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physik artikel (Interpretation und charakterisierung)

Motor

Rudolf diesel (1858-1913)


1. Atom
2. Motor

Rudolf Diesel (1858-1913) wurde am 18. März 1858 in Paris geboren. Sein Vater Theodor war bald nach der 84er Revolution von Augsburg nach Paris gegangen, weil er glaubte dort ein besseres Fortkommen zu finden als in den engen Verhältnissen seiner Heimat. Theodor Diesel hatte Buchbinder gelernt, und in Paris betrieb er eine kleine Werkstatt für Lederwaren. Vom Vorwärtskommen konnte aber keine Rede sein. Als er drei Kinder versorgen musste war oft Not in der kleinen dunklen Wohnung, in der Rudolf aufwuchs. Vater Diesel war wenig lebenstüchtig. Er hatte den Kopf voll von halbentwickelten Ideen. Er machte hochfliegende Pläne und wollte große Erfindungen machen. Die Folge davon war, dass er sein Geschäft vernachlässigte. Das gab oft Probleme in der Familie.
Rudolf aber begeisterte sich vorerst viel mehr für Maschinen. Viele Stunden verbrachte er in den stillen Sälen des Gewerbe-Museums, des ältesten technischen Museums der Welt. Hier war Rudolfs Welt. Hier träumte er und zeichnete seine Lieblinge.
Der Drang zur Mechanik musste ihm wohl angeboren sein, denn schon als Dreikäsehoch nahm er alle Apparate auseinander.
Mittlerweile war das Jahr 1870 herangekommen. Der Deutsch-Französische Krieg entbrannte, und nach der Schlacht bei Sedan wurden alle Deutschen aus Frankreich ausgewiesen. Der direkte Weg nach Deutschland führte durch das Kriegsgebiet und war deshalb gesperrt. So fuhr Familie Diesel nach England, wo die Mutter einige Jahre gelebt hatte. Dort besuchte er das Science Museum, und hier konnte er sich an Dampfmaschinen von Savery, Newcomen, Watt und Trevithick begeistern. Acht Wochen besuchte Rudolf eine englische Schule.
Dann kam eine Lebenswende für ihn. Ein Onkel, Mathematikprofessor Barnickel in Augsburg, bot an, ihn als Pflegesohn aufzunehmen. Die Not der Flüchtlinge war groß. Deshalb beeilte sich Vater Diesel, dem zwölfjährigen Rudolf ein Schild mit der Augsburger Adresse umzuhängen, ihn auf ein Rotterdamer Schiff zu bringen und ihn seinem Schicksal zu überlassen. So reiste Rudolf mitten im Krieg nach Augsburg, dort wo sein Vater einst ausgezogen war.
In Augsburg konnte Rudolf sich ganz der Ausbildung widmen. Er besuchte zunächst die Gewerbeschule. Und der Pflegevater sorgte zusätzlich für eine gute mathematische Grundlage. Mit vierzehn stand der Entschluss des Jungen fest, Mechaniker und Ingenieur zu werden. Nach dem Krieg waren die Eltern mit den Schwestern nach Paris zurück gekehrt. Des Vaters Geschäfte gingen schlechter als vor dem Krieg. Rudolf hätte gerne seine Familie wieder gesehen, aber dafür war kein Geld vorhanden. So schrieb er nach Paris: "Liebste Eltern, mein sehnlichster Wunsch ist, Mechaniker zu werden. In irgendeinem anderen Fach werde ich kaum etwas Tüchtiges erlernen ... Was Gott tut, das ist wohlgetan: Wäre ich nicht nach Deutschland gekommen, um auf einige Jahre von Euch getrennt zu werden, so wäre ich jetzt wahrscheinlich im Atelier, müsste arbeiten helfen und dabei könnte ich am Ende gar nicht mehr an Mechanik denken.
-Nicht wahr, ich darf Mechaniker werden?"
Im nächsten Jahr fuhr Rudolf nach Paris, denn für das Ingenieurstudium brauchte er die schriftliche Zustimmung des Vaters. Die Freude des Wiedersehens war groß, aber das war auch so ziemlich das einzige Erfreuliche an diesem Besuch. Vor allem die Mutter war gegen das Studium, damit er früher Geld verdienen und ihnen helfen könnte. Rudolf wehrte sich leidenschaftlich gegen diese Einstellung, denn er konnte einfach nicht mehr auf das Ingenieurstudium verzichten, und so setzte er seinen Willen durch.
Der Besuch fand einen traurigen Abschluss: Schwester Louise starb. Der Vater viel nun ganz in sich zusammen. Er verschrieb sich dem Spiritismus. Mit dessen Hilfe versuchte er Verbindung mit den Toten aufzunehmen. Seine Frau wollte von solchen übernatürlichen Dingen nichts wissen, und so baute sich allmählich eine Kluft zwischen den Beiden auf. Die Ehe zerbrach langsam, der Vater wurde seelisch krank und lebte zuletzt überhaupt nicht mehr in der Wirklichkeit. Über zwanzig Jahre dauerte diese Tragödie seiner Eltern, und Rudolf Diesel litt schwer darunter.
Der zweijährige Besuch der neugegründeten Industrieschule in Augsburg war für Rudolf eine gute Vorbereitung für die Technische Hochschule München, die er seit 1875 besuchte. Er bekam durch seine Tüchtigkeit ein Stipendium, war aber doch völlig mittellos. Er gab französischen Sprachunterricht. Mit dessen Gehalt konnte er gerade seine Zimmermiete bezahlen und mittags für 55 Pfennig etwas essen. "Seht, so schlage ich mich durchs Leben", schrieb er seinen Eltern. "Ich bin aber deshalb doch gern auf der Welt!"
Ja, die Tatsache seines Studiums ließ alles andere nebensächlich erscheinen. Er studierte mit einem wahrhaft fantastischen Eifer. Sein Sohn Eugen hat in einer Würdigung des Vaters geschrieben: "Er hatte den festen Entschluss gefasst, sich mit allen Kräften aus dem materiellen Elend heraus zu arbeiten, das schon seine ganze Kindheit überschattet hatte, und zudem beseelte ihn der verbissene Vorsatz, dereinst etwas Bedeutendes zu leisten. Er besaß ein ausgesprochenes Berufungsgefühl und hatte wohl eigentlich nie daran gezweifelt, zur Schaffung von etwas ganz Ungewöhnlichem bestimmt zu sein."
Noch während seines Studiums stellte er sich eine Forschungsaufgabe, der er sein Leben widmete:
Die Schaffung einer neuen, wirtschaftlichen Wärmekraftmaschine!
Sein Lehrer, der berühmte Professor Karl Linde (1842-1934), Erfinder der Ammoniak-Kältemaschine, stellte in einer Vorlesung fest, dass die besten Dampfmaschinen nur 6 bis 10 Prozent der im Brennstoff enthaltenen Wärme in nutzbare Arbeit umsetzten. Dann erklärte er seinen Schülern den Carnot´ schen Kreisprozess. Der französische Physiker Sadi Carnot (1796-1832) hatte sich vor einem halben Jahrhundert mit der Theorie der Dampfmaschine beschäftigt. Er wies nach, dass Wärme nur Arbeit leisten kann, wenn sie von einer höheren Temperatur zu einer niedrigeren absinkt. In einer Wärmekraftmaschine muss also ein Wärmekraftgefälle vorhanden sein. Die Natur des Wärmeträgers ist dabei gleichgültig. Bei einer Zustandsänderung von Gasen, bei der deren Temperatur gleich bleibt, wird alle dem Gas zugeführt Wärme in nutzbare Arbeit umgewandelt, abgesehen natürlich von den Reibungsverlusten in der Maschine. Einen solchen Vorgang nennt man "isothermisch". Carnot hatte also festgestellt, dass in einer idealen Kraftmaschine die Temperatur im Zylinder gleich bleiben müsse, damit die gesamte zugeführte Wärme in Arbeit umgewandelt werden könne. Die Dampfmaschine kann diese Forderungen niemals erfüllen, denn ihre Wirkung beruht ja auf der Abkühlung des ihr zugeführten Dampfes. Carnot starb schon mit 36 Jahren. Eine praktische brauchbare Maschine, die seine theoretischen Erkenntnisse nutzte, konnte er nicht mehr zu Ende denken, seither beschäftigten sich unzählige Wissenschaftler mit den hier offenbar bestehenden Möglichkeiten zur Schaffung eines rationellen Wärmemotors.
Rudolf Diesel überlegte das Gehörte gründlich. Er überlas nochmals seine Niederschrift im Kollegheft und ergänzte sie durch die Bemerkung, dass seiner Ansicht nach die Verwendung des Dampfes oder überhaupt eines Mittelkörpers falsch sei. Er dachte also an einen völlig neuen Wärmemotor. In einem plötzlichen Entschluss schrieb er an den Rand: "Studieren, ob es nicht möglich ist, die Isotherme praktisch zu verwirklichen!" Als der Student Rudolf Diesel das schrieb war, er 20 Jahre alt. 35 Jahre später sagte er dazu: "Damals stellte ich mir die Aufgabe! Das war noch keine Erfindung, auch nicht die Idee dazu. Der Wunsch der Verwirklichung des Carnotschen Idealprozesses beherrschte fortan mein Dasein. Ich verließ die Schule, ging in die Praxis, musste mir meine Stellung im Leben erobern. Der Gedanke verfolgte mich ständig."
Ja, erst musste er sich eine Stellung im Leben erobern. Dazu verhalf ihm sein Lehrer Linde, der ja seine Fähigkeiten kannte. Da Diesel Französisch sprach wie ein Franzose, schickte er ihn zur Einführung seiner Kältemaschine nach Frankreich. Nachdem er erst als Volontär bei der Errichtung einer Eisfabrik in Paris geholfen hatte, wurde er Direktor, Verkäufer, Berater, Konstrukteur, Zeichner und Monteur in einer Person. Aber er verdiente gut dabei, und das war erst mal die Hauptsache. Für seinen neuen Wärmemotor, den er entwickeln wollte, blieb allerdings nicht viel Zeit übrig, zumal er auch bald heiratete.
Immerhin arbeitete er auch jetzt ständig in Richtung seines Zieles. Alles, was über dem absoluten Nullpunkt von -273°C liegt, ist im physikalischen Sinn Wärme. Für die Kältemaschine wird Ammoniak als Kältemittel verwendet. Ammoniakgas wird bei 6 bis 7 bar Druck und 10°C flüssig. Diese Flüssigkeit siedet mit starkem Wärmeverbrauch, wodurch nun sehr tiefe Temperaturen erreicht werden können. Diesel hatte also dauernd mit den Zustandsänderungen von Gasen und Flüssigkeiten bei Druck- und Temperaturwechsel zu tun. Diese Kenntnisse mussten ihm bei der Schaffung seines Wärmemotors nützlich sein.
Auch mit dem Erdöl machte Diesel damals praktische Bekanntschaft. Freilich dachte noch niemand daran, es als "flüssiges Gold" zu bezeichnen. Wer damals prophezeit hätte, die flüssigen Brennstoffe würden einmal der Kohle Konkurrenz machen, den hätte man glatt ausgelacht. Diesel versuchte, mit Hilfe der Kälte aus Rohpetroleum Paraffin auszuscheiden, weil es in Industrie und Medizin vielfach verwendet wurde. Hunderte von Ölproben sind dabei durch seine Hände gegangen, und er lernte so seinen späteren Treibstoff gut kennen.
Vergessen hatte Diesel seine Motorpläne trotz der vielen anderen Arbeiten niemals. Der ständige Umgang mit Kältemaschinen brachte ihn auf den Gedanken eines Ammoniakmotors. Wie es sich für einen Erstling gehört, war das Verfahren höchst kompliziert. Durch Erhitzen und Abkühlen, Ausdehnen und Verdichten wollte er Kraft gewinnen, wobei Glyzerin als Aufnahmeflüssigkeit für das Gas dienen sollte. Fünf oder sechs Jahre hat er sich mit dem Problem herumgeschlagen, und er war lange recht hoffnungsvoll. Wenn er schließlich auch einsehen musste, dass er auf einem Irrweg war, so blieb doch als Gewinn die Erkenntnis, dass der neue Wärmemotor unbedingt mit hohen Drucken arbeiten müsse. Die Motorenbauer aber scheuten hohe Arbeitsdrucke. Diese erfordern eine sehr genaue Bearbeitung der druckführenden Teile. Der geringe Verdichtungsdruck beim Ottomotor machte ihnen schon Kummer genug, und da kam nun so ein Kältemensch daher und redete von 30-40 atü, also von einem zehnmal so hohen Verdichtungsdruck.
Von 1888 ab machte sich Diesel wohl mehr und mehr mit dem Gedanken vertraut, hochverdichtete Luft als Arbeitsmittel zu verwenden. Er hörte von einem Apparat, der nur durch Verdichtung und Ausdehnung von Luft, Wärme und Kälte erzeugen könne. Da musste er an Augsburg zurückdenken, an die Industrieschule. In der Lehrmittelsammlung gab es ein Luftdruck-Feuerzeug, das auf den jungen Schüler einen großen Eindruck gemacht hatte. Wie eine Injektionsspritze sah es aus oder wie eine kleine Fahrradpumpe. Drückte man den Kolben kräftig hinein, dann erhitzte sich die Luft innen durch die Verdichtung so stark, dass ein Stück Zunder im Boden des Zylinders aufglühte.
Das war doch was! Konnte man dieses Prinzip nicht für den gesuchten Motor verwenden?
Nun, vorerst war es nur ein Gedankenblitz. Aber in langen Überlegungen reifte die Idee. Zwei Jahre später, als er inzwischen für Linde nach Berlin übergesiedelt war, meldete er seine Erfindung an. Und weitere zwei Jahre später wurde ihm das Deutsche Reichspatent Nr. 67207 auf seine Verbrennungskraftmaschine erteilt.
Vom Vorbild der Dampfmaschine hat sich Diesel ganz gelöst. Gegenüber dem Ottomotor besteht der grundlegende Unterschied, dass der Kolben kein Brennstoff-Luft-Gemisch ansaugt, sondern reine Luft, die beim Rückgang des Kolbens auf etwa 35 atü verdichtet wird, wo durch sie auf etwa 800°C erhitzt. In diese heiße Luft wird Schweröl eingespritzt, das dabei zu einem Ölnebel zerstäubt, der sich in der heißen Luft sofort entzündet. Die Einspritzgeschwindigkeit wird so geregelt, dass der Arbeitsdruck im Zylinder ungefähr gleich bleibt, bis sich das Einspritzventil schließt; Jetzt wird der Kolben durch die Ausdehnung der auf 1500°C erhitzten Verbrennungsgase weitergedrückt bis zum Hubende. Beim vierten Hub werden die Gase ausgeschoben.
Vor allem die Möglichkeit, das billige Schweröl als Krafftstoff zu verwenden, war ein so entscheidender Vorteil des neuen Motors, dass Diesel mit Krupp in Essen und mit der Maschinenfabrik Augsburg einen Vertrag über die Erprobung abschließen konnte.
Der Bau des Versuchsmotors erfolgte in Augsburg. Als er fertig zusammengebaut war, ließ ihn Diesel mittels Riemenantrieb von der Transmission aus einlaufen. Dabei zeigten sich zahlreiche Mängel, die so gut wie möglich beseitigt wurden. Aber den Verdichtungsdruck bekamen sie nicht über 18 bar; an 30 bar war nicht zu denken.
Was nun? Musste man unbedingt so hohen Verdichtungsdruck haben? Benzin zündete doch bei einem viel niedrigeren Druck!
Also Benzin her! Diesel konnte seine Ungeduld nicht mehr bezähmen. Am 10. August 1893 legte er selber den Hebel der Brennstoffpumpe um, die nun ihren Benzinstrahl in die heiße Verdichtungsluft entsandte. Rumms! Es krachte wie ein Kanonenschuss, und alle duckten sich, denn Eisenbrocken flogen im Raum umher. Zum Glück waren es nur Stücke des am Zylinder angeschraubten Druckanzeigers; die Maschine selbst war heil geblieben. So konnten die Versuche weitergehen, und am 18. August schrieb Diesel: "Der Motor hat heute seinen ersten selbständigen Ruck getan; nur einmal herum: aber das Prinzip ist dadurch gerettet." Das war aber auch das einzige, was mit diesem ersten Motor bewiesen werden konnte. Schon vier Tage später erkannte der Erfinder: "Der Motor, wie er jetzt ist, geht nicht, der zweite wird unvollkommen gehen und der dritte wird gut; leider geht es nicht schneller, es muss eben alles tropfenweise zusammengetragen werden."
Vorerst wurde der Motor vollkommen umkonstruiert, doch wollte er auch dann nicht funktionieren. Vor allem die Brennstoffpumpe versagte immer wieder. Die damalige Fertigung konnte eine betriebssichere Einspritzpumpe einfach nicht herstellen. So sah sich Diesel gezwungen, den Brennstoff mittels Druck einzublasen. Glücklich war er über diese Lösung nicht, weil sie den ganzen Aufbau des Motors komplizierter gestaltete. Aber es gab keine Wahl; erst 1923, zehn Jahre nach Diesels Tod, waren Einspritzpumpen so weit entwickelt, dass die Dieselmotoren in der ursprünglich vorgesehenen Weise arbeiten konnten.
Aber auch mit der Lufteinblasung kam der Motor zunächst nicht selbständig ins Laufen. Eugen, der Sohn des Erfinders, erzählte über diese Versuche: "Wieder gab es zunächst, während er von der Transmission angetrieben wurde, nur einzelne Verbrennungen, Rucke an der Kurbel, Feuerstrahlen, die aus dem Auspuffrohr schossen. Immer wieder tastete und probierte Diesel herum. Er verstellte Einblasung, Steuerung, Pumpen. Plötzlich wurden durch eine Einstellung des Brennstoffventils die Verbrennungen ruhiger. Es war am 17. Februar 1894.Diesel hatte zufällig einmal nicht den Blick auf den Motor gerichtet, der durch die Transmission angetrieben wurde. Der Auspuff knallte. Da nahm Monteur Lindner wahr, wie durch das sich drehende Transmissionsrad der um das Schwungrad laufende straffe Teil des Treibriemens schlaff wurde, der bisher schlaffe Teil sich plötzlich straffte. Es hatte also ein Wechsel der treibenden Kraft stattgefunden! Statt den Motor anzutreiben, wurde der Riemen nunmehr vom Motor gestrafft. Das war die erste selbständige Kraftäußerung der Maschine. Von der Bedeutung des Augenblicks erfüllt, zog Linder schweigend die Mütze, und erst dadurch wurde Diesel auf das Ereignis aufmerksam. In stummer Freude drückte er Linder die Hand."
Etwa eine Minute war der Versuchsmotor selbständig gelaufen und hatte dabei 88 Umdrehungen gemacht, also etwa eineinhalb in der Sekunde. Diesel glaubte, er sei am Ziel, doch wurde er böse enttäuscht. Obwohl er wie ein Besessener arbeitet, kam er während eines ganzen Jahres nicht weiter. Ja, manchmal schien es, als sei alle Mühe vergebens, dass der Motor niemals richtig arbeiten würde. Es gehörte viel Glauben an die Richtigkeit seiner Erfindung dazu, um jetzt durchzuhalten, zumal er und seine Idee von vielen Seiten gehässig angefeindet wurden. Erst im Jahr 1895 waren die größten Schwierigkeiten beseitigt. Der Lauf des Motors wurde besser. Die Leistung stieg von 14 auf 23PS. Am 26. Juni 1895 wurde durch genaue Betriebsversuche festgestellt, dass der Dieselmotor nicht einmal die halbe Brennstoffmenge des besten Benzinmotors benötigte. Die bei Dauerversuchen gemachten Erfahrungen wurden bei dem im Frühjahr 1896 konstruierten Motor verwertet. Ende Januar 1897 konnte man feststellen, dass der Dieselmotor vollendet sei, und Diesel schrieb mit Recht: "Noch kein Motor hat das erreicht, was der meine erreicht."
Diesel hatte gesiegt, und er erlebte nun einen ungeheueren Triumph. In aller Welt sprach man von dem neuen Wundermotor. Wissenschaftler und Zeitungsleute, Fabrikanten und Agenten gaben sich in Augsburg die Türklinke in die Hand. Alle wollten den neuen Motor sehen, wollten darüber schreiben, wollten darüber schreiben, wollten sich Herstell- oder Vertriebsrechte sichern. Noch im Jahre1896 verkaufte Diesel sein amerikanisches Patent für nicht weniger als eine Million Mark; andere Länder folgten mit günstigen Verträgen. Mit einem Schlag war er reich, anerkannt, ja berühmt. Sein Erfolg war beispiellos.
Rückschauend muß man feststellen, dass das Glück zu plötzlich sein Füllhorn über Diesel hereinbrach. Die Leichtigkeit, mit der er auf einmal alles erreichen konnte, verwirrte seine Urteilskraft. So ließ er sich von falschen Freunden auf Gebiete locken, von denen er nichts verstand. Ölkönig wollte er werden, und so steckte er viel Geld in galizische Ölfelder. Dann kamen Rückschläge: Patentprozesse, Kinderkrankheiten an den gelieferten Motoren, Versagen einer Neukonstruktion, Anfeindungen mancherlei Art. Diesel hatte ein Jahrzehnt schwerster Beanspruchung hinter sich, und seine Nerven waren dem plötzlichen Ansturm nicht gewachsen. Ein halbes Jahr musste er völlig ausspannen, und während dieser Zeit ging Vieles schief. Nachher überanstrengte er sich weil er meinte, er müsste sich um alles kümmern. Die Ölfelder fraßen Geld aber Öl floß nicht. Der Bau einer großen Luxusvilla verschlang große Summen. So zerrannen Millionen in seinen Händen.
Zu allem Unglück wurde jetzt ein Charakterzug offenbar, den er wohl von seinem unglücklichen Vater geerbt hatte: Er beschäftigte sich mit Weltverbesserungsvorschlägen! Die Schatten seiner armseligen Jugend wurden wach, als er mit wirklichkeitsfremdem Idealismus ein soziales System ausarbeitete, das er Solidarismus nannte. Er war sehr stolz darauf, aber die Welt kümmerte sich zu seiner Enttäuschung nicht um seine Lösung der sozialen Frage.
So wurde Rudolf Diesel, den alle Welt als den Erfinder, als einen der erfolgreichsten Führer der internationalen Wirtschaft kannte, innerlich immer unsicherer. Nicht zuletzt trug dazu die Furcht vor dem Charaktererbe des Vaters bei. Schaudernd blickte er in Abgründe, die sich in seiner Seele auftaten. Er meinte nicht nur körperliches Leiden, als er klagte: " Mir geht es seit einiger Zeit nicht nach Wunsch. Mein Herz macht mir viel zu schaffen; manchmal meine ich es bleibe ganz stehen." Während der Erfinder an Leib und Seele zermürbte, wuchs sein Ruhm von Tag zu Tag. Der Dieselmotor eroberte sich immer weitere Anwendungsgebiete, immer größere Ausführungen wurden gebaut. Weltweites Aufsehen erregte 1912 die erfolgreichen Fahrten des ersten großen Motorschiffes "Selandia". Aber alle diese Erfolge ließen das Dunkel, das in Diesels Seele gefallen war nicht wieder aufhellen. Als 1913 eine finanzielle Zerreißprobe kam, fasste er den unheilvollen Entschluss, freiwillig aus dem Leben zu scheiden.
Am 29. September 1913 bestieg er mit Freunden in Antwerpen den Dampfer "Dresden", um nach England zu fahren. Gegen 22 Uhr verabschiedete er sich von seinen Begleitern in anscheinend bester Laune. Am Morgen herrschte große Aufregung: Diesel war nicht mehr an Bord! Sein Bett war unberührt, Hut und Mantel fand man an der Schiffsreling. Kein Hinweis sonst; man stand vor einem Rätsel. Die Weltpresse hatte eine Sensation. Geschäftige Federn spannen Märchen und Legenden um das Verschwinden des berühmten Mannes.
Elf Tage später sichtete ein holländisches Lotsenboot eine Leiche im Meer. Das Boot besaß keine Funkeinrichtung, und die Besatzung wusste daher nichts von der Aufregung um Diesels Verschwinden. Auf See ist es nicht üblich, Tote an Bord zu nehmen. So stellte man nur die Gegenstände und Papiere sicher, die der Tote bei sich trug und die von Diesels Söhnen später als Eigentum ihres Vaters erkannt wurden. Die Leiche selbst blieb für immer im Meer.
So starb ein großer Ingenieur, der einst das stolze Wort prägte: "Wollen ist können!" Sein Sohn Eugen schuf ihm ein wundervolles Denkmal mit der glänzenden Darstellung eines Lebens: "Rudolf Diesel- sein Leben, sein Schicksal."

Das Werk Diesels aber hat im letzten halben Jahrhundert immer größere Weltbedeutung erlangt. Der Dieselmotor hat sich vor allem die schweren Verkehrsmittel erobert; Lastkraftwagen und Straßenschlepper mit Dieselantrieb laufen in jedem Erdteil zu Tausenden. In Europa verdrängten Elektro- und Dieselloks gemeinsam die Dampflokomotiven. Die Elektrifizierung lohnt sich nur auf den Hauptstrecken mit besonders starkem Verkehr. Die Nebenbahnen gingen daher zum Dieselbetrieb über; Schienenbusse brachten eine große Beschleunigung des Personenverkehrs mit sich. Zu "Motorriesen" haben sich die Schiffsdieselmotoren entwickelt. Führend auf diesem Gebiet ist das Augsburger Werk, in dem der Dieselmotor zuerst gebaut worden ist.

 
 

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