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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Der verdacht -


1. Drama
2. Liebe

Bärlach, mit Erfolg operiert, findet im Krankenbett liegend, in einer Nummer der amerikanischen Zeitschrift \"Life\" von 1945 ein Foto vom Vernichtungslager Stutthof bei Danzig: Lagerarzt Nehle operiert ohne Narkose. Nehle versprach den Häftlingen die Freiheit, wenn sie sich, anschließen. Aber es kam nur sehr selten einer mit dem Leben davon. In dem Arzt glaubt Bärlach den Eigentümer und Leiter der Züricher Prominentenklinik \"Sonnenstein\" Dr. Emmenberger zu erkennen.
Bärlachs Gegenspieler ist ein Gastmann konträrer Verbrechertyp. War Gastmann eine zwielichtige Erscheinung, ist Emmenberger das total Böse, die Verkörperung des sadistischen Faschismus. Das Sensationsfoto hat unter Lebensgefahr der Häftling Gulliver geschossen, ein von Emmenberger ebenfalls ohne Narkose operierter Jude, den Bärlach kennt, eine riesenhafte Gestalt voller Narben und Verkrüppelungen, überlebensgroß und unbehaust, in weitem Kaftan, in dem er auch schläft, sich immerwährend mit Wodka betäubend und zugleich am Leben erhaltend, eine Märchen- und Symbolfigur, die vornehmlich durch Fenster einsteigt, und sich auch wieder entfernt. Mit Hilfe von Gulliver und anderer Freunde des Kommissärs wird der Chefarzt Emmenberger in einem heimlichen Ermittlungsverfahren als SS-Folterknecht Nehle identifiziert. Verwunderlich, daß Dürrenmatt einen Schweizer zum Naziarzt macht. Der Name Emmenberger erinnert zudem an Dürrenmatts Geburtsdistrikt Emmental.
Bärlach läßt sich als Rekonvaleszent in die Höhle des Löwen verlegen, inkognito, aber ohne Rückendeckung. die Entlarvung und Verhaftung Emmenbergers soll sein letztes Meisterstück sein. Doch anläßlich Bärlachs bevostehenden Dienstaustritt erscheint in der Zeitung \"Der Bund\" sein Bild, und Emmenberger weiß nun, wer der neue Patient ist und errät, was er im Schilde führt. Bei der Pensionierung eines prominenten Beamten pflegt eine kleine Würdigung mit Bild zu erscheinen. Das hatte der sonst so gewitzte Kriminalist nicht bedacht.
Emmenberger läßt Bärlach in den Operationssaal verlegen. Bärlach soll, wie jene Häftlinge in Stutthof, lebendigen Leibes seziert, getötet werden. Das ohne Narkose Zu-Tode-Sezieren war und ist Emmenbergers Leidenschaft. Seine moribunden Patienten sind Bankiers, Industrielle und Politiker, deren Mätressen und Witwen, die sich dem mörderischen Chirurgen in der trügerischen Hoffnung überlassen, ihr Leben um ein paar Tage oder auch nur Stunden zu verlängern, und viele setzen ihn aus Dankbarkeit zum Universalerben ein. Der Kommissär, ein Opfer seines Gerechtigkeits- und Leichtsinns, liegt dem Operationstisch gegenüber im Bett, durch Spritzen gelähmt, es ist Abend, und morgen früh pünktlich um sieben soll das mörderische Operieren beginnen. Wird Bärlach aus der Folterkammer lebend herauskommen?
Ihm gegenüber hängt eine Uhr, und Frau Dr. Marlok, Emmenbergers Komplicin, macht sich über den Rächer der Gemarterten lustig: \". . . ein schönes Skelett.\" Die ehemalige idealistisch gesinnte Kommunistin vertraut sich ihm an: \" Ich war wie Sie entschlossen, Kommissär, gegen das Böse zu kämpfen bis an meines Lebens seliges Ende.\" Als sie nach dem Stalin - Hitler - Pakt den Russen in die Hände fiel und von ihnen der SS ausgeliefert wurde, begann sie zu zweifeln, nicht nur an den \"ausführenden Staatsorganen\", auch an der Idee des Kommunismus selbst, der doch nur Sinn haben kann, wenn er eins ist mit der Idee der Nächstenliebe und der Menschlichkeit. Die Ärztin kam als Gefangene ins KZ Stutthof, wurde Emmenbergers Geliebte und glaubt an nichts mehr, an kein Ideal, an kein Gesetz. \"Wenn wir Gesetz sagen, meinen wir Macht; sprechen wir das Wort Macht aus, denken wir an Reichtum, und kommt das Wort Reichtum über unsere Lippen, so hoffen wir, die Laster der Welt zu genießen. Das Gesetz ist das Laster, das Gesetz ist der Reichtum, das Gesetz sind die Kanonen, die Trusts, die Parteien , . . . \"
Die Ärztin wieder konkret:\" Alles, was Emmenberger in Stutthof tat, das tut er auch hier, mitten in der Schweiz, mitten in Zürich, unberührt von der Polizei, von den Gesetzen dieses Landes, ja, sogar im Namen der Wissenschaft und der Menschlichkeit; unbeirrbar gibt er, was die Menschen von ihm wollen: Qualen, nichts als Qualen.\" Bärlach schreit, man müsse diesen Menschen abschaffen. \"Dann müssen Sie die Menschheit abschaffen\", kontert die Ärztin. Längst hat sie es aufgegeben, zwischen Ja und Nein und Gut und Böse zu unterscheiden. Dazu sei es zu spät, nicht nur für sie, für die Welt. Dann läßt sie den Alten allein.
Mag die Handlung an manchen Stellen gewaltsam kontruiert, nach den regeln der Schauer- und Gruselliteratur zusammengeschustert wirken, Marloks und Emmenbergers Dialoge mit Bärlach gehören zu den Höhepunkten des Dürrenmattschen Gesamtwerks. Sie enthalten Marloks und Emmenbergers Credo, dem der Kommissär außer Schweigen und Stöhnen nichts entgegenzusetzen hat. Also hat auch wohl Dürrenmatt nichts zu erwidern.
Emmenberger geht einen Schritt weiter als Marlok. Kann Bärlach, will Emmenberger wissen, seinen Beruf, Verbrecher zu jagen, rechtfertigen, indem er an das Gute glaubt? Sollte er sonst nicht besser geschehen lassen, was geschieht? Natürlich glaubt der Durchschnittsmensch an irgend etwas. Bärlach wirft Emmenberger vor, er sei ein Nhilist. Er, wehrt sich der Arzt, sei viel weniger ein Nihilist als \"irgendein Herr Müller oder Huber, der weder an einen Gott noch an keinen glaubt, weder an eine Hölle, noch an einen Himmel, sondern an das Recht, Geschäfte zu machen - ein Glaube, den als Credo zu postulieren sie aber zu feige sind.\" Und was ist Emmenbergers Credo? \"Ich glaube, daß ich bin, als ein Teil dieser Materie, Atom, Kraft, Masse, Molekül wie Sie, und daß mir meine Existenz das Recht gibt, zu tun, was ich will. . . und mein Sinn besteht darin, n u r Augenblick zu sein.\"
Durch das ganze Werk Dürrenmatts zieht sich seine Theorie vom Zufall. Emmenberger beruft sich sogar auf kosmische Zufälligkeiten. Daß der Zufall regiert, ist doch nur eine Ausrede. Gewiß gibt es die \"Macht des Schicksals\", der der einzelne hoffnungslos ausgeliefert ist. Nicht alles ist berechenbar. Bei Dürrenmatt wird der Zudfall als Alibi für Schwäche, Verantwortungslosigkeit, Verbrechen gebraucht. Aber nicht der Zufall ist entscheidend, sondern wie der einzelne auf das Unvorhergesehene, Unvorhersehbare reagiert, ob er mit Intelligenz und Entschlossenheit den Zufall sogar für seine Zwecke zu nutzen versteht. Der Zufall kann eine stimulierende, klärende Rolle spoelen, im Endeffekt. Man fragt sich, warum Bärlach nicht wenigstens gegen die weithergeholte, auf die Spitze getriebene Glorifizierung des Zufalls durch Emmenberger protestiert.
Emmenberger findet es unsinnig, geradezu lächerlich, an einen Humanismus zu glauben und nach Wohl der Menschheit zu trachten. \"Sie glauben an nichts als an das Recht zu folter!\" ruft ihm der Kommissär zu.
Der Arzt ist über soviel Verständnis entzückt. Zu foltern ist für Emmenberger das höchste der Gefühle, dafür lebt er; über den Gemarterten gebeugt, fühlt er sich gottgleich, allmächtig, Herrscher der Welt.
Nun kommt Dürrenmatts genialer Einfall, ein Beispiel für die Konsequenz seines Denkens: die Möglichkeit zum Glücksumschwung. Der Arzt verspricht, Bärlach freizulassen, wenn er einen gleich großen, bedingungslosen Glauben wie er besitzt. Er sei doch Christ, getauft! Der Getaufte weiß nichts zu sagen. Der Arzt gerät außer sich. Er braucht einen Gegenspieler. Aber Bärlach schweigt. Er starrt auf die Uhr. Angeekelt überläßt der Arzt den Todgeweihten sich selbst.
Die Diskussion geht weiter. Mit Gulliver, der als deux ex machina durchs Fenster steigt und den sadistischen Arzt ermordet. Gulliver, der, wie Dürrenmatt, daran zweifelt, daß der einzelne etwas aurichten kann und auch den Massenbewegungen und Parteien mißtraut, spricht das Schlußwort des Romans: \"So sollen wir die Welt nicht zu retten suchen, sondern zu bestehen, das einzige wahrhafte Abenteuer, das uns in dieser späten Zeit noch bleibt. In dieser späten Zeit. . . \" Wird das Weltende als nahe bevorstehend angenommen?

Personen:
*.) Kommissär Bärlach
In Bärlachs anfänglichem Vorgehen offenbaren sich Spürsinn und kriminalistisches Geschick, die im Laufe eines langen Berufslebens zugewachsen sind. Schon glaubt der Leser, den planenden und weitsichtigen Bärlach wiederzufinden, der ihm aus dem ersten Roman vertraut ist, wenn der Kommissär seinem Freund Hungertobel neue Details entlockt, wenn er auf den Spuren seines Verdachts vergleichende Stilkunde betreibt und alte Beziehungen amtlichen wie obskuren Charakters nutzt, sich der Wahrheit zu nähern.
Dann aber erfolgt jener Umschlag ins Naive - die Verlegung nach Zürich -, der diesen Eindruck wieder auslöscht.
Als Wandschmuck wünscht sich der Kommissär der Dürer - Stich \"Ritter, Tod und Teufel\", gleichsam zur Illustration der Rolle, in der er sich selber sieht.
Als sei damit ein Schlüsselwort ausgesprochen worden, weicht fortan die Todessymbolik nicht mehr von seiner Seite.
*.) Dr. Fritz Emmenberger
Emmenberger, ein \"übereleganter Sechziger\" von hagerer Gestalt, auf Hormonbehandlung spezialisiert, Eigentümer der Privatklinik Sonnenstein, schien als junger Student zu den schönsten Hoffnungen zu berechtigen. Im medizinischen Fach unter den Tüchtigsten, zeichnete er sich außerdem durch vielseitige Interessen und gewandten Umgang mit dem geschriebenen wort aus. Obzwar die es gesehen hatten seinen Mut und seine Entschlußkraft bewundern mußten, mit denen er einem Wanderkameraden das Leben rettete durch eine Notoperation ohne Betäubung, sprach niemand gern darüber. Zu unheimlich wirkte es, daß der junge Chirurg diesen Umstand mit teuflischer Freude zu genießen schien. Er bringt es schließlich zu einem hervorragenden medizinischen Abschluß, nicht aber zu Seßhaftigkeit und Bürgerlichkeit. 1932 wandert er aus der Schweiz aus nach Deutschland, von wo aus er wenig später nach Chile gegangen sein soll.
Hinter vorgehaltener Hand nennen ihn die Fachkollegen bald mit dem Spitznamen \"Erbonkel\", weil seine Klinik ungewöhnlich viele Vermögenserbschaften verstorbener Patienten antritt.
Die Wahrheit über den Auslandsaufenthalt enthüllt sich im Verlaufe der Romanhandlung. In Wirklichkeit nämlich tat Emmenberger unter dem Namen Nehle als SS-Arzt im KZ-Lager Stutthof Dienst. Mit dem Versprechen auf eine Lebenschance brachte er seine Opfer dazu, sich freiwillig für Vivisektionen zur Verfügung zu stellen. Der echte Nehle weilte indessen unter dem Namen Emmenberger in Chile, wo er auch wissenschaftliche Artikel für die Fachpresse schrieb, die sich stilistisch freilich nicht annähernd mit der Sprachbrillanz des echten Namensträgers messen können.
Als im Magazin \"Life\" das Foto erscheint, welches den angeblichen Nehle bei einer Vivisektion in Stutthof zeigt, läßt Emmenberger sein Double aus Chile kommen. Er ermordet ihn in einem Hamburger Hafenhotel und täuscht einen Selbstmord vor.
Als wahrhafter Teufel hat Emmenberger die Klinik Sonnenstein zu einer Hölle für Reiche und Mächtige gemacht. Er verspricht die Hoffnung auf Lebensverlängerung durch Vivisektion und beerbt dann in vielen Fällen noch seine freiwilligen Opfer.

*.) Gulliver
Der Jude Gulliver ist Bärlachs Freund und Retter und er bezeichnet sich im Schlußkapitel mit dem Namen des Ewigen Juden Ahasver. Nimmt man hinzu, daß Swifts Gulliver-Roman eine Satire ist, so scheint die Deutung erlaubt, eine satirischen Version der biblischen Gestalt des bis zum Jüngsten Gericht zu ewiger Wanderschaft verurteilten Schuhmachers Ahasver sei vom Dichter beabsichtigt.
Im Mai 1945 hat sich Gulliver bei Eisleben aus einer Leichengrube geschleppt und ist der SS entkommen. Seither gilt er amtlich als tot. Früher war er verheiratet mit einer inzwischen verstorbenen Arierin. Jetzt zieht er ungebunden von Ort zu Ort, immer im Verborgenen. Gegen den Jahreswechsel 1944/45 kreuzt sein Leidensweg die Spuren Emmenbergers. Gulliver übersteht wie durch ein Wunder eine Magenresektion ohne Betäubung. Er wird anschließend gesundgepflegt und nach Buchenwald überstellt. Auf dem weg dorthin erfolgt seine vermeintliche Erschießung. Eine Gestalt wie aus dem Märchenbuch, wird der Riese zum Retter für Bärlach.
*.) Dr. med. Edith Marlok
Die Morphistin, vierunddreißigjährig, von klar-vornehmer Schönheit, solange ihr nicht das Rauschmittel fehlt, dann wird sie unversehens einem alten Weibe ähnlich, ist eine Figur aus der Nehle-Vergangenheit Emmenbergers. Als Häftling 4466 wurde sie des SS-Arztes geliebte, um zu überleben. Daran hat sich nichts geändert.
\"Der Verdacht\" erschien im \"Beobachter\" vom September 1951 bis zum Februar 1952.
Unter dem Titel \"Die Stadt\" erschien 1952 ein Sammelband mit den Erzählungen Weihnacht, Der Folterknecht, Das Bild des Sisyphos, Der Theaterdirektor, Die Stadt, Die Falle, Der Hund, Der Tunnel und Pilatus.
Zu Pilatus: Die Passion Jesu Christi wird aus der Sicht des Pilatus wiedergegeben. Pilatus erkennt auf den ersten Blick, daß der ihm vorgeführte Gefangene ein Gott ist, hat aber eine ganz andere Vorstellung von einem Gott. Um den Gott zu reizen, endlich seine wahre Gestalt anzunehmen, gibt er die Befehle zur Geißelung und Kreuzigung. Golgatha hinaufreitend, erwartet er, den neuen Gott in Glorie neben dem Kreuz stehen zu sehen, und sieht einen Elendsmann am kreuz hängen. Drei Tage später starrt er ins leere Grab. Pilatus spürt, daß er verloren hat.
Der Tunnel beginnt mit einem satirischen Selbstporträt des Autors. Ein junger Mann steigt eines Sonntagnachmittags in einen Zug, um anderntags ein Seminar zu besuchen.Die Sonne schien - jedoch zum letztenmal für die Insassen des Eilzuges Bern - Zürich. Ein kurzer, sonst kaum beachteter Tunnel nimmt auf dieser Fahrt kein Ende. Der Zug rast ins Erdinnere, von Minute zu Minute schneller und steiler hinab. Der Lokomotivführer ist beizeiten abgesprungen. Der Zugführer gerät in Panik. Die Reisenden dagegen unterhalten sich oder spielen Schach, . . .Gegenüber ihrem Untergang verhält sich die Menschheit gleichgültig.
In der Erzählung Der Hund gesellt sich zu einem Heilsprediger ein Wolfstier. Dürrenmatts Verhältnis zu Hunden ist zwiespältig, da sich 1935 ein Wolfshund in seinen Armen und Beinen verbiß.
Unter dem nachwirkenden Eindruck dieses Erlebnisses habe er die Erzählung Der Theaterdirektor geschrieben.
Die Falle, 1946 entstanden, war unter dem Titel Der Nihilist in der Holunderpresse Horgen-Zürich erschienen. Der Nihilist vertraut dem Erzähler seine Selbstmordabsichten an. Er erschießt aber eine Frau. Auch dies vertraut er dem Erzähler an, macht ihn so zum Mitwisser seines Verbrechens, will ihn beseitigen, findet dann doch die Kraft, sich selbst zu erschießen. Hauptteil der Geschichte ist die Wiedergabe eines Traumes des Nihilisten, eine Untergangsvision Dürrenmatts.
Die Stadt wurde ebenfalls 1946 geschrieben. Der Ich-Erzähler schildert die Stadt, ihre Menschenmassen, ihre gesellschaftliche Struktur: Verwaltung, Arbeiterheere, Gefangene, Wärter, . . . Aus nichtigem Anlaß entsteht ein Aufstand, der Erzähler läuft mit. Aber der Aufstand gegen die unsichtbare Verwaltung löst sich auf, als sei nichts gewesen.
\"Die Ehe des Herrn Mississippi (Eine Komödie)\" im wesentlichen 1950 geschrieben, wird von den Schweizer Bühnen zurückgewiesen. Am 6. Oktober 1951 wird den Dürrenmatts die Tochter Ruth geboren. Das Haus in Ligerz wird zu klein. Am 1. März 1952 zog die Familie von Ligerz in das Haus Pertuis du Sault 34 oberhalb Neuchâtel.
Die Landschaft um Ligerz war idyllisch. Dürrenmatt haßt die Idylle. Die Gegend um Neuchâtel ist herber, felsiger, urtümlicher.
Die Anfänge zum Mississippi gehen auf den Herbst 1949 zurück. Damals zeigte er Max Frisch die ersten beiden Akte. Die Autoren suchten über Jahre Freundschaft zu halten, vertrauten einander ihre Projekte an.
1960 schrieb Dürrenmatt das Drehbuch zum Mississippi-Film, der durchfiel.
Florestan Mississippi, Staatsanwalt und Gerechtigkeitsfanatiker, ist stolz 350 Todesurteile durchgeboxt zu haben. Da nach alttestamentischem Gesetz auch Ehebruch mit dem Tode bestraft wird, vergiftet er seine Gattin. Die absolute Gerechtigkeit verpflichtete ihn zu dieser privaten Hinrichtung. Die drei Idealisten, Utopisten, Spinner, Weltverbesserer scheitern und alles geht weiter wie zuvor. Zwischen ihnen steht Anastasia, die auch ihren Ehemann umgebracht hat. Alle lieben sie und Anastasia liebt alle. Anastasia brachte ihren Gatten aus schnöder Eifersucht um, jedoch mit dem gleichen Gift, mit dem Mississippi seine Frau ermordet hatt. Er weiß davon. Nun hat aber Anastasias Mann Anastasia ausgerechnet mit Frau Mississippi betrogen! Der Ring ist geschlossen. Die Pointe: Der Mörder macht der Mörderin einen Heiratsantrag.
Es spricht für das Künstlertum Dürrenmatts, daß er mit vollem Einsatz arbeitete, und er beklagte sich, daß seine Hörspiele zuwenig beachtet wurden (z.B: Der Prozeß um des Esels Schatten, das Nächtliche Gespräch mit einem verachteten Menschen, Ein Kurs für Zeitgenossen, Das Unternehmen der Wega, . . )
Dürrenmatts \"Panne\" gibt es in vierfacher Form: als Hörspiel, Erzählung, Fernsehspiel und Komödie. Vier Pensionäre treiben als Spiel, Spaß und Jux, was sie früher berufsmäßig ausübten: Sie sitzen zu Gericht. Ihr Opfer ist der nach einer Autopanne zufällig hereingeschneite und zur Übernachtung eingeladene Alfredo Traps, ein Karrieretyp, im übrigen Durchschnittsbürger. Richter, Staatsanwalt, Verteidiger und Henker knöpfen ihn sich bei einem Festmahl vor. Die vier Greise bohren, stöbern, forschen in Trab´s Vorleben, Leben, Sexual- und Geschäftspraktiken,. . . Sie entdecken da so manchen dunklen Punkt: Verbrechen im sittlichen Sinn, sie entdecken sogar einen psychologischen Mord. Der Richter ermächtigt sich zu einem Todesurteil. Traps akzeptiert. Großer Umtrunk. Ekstase. In der Erzählung stolpert der demontierte Traps allein in sein Zimmer, und als die Herren ihm eine gute Nacht wünschen wollen, hat der sich am Fensterkreuz aufgehängt.
\"Ein Engel kommt nach Babylon (Eine fragmentarische Komödie in drei Akten): In dem gemormten Leben der Weltstadt Babylon ist der Bettler Akki der einzige Mensch, der sich die Freiheit des Abenteuers bewahrt hat - und zu bewahren gedenkt. Alle anderen Bettler hat der reformsüchtige König Nebukadnezar zu pensionsberechtigten Steuereinnehmern gemacht. Um Akki von der Sinnlosigkeit seines anachistischen Lebenswandels zu überzeugen, verkleidet sich der König als Bettler aus Ninive und tritt mit Akki in einen Bettlerwettstreit, den Akki haushoch gewinnt. Die erbettelte Summe wirft der Siegreiche in den Fluß. Es ist ihm um ein freies Leben voller Poesie zu tun, nicht um materiellen Besitz. Nun flattert ein Engel auf die Erde hinab, mit ihm das Gotteskind Kurrubi, das die Gnade verkörpert und dem ärmsten Menschen von Babylon zugesprochen werden soll. Dieser ärmste Mensch ist aber nach der Wette nach der verkleidete König. Auftragsgemäß liebt Kurrubi den Bettler von Ninive. Also ruft der gekränkte Nebukadnezar den Henker herbei, Kurrubi den Kopf abzuschlagen. Akki hat mit dem Henker längst die Rollen getauscht und zieht mit Kurrubi von dannen. Der enttäuschte König erkennt: Gott läßt ihn fallen, Gott ist sein Feind.
\"Grieche sucht Griechin (Eine Prosakomödie)\": Der Griechin suchende Grieche ist ein Buchhalter auf der untesten Stufe der Hirarchie eines Mammutunternehmens in einer wahrhaft internationalen Metropole - Paris plus Zürich plus London: Europa-City. Per Annonce sucht der Grieche, 45, simpel, schmuddelig, miserabel behaust, aber voller Grundsätze und Religiosität, eine Landsmännin zwecks Heirat. Es meldet sich Chloé, 31, die erfolgreichste Kokotte der Stadt, sie will zurück ins bürgerliche Leben: trautes Heim mit einem Landsmann und Kinderchen. Alle bedeutenden Männer der Metropole haben ihre Liebeskünste genossen, dem Griechen ist das unbekannt.
Eines Tages wird der Grieche, dank der Beziehungen seiner Braut, Generaldirektor, Weltkirchenrat, Ehrenkonsul und der bestangezogene Mann der Stadt. Bei der Trauung, an der alle früheren Beischläfer gerührt teilnehmen, merkt der Grieche endlich, wer da eigentlich an seiner Seite kniet - und nimmt Reißaus und gerät Bombenlägern in die Hände. Ein Mensch kommt in diesem Buch nicht vor. Mit Ausnahme des greisen weisen Staatspräsidenten, zu dem der Grieche mit einer entschärften Bombe nächtens eindringt. Der Alte zieht ihn ins Gespräch. Er kennt des Griechen Schicksal. Der Grieche ist für des Staatspräsidentens Worte empfänglich und die Bombe bleibt in der Manteltasche. Als ein anderer Mensch geht der Grieche nach dem Gespräch von dem Philosophen fort. Aber chloé ist verschwunden. Ende. - als Ende für Leihbibliotheken hat der Autor einen versöhnlichen Schluß angehängt. Grieche und Griechin finden sich wieder in Griechenland bei Ausgrabungen auf dem Peloponnes.
Zeit seines Lebens hat sich Dürrenmatt über das, was ihn bewegte, geäußert, nicht nur in Erzählungen, Romanen uns Stücken, mehr noch unmittelbarer in Aufsätzen, Vorträgen, Kritiken, Kommentaren, Essays, in Zeitungs- und Fernsehinterviews. Er ist auch ein schreibgewandter Theoretiker und Publizist. Es gibt kaum ein Gebiet des Geistes, der Kunst, der Wissenschaft und der Politik, das er nicht erkundet und über das er sich nicht geäußert hat. Seine Aufsätze sind teils Selbstgespräche, teils Ansprachen an seine Kritiker, Freunde und Feinde.
Der erfolglose Engel wurde von einem philosophierenden Märchenerzähler geschrieben, die erfolgreiche Dame von einem Theatermann. Inzwischen hatte Dürrenmatt den Essay über seine Komödientheorie, Theaterprobleme, beendet und hatte selbst inszeniert, 1954 in Bern den Mississippi.
Als er 1955 von einer Vortragsreise zurückkam, mußte sich seine Frau einer Operation unterziehen. Die Operation gelang, hatte aber lebensgefährliche Nachwirkungen. Dürrenmatt fuhr täglich nach Bern ins Spital. Abends fuhr er zu seinen Kindern zurück und begann an der unterbrochenen Mondfinsternis weiterzuschreiben. Frau Lotti erholte sich, aber Dürrenmatt war nun von einer anderen Sorge geplagt: Schulden. Daher kam er auf die Idee die Mondfinsternis in ein Theaterstück zu verwandeln. In der Mondfinsternis kommt Walt Lotcher aus Kanada, wo er es zum Multimillionär gebracht hat, in sein schweiterisches Heimatdorf zurück. Vor 45 Jahren hat ihm der Döufu Mani sein Mädchen weggeschnappt, obgleich sie von ihm schwanger war, seine Kläri. Den Gebirgsdörflern ging es dreckig. Jeder der vierzehn Familien will der Heimkehrer eine Million schenken, wenn sie ihm den Mani umbringen, in zehn Tagen, zur Mondfinsternis. Er hatte einst geschworen, sich zu rächen, und seine Schwüre hält er. Die Dörfler erfüllen ihm den Wunsch. Der alte Mani opfert sich. Der Delinquent wird zur Stunde der Mondfinsternis unter einen Baum gesetzt, der fällt um und erschlägt ihn. Ein Unfall!

 
 

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