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philosophie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Trugschlüsse, paradoxien, antinomien





Die heute wohl berühmteste Antinomie, ist die eben angesprochene Russellsche:
Die Menge aller Mengen ist offenbar ein Ding, dass sich selbst als Element enthält, wir bezeichnen solche Mengen als "R-Mengen". Weiters wollen wir all jene Mengen die sich nicht selbst als Element enthalten als "M-Mengen" bezeichnen. Ist M eine R-Menge? Nein. Ist M keine R-Menge? Wiederum nein. Die Definition von M widerspricht sich also selber.
Wie kann man auf so eine Situation reagieren?
(1) Man könnte bestreiten, dass diese Antinomien die "wirkliche" Mathematik (wie die Analysis) überhaupt tangieren, da die verwendeten Begriffsbildungen (oder Schlüsse) nur in der Mengenlehre vorkämen. Es wäre somit die Aufgabe der Mengentheoretiker die Axiome ihrer Disziplin so abzuändern, dass sie als Grundlage der gesamten Mathematik wieder ernsthaft in Betracht gezogen werden könne.
(2) Man könnte die in der Schlussform verwendeten Begriffsbildungen als inkorrekt ablehnen. Allein die Schlussweisen der Mengenlehre müssten präziser formuliert werden.
(3) Man könnte die Antinomien als Paradoxien und somit als nicht ernstzunehmende "Sätze" abstempeln.
Was ist nun genau unter Paradoxien und Antinomien zu verstehen?
Mit modernen Antinomien verwandte Konstrukte findet man bereits in der Antike, aber eher als Scherzfragen. Ernstgenommen finden wir sie eigentlich erst im Mittelalter wo man z.B. bei der Erörterung von Unendlichkeitsvorstellungen auf sie zurückgriff. Wie konnten Antinomien trotz des Zögerns sie vorbehaltlos ernst zu nehmen, am Beginn des 20. Jahrhunderts eine so starke Wirkung entfalten, ja sogar eine Grundlagenkrise der Mathematik auslösen?
Zu Beginn schien es als ob die Antinomien einen gemeinsamen Fehler aufwiesen: Bildet man die Menge aller Mengen, so ist dies die Umfassendste. Doch wie zu jeder Menge kann man mittels Cantors Diagonalverfahren deren Potenzmenge bilden, die dann größer wäre - ein offensichtlicher Widerspruch. Es scheint, dass die Bildung je aller Mengen einfach zu weit geht und durch eine Größenbegrenzung für zulässige Mengen, und geeigneten Mitteln ausgeschlossen werden müsse. Dies würde aber z.B. die Russellsche Antinomie gar nicht berühren, es sei denn man verbiete ausnahmslos jede Zusammenfassung aller Mengen einer Art, was für den Aufbau schon der Analysis einen sehr weit gehenden Eingriff bedeuten würde.
Vielleicht könnte eine terminologische Klärung von Nutzen sein: Fehlschlüsse interessieren nur dann, wenn sie als "Trugschlüsse" absichtsvoll herbeigeführt sind, als "Sophismen" in eine vermeintlich legitime Schrittweise eingeschmuggelt, wie:

(a=3/2b)(4a=6b) (14a-10a=21b-15b) (15b-10a=21b-14a) (5(3b-2a)=7(3b-2a)) (5=7)

Sind derartige Trugschlüsse i. a. leicht durchschaubar, so sind Paradoxien im traditionellen Sinn der Erwartung zuwiderlaufende Darstellungen, wie die zenonischen Paradoxien (vgl. unten, unendliche Bereiche), oder die Tatsache, dass ein eng um den ganzen Äquator gelegtes Band nach Verlängerung um nur einen Meter plötzlich um 1/2 m (also 16 cm) abstehen würde. Es scheint wichtig, von dieser Vielfalt von originellen Pointen und scheinbaren Widersprüchen Antinomien auch terminologisch abzuheben als formal widersprüchliche Folgerungen, die dem ungeschulten Denken einwandfrei erscheinen, obwohl der finale Widerspruch zeigt, dass sie es nicht sein können.
Poincaré glaubte das entscheidende Kriterium für die Ungeeignetheit einer Aussageform als definierende Bedingung für eine Menge gefunden zu haben: die illegitimen (imprädikativen) Bedingungen sind von der Art (x  x) oder (x  x), sie verlangen einen circulus vitiosus. Auch bei der bekannten Lügner-Antinomie stellt die Aussage "Alle Kreter lügen immer", von einem Kreter getätigt, eine Allaussage dar, die sich somit auch selbst enthält, also imprädikativ definiert und somit unzulässig ist (eine genauere Darstellung würde hier zu weit gehen). Von nun an ist bei einem formalen Aufbau der Mathematik auf viele Vorsichtsmaßnahmen zu achten, deren Umsetzung mancherlei Probleme mit sich bringt (z.B. musste die einfache zur verzweigten Typentheorie ausgebaut werden). Diese "Einschränkungen" wurden zu einem gewaltigen Hindernis für das "Arithmetisierungsprogramm" und erst recht für eine "logiszistische" Grundlegung der Mathematik die daraufhin scheitern musste.

 
 



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