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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die wirtschaft udssr





"Es kann sein, dass es bei uns tatsächlich einen Sozialismus mit unbedeckten Knien geben wird, ganz gewiss aber keinen Sozialismus mit menschlichem Gesicht. (...) erhöhter Lebensstandard und Wohlstand an sich schützen noch nicht vor Gewaltanwendung"

Die Bedeutung der Wirtschaft für Amalrik

Die Wirtschaft ist für Amalriks Theorien ein wesentlicher Faktor - wenn auch kein unmittelbar reformauslösender. "Es ist klar,", schreibt Amalrik, "dass eine einschneidende Verlangsamung des Wohlstands-Wachstums, sein Stillstand oder Rückschritt das Aufflammen heftiger Erregungen und Gewaltakte hervorrufen würde, die früher undenkbar gewesen wären" . Der Grad des Revolutionswillen innerhalb des Volkes ist also unmittelbar von der jeweiligen wirtschaftlichen Situation oder dem wirtschaftlichen Trend abhängig. Einen wirtschaftlichen Niedergang der Sowjetunion prognostiziert Amalrik jedoch konkret hauptsächlich als Folge des von ihm vorausgesagten Krieges mit China. Zur Entstehungszeit des Essays befindet sich die UdSSR laut Amalrik in einer Phase des Wirtschaftswachstums. Meist schreibt er von "Produktionssteigerung" und "Wohlstands-Wachstum", die sogar zu "einer Art Kult des komfortablen Lebens" in Mittel- und Oberschicht geführt hätten. Das zukünftige Problem des sowjetischen Regimes ist für Amalrik, diesen Standard zu halten, was ihm "angesichts seiner Verknöcherung schwerfallen dürfte" . Dennoch schafft Amalrik mit seiner Warnung vor einem "Sozialismus mit unbedeckten Knien" den Eindruck, als lebten die Sowjetbürger in einem Staat, der sich in wirtschaftlicher Blüte befindet, dessen Bürger zwar im Vergleich zum goldenen Westen auf niedrigerem Standard leben, es sich jedoch leisten können von westlichem Luxus, von "Jazzplatten und Miniröcken" zu träumen. In Wirklichkeit war die Wirtschaft der Sowjetunion bereits in den 70er Jahren so desolat, dass es zu Hungerkatastrophen kam und die ökonomische Krise schließlich einer der Auslöser der Gorbatschowschen Reformen und letztendlich auch der Auflösung der UdSSR war.

Das System der Planwirtschaft

Nach den Vorgaben durch die marxistische Ideologie war die Wirtschaft der Sowjetunion von staatlichen Direktiven und Plänen geleitet - seit 1928 in Form von Fünfjahresplänen. Der amerikanische Journalist Hedrick Smith kommentierte nach dem Zerfall der UdSSR: "In den Augen der sowjetischen Marxisten verkörperte sich im Plan die wissenschaftliche, rationale Organisation der Macht des Staates. (...) Es kam ihm fast die Bedeutung eines Grundgesetzes zu. Er wurde zum Kompaß, an dem sich das Land orientierte, und "Plansollerfüllung" zur nationalen Beschwörungsformel." Von einem Staatlichen Planungskomitee, dem "Gosplan", erstellt bestimmte er bis ins kleinste Detail Produktion, Lieferung und Materialbeschaffung. Smith berichtet, die Pläne für die einzelnen Betriebe seien "in Form überdimensionaler Bücher" eingetroffen, die "so groß, so dick und so voller Kleingedruckten waren wie das Telefonbuch Manhattans". Reformforderungen dieses Systems totaler administrativer Bestimmtheit kamen von verschiedenster Seite. Offizielle Dissidenten stellten sie ebenso wie führende Funktionäre, so beispielsweise Kossygin, Vorsitzender des Gosplans und späterer Ministerpräsident. Er befürwortete eine dezentralisiertere und nachfrageorientierte Konsumgüterproduktion, die durch Beschneidungen des Rüstungsetats finanziert werden sollte. Reformpläne wie diese scheiterten jedoch meist am Widerstand des Militärs, das sich im Fall der kossyginschen Reform durch die amerikanische Intervention in Vietnam in seiner Vorrangrolle bestätigt fand.

3.3. Wirtschaftliche Reformen und ihre Effizienz
Die Nachteile der Planwirtschaft machten sich ab den 70er Jahren immer stärker bemerkbar. Unflexibilität und Investitionen in veraltete Wirtschaftsbereiche wie Rüstung und Schwerindustrie hatten zur Folge, daß in dem Zeitraum des elften Fünfjahresplans (1981 - 1985) "sämtliche Wirtschaftsdaten einem Negativtrend (unterlagen)" . "Bei der statistischen Erfassung der Lebensstandards aller Länder nahm die Sowjetunion (Ende der 70er Jahre) ungefähr den 60. Platz ein." Es kam zu einer "doppelten Scherenkrise" , zu einem innersowjetischen Auseinanderklaffen der wachsenden gesellschaftlichen Bedürfnisse und ihrer Befriedigung durch die Wirtschaft einerseits und zu einem ebenfalls immer deutlicher werdenden Kontrast zwischen dem Lebensstandard des Ost- und des Westblocks andererseits. Grundlegende Reformen waren vor allem nötig, da es sich "nicht um eine konjunkturelle, vorübergehende Wachstumsverzögerung handelte, sondern um einen strukturellen Vorgang" . Hauptziel und -motivation Gorbatschows war denn auch die "tiefgründige Umgestaltung der Wirtschaft", die "unmöglich" sei "ohne Demontage des autoritär-bürokratischen Systems insgesamt" . Glasnost und Demokratisazija (Demokratisierung) waren also nur Vorraussetzungen, vielleicht sogar nur unerwünschte, aber notwendige Nebenprodukte einer wirtschaftlichen Umgestaltung. Dennoch verlief die Wirtschaftsreform "im Unterschied dazu (...) halbherzig und schleppend" . Trotz Gorbatschows ständiger Propagierung und Forderung eines "Marktes" als Schlüssel zu "gesellschaftlichem Reichtum" und "steigendem Lebensniveau" wurden in den ersten Jahren lediglich eine Reihe gesetzlicher Neuerungen eingeführt wie das "Gesetz über die Staatsunternehmen" (1987), das "Pacht-" (1989) und das "Bodengesetz" (1990) - Maßnahmen, die in der Literatur als "widerspruchsvoll und unzureichend" , als "inkonsequent" und "halbherzig" beschrieben werden. Ursache der Ineffizienz dieser "keineswegs dezidiert vorangetriebenen Änderung der Wirtschaftspolitik" war das erreichte Ausmaß der Krise, die Verkrustung des Systems, der "Widerstand der um ihre Privilegien fürchtenden Bürokratie wie auch die Unsicherheit der Bevölkerung" . Die Folgen beschreibt der Sowjetexperte Wolfgang Leonhard: "So schwand die frühere Disziplin der Planerfüllung, die Produktion ging zurück, das staatliche Verteilungssystem funktionierte immer schlechter, die Lebenshaltungskosten stiegen, der Lebensstandard sank, die soziale Unzufriedenheit wuchs."


Zusammenfassung

Die unmittelbar destruktive Kraft der Wirtschaft hat Amalrik unterschätzt. Der ökonomische Niedergang war nicht Folge eines Krieges, sondern einer der Hauptauslöser für den gesamten Zusammenbruch der Sowjetunion. Der Grund für diese Fehleinschätzung, die teilweise auch im Westen vorherrschte, waren die Verschleierungspraktiken vonseiten des Regimes auf der einen und der sowjetischen Betriebe auf der anderen Seite. Konkret waren ständig geschönte Statistiken im Umlauf. Vom Staat wurden direkt verfälschte Daten in der Presse publiziert, um dem ideologischen Überlegenheitsanspruch des Sozialismus über den Kapitalismus gerecht zu werden. Einen wichtigen Anteil hatten aber auch die einzelnen Betriebe und Fabriken. Wegen der unrealistischen Planvorgaben wurden Produktions- und Verkaufszahlen an höhere Instanzen weitergegeben, die mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hatten. Die Folge war ein völlig unrealistisches Bild der Wirtschaft sowohl beim Regime, als auch im Ausland und in der sowjetischen Bevölkerung. Amalriks Thesen spiegeln diese Sachlage deutlich wieder.

 
 


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