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philosophie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Rousseau

Jean jacques rousseau und seine bedeutung fÜr mich als zukÜnftigen pÄdagogen!



ODER: DER MENSCH IST VON NATUR AUS GUTr /> Ich bin jetzt im II. Semester meiner Ausbildung zum Hauptschullehrer an der Pädagogischen Akademie der Diözese Innsbruck in Stams. Mein Erstfach ist Deutsch, mein Zweitfach Geschichte und Sozialkunde und als Zusatzfach habe ich katholische Religion gewählt.
Ich bin noch lange kein Pädagoge: Damit habe ich mit Jean Jacques Rousseau schon etwas gemein, denn \"Rousseau war, im ursprünglichen Sinnes des Wortes, niemals Pädagoge\" (DIETRICH 19752, 30) Genau darum hindert es mich nicht, ihn anhand meiner geringen Erfahrung zu bewerten, vielleicht sogar kritisch zu beurteilen.
Ich bin auch noch lange kein Lehrer. Ich habe gerade mal 20 Stunden hospitiert und 8 Stunden selber unterrichtet, trotzdem will ich einen Vergleich von Rousseaus Aussagen in 18. Jahrhundert zu den Praktiken im 21. Jahrhundert ziehen.
Die Zitate oder Aussagen habe ich aus Fachwissenschaftsbüchern mit den Themata Soziologie, Pädagogik und/oder Geschichte aus der Bücherei Stams entlehnt.

3.1. \'Zurück zur Natur\' oder \'Der Weg ist das Ziel\'
Die Idee der Natur bei Rousseau ist revolutionär, wobei bei ihm mit Natur das Lebensunmittelbare, Wurzelstarke , Einfach-Wahre, Ungekünstelte gemeint ist. Zurück zur Natur wäre ein passendes Schlagwort. Natürliche Erziehung heißt Entfaltung der Anlage des Menschen, denn der Mensch ist von Natur aus gut. (vgl. REBLE 19647, 142 f.)
Ich erinnere mich hier sofort an den Reformpädagogen Célestine Freinet und seinem Schlagwort: Kinder sollen den Lernstoff be-greifen! Erst wenn ein Kind eine Karotte in der Hand hält, weiß es wirklich was eine Karotte ist. Ich erinnere mich aber auch an die Reformpädagogik der Rebecca Wild, entstanden und ausgereift im Urwald von Ecuador.
Wenn die städtischen Kinder ernsthaft glauben, dass eine Kuh violett-weiß gefleckt ist, dann wird es entgültig Zeit, hinaus in die weite Natur zu gehen um zuerst das Elementare zu lernen.

Hier haben wir aber zwei Streitpunkte:
1. Ist es wirklich elementar für ein Kind (Rousseau würde \'elementar für die Menschheit\' sagen), ob es weiß, mit welchen Farben eine Kuh gefleckt ist und dass sie zwar die Milch für die Schokolade gibt, selber aber nur Wasser trinkt (also Wasser trinken und Milch .). Oder ist es für ein Kind ist im angelaufenen 21. Jahrhundert Grundlegend, dass es weiß wie viele Bits ein Byte hat. (Wobei das Byte eine Erfindung ist, es hat keine Bedeutung als dass es 8 Bits sind.)
2. Für Rousseau ist nicht der Weg das Wichtigste, sondern das Ziel. Und da die Menschheit = Gesellschaft verdorben ist, muss das Kind in die Natur hinaus um nicht auch von dieser Verdorbenheit angesteckt zu werden. Der Erzieher \"soll der jungen Pflanze eigentlich nur Raum und Licht schaffen und störende Einflüsse verhindern. Den Menschen erziehen heißt im Grunde also nur: dafür zu sorgen, dass die Natur sich voll auswirken kann und nicht durch menschliche Meinungen und Launen beeinträchtigt und verdorben wird.\" (REBLE 19647, 143 f.)
Die Natur ist gut, die Gesellschaft ist schlecht. Natürlich meinte er damit die Gesellschaft des Ancien Regime vor der Revolution. Der Mensch wäre an sich von Natur aus gut. Dies zu bewahren ist die eigentliche Direktive des Erziehers. (Heute noch?!?)
Wenn man im Rechtschreibprogramm von Microsoft Word im Wort Natur einmal mit der rechten Maustaste klickt, erscheinen zunächst einige Synonyme für das Wort Natur und dann die entsprechenden Akronyme \'Kultur\' und \'Zivilisation\' - und genau diese Abkehr von der Kultur und der Zivilisation fordert er in seinem Erziehungsroman!


3.2. \'Das Kind als Kind\'
\"Erst Rousseau entdeckt wirklich das Kind als Kind: (...) \'Jedes Alter, jeder Zustand des Lebens hat eine Vollkommenheit, die nur ihm entspricht, eine Art Reife, die nur ihm eigentümlich ist.\' \" (REBLE 19647, 143)
Die Bedeutung Rousseaus als \'Erfinder\' der Entwicklungspsychologie brauche ich hier nicht näher zu betonen. Vielmehr erinnere ich mich einfach an die Aussagen meiner drei Fachdidaktiker, die immer wieder betonen, dass man KINDGERECHT unterrichten muss. Und just in meiner zweiten Deutschstunde passiert es, dass ich so hochgestochene Merksätze an die Tafel schreibe, dass kein Kind ein Wort verstand. Die Merksätze und meine Arbeit waren also gänzlich umsonst. Man soll die Entwicklung des einzelnen Kindes wirklich berücksichtigen und dabei auch zwischen den Schülern und Schülerinnen differenzieren. Wobei vielleicht kindgerechter Unterricht in der Volksschule wichtiger als im zunehmenden Alter ist. Wenn jedes Kind eine Reife hat, die ihm eigentümlich ist, so kann man nicht erwarten, dass bis zu Weihnachten die ganze erste Klasse Volksschule das Alphabet wirklich beherrscht. Die Frage ist auch, erfassen alle Kinder schon in der zweiten Klasse Hauptschule den abstrakten Begriff für Raum und Zeit und sind sie daher fähig, die Welt der Geschichte komplex aufzunehmen.
Als Erziehungsberechtigter muss ich mich auch fragen, kann ich das Kind wirklich nicht Kind sein lassen, oder muss mein Sprössling mit hartem Drill und dem Verlust seiner Kindheit schon mit 4 Jahren dem Genius Mozart nahe kommen! Muss mein Sohn wirklich mit allen Mitteln ein zweiter Hermann Meier werden?
Die Kinder in Japan sind schon lange keine Kinder mehr, mit zunehmenden Alter dankt es ihnen aber nur - ihr persönlicher Psychiater!

3.3. Differenzierung bzw. kindgerechte Förderung
\"Wer als Erzieher immer nur darauf wartet, dass ein von der Theorie angekündigtes Reifestadium sich auch wirklich einstellt, versäumt möglicherweise eine für die Förderung des Kindes entscheidende wichtige Intervention. Gerade sonst benachteiligte Kinder sind auf eine solche Hilfe besonders angewiesen.\" (KNOOP/SCHWAB 1981, 54)
Da setzt man den zukünftige Lehrerinnen und Lehrern die neuesten Lehrpläne vor und weist auf die tolle Neuerung der Differenzierung hin, und hat ganz vergessen, dass Jean Jacques Rousseau dies schon vor fast 250 Jahren gefordert hat. Dass die Pädagogen der Moderne unter dem Begriff \'sonst benachteiligte Kinder\' nicht nur die kognitiv Schwachen sondern auch geistig behinderte Menschen auffassen und diese im Rahmen der Integration differenziert betreuen ist wohl auch jedem klar. (Nein! Nicht??! Dann wiederhole ich mich halt: Ein von der Theorie aufgestelltes Reifestadium - auch das von Jean Piaget- stellt sich höchst selten dann ein, wann es dem/der bequemen Lehrer/-in beliebt ist. Um eine optimale Förderung zu erzielen ist Differenzierung wichtig!)

3.4. Selbsttätigkeit und eigene Erfahrung
Die Förderung der Selbsttätigkeit bzw. die Förderung nach dem Erleben eigener Erfahrungen misst Jean Jacques große Bedeutung zu. Das Entscheidende soll durch die eigenen Erfahrung des Menschen geschehen (in der sog. Robinsonwelt, also abgeschnitten von der Zivilisation). In Emilies Zimmer gibt es zB. keine Verbotstafeln. Wenn er aber eine Fensterscheibe einschlägt, soll er ruhig dem Zugwind ausgesetzt sein und eventuell einen Schnupfen bekommen - quasi als natürliche Strafe, das Kind wächst vor allem in der 2. Entwicklungsstufe an seinen eigenen Erfahrungen. (vgl. REBLE 19647, 144 f.) Jedes Elternteil eines Kleinkindes in der Trotzphase weiß, wie mühselig es ist, ihrem kleinen Kind tausendmal am Tag zu sagen, es soll die Herdplatte nicht berühren, denn sie ist heiß; es soll die Suppe zuerst abkühlen und dann essen, denn sie ist zu heiß; usw. . aber das Kind glaubt einem nicht, man bekommt es nur mit einem kleinen Tatsch auf die Hand zur Räson! (?)
Was passiert, wenn ich dem Kind erlaube, einmal die brennende Kerze mit einem Finger zu berühren? Maximal eine kleine Brandblase die binnen zwei Tagen verheilt ist, oder? Aber das Kind hat aus eigener Erfahrung gelernt, was es bedeutet, wenn etwas heiß ist. Das nächste mal wird das Kind in seiner natürlichen Wissbegier von selbst Fragen \'Ist das heiß?\'
Natürlich werde ich meine Kinder nicht in einer Robinsonwelt, alleine auf einer Insel, aufwachsen lassen, auch werde ich niemals dem \'Laissez faire Stil\' zugeneigt sein. Aber bei einer Abwägung aller möglichen Bedenken, darf und muss das Kind bestimmte Erfahrungen von alleine sammeln, es muss die \"natürliche Strafe von den Dingen her\" (HÖRBURGER 1967, 71) kennen lernen.
Auch im Unterricht an der Hauptschule ist zu bemerken, dass die Schülerinnen und Schüler zwar für das selber Erlernen länger brauchen, doch diese Dinge besser behalten können als etwas im Frontalunterricht Vorgesetztes.

3.5. Gott ist überall (aber erst ab der 3. Entwicklungsstufe!)
Aufständisch, zumindest für die Kirche, sind seine Gedanken über religiöse Erziehung und den ersten Erfahrungen mit Gott. (Was ihm u.a. auch eine Verfolgung durch die Kirche eingetragen hat. Rousseau ist ja bekanntlich nach der Veröffentlichung seiner Hauptwerke aus Frankreich geflohen!)

Die zwei Hauptaussagen lauten:
1. Sein Emilie soll lieber gar keine Vorstellung von Gott haben als eine phantastische, unwürdige.
2. Für Rousseau ist Gott allein draußen in der freien Natur.

Mit der zweiten Aussage sind dann von Rousseau Töne angeschlagen, die dann in der Sturm und Drang Bewegung (...) als rauschender Akkord aufklingen werden.
(vgl. REBLE 19647, 146 f.)
Als Beispiel des angesprochenen Gottfindens in der Natur, des Pantheismus, ein Auszug aus dem Sturm und Drang Werk schlechthin: Die Leiden des Jungen Werther von Johann Wolfgang von Goethe:
(...) Wenn das liebe Tal um mich dampft und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligtum stehlen, ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege und näher an der Erde tausend mannigfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mücken näher an meinem Herzen fühle und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Allliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält; (...) wenn\'s dann um meine Augen dämmert und die Welt um mich her und der Himmel ganz in meiner Seele ruhn wie die Gestalt einer Geliebten - dann sehne ich mich oft und denke: Ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papiere das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, dass es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes! (...) Aber ich gehe darüber zugrunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen.

GOETHE o.J., 6f.

Die Erziehung zu und von Religion ist ein zu strittiges Thema, um hier genauer Stellung zu beziehen, aber es beweist trotzdem, Jean Jacques Rousseau ist in allen Linien ein Vordenker, fast Visionär, gewesen.

 
 

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