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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die judenbuche - die historischen grundlagen:


1. Drama
2. Liebe

Das tatsächliche Geschehen ist heute nur noch aus spärlichen Quellen zu rekonstruieren. Wie August von Haxthausen in seiner auf dem historischen Geschehen fußenden »Geschichte eines AlgiererSklaven« berichtet, geschah der Judenmord am 10. Februar 1783. Caspar Moritz von Haxthausen zu Abbenburg, der Urgroßvater der Droste, war zur Zeit des Mordes Inhaber der Patrimonial- und halben Go-[Gau]gerichtsbarkeit in Bökendorf, Altenbergen, Bellersen und
Großenbreden. Nach seinem Tode am 19. April 1783 folgte ihm als Erbe sein Sohn Werner Adolf von Haxthausen (1744-1823). Daß der Mord an dem Juden im Jahre 1783 und nicht, wie häufig angenommen wurde, 1782 geschah, bestätigt ein erhaltener Brief der Wilhelmine Antonette von Haxthausen, Stiftsdame zu Freckenhorst, an ihren Bruder Caspar Moritz von Haxthausen, der ihr offensichtlich in einem Brief vom 24. Februar 1783 den gerade vierzehn Tage zurückliegenden Vorfall des Judenmordes berichtet hatte:

Freckenhorst, den 3ten mertz 1783
Hertzlieber bruder

aus deinen wehrtesten schreiben vom 24ten Febr. welges ich heut
entfangen, ersehe mit vergnugen eürer allerseitz bestendiges wohl-
sein, wovor ich auch den allerHöchsten zu dancken habe, die 70 rht
habe zu gleich richtig erhalten, ich dancke dich lieben bruder vor die
bezhalung die quitung kommet hir beÿ - mein gott was ist es eine
erschrecklige mordthat welge der bauer an den armen juden verübet
ich entsetze mir wan nuhr dar auf gedencke den dähter wirdt noch
endtlich aufgefangen werden man höret hir im landt auch fiehles von
sthelen und übels, aber von einer so grausahmen mordthadt gott lob
nicht, in munster haben sie noch kurtzlich die überwassers kirge
bestholen, und auch noch mehrere kirgen raub, sie meinen noch die
dähter zu bekommen, die Erbschaft vom seeligen fürsten an den
oberstalmeister von westphalen solle gewis sehr ansehnlig sein,
adieu lieber bruder ich befehle mir in deiner brüderlichen affection
und bin lebens lang mit aufrichtigen hertzen nebst meine befehlung

an deiner frauw
meines lieben bruders
getreüe ergebene schwester
WA von Haxthausen

August von Haxthausen nennt den Mörder mit Namen »Hermann Winkelhannes«, später fügt er noch den Vornamen »Johannes« und die Ortsangabe »aus Bellersen« hinzu. Als Tatort nennt Haxthausen das »Heilgen Geist Holz« nördlich von Ovenhausen. In der späteren Abschrift verändert er die Ortsangabe in »Joelskampe gleich unter dem Ovenhauser Fußwege«. Gemeint ist eine Stelle im Abbenburger Forst zwischen Bökendorf und Ovenhausen. Das entspricht auch der heutigen dörflichen Überlieferung, die allerdings von dem Haxthausenschen Bericht beeinflußt sein kann. Abweichend davon ist die Angabe bei Joseph Redegeld, der, auf das angebliche Zeugnis eines Großneffen des erschlagenen Juden gestützt, den Tatort in den Bollkasten-Wald nordöstlich von Bellersen verlegt. Seine Auskunft ist aber wohl mit Vorsicht zu gebrauchen, da seine Ortskenntnis
wenig gründlich zu sein scheint. So bestreitet er überhaupt die Existenz des Heiligengeisterholzes nördlich von Ovenhausen. Nach der Flucht aus seiner Heimat geriet der Mörder in algerische Sklaverei. Der Winkelhannes aus dem Bericht Haxthausens erzählt nach seiner Rückkehr, daß 1806 Hieronymus Bonaparte den Dei, das gewählte Oberhaupt der Janitscharen, gezwungen habe, die
Christensklaven freizugeben, und er dadurch auch wieder in die Freiheit gelangt sei.

Tatsächlich erhielt Jérôme [Bonaparte], der damals in Genua lag, als Fregattenkapitän schon 1805 von Napoleon den Befehl, mit seinem Geschwader nach Algier zu fahren und dort die Auslieferung
der französischen, italienischen und genuesischen Sklaven zu verlangen. (Der Winkelhannes hatte sich ehedem auf einem genuesischen Kauffahrer verdingt und war bei einer Fahrt nach der Levante von Seeräubern gefangen und nach Algier verschleppt worden!) Am 18. August 1805 traf Jérôme vor Algier ein: der Dei von Algier übergab dem französischen Generalkonsul gegen Zahlung von
450 000 Franken (was man später verschwieg, um Jérômes Verdienste nicht herabzusetzen!) 231 Sklaven, unter denen sich also auch der Winkelhannes befunden haben muß. Bereits am
31. August 1805 war Jérôme wieder in Genua.

Im Jahre 1806 muß Winkelhannes bereits wieder in seiner Heimat gewesen sein, also nicht erst 1807, wie August von Haxthausen berichtet. Die Gemeinde Bellersen bewahrt ein Sterbebuch auf, in dem sich unter dem Datum vom 18. September 1806 der Eintrag befindet, daß »Johan. Winckelhahne«, 43 Jahre, ein »lediger Tunpf« und »Bettler«, der »erdrosselt« aufgefunden wurde, ein Begräbnis auf dem Kirchhof erhielt. Dabei handelt es sich offenbar um den im Bericht Haxthausens genannten »Hermann Johannes Winkelhannes«. Der Name »Winckelhahne«, wie er sich im Sterbebuch findet, entstand aus der zu Anfang des 18. Jahrhunderts gebrauchten
Namensform »Winkelhagen«. In den Haxthausenschen Gogerichtsakten ist die Kontraktion des Namenbestandteiles »-hagen« in »-han« nachvollziehbar. Hier findet sich: »winckelhag«, »Winckelhagen« (1745), »Winckelhage« (1748), »Winkelhagen« (1762), »Winkelhane« oder »Winkelhan« (1789/90). Die Häufigkeit des Vornamens Johannes in der Familie Winckelhahn oder Winckelhagen begünstigte schließlich die Entstehung der von August von Haxthausen gebrauchten Form »Winkelhannes«. Der im Sterbebuch unter dem 18.September 1806 eingetragene »Johan. Winckelhahne« hatte in der Taufe am 22. August 1764 die Vornamen Hermann Georg erhalten, sich aber wohl auch selbst Johannes genannt, worauf die Unterschrift des im Haxthausenschen Bericht zitierten Briefes aus Algier hinweist. Der erste Teil der »Judenbuche« mit der psychologisierend angelegten Kindheitsdarstellung Mergels in einer dörflichen Umgebung, in der »die Begriffe [. . .] von Recht und Unrecht« aus der Sicht der Droste »einigermaßen in Verwirrung« geraten sind, hat seinen Grund in den historischen Auseinandersetzungen der Dorfbewohner mit der grundherrlichen Autorität der von Haxthausen. Anton Keck konnte in seinem Aufsatz über »>Holzfrevel< in den um Bredenborn liegenden Waldungen im 18. Jahrhundert« die historisch gewachsene Rechtsunsicherheit bezüglich der Holzgerechtsame im Amt Bredenborn erhellen. Im Jahre 1401 hatte die Familie Haxthausen Stadt und Amt Bredenborn mit den dazugehörigen Wäldern erworben. In diesen Wäldern besaßen die Bredenborner das Recht des Les- und Fallholzsammelns. In der nachfolgenden Zeit dehnten sie diese Gerechtsame eigenmächtig auch auf die Privatwälder der von Haxthausen aus. 1533 kam es zum Vergleich. Für zwei Tage jährlichen Hand- und Spanndienstes erhielten die Bredenborner das Recht, in allen Wäldern Holz zu sammeln. Daran hielten sie auch fest, als die Haxthausens ihren Besitz vergrößern konnten. Die
Einsprüche der Familie Haxthausen wurden durch Gerichtsurteile von 1588, 1605, 1659/61, 1717 und 1764 abgelehnt. Gegen den Widerstand des Grundherrn machten die Bredenborner außerdem
ihr verbrieftes Recht auf Holzfällen (Eichen ausgenommen) im Masterholz und im Bollkasten geltend. Zugestanden wurde ihnen zunächst nur das Recht des Les- und Fallholzsammelns in den
genannten Wäldern. 1827 bestätigte das Oberlandesgericht Paderborn das Recht auf Holzschlagen (Eichen ausgenommen) im Masterholz und im Bollkasten. Die 1839 erfolgte Ablösung der Holz- und Hudegerechtsame im Rahmen des preußischen Ablösungsdekretes für Westfalen vom 13. 7. 1829 bzw. 18. 8. 1809 ließ wegen der Benachteiligung der unterbäuerlichen Schichten neue Streitigkeiten entstehen, erst 1848/50 kam es zu einer endgültigen Lösung. Einige historische Zeugnisse, die Schärfe und Ernst der Auseinandersetzungen deutlich werden lassen, sind unter den Gerichtsakten im Archiv der Familie von Haxthausen in Vörden zu finden. Am 17. Juli 1787 schrieb Werner Adolf von Haxthausen an die Verwaltung des Fürstbistums Paderborn:


Hochwürdig- Hochwohl- und Wohlgebohren

Sonders hochzuEhrende Herren! Es nimbt die Holzdieberey bey
nächtlicher Zeith in hiesiger Gegend, besonders an Eichen Holze in
meiner Waldung, so überhand, daß wo denselben nicht zeithig
vorgebäuget wird, zu befürchten daß die Waldungen nothwendig
ruiniert werden müssen, und wann welches doch Gott verhüte, eine
Feuers Brunst entstehen solte, gar kein Bau Holtz mehr vorzufinden,
sondern die Arme Liuthe, bey solchem unglücklichen Fall, das
Bauholtz in weith entlegener Waldungen anzukauffen und anzufahren

genöthigt werden, wodurch mancher abgeschreckt werden dörffte
lieber seine Hausstelle öde und wüste liegen zu lassen, als wieder zu
bebauen, Einen solchen Bösewicht habe in meiner Ortschaft zu
Böckendorff, seines Nahmens, Hans Heinrich Tengen, welcher vor
einigen Jahren ein Neues Hauß gebauet und sehr vieles Holtz darzu
gestohlen, weßwegen er dann, der angesetzten Brüchten halber nicht
nur, sondern auch wegen seiner faulheit, dergestalten zurück gekom-
men daß er die Schätzung sowenig mehr zu entrichten als noch
weniger vor vier Jahren die andictirte Gogerichtsbrüchten, wovon
Celsissimus die Halbheid participiert, zu bezahlen im Stande, welches
ihm so verwegen gemacht, daß er sich an Bestraffungen, weil ihm
nichts genommen werden kann, gar nicht mehr kehrt, sondern alles
darauf ankommen läßt. Dieser hatt noch, vor wenig Tagen, wie das
angelegte Protocoll, des mehren nachweiset, zwey der schönsten
jungen Eichen aus meiner Waldung entwendet und solche ins Corvey-
ische nach Huxar gebracht und daselbst verkaufft, und ob er wohl die
That verneint, hat doch mein Förster, auf Eyd und Pflichten attestirt
und weitheres nach den Waldenden und Stämmen befunden, daß es
nehmliche Eichen wären, so aus meiner Waldung gestohlen, ist auch
nicht vermögend und weigert sich dringendlichen Orth, wo er dann
solche erhalten, zu benennen, da nun bey solchen Fällen mein beeyde-

ter Förster vollkommenen Glauben hatt: so finde kein ander Mittel
als daß dieser Bösewicht und berüchtigter Holzdieb, zu seiner wohl-
verdienten Strafe und anderen zum Abscheu, zum Zuchthaus einge-
liefert werde, Ew. Hoch: würd: Hochwohl und Wohlgeb: muß also
gehorsambst ersuchen meine und übriger Herrn von Haxthausen
Gerichtsverwaltern den ernsthaften Auftrag zu thun, daß dieser den
Hanß Heinrich Tengen ohnverzüglich zum Zuchthause einliefern
müsse, wogegen mich gehorsambst empfehle und in außnehmender
Hochachtung beharre Ew. Hochwürd: Hochwohl: und Wohlgeb:

Böckendorff den 17ten Jan. 1787«

Auch die Kämpfe zwischen den Förstern und den »Holzfrevlern«, wie sie in der »Judenbuche« geschildert werden, gehören zu den historischen Grundlagen der Erzählung. Der folgende Drohbrief ist an einen Förster mit Namen Spiekermann gerichtet:


Ein Poßlein
Schuster bewahre deinen leist oder du deinen Esel Einen Förster als
verRether über seine Nachbahren du spieker Man du - du willst den
Herrn von Haxthausen sein Holz verwahren 1821
Du verRether Judaß Mich bewunder Noch daß unser GeMeine dich


Nicht zum Teufel jägt
Nun schlacht Mann deine alten Fenster ein ich hoffe und ferlange du
wirst kein Jahr Mehr gehen daß du kanst auf keinen beine stehen
deine Knogen solen dir Noch Gliet vor Gliet kurtz und klein
geschlagen Wen dein Neihe Fenster wieder hast So dann wirts auf
dir loß gehen daß man dier wirt Krönen Mit einem [vom Verfasser
Gerichtsverwaltern den ernsthaften Auftrag zu thun, daß dieser den
Hanß Heinrich Tengen ohnverzüglich zum Zuchthause einliefern
müsse, wogegen mich gehorsambst empfehle und in außnehmender
Hochachtung beharre Ew. Hochwürd: Hochwohl: und Wohlgeb:
freigelassener Raum für ein Wort] fer Kopfe Er liegt schohn zurrecht
bei Eilfersen den Solst du tragen die gantze Nacht den wirst du
wieder in Einen bock gebunden den solst du liegen wie ein
geschlachtet Kalb
du Spiekermann zur Großenbreden dich werden deine fenster
Eingeschlagen Weil du die Nacht allezeit Sogehst Verwahr dein Holz

beitage und bleib die Nacht im Hause
Friedrich Meyer

 
 

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