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musik artikel (Interpretation und charakterisierung)

Liedanalyse robert schumann


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Schumann, Robert - Lieder-Album für die Jugend (1849)

Er ist\'s, op. 79, 24
In Schumanns Vertonung geht schon von den ersten beiden Takten eine eigenartige, geheimnisvolle Wirkung aus. Sie bezieht sich auf das Bild des durch die Lüfte flatternden blauen Bandes, was durch das anschließend erklingende erste Verspaar zu erkennen ist. Diese Wirkung hat mehrere Ursachen: vor allem die Chromatik, die sich durch die von cis\'\' bis e\'\' aufsteigende Oberstimme ergibt, sowie der nach dem ersten Ton a basslose ,,flatterige\" Klavierklang.
Der Gedichttext und seine musikalische Umsetzung wirken beim ersten Hören sehr unproportioniert. Während in der ersten Liedhälfte die Verse 1-7 einfach und ohne jede Textwiederholung erklingen, benötigen die beiden Schlussverse durch mehrere Wiederholungen die gesamte zweite Hälfte (Takt 21-40).

Auffallend ist, wie sehr Klavierpart und Singstimme miteinander verwoben sind (Takt 1-18). Die oben schon erwähnte rätselhafte chromatische Bewegung der ersten Klaviertakte wird von der Singstimme gewissermaßen beantwortet, indem sie mit dem Einsatz auf dem Ton fis\'\' die spannungserzeugende Steigerung der Klavieroberstimme annimmt. Die musikalische Nachahmung der natürlichen Sprachmelodik würde am Ende des 1. Verses, der mit dem 2. Vers einen Satzzusammenhang bildet, eine steigende Tonbewegung erfordern. Schumann gibt aber nicht der Sprachmelodik den Vorrang, sondern der musikalischen Struktur. In Takt 7 und 8 wiederholt die Begleitung die Gesangsmelodie des ersten Verses, deren zwei letzte Töne jedoch nicht mehr in der Oberstimme, sondern eine Oktave tiefer als erwartet im Bass erklingen (Takt 8: e\'\'-cis\'-a). Durch die Abwärtsbewegung der Unterstimme in Takt 1-6 und das Absteigen der Singstimme in Takt 3-6 deutet Schumann wie in den Versen 1-6 beschrieben, das allmähliche Sinken des Frühlings vom Himmel zur Erde musikalisch an.
Die Begleitung nimmt hin und wieder auf die Singstimme Bezug. Sie imitiert den Singstimmenbeginn und beantwortet eine zweitaktige offene Wendung des Gesangs am Ende des 1. Abschnittes (Takt 12) mit einem schließenden Nachsatz, während die Singstimme inne hält.
Beim Abstieg der Gesangsimitation in die Bassregion auf der zweiten Zählzeit von Takt 8 gibt die Unterstimme den punktierten Rhythmus auf. Damit beruhigt sich der musikalische Verlauf bis Takt 18 immer mehr. Die Beruhigung wird besonders im Bassverlauf hörbar, der deutlich die Tendenz zur Verlangsamung des bisher in Vierteln fortschreitenden harmonischen Rhythmus zeigt (Takt 11 Doppeldominante = 2 Viertel, Takt 14-16 Dominante = 5 Viertel, Takt 16-17 Zwischendominante zur Subdominante = 3 Viertel).
Aus der Bewegung des Frühlings in Richtung Erde ist nun ein Zustand innerer Spannung geworden. Die Offenheit der langen Dominantseptklänge erzeugt diesen spannungsvollen Zustand. Der Endton fis\'\' ( - der bisher höchste Ton des Liedes) erscheint als große None, während er vorher in Takt 9 als Septime und beim Aufschwung in Takt 6 und 7 als Quinte erklang. Die Gesangsmelodie in Takt 15 und 16 erinnert an diesen Aufschwung und ist somit wieder im Dialog mit der Begleitung.
Mitten in diese Spannung trifft auf der zweiten Zählzeit von Takt 18 ,,von fern ein leiser Harfenton\". Die Singstimme reagiert auf diesen Klang mit einem leisen Sprechen im Staccato. Schumann verkürzt den 7. Vers von neun auf fünf Silben. Im folgenden Takt 21 wird aus der Ahnung Gewissheit: ,,Frühling, ja du bist\'s!\". Die Singstimme durchbricht hier die liedhafte Verbindung von Gesang und Klavier. Mit einer Synkope im forte fällt sie in die Klavierakkorde und wird selbständig. Die Klavierstimme ist bis zum Ende des Abschnittes in Takt 26 fast nur noch Stütze der Singstimme und verstärkt deren Aussage. Dadurch verliert die Vertonung den Liedcharakter und schlägt um in deklamatorischen Gesang. Die Rhythmik dieses Ausbruchs ist im vorderen Teil der Vertonung schon vorgegeben, die Sechzehntelraffung in Takt 21 ist ähnlich wie die in Takt 5.
Der Veränderung vom lyrischen Singen hin zum deklamatorischen Gesang zeigt sich in den vielen Textwiederholungen, die das Mörikes Gedicht mehr oder weniger auflösen. Die Wirkung der Stelle liegt vor allem in ihrer wechselhaften Rhythmik, die in den Takten 21-23 kurze und lange Werte abwechselnd aufeinander folgen lässt.
In Takt 26 könnte der Gesangspart der Vertonung zu Ende sein. Der Klavierpart der Takte 26 und 27 erscheint als Nachspielbeginn, bis in Takt 28 die Singstimme wieder unerwartet einsetzt. Die Wiederholung des Liedbeginns in Verbindung mit dem Schlussvers wirkt zuerst wie eine Korrektur des vorherigen ,,Endes\", wie eine Rückbesinnung vom ,,Gesang\" zum ,,Lied\". Der Schlussabschnitt entwickelt sich aber anders: Der Gesang endet nicht mit einer Zurücknahme des deklamatorischen Ausbruchs. Der Schlussvers ist nicht das letzte Wort denn in Takt 32 und 33 schlägt die Singstimme vom lyrischen wieder in den deklamatorischen Gesang um. Wieder fällt sie dem Klavierpart ins ,,Wort\", im Vergleich zu der Parallelstelle Takt 7 und 8 aber um einen Takt zu früh einsetzend. Mit dem langen Ausruf ,,ja, du bist\'s!\" endet dieser Teil.
In den Nachspieltakten liegt jedoch noch einmal eine Überraschung. Dies ist charakteristisch für Schumanns ,,poetische\" Kompositionen, die oft die Absicht erkennen lassen, ihnen einen unerwartete rätselhafte Wendung zu verleihen: In Takt 38 erscheint anstelle der auf dem Schlusswort ,,bist\'s\" erwarteten Tonika die Zwischendominante zur Subdominante. Damit wird sozusagen neben das Ausrufezeichen der Singstimme ein Fragezeichen gesetzt. Zudem sinkt die ,,Frühlingsfigur\" von der Oberstimme in die Mittelstimme und verliert dadurch an Entschlossenheit. Im vorletzten Takt macht die Sechzehntelfigur einen Aufschwung, der in die beiden Schlussakkorde mündet. Diese Schlussakkorde sind wieder verhalten und nehmen die letzten deklamatorischen Singstimmentakte etwas zurück. Gleichzeitig nehmen sie auch auf den ,,fernen Harfenton\" Bezug. Der Schlussakkord erklingt nämlich in derselben hohen Lage wie der entscheidende Arpeggioklang in Takt 18 und er ist wie dieser staccato und mit Pedal zu spielen.
Schumanns Vertonung ist durch die Verwendung der kompositorischen Mittel, mit denen er die Entwicklung des Frühlingsgeschehens hörbar macht herausragend. Besonders die Verflochtenheit von Begleitung und Gesang macht ,,Er ist\'s\" zu einem seiner besten Liedstücke.

 
 

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