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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Fremdsprachiges



Zu weniger absichtlichen, dafür umso folgenreicheren Lügen kann es bei einem weiteren Phänomen der Sprache kommen: der Übersetzung. Dem Vermittler, sprich dem Dolmetscher, kommt dabei, soweit er beide betreffenden Sprachen einwandfrei beherrscht, alle Macht, die die Sprache in sich birgt, zu. Watzlawick erwähnt, daß eine Landessprache nicht nur sachliche Information, sondern gleichzeitig auch die nationale Interpretation der Begriffe liefert. So hat das Wort detention (Verhaftung, Gewahrsam) im russischem Wörterbuch sicher eine andere Bedeutung als in dem der NATO. Eklatant wird die Situation eines Dolmetschers, der bei internationalen, wichtigen Konferenzen zu übersetzten hat, und wenn die Aussagen der Konferenzteilnehmer etwa vom Chinesischen zuerst ins Englische und dann weiter ins Französische übersetzt werden, so tritt eine Art \"Stille-Post-Effekt\" ein, von Mal zu Mal wird die Aussage etwas verändert. So geschehen ist dies auf der Genfer Konferenz 1954. Begonnen hat alles als Paul Henri Spaak, der Vertreter der Vereinten Nationen, gegenüber Tschou En-lai, dem Vertreter der Volksrepublik China, kritisch Stellung betreffend der Unversöhnlichkeit Nordkoreas bezog. Im Original sagte er: \"Cette déclaration est contenue dans notre texte\" (\"Diese Erklärung ist in unserem Text enthalten\"), der Dolmetscher verstand aber \"dans l\'autre texte\" (\"im anderen Text\") anstatt \"dans notre texte\" (\"in unserem Text\") und übersetzte in der Überzeugung, daß \"l\'autre\" zu vage war, mit einem kleinen, aber folgenreichen Zusatz: \"Diese Erklärung ist im Text des Waffenstillstandsabkommens enthalten\". Tschou beschuldigte Spaak nun, eine falsche Tatsache in den Raum zu stellen, der Vorschlag Chinas sei eben nicht in das Waffenstillstandsabkommen aufgenommen worden. Dieser Vorwurf verwunderte andererseits nun Spaak sehr, denn von einem Waffenstillstandsabkommen hatte er schließlich in seinem vorigen Satz kein Sterbenswörtchen gesagt. Die Verwirrung war perfekt, der Streit groß und alle, die die chinesische Übersetzung gehört hatten, waren auf Tschous Seite, alle, die das französische Original kannten, auf Spaaks. Es dauerte einige Zeit, um die Situation aufzuklären, doch passierte bald darauf wegen der gespannten Atmosphäre ein weiterer Übersetzungsfehler. Tschou sagte abschließend auf chinesisch: \"Wenn die Erklärung der 16 UNO-Staaten und der letzte Vorschlag der Delegation der Volksrepublik China trotz einiger gewisser Unterschiede auf einem gemeinsamen Wunsch beruht [...]\". Nun birgt eben zitierter Gliedsatz aber eine Gemeinheit in sich: Hört man ihn nämlich ohne die Worte \"trotz einiger gewisser Unterschiede\", so könnte der Eindruck entstehen, daß Tschou gerade dabei ist einzulenken, und den Vereinten Nationen in allem recht gibt. Genauso kam er aber bei Spaaks an, da der Dolmetscher in der Eile jene vier Worte ausgelassen hatte. Spaaks war hocherfreut, den Vertreter Chinas anscheinend endlich zur Vernunft gebracht zu haben, er antwortete: \"En ce que me concerne et pour éviter toute doute, je suis prêt à affirmer que j\'accepte la proposition du délégué de la république chinoise\" (\"Was mich betrifft, und zur Vermeidung jedes Zweifels, möchte ich feststellen, daß ich den Vorschlag des Vertreters der chinesischen Republik annehme\"). Die anwesenden Chinesen verstanden die Welt nicht mehr, da sie in Tschou plötzlich einen Verräter sahen, dieser konnte nicht verstehen, warum sich Spaaks aus heiterem Himmel so zufrieden gab, und so weiter. Das Chaos war ausgebrochen! Die vier Worte \"trotz einiger gewisser Unterschiede\" waren deshalb so wichtig gewesen, weil sie bei Nichtbeachtung eine Aussage, die den Kern der Konferenz betraf, ins Gegenteil umwandelten. Jedenfalls dauerte es 45 Minuten, bis sich alle Teilnehmer wieder beruhigt hatten und sich nicht ständig ins Wort fielen. Für den Konferenzbeobachter Robert Ekvall, der alle verwendeten Sprachen beherrschte, und wahrscheinlich als einziger die Situation völlig durchschaute, mußte sich diese Konferenz wie ein Kabarett angemutet haben; er berichtet darüber in \"Faithful Echo\".
Die Italiener haben ein Sprichwort: \"Traduttore, traditore\", und es drückt einerseits die Schwierigkeit aus, originalgenau zu übersetzen, ist aber andererseits selbst ein Beispiel dieser Schwierigkeit. Die sprachlich korrekte Übersetzung \"Der Übersetzer ist ein Verräter\" würde es nämlich seines paronomastischen Wertes bestehlen. Auch der von mir weiter oben verwendete Ausdruck \"Stille-Post-Effekt\" würde einen Übersetzter, der die Aufgabe hat, ihn in eine Sprache eines Landes zu übersetzen, dessen Einwohner das Spiel \"Stille Post\" nicht kennen, vor ein kleines Problem stellen; der Übersetzter müßte ihn wohl umschreiben oder ein anderes passendes Beispiel finden. Daß jede Sprache auch etwas von der Einstellung, dem Wissen und dem Charakter ihres Volkes beinhaltet (ich habe Carl Gustav Jungs Bedeutung an diesem Aspekt schon weiter oben erwähnt) läßt sich auch an folgendem Beispiel demonstrieren: Versuchen Sie doch den englischen Satz \"We\'re glad, you\'re here!\", eins zu eins ins Deutsche zu übersetzten! Sinngemäß heißt er so viel wie: \"Wir sind froh, daß Sie hier sind!\", nun stören aber bei dieser Übersetzung die vielen Worte, insbesondere das \"daß\". Der ursprüngliche Satz wurde seiner Eleganz, Einfachheit und, wer Englisch spricht, wird es bemerkt haben, auch teilweise seines Sinns entkleidet. Er bedeutet nämlich eigentlich mehr \"Wir sind froh, weil Sie hier sind!\", aber eben auch nicht ganz; man müßte eine Mischung zwischen \"daß\" und \"weil\" finden. Läßt man das Wort \"daß\" aber gänzlich aus (\"Wir sind froh, Sie sind hier!\", was der wörtlichen Übersetzung entspräche), so ist der Sinn komplett dahin. Außerdem heißt \"glad\" nicht wirklich \"froh\", sondern so etwas Ähnliches wie \"zufrieden, glücklich\", was es aber auch nicht ganz trifft. So schwer kann es sein, einen anspruchslosen, grammatikalisch äußerst einfachen Satz von einer Sprache in eine andere zu übersetzten.
Ein weiteres Beispiel bietet ein berühmter Spezialagent: \"Bond\" bedeutet auf Englisch soviel wie \"Übereinkommen\". Nun stellen Sie sich aber vor, in den deutschsprachigen Kinos würde ab 10. Dezember 1999 statt James Bond, Die Welt ist nicht genug ein Film mit dem Namen Johann Übereinkommen, Die Welt ist nicht genug laufen. Lächerlich, nicht wahr?

 
 

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