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recht artikel (Interpretation und charakterisierung)

Heiliges offizium und provisorato - die institutionelle entwicklung der inquisition


1. Finanz
2. Reform

Die Grundlage der Arbeit der Inquisition in der Neuen Welt war eine päpstliche Bulle von 1522 (Expony nobis, Span. Omnímoda), in der die spanischen Prälaten zur Einrichtung einer ,,weltlichen Kirche\" in den neuen Gebieten autorisiert wurden, wo es keinen Bischof gab bzw. dieser mehr als 2 Tagesreisen entfernt seinen Sitz hatte. Darin eingeschlossen war das bischöfliche Recht, über alle Erscheinungen von Häresie zu richten.
In der Zeit der unmittelbaren Konquista lag die Überwachung der Glaubensreinheit zunächst in den Händen der Mönchsorden (insbesondere der Franziskaner, aber auch der Dominikaner), später - mit der Einrichtung von Diözesen - im Aufgabenbereich der Bischöfe. Greenleaf nennt diese Phase, die er zwischen 1522 und 1571 datiert, ,,Primitive Inquisition\". Gemeint ist offenbar, dass es noch keinen bürokratisch organisierten Apparat der Inquisition gab, wie er sich zu dieser Zeit in Spanien selbst entwickelte.
Der erste Prozess dieser ,,primitiven Inquisition\" fand schon 1522 gegen einen indianischen Führer in Tlaxcala statt; die Anklage lautete auf Konkubinat. Im Jahre 1539 fand ein Prozess gegen Don Carlos Ometochtzin, den indianischen Anführer des früheren Stadtstaates Texcoco, statt, den der erste Erzbischof Mexikos, Juan de Zumárraga, führte, und der für den Delinquenten in einer inquisitionstypischen öffentlichen Zeremonie auf dem Scheiterhaufen endete. Dieser aufsehenerregende Prozess führte zu einer Intervention der spanischen Krone, die Zumárraga einen Verweis wegen seines Vorgehens erteilte, was zweifellos die Kräfte innerhalb der spanischen Elite stärkte, die für die Nichtzuständigkeit der Inquisition gegenüber den Indianern eintraten. Trotzdem wurden auch in den folgenden Jahren Inquisitions-Prozesse gegen Indianer geführt, darunter die wegen ihres Massencharakters spektakulären in Yucatán, die im nächsten Kapitel behandelt werden.
Im Jahre 1571 erfolgte die Einrichtung eines Tribunals des Heiligen Offiziums der Inquisition für Neu-Spanien, mit der bereits erwähnten Regelung, die Indianer betreffend. Die ,,offizielle\" Inquisition verfolgte deshalb nur Glaubensdelikte der anderen ethnischen Gruppen innerhalb der Kolonialgesellschaft, darunter bezeichnenderweise in besonderem Maße Juden bzw. Krypton-Juden. Auf die Entwicklung dieser Institution kann hier nicht näher eingegangen werden, erwähnt sei nur, dass Greenleaf sie in zwei weitere Phasen unterteilt, und zwar von 1571 bis 1700 sowie unter der Bourbonendynastie von 1700 bis 1820.
Die für Glaubensangelegenheiten der Indianer zuständige Form der Inquisition (die Provisoratos in den Diözesen) begann sich wahrscheinlich schon vor der offiziellen Trennung aus der Praxis in der Phase der ,,primitiven Inquisition\" heraus zu entwickeln und erhielt durch den königlichen Erlass quasi ihre formale Berechtigung. Allerdings scheint es kein Dokument zu geben, in dem ihre Einrichtung ausdrücklich angeordnet wird. Aktivitäten der Provisoratos lassen sich, regional unterschiedlich, bis 1819 nachweisen.
An dieser Stelle soll die kurze Darstellung einer Kontroverse über die möglichen Gründe der organisatorischen Trennung der Inquisition in den spanischen Kolonien und über die Bewertung dieser Tatsache folgen : Klor de Alva kommt zu dem Schluss, dass die Inquisition als Herrschaftsinstrument gegenüber der indianischen Bevölkerung versagt hatte (was seinen formalrechtlichen Ausdruck in dem königlichen Erlass von 1570 fand) und durch andere, effektivere Herrschaftstechniken, insbesondere die von ihm so genannte Bußdisziplin [penitential discipline], die sich v.a. über die Institution der Beichte vermittelte, ersetzt wurde.
Moreno de los Arcos dagegen bezeichnet die Inquisition in ihrer, sich den Verhältnissen in der Neuen Welt anpassenden Form, als wichtiges Instrument der juristischen und kirchlichen Kontrolle über die Indianer. Unterstützt wird er in dieser Auffassung von Greenleaf, der auf Grund der äußerst unterschiedlichen Situation in den einzelnen Regionen Neu-Spaniens die Notwendigkeit der Dezentralisierung des Inquisitionsapparates konstatiert, die auch von der spanischen Kolonialmacht erkannt wurde, ohne dass damit eine wesentliche Veränderung der Aufgabenstellung dieser Institution verbunden war. Mit Bezug auf den königlichen Erlass zur Einrichtung des Heiligen Offiziums in Mexiko schreibt er: Zur gleichen Zeit entzog der König dem Tribunal die Rechtsprechung über die Indianer mit der Überlegung, dass die Bischöfe besser mit den Übertretungen der Eingeborenen vertraut waren. Die Funktion der Inquisition wurde einem General-Vikar oder -Provisor übertragen und das mexikanische Provisorato entwickelte sich zu einer ausgedehnten Bürokratie zur Disziplinierung der Indianer.
Kennzeichnend für beide Thesen ist, dass sie den humanistischen Auffassungen innerhalb der spanischen Elite, wie sie von las Casas vertreten wurden, nur einen geringen Einfluss auf die von ihnen unterschiedlich interpretierte Entwicklung zubilligen. Im Mittelpunkt der, wie auch immer zu bewertenden, Aktionen der Kolonialmacht bezüglich der Inquisition standen vielmehr unmittelbar mit der Herrschaftsstabilisierung im Zusammenhang stehende Interessen.

 
 

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