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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Ews ii



In einem Brief an den amtierenden Vorsitzenden des Rates für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN), Lamberto Dini, sowie an die Finanzminister der anderen Mitgliedstaaten erläutert der britische Schatzkanzler Kenneth Clarke die britischen Überlegungen zur Währungsunion. Ausgangspunkt sei die Tatsache, daß es innerhalb der EU nach Einführung der einheitlichen Währung zwei Gruppen geben werde, die der teilnehmenden Staaten und die Gruppe der nichtteilnehmenden. Dies stelle die "geteilte Union, die stets eine Union gleichberechtigter Partner bleiben muß", vor enorme Herausforderungen. Es müsse gewährleistet werden, daß die Einführung des Euro und die Wechselkursbewegungen zwischen dem Euro und den Währungen der nicht teilnehmenden Staaten nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen des Binnenmarktes führen.
Ein Wechselkursmechanismus nach dem Muster des EWS sei zu starr und könne Zeiten größerer Spannungen und Turbulenzen auf den Märkten nicht verkraften. Es müsse daher nach alternativen Politiken und Maßnahmen gesucht werden. Wichtig sei es, daß der Unionshaushalt weiterhin unter strenger Kontrolle stehe. Jeder Druck zu neuen Haushaltstransfers zugunsten teilnehmender Staaten, die Probleme mit den Anforderungen einer einheitlichen Währungspolitik haben, oder zugunsten nichtteilnehmender Staaten, die auf diese Weise ihre Konvergenz verbessern wollen, lehnt Clarke ab. Andernfalls wäre es unmöglich, die Haushaltsdisziplin aufrechtzuerhalten, die "wir auf der Ebene des Unionshaushaltes alle für nötig halten". Weiter schreibt Clarke, daß es den Ländern, die nicht in der ersten Gruppe vertreten sind, nicht schwieriger gemacht werden dürfe, dieser beizutreten. Entscheidend sei, daß die Fortschritte in Richtung Konvergenz fortgesetzt werden, auch nachdem die Eurozone gebildet worden ist. Auf jeden Fall müssen Lösungen gefunden werden, die verhinderten, daß eine politische und wirtschaftliche Kluft zwischen den teilnehmenden und nichtteilnehmenden Ländern entsteht.

Für die Wechselskursbeziehungen zwischen den Ländern der europäischen Währungsunion und den Staaten, die nicht von Anfang dabei sein können, sind für Tietmeyer drei Aspekte von besonderer Bedeutung. Es dürfe nicht ein System geschaffen werden, bei dem die nominalen Wechselkurse auch bei deutlichen Divergenzen aufrechterhalten blieben. Deshalb bedürfe es eines geeigneten Entscheidungsverfahrens, um Wechselkurse rechtzeitig anzupassen. Die zentrale Frage sei, welches Entscheidungsverfahren dies sicherstellen könne und eine Regelbindung dafür hilfreich sei. Zweitens dürfe ein solches System nicht von Interventionsverpflichtungen der europäischen Notenbank abhängen, weil dadurch die Stabilitätspolitik innerhalb der Währungsunion gefährdet würde. Und drittens müsse angesichts der unterschiedlichen wirtschaftlichen Verfassung der Nichtteilnehmer über unterschiedliche Wechselkurssysteme, zumindest aber über differenzierte Regeln innerhalb eines gemeinsamen Systems nachgedacht werden.




Auch Lamfalussy fordert eine Bindung der Nichtteilnehmerstaaten an den Euro um eine Minimierung der Wechselkursschwankungen zwischen den "Ins" und den "Outs" zu erreichen. Hierbei dürfe die EZB nicht zur Intervention verpflichtet werden. Diese Thema stand auch im Mittelpunkt eines Gespräches zwischen Lamfalussy und Bundesaußenminister Klaus Kinkel über die Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion am 29.11.1995. Kinkel und EWI-Präsident Lamfalussy waren sich einig, daß hierfür in den nächsten Monaten ein Modus gefunden werden müsse, sowohl was die Länder betrifft, die die Konvergenz zwar erfüllen, aber noch nicht teilnehmen wollen und den Ländern, die die Konvergenzkriterien noch nicht erfüllen.

OECD-Generalsekretär Jean-Paul Paye befürwortet die Beteiligungen von vielen Mitgliedstaaten an der Währungsunion. Auch seiner Meinung nach müßten zwischen den "Ins" und "Outs" Wechselkursvereinbarungen getroffen werden, um Kursschwankungen zu dämpfen und das einwandfreie Funktionieren des europäischen Einheitsmarktes nicht zu gefährden.

Mit einer Doppelstrategie aus Stabilitätspolitik und straffen Wechselkurskontrollen will die EU eine Spaltung durch die Einheitswährung verhindern. Die Beziehungen zwischen den "Ins" - den Ländern, die sich im ersten Anlauf für den Geldverbund qualifizieren - und den "Outs", die die Maastrichter Kriterien nicht erfüllen oder zunächst nicht mitmachen wollen, sollen im Rahmen eines neuen europäischen Wechselkurssystems "EWS II" geregelt werden. Dieses künftige Wechselkurssystem soll flexibler ausgestaltet sein als das bisherige. Der Euro wird in ihm die Rolle einer Ankerwährung übernehmen. Darauf verständigten sich am 13./14.4.1996 auf einem Treffen in Verona die Mehrheit der Finanzminister und Notenbankchefs der EU-Mitgliedstaaten. Der neue Wechselkursverbund soll 1999 wirksam werden und größere durch die wirtschaftlichen Grundlagen nicht gerechtfertigte Kursausschläge zwischen dem Euro und den "noch" selbständigen nationalen Währungen verhindern.



Das EWS II wird sich nach Bundesfinanzminister Theo Waigel von seinem Vorgänger erheblich unterscheiden. Vor allem soll die Währungsunion nicht für finanzpolitische Disziplinlosigkeiten der Nichtmitglieder geradestehen. Die Nachzügler sollen gehindert werden, sich durch übermäßige Abwertungen Exportvorteile zu Lasten der Euro-Länder zu verschaffen. Waigel unterstützte die Forderungen Frankreichs, eine solche Strategie mit Kürzungen der Zuwendungen aus der Brüsseler Kasse zu bestrafen. Das Europäische Währungsinstitut, Vorläufer der Europäischen Zentralbank (EZB), wollte bis zum EU-Gipfel im Juni 1996 in Florenz detaillierte Vorschläge zum EWS II ausarbeiten. Die endgültige Entscheidung über die Spielregeln zwischen der "Euro-Vorhut" und den übrigen Staaten soll im Frühjahr 1998 fallen, wenn die EZB in Frankfurt die Arbeit aufgenommen hat.

Die Frage, die sich stellt, ist wie die Nachzügler daran hindern will, sich durch übermäßige Abwertung Exportvorteile zu lasten der Euro-Länder zu verschaffen. Eine Möglichkeit wäre diese Abwertungen durch massive Stützungskäufe zu verhindern. Dies jedoch nicht gewollt und somit keine Lösung. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Handelshemmnisse zu erlassen, was jedoch das Ende des Binnenmarkts bedeuten würde, was niemand möchte. Eine dritte Möglichkeit wäre Druck auf die Länder auszuüben, damit sie selber intervenieren. Diese Möglichkeit enthält allerdings einen konzeptionellen Mangel. Könnten diese Länder selber bei zu starken Wechselkursschwankungen intervenieren, wären sie wahrscheinlich bei der Währungsunion von Anfang an dabei.

Eine andere Frage ist, wie die geforderten unterschiedlichen Bandbreiten festgelegt bzw. bestimmt werden sollen.

Über die Regeln, nach denen das künftige Währungssystem arbeiten soll, gehen die Meinungen noch weit auseinander. Grundsätzlich wollen jedoch alle Regierungen aus den Fehlern lernen, die bei der Schaffung des ersten EWS gemacht wurden. So wird daran gedacht, die Pflicht der Notenbanken zur Währungsstützung auf Fälle zu beschränken, in denen die wirtschaftlichen Grunddaten im hilfsbedürftigen Land stimmen, und je nach dem Grad der Konvergenzfortschritte unterschiedliche Bandbreiten für Währungsschwankungen festzulegen.

Dabei gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen könnten diese Bandbreiten für jedes Land politisch festgelegt werden. Oder man könnte sie nach einem bestimmten mathematischen Verfahren, das noch genauer zu bestimmen ist, berechnen. Die Bandbreiten könnten hier eine Funktion der Veränderung bzw. Trends der Handelsbilanz und der Inflation sein.

Zu diskutieren ist, ob die Bandbreiten bewußt immer etwas enger als eigentlich notwendig gehalten werden sollten, um eine zusätzliche "anspornende" und disziplinierende Wirkung zu erreichen. Weiterhin sollten die Bandbreiten zum Euro stufenweise verkleinert werden, um die "Outs" an die Teilnahme an der Währungsunion heranzuführen. Die Verengung der Bandbreiten sollte aber nicht automatisch geschehen, sondern mit den einzelnen Ländern jeweils abgestimmt werden.

Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer fand für einen Vorschlag Interesse, dem Präsidenten der künftigen Europäischen Zentralbank eine Art "Auslöserrolle" für Auf- und Abwertungen innerhalb des EWS zu verleihen. Entscheiden muß nach Meinung Tietmeyers letztlich die jeweilige Regierung über eine Währungsanpassung. Doch könnte der Zentralbankspräsident nach seiner Meinung den Anstoß für rechtzeitige Paritätsänderungen geben.

 
 

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