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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Zwei jüdische schicksale





Um das Schicksal der Juden zu beschreiben, habe ich zwei gute Beispiele gefunden: den Schüler Heinz Jehuda Wechsler und den Lehrer Rabbiner Dr. David Herzog.
Laut den Aussagen mehrerer Zeitzeugen und auch der Jahresberichte besuchten nur wenige Angehörige des semitischen Glaubens das Lichtenfelsgymnasium. Werner Rieckh erzählte mir dazu:
"1938 war ich in der dritten Klasse und es gab da auch einen Juden."
Eduard Paschke: "Wir hatten drei Juden in unserer Klasse, die sind aber dann verschwunden."
4.1 Heinz Jehuda Wechsler
Heinz Jehuda Wechsler wurde 1920 in Graz geboren und besuchte von 1931 bis 1935 das Lichtenfelsgymnasium. Danach wechselte er, um starkem Antisemitismus zu entgehen zur Wirtschaftsschule.
In diesen vier Jahren war er einer der wenigen Juden an unserer Schule: "Im Lichtenfelsgymnasium waren ca. 800 Schüler davon nur sehr wenige Juden. Kannte keinen jüdischen Lehrer oder Professor. In meiner Klasse waren dort außer uns (das sind er und sein Bruder, Anm. C.R.) nur ein jüdischer Schüler..."
Im Vergleich mit anderen Grazer Schulen besuchten eher weniger das Lichtenfelsgymnasium. Weil die jüdischen Viertel in Graz auf der anderen Murseite lagen, sind in den Schulen dort, wie zum Beispiel im Oeverseegymnasium viel mehr Schüler jüdischer Abstammung registriert.
Viele wurden nun vertrieben. Die, die nicht rechtzeitig aus Graz flüchten konnten, wurden später vom Hitlerregime umgebracht. Von den 2000 Juden, die vor dem zweiten Weltkrieg in Graz gelebt hatten, kamen nicht mehr als 40 später wieder
hierher zurück. Die meisten hatten wohl Angst, in das antisemitische Österreich zurück zu kehren, das sie in Erinnerung hatten. So schrieb mir Heinz Jehuda Wechsler:
"In der Klasse selbst spürten wir keinen Antisemitismus. Sehr wohl aber außerhalb. Denn in der allgemein hochgeladenen Euphorie, der Pro Nazi Stimmung, angefeuert mit großen Versprechungen aus den Broschüren, Büchern und Reden von Hitler und Goebbels, waren viele Bürger und vor allem die Jugend wie verhext. Kein Wunder, dass wir als zwei so ähnliche Zwillingsbrüder auffielen und viele scheinbar wußten, dass wir Juden waren. So wurden wir oft Zielscheiben von diversen Beschimpfungen wie "Saujuden, Horuck nach Palästina etc.""
Da wir nichts einstecken wollten, auch nicht von älteren und größeren Schülern, gab es häufig Schläge und Boxkämpfe in der Pause, vor allem am Dach.
Zum Glück entschied sich die Familie Wechsler rechtzeitig auszuwandern: "Im Herbst fuhren Hans und ich nach Wien in den dortigen Stadtkibbuz, weil es dort Chancen gab, eine Einreiseerlaubnis nach England oder Palästina zu bekommen. Die Grenzen aller Länder waren geschlossen. Wir lebten und arbeiteten in diesem Kibbuz, der selbst versorgend war, vor allem als Transporteure und Lastträger, um jüdische Familien aus schönen Wohnungen in primitive zu übersiedeln. Es war harte Arbeit und auch die Bedingungen im Kibbuz (ca. 100 Menschen) waren eng und sehr kalt. Außerdem wurden wir zweimal von Nazitruppen überfallen und geschlagen."
"Im Sommer 1939 erhielt mein Vater ein Zertifikat nach Palästina, ebenso Einreise nach USA oder Shanghai. Vor allem wir Brüder entschieden uns, ein eigenes Land aufzubauen, obwohl wir vorher Österreicher und keine Zionisten waren. Nachdem auch das Leben in Wien sehr gefährlich und feindselig war, war das Verlassen von Österreich für uns eine Befreiung aus dem Gefängnis."
Jüdische Schüler und Lehrer, die nicht auswandern wollten, schickte man in eigene Schulen, die ab 1942 keine Schüler mehr hatten und daher zugesperrt wurden . Damit ist ein Teil der nationalsozialistischen Ideologie Wirklichkeit geworden.

4.2 David Herzog
Während Heinz Jehuda Wechsler noch heute in Ramat-Gan in Israel lebt, ist der andere Zeitzeuge schon lange tot. David Herzog wurde 1869 in der Slowakei geboren und kam 1907 als Rabbiner nach Graz. Er unterrichtete ab 1908 an mehreren Grazer Mittelschulen. Auch im Ersten Bundesrealgymnasium in der Lichtenfelsgasse wurde er bis zum Jahr 1938 als Lehrer geführt. Er unterrichtete aber nie an dieser Schule, sondern nur Schüler von hier am zweiten Staatsgymnasium am Tummelplatz.
1929 erhielt er die Bürgerschaft der Stadt Graz und 1934 das goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, während er gleichzeitig auf der Straße mit "Saujude" beschimpft wurde und ihm Kartoffeln und Tomaten nachgeworfen wurden.
Seiner Meinung nach waren Universitäten und Mittelschulen die Brutstätten des Nationalsozialismus. Dort wurden Herzog zufolge jüdische Schüler und Lehrer diskriminiert . In diesem Zusammenhang nennt er besonders das Lichtenfelsgymnasium:
"Was sich da Lehrer und Lehrerinnen - sie nannten sich Professoren - leisteten und zu welchen Schandtaten sie ihre Schüler anstifteten, spottet jeder Beschreibung."
"...dann das Realgymnasium in der Lichtenfels. Hier erging es mir einmal so, daß, als ich als Mitglied der Prüfungskommission in den Prüfungssaal in den Prüfungssaal eintreten wollte, diese Lausbuben mir den Weg versperrten, so daß ich nur schwer hinein konnte. Auf meinen energischen Protest an den Direktor geschah nichts, so daß ich mich entschlossen habe, nie mehr in diese Anstalt zu einer Prüfung zu gehen und auch tatsächlich nie mehr gegangen bin."
Nach dem Anschluss 1938 wurde die Wohnung des Rabbiners mehrfach geplündert, seine Synagoge ausgeraubt und angezündet und David Herzog selbst wurde eine Zeit lang im Gefängnis am Paulustor inhaftiert. Er wurde sehr stark unter Druck gesetzt, die Stadt zu verlassen, und floh schließlich am 20. Dezember 1938 über Wien, die Niederlande und Dover nach London. Später übersiedelt er mit seiner Frau nach Oxford, wo er am 6. März 1946 starb.
1988 wurde an der Karl-Franzens-Universität Graz ein David Herzog-Fond eingerichtet, mit dessen Hilfe interkulturelles Verstehen gefördert und gewürdigt werden soll.

 
 


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