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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Wie und warum der antisemitismus zum programm kleinbÜrgerlicher parteien wurde





Wie der Berliner Hofprediger Adolf Stöcker den Arbeitern mehr Ehrfurcht vor dem Christenglauben, König und Vaterland beibringen wollte ...






... aber nur beim Kleinbürgertum mit antisemitischen Sprüchen ankam "Hätten wir mehr lebendiges deutsches Ehrgefühl, mehr Ehr¬furcht vor unseren Heilig¬tümern, vor dem Chris¬tenglauben, vor König und Vaterland, niemals wäre das Judentum unter uns zu solcher Macht gelangt."
Das sind die Worte des prote¬stantischen Theologen und Hofpredi¬gers Adolf Stöcker, die dieser im Februar 1882 in einer Rede anläßlich einer Veranstaltung der christlich-sozialen Partei hielt, die er 1878 in Berlin als christlich-soziale Arbeiterpartei gegründet hatte. Mit derlei Losungen konnten aber die Seelen der Arbeiter begreiflicherweise nicht gut gegen die Versuchungen des Sozialismus im¬munisiert werden. Ihnen war es im Schnitt egal, ob das Kapital "getauft oder beschnitten" war, wie Friedrich Engels sich einmal ausgedrückt hat.
Zulauf erhielt Stöcker jedoch aus den Reihen des Mittelstan¬des. Judenfeindschaft kam dort gut an und wurde von Stöcker - ebenso wie von Lueger in Wien - aus parteitakti¬schen Überlegungen in den Vorder¬grund gestellt. Die bürgerliche Gleich¬stellung der Juden (in Österreich 1867 und im Norddeutschen Bund 1869), der Industrialisierungsschub der Gründerzeit und der Börsenkrach von 1873 bildeten den Hintergrund für eine Welle des Antisemitismus.
Was Stöcker und seine Gesinnungsgenossen für spezifisch jüdischen "Mammonismus" hielten, war eine Eigenschaft des Kapitalismus, in dem die Erzielung von Profit zum obersten Wert geworden war, dem sich alles andere unterzuordnen hatte. Das Wesensmerkmal einer Wirtschafts und Gesellschaftsordnung wurde zum Wesensmerkmal einer religiösen Minderheit und vielfach auch schon einer "Rasse" umgedeutet.
Den von der Deklassierung bedrohten kleinen Gewerbetreibenden zeigte sich damit doch noch ein trügerischer Hoffnungsschimmer:
Wie sich den von der Proletarisierung bedrohten kleinen Gewerbetreibenden ein trügerischer Hoffnungsschimmer zeigte ... Wenn die Entwicklung des Kapitalismus als Auswirkung einer bestimmten Gesinnung, einer (religiö¬sen) Idee und noch besser wenn diese Gesinnung als typisches Rassenmerkmal interpretiert wurde, so eröffnete sich die Aussicht, durch die Ausmerzung einer genau eingegrenzten Gruppe von Trägern dieser Gesinnung Abhilfe zu schaffen und doch noch den Weg zurück in der Geschichte zu finden.
Idee (Ideologie, Geisteshaltung etc.) kämpft gegen Idee. Beide sind - so gesehen - nicht historisch bedingt, sondern bedingen die Historie. Warum soll also nicht morgen die Idee von gestern oder vorgestern wieder herrschen, die "mittelalterlichchristliche Wirtschaftsgesinnung" zum Beispiel?
... wenn man den modernen Kapitalismus - wie der Wirtschaftshistoriker Werner Sombart - als "eine Ausstrahlung jüdischen Wesens" auffaßte Der Wirtschaftshistoriker Werner Sombart sagt uns in seinem 1911 erschienen Buch "Die Juden und das Wirtschaftsleben", "daß der moderne Kapitalismus doch im Grunde nichts anderes sei als eine Ausstrahlung jüdischen Wesens".
Nach der mittelalterlichchristlichen Auffassung stehe "... im Mittelpunkt auch der wirtschaftlichen Interessen der Mensch ... Güter werden erzeugt und gehandelt, damit die Konsumenten gut und reichlich ihren Bedarf an Gebrauchsgütern decken können, aber auch die Produzenten und Händler ihr gutes und reichliches Auskommen finden ... Das schrankenlose, unbegrenzte Streben nach Gewinn galt noch während dieser ganzen Zeit bei den meisten Wirtschaftssubjekten als unstatthaft, als 'unchristlich' ...Von einer Herauslösung der ökonomischen Welt aus dem religiössittlichen Gesamtverbande war noch keine Rede. Jede einzelne Handlung ressortierte noch unmittelbar von der obersten ethischen Instanz: dem göttlichen Willen. Und dieser war ... der mammonistischen Auffassung der Dinge im strengsten Sinne abhold, also, daß alles christliche Erwerbsleben alten Stils schon aus diesem Grunde immer ethisch temperiert blieb."
Wie bei Sombart der Kapitalismus eine Art jüdischer Krankheit darstellt, die von außen in den "anders gearteten Ideenkreis" des christlichen Mittelalters getragen worden sei "Was aber ist nun das grundsätzlich Neue in der Betrachtungsweise, die wir als die spezifisch jüdische kennen lernten? Wir können es in einem einzigen inhaltsschweren Satz zusammenfassen: es ist der moderne Geist, wie er heute die Wirtschaftssubjekte durchgehends beherrscht ... Was der Jude durch all die Jahrhunderte gegenüber den herrschenden Anschauungen vertritt, ist die grundsätzlich individualistische Auffassung von der Wirtschaft; daß die Wirkenssphäre des einzelnen Wirtschaftssubjektes nach oben und nach unten hin durch keine objektive Satzung irgendwie begrenzt sei, weder was die Größe des Absatzes, noch was die Gliederung von Berufen betrifft; daß jedes Wirtschaftssubjekt sich seine Stellung neu erobern und jederzeit sie gegen Angriffe verteidigen müsse ... Was sich hiermit durchgesetzt hat, sind, wie man sieht, nichts anderes als die Ideen des 'Freihandels', der 'freien Konkurrenz', ist der ökonomische Rationalismus, ist der rein kapitalistische Geist, ist eben die moderne Wirtschaftsgesinnung, bei deren Ausbildung die Juden also eine große, wenn nicht die entscheidende Rolle gespielt haben. Denn sie sind es gewesen, die von außen her in einen anders gearteten Ideenkreis hinein diese Anschauungen trugen."
Kapitalismus als eine Art jüdi¬sche Krankheit, die von außen her in den völlig anders gearteten Ideenkreis des christlichen Mittelalters getragen worden ist.
Und jetzt haben wir die Bescherung: Als moderner Geist be¬herrscht diese jüdische Krankheit die Wirtschaftssubjekte durchgehend. Mit anderen Worten: Am Kapitalismus sind immer und überall die Juden schuld. Auch dort, wo es keine gibt.
Das "Händlervolk" der Juden, deren rastloser nomadischer Geist sie veranlaßt habe, Judäa zu verlassen und die Diaspora zu erfinden, habe seine Ideen in die im Gleichgewicht befindliche mittelalterliche Welt des germanischen "Hel¬denvolkes" mit seiner intakten Volksgemeinschaft getragen.
Daß die Feindbilder Kapitalismus und Sozialismus sich im kleinbürgerlichen Bewußtsein zu einem Begriff vereinigten: Jude Der Kleinbürger nahm die Juden unter den Kapitalisten und unter den Arbeiterführern wahr. Der moderne Kapitalismus samt der Antwort der Arbeiter auf ihn kristallierte im kleinbürgerlichen Bewußtsein in einem Begriff: Jude. Der Antisemitismus wurde daher in den Parteien Stöckers sowie Luegers und Schönerers (Christlichsoziale und Deutschnationale in Österreich) zum Programm.
Daß dem Sozialismus einerseits vorgeworfen wurde, den "allesverschlingenden Kapitalismus" als unvermeidliches gesellschaftliches Entwicklungsstadium zu betrachten, ... Der Theologe und Ethnologe Wilhelm Schmidt schrieb 1920:
"...Dieser deutsche Freiheitsdrang wird auch das ganze jüdisch-marxistische Phantom des Zukunftsstaates über den Haufen werfen. Ein System, das den allesverschlingenden Kapitalismus als Stufe einer notwendigen Entwicklung erklärt, die man nicht aufhalten könne, ja nicht aufhalten dürfe, da nur sie, und sie von selbst die endliche Zentralisierung herbeiführe, die man dann ohne Mühe in die allgemeine Expropriierung und Sozialisierung hinüberleiten könne: das ist nicht freiheitlich-deutsch, sondern despotisch-asiatisch." Und wenn es so weit kommen sollte "...ist es mit der Freiheit der Deutschen vorbei, sie werden unter die erbärmliche Knechtschaft einer Handvoll, wahrscheinlich jüdischer Ausbeuter geraten."
... anderseits aber das Privateigentum an den Produktionsmitteln abschaffen zu wollen.
Kurz: Ja zum Privateigentum; aber in mittelalterlichen Grenzen







Wie der christliche "Sozialismus" mit dem Mittelalter und dem kanonischen Zinsverbot liebäugelte Der christliche "Sozialismus" sowie sein Zwillingsbruder, der nationale "Sozialismus" wollten das Privateigentum an den Produktionsmitteln erhalten, aber in mittelalterlichen Grenzen.
Der schon im Zusammenhang mit der Romantik zitierte Friedrich Wilhelm Schmidt schreibt 1920 (in "Der Deutschen Seele Not und Heil):
"Sondereigentum wohl verlangt wahrhaft deutscher Freiheitssinn und Familiensinn, aber nicht im schrankenlosen Sinn des römischen Rechtes und des jüdischen Kapitalismus. Auch hier tritt deutsche Art dem entgegen: der Deutsche ist der Mann der Pflicht und der Arbeit - also weg mit dem pflichtlosen und dem arbeitslosen Eigentum! Das war ja auch der Sinn des alten deutschen Lehenswesens...: alles Eigentum ist Lehen der Gesamtheit, hat ihm gegenüber Pflichten zu erfüllen. Tiefer noch fundierte das Christentum den Eigentumsbegriff, indem es den lebendigen Gott als höchsten Lehnsherren und allwissenden Wächter und Richter der richtigen Benutzung des Eigentums hinstellte; eine konkrete Anwendung davon war die kirchliche Verwerfung des Zinsnehmens, die nie völlig aufgehoben wurde. Das waren auch die Lehren deutscher christlicher Sozialreformer wie Kettler, Todt, Vogelsang gleich damals, als Ideologen wie Lassalle und Marx mit ihrem blendenden neuen Evangelium auftraten."
In Hitlers berühmter Rede vom 30. Jänner 1939, in der er "wieder ein Prophet sein" wollte, erschienen "internationales Finanzjudentum" und Bolschewismus als eins. Was er vorhersagte, war die "Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa".

 
 



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