das Gefühl hat, nicht verstanden und nur kritisiert zu werden, weil er eben Friedrich Dürrenmatt ist.

Im letzten Teil des Werkes kritisiert Friedrich Dürrenmatt, wie vor allem kleine Theater an Beachtung verlieren. Man achtet nur mehr auf die großen, imposanten Bühnen, die gängige und bekannte Stücke spielen, die mehr Geld einbringen, und nicht mehr auf die kleinen, die manchmal besser durchdachtes Theatervergnügen bereiten:
ERSTER SANITÄTER Verzeiht, dass wir so spät kommen. Aber wir
mussten erst die Stadtpläne durchforschen. Kein Mensch in dieser Stadt weiß mehr, wo das Theater ist.
Doch könnte mit dieser Aussage auch gemeint sein, dass das Theater nicht mehr gefunden wird, besser gesagt die Besucherzahlen sind drastisch zurückgegangen, es werden keine Publikationen mehr veröffentlicht und daher weiß auch niemand mehr, wo das Theater ist. Friedrich Dürrenmatt bezieht sich wahrscheinlich nicht nur auf die kleinen Theater, sondern auch auf das oben genannte.

 
 

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