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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die todesstrafe aus der sicht der kirchenväter



In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten finden wir eine ganze Reihe von christlichen Theologen, die die Todesstrafe entschieden ablehnten. Sicherlich spielte bei dieser Bewertung die Tatsache eine Rolle, dass die Christen in den Verfolgungszeiten Opfer der Todesstrafe waren. Angesichts der hohen Wertschätzung des Martyriums bei den christlichen Schriftstellern wird man in der Opferolle der Christen aber nicht den wichtigsten Grund für die Ablehnung von Hinrichtungen erblicken können. Wichtiger war wohl die theologische Überzeugung, dass Gott der absolute Herr alles Existierenden sei, von dem auch die Menschen ihr Leben nur als Leihgabe empfangen haben. Weil daraus abgeleitet wurde, dass Christen sich für den Schutz des Lebens einsetzen müssen, waren die sozialen Folgen
sehr weitreichend. So "erfanden" die Christen die in der Antike unbekannte Einrichtung "Krankenhaus". Dem Gottesbild entsprechend verstand man das fünfte Gebot als absolutes Tötungs- und nicht als Mordverbot. Daher wandten sich die frühchristlichen Theologen gegen viele Formen des damals üblichen Umgangs mit dem menschlichen Leben. So war die Praxis der Kindesaussetzung von nachhaltiger Wirkung auf die Bevölkerungszahl in der Antike. Die Motive für diese Art der Geburtenregelung waren, die Zahl der Kinder zu beschränken oder eine Auslese zu erreichen. Die Kirche bekämpfte nicht nur die Aussetzung von Kindern, sondern auch die in Rom vielgeübte Abtreibung und betonte, dass auch uneheliche Kinder von Gott gewollt, von Engeln behütet und bereits vor der Geburt ein Wunder seien. Waisenkinder wurden von Christen adoptiert und der Bischof hatte für eine Berufsausbildung zu sorgen. Die Euthanasie alter und kranker Menschen wurde ebenso abgelehnt wie der von der Philosophie der Stoa hochgeschätzte Selbstmord. Den Schriftstellern der ersten drei Jahrhunderte schien nicht einmal die Notwehr erlaubt, und sogar das von kirchlichen Theologen hochgeschätzte Martyrium war ethisch nicht unumstritten und wurde zuweilen als Selbstmord abgelehnt. Auf diesem Hintergrund wundert es nicht, dass von christlicher Seite auch die Beteiligung am Kriegsdienst und die Todesstrafe abgelehnt wurden.
Die Prinzipientreue der frühchristlichen Kirche wird dennoch nicht über ihre Problematik hinwegtäuschen können. Spätestens als das Christentum unter Kaiser Konstantin in die Rolle einer Staatsreligion hineinwuchs, war es unumgänglich, auch Verantwortung für den Staat zu übernehmen. Konnte man den Schutz des christianisierten Reiches gegen die anstürmenden heidnischen Barbaren wirklich noch als eine unchristliche Aufgabe betrachten? Oder war nicht vielmehr der Krieg ein göttliches Gebot, wie die Schriften des Alten Testaments zeigten? Eine ähnliche Umwertung vollzog sich in der Frage der Todesstrafe. Betrachtet man die Argumente von christlicher Seite gegen die Todesstrafe genauer, so wird klar, warum der Widerstand gegen sie nach der konstantinischen Wende langsam erlahmte.
Die Synode von Elvira (306 n.Chr.) bestimmte, dass demjenigen, welcher einen Mitmenschen eines Verbrechens anklagte und dadurch dessen Hinrichtung herbeiführte, nicht einmal
in seiner Todesstunde die Kommunion gewährt werden solle. Die harte Strafe der Exkommunikation auch für lediglich mittelbar an der Todesstrafe Beteiligte zeigt, wie
radikal die Ablehnung der Todesstrafe zumindest von Teilen der Alten Kirche einmal war. Die Bestimmung der Synode hat ihre Parallele in einer Äußerung des christlichen Theologen Lactantius, der um 315 im Auftrag Kaiser Konstantins Erzieher des Prinzen Crispus wurde. Im Zusammenhang mit einer Attacke gegen die öffentlichen Schauspiele, bei der
auch zum Tode verurteilte Verbrecher wilden Tieren vorgeworfen wurden, kommt er auf die Todesstrafe zu sprechen: "Es gehört sich nicht, Gesellen und Teilnehmer dieses öffentlichen Mordes zu sein, für die, die trachten, den Weg der Gerechtigkeit einzuhalten. Wenn uns Gott zu töten verbietet, verbietet er uns nicht nur, nach Räuberart jemanden umzubringen, was ja nicht einmal nach den staatlichen Gesetzen erlaubt ist, sondern er will, dass auch das unter-
bleibe, was bei den Menschen noch als erlaubt gilt. Darum ist es auch dem Gerechten, dessen Kriegsdienst die Gerechtigkeit selbst ist, nicht gestattet, Kriegsdienst zu leisten; ebensowenig, jemanden eines Verbrechens wegen anzuklagen, auf das die Todesstrafe steht, denn es tut keinen Unterschied, ob du mit dem Wort oder dem Schwert tötest, weil die Tötung als solche verboten ist. Deshalb darf man bei diesem Gebot Gottes keine Ausnahme machen; denn es ist immer unrecht, einen Menschen zu töten, der nach Gottes Willen ein unantastbares Lebewesen ist." Das hört sich völlig eindeutig an. Daher überrascht es, wenn derselbe Autor bei der Erörterung des Zornes Gottes die Todesstrafe als notwendige staatliche Maßnahme einfach voraussetzt. Eine schwankende Haltung zur Todesstrafe finden wir auch beim Kirchenvater Tertullian. Einerseits geht er so weit, dem christlichen Richter Körperstrafen jeder Art zu untersagen, neben der Verhängung von Todesurteilen auch die Inhaftnahme und sogar die Fesselung; allein die Auferlegung von Bußgeldern sei gestattet. Er kann aber andererseits erklären, die strafende Gerechtigkeit sei die Fessel der Gewalt, und ein Tod, den diese Gerechtigkeit beschlossen habe, sei kein gewaltsamer Tod. Vermutlich kann man die Widersprüche so erklären, dass Tertullian wie auch der Kirchenvater Origines die staatliche Todesstrafe als sinnvoll ansieht, eine Beteiligung daran für den Christen aber ablehnt. Die Berechtigung der Strafe kann dann - wie bei Clemens von Alexandrien in der Abschreckung liegen.
Eine solche Aufspaltung zwischen staatlichen Notwendigkeiten, für die die Heiden zuständig waren, und einer christlichen "Elite"-Ethik konnte nach der konstantinischen Wende nicht mehr durchgehalten werden. Immerhin vermochte die neue Machtstellung der Kirche zweierlei durchzusetzen: die Abschaffung der Spiele und in Hinblick auf die Hinrichtung Christi das Verbot der Kreuzigung als Todesstrafe. Die Kreuzigung wurde durch die Pfählung ersetzt.

 
 

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