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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die folgen der wiedervereinigung





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Die Folgen der Wiedervereinigung

Bilder und Statistiken unter eikke_dressler@hotmail.com als .jpg Datei erhältlich.



Einleitung



Schon bei der ersten Durchsicht des Materials, das ich zum Thema meiner Hausarbeit vorliegen hatte, zeigte sich, dass die Folgen der "Deutschen Einheit" bis ins kleinste Detail untersucht worden sind und weiter untersucht werden; dementsprechend ist auch viel über die Folgen und Probleme der Einheit geschrieben worden.


Ich habe im folgenden Beiträge zusammengestellt, die einige Folgen und Probleme der Einheit beleuchten:

Die fehlende menschliche Akzeptanz zwischen "Ossis" und "Wessis".

Die dramatisch hohe Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern und die Folgen für die Betroffenen.

Der Zusammenbruch der Wirtschaft im Osten.




Als Anlage habe ich die Rede des PDS-Bundestagsabge-ordneten Dr. Gregor Gysi beigefügt. In dieser Rede im Bundestag zum 10. Jahrestag der "Deutschen Einheit" beschreibt Gregor Gysi meines Erachtens sehr treffend den Zustand - und damit auch die Folgen - der Wiederver-
einigung.




Ostdeutsche: Nicht nur Begeisterung über die deutsche Einheit


Keine neue Chance
Hervorzuheben ist die Geschichte von drei Frauen aus Frankfurt/Oder: Berta Klaus, Grete Lieser und Irmgard Luckner, die in der DDR-Zeit eine bemerkenswerte berufliche Entwicklung genommen hatten. Aufgrund ihres Alters - sie waren zwischen 1928 und 1934 geboren - geriet ihre gesamte Lebensleistung gewissermaßen in den Bereich des ,,Vorher". Der Bruch von 1989/90 bot ihnen keine Chance mehr für einen Neuansatz, er blieb deshalb als Abbruch schmerzhaft präsent. Ihre ,,Karriere", die sie selbst nie so nennen würden, ist eng verbunden mit einem Betrieb in der Stadt an der polnischen Grenze. Alle drei Frauen waren verheiratet und hatten bereits Kinder, als sie Ende der fünfziger/Anfang der sechziger Jahre im neu erbauten Halbleiterwerk im Drei-Schicht-System zu arbeiten begannen.


Vorzeigefrauen
Das neu erbaute Werk, in dem es noch keine fest gefügten Hierarchien gab und in dem es überall an ausgebildeten Fachkräften fehlte, bot diesen Frauen einzigartige Aufstiegschancen. Sie holten ihre Facharbeiterausbildung nach und qualifizierten sich anschließend zu Meisterinnen, natürlich immer neben der Schichtarbeit im Abendstudium bei gleichzeitiger Verantwortung für Haushalt und Kinder sowie stets gedrängt von Kaderleitern, Abteilungsleitern, Parteisekretären, deren Erwartungen sie keinesfalls enttäuschen wollten. Grete Lieser schaffte sogar noch das Ingenieurstudium und wurde Abteilungsleiterin. Die beiden anderen Frauen leiteten bis 1990 verschiedene Fertigungsbereiche und bildeten Lehrlinge aus. Mit ihrem Fleiß und ihrer Einsatzbereitschaft hielten sie die oftmals stockende Produktion in Gang und bekamen dafür gesellschaftliche Bestätigung, Prämien und Medaillen. Sie galten als Vorzeigefrauen im Werk und in der Stadt. Zeitungsartikel wurden über sie geschrieben, in der Betriebschronik konnte man Fotos von ihnen sehen. Grete Lieser war sogar Abgeordnete im Bezirksparlament und durfte Erich Honecker einen Blumenstrauß überreichen, als er das Werk besuchte.
Dieses Leben, in dessen Zentrum die Arbeit stand, verlor plötzlich seinen Sinn, als 1990 die ersten Frauen im Halbleiterwerk entlassen wurden. Am leichtesten war es vielleicht noch für Grete Lieser, die kurz zuvor in Rente gegangen war und zusammen mit ihrem zweiten Ehemann Pläne für einen neuen Lebensabschnitt machen konnte. Irmgard Luckner (damals sechzig jährig) aber hatte noch auf mindestens fünf Jahre voller Berufstätigkeit gerechnet und Berta Klaus war erst 56 Jahre alt, als beide ihre Entlassungspapiere erhielten. Beide Frauen waren inzwischen verwitwet, die Kinder hatten schon eigene Familien gegründet. Es verwundert deshalb kaum, dass vor allem Frau Klaus und Frau Luckner den Veränderungen keine gute Seite abgewinnen konnten. Berta Klaus empfand die Wendezeit ,,wie eine kalte Dusche". Irmgard Luckner kam sich vor, ,,als ob wir einen Krieg verloren hätten".


Fehlender Lebensinhalt
Hier drückte sich nicht nur die große Schwierigkeit aus, einen neuen Lebensinhalt zu finden, sich nach Jahrzehnten rastloser Pflichterfüllung wieder auf sich selbst zu besinnen, Es war auch das Gefühl, von der eigenen Lebensleistung abgeschnitten zu sein, die keine Würdigung mehr erfuhr, das Gefühl, dass alle Anstrengungen, alle Mühe umsonst gewesen waren, da sie in kein Ergebnis geflossen sind, auf das man heute stolz sein kann.



Annette Leo: Wo keine Begeisterung über die ,,Wende" aufkam. Von abgebrochenen Lebenswegen von Ernüchterung und Zorn, in: Das Parlament

43 - 44/1999, 22./29.lO.1999, S. 13
Westdeutsche: Frust über die deutsche Einheit?



,,Geht doch wieder rüber!"

Zehn Jahre nach der Wende ist die Kluft zwischen Ost und West eher größer denn kleiner. Die deutschen Nachbarn haben sich kennen gelernt und sind sich noch fremder geworden. Viele Westdeutsche, die in den Osten zogen, haben ihn fürchten gelernt - und flüchten zurück.


Rund zwei Millionen Ostler sind seit 1990 nach Westdeutschland gezogen - etwa eine Million in die Gegenrichtung. Allein 200.000 Berliner gingen seit der Wende ins Umland, in ,,Gartenstädte", ,,Wohnparks" oder die ,,Waldesruh"-Siedlung. Man hoffte auf gute Nachbarschaft anstelle anonymen Großstadtlebens. ,,Die ersten kehren bereits wieder zurück", stellt das Berliner Fachblatt ,,Mietermagazin" in seiner jüngsten Ausgabe fest, ,,gefrustet von abweisenden Dorfbewohnern und autoritären DDR-Pädagogen, die sie ihren Kindern nicht zumuten wollen." Die Alteingesessenen fühlten sich dagegen ,,überrollt von arroganten Wessis, die sich in ihren Reihenhaus-Siedlungen abschotten und Waldortschulen gründen wollen". Die neue deutsche Fluchtbewegung hat vor allem Familien mit Kindern erfasst, die es leid sind, dass ihre Sprösslinge in der Schule als ,,WestArsch" begrüßt oder schon mal von der Lehrerin im Unterricht gefragt werden: ,,Was sagt denn unser Ausländer dazu?"
Vor allem das Berliner Umland, so das ,,Mietermagazin", sei Schauplatz eines Ost-West-Kulturkampfes geworden - mit ,,Symptomen eines Kleinkrieges". Da wird schon mal von Unbekannten zur Kennzeichnung der ungeliebten Nachbarn der Schriftzug ,,Wessi" aufs Haus gesprüht oder ins Auto gekratzt. Jugendliche pöbeln Autofahrer an, ,,weil die aus dem Westen unsere Straßen benutzen".
Es gibt über Nacht zertrampelte Blumenbeete, zerstochene Reifen, Farbbeutel an frisch gestrichenen Neubauwänden. ,,Die Konflikte gehen über die üblichen Stadt-Land-Animositäten, wie wir sie auch in Hamburg und München erleben, weit hinaus", stellte der Soziologe Ulf Matthiesen vom ,,Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung" nach fast zweijähriger Beobachtung des Zusammenlebens in verschiedenen Gemeinden fest. Hier träfen ,,völlig unterschiedliche Mentalitäten und kulturelle Prägungen aufeinander".
Brieselang, weit draußen vor den Toren Berlins, ist eine Kleinstadt ohne jegliches Zentrum, eine Häuseransammlung im märkischen Sand. Hier hatte die West-Berlinerin Marianne Tzschentke, 47, vor sechs Jahren ein Haus im Grünen gefunden und sich, um nicht als Wessi unangenehm aufzufallen, den neuen Nachbarn ,,mit Kleidung und Frisur derart angepasst, dass ein ebenfalls zugezogener Friseur aus dem Westen mich für die erste Ostlerin hielt, mit der er gut reden konnte". Mit den Einheimischen habe sie gesprochen, ,,aber wir sind uns fremd geblieben". Immer hätten Klagen der Ostdeutschen, dass ihnen das Leben heute gar nicht gefalle, die Gespräche bestimmt. Und ihr Sohn Dominique sei - obwohl er sich die Haare kurz schneiden ließ und Jogginganzüge wie seine Ost-Mitschüler trug - als ,,verwöhnte Wessi-Sau" beschimpft worden. Endgültig genervt war die einstige West-Berliner Kinderladen-Mutter, als ihr Sohn Dennis nach einem Verkehrsvergehen auf dem Schulweg von der Direktorin angeherrscht wurde: ,,Dafür kriegst du von deiner Mutter den Arsch voll." Der Junge konterte: ,,So was macht meine Mutter aber nie." Am nächsten Morgen musste er ,zur Belehrung" vor die versammelte Klasse treten und sich in Büßermanier den Fragen der Schüler und der Lehrerin stellen.



,,Die meisten Wessis funktionieren hier nur, wenn sie Ossis werden' nicht wenn sie Wessis bleiben", resümiert Karl-Rainer von der Ahe,46, seine Ost-Erfahrung. Er zog 1992 nach Vorpommern, betreibt eine Werbeagentur und war Dozent für Geistes- und Designgeschichte an der Greifswalder Universität. Seiner Ansicht nach ist die ,,mentale Masse von 16 Millionen, die 1990 an die Bundesrepublik angedockt hat", als Problem unterschätzt worden. Viele Wessis aus der bundesrepublikanischen Großstadtkultur seien in einen ,,Staat der kleinen Leute" gezogen ,,und treffen mancherorts auf dieselbe Mischung wie in der Bundesrepublik der fünfziger und sechziger Jahre: miefig, eng, konservativ und in der Jugendkultur sogar gewalttätig". Er selbst will nun im Osten bleiben, um ,,Politik und die Kultur des Umgangs miteinander zu verändern".


Peter Wensierski, in: Der Spiegel 43/1999, 5. 60 ff.










Ostdeutsche Ansichten zu Vereinigung und Einheit


Inzwischen muss dem letzten Ignoranten zwischen Weserbergland und Schwäbischer Alb klar geworden sein, was die Vereinigung eigentlich war: eine Geldheirat. In der Hochzeitsnacht mag es ja einige Orgasmen gegeben haben. Heute, zweieinhalb Jahre danach, scheint mir der Tatbestand der Vergewaltigung in der Ehe weitgehend erfüllt. Besserung ist nicht in Sicht. Aus dem ganzen Schlamassel führt vielleicht nur ein Weg. Der Westen müsste die moralische Größe aufbringen und die DDR noch einmal völkerrechtlich anerkennen. Sozusagen posthum, und mit allen Konsequenzen. Das könnte den Leuten, die im Osten geblieben sind, vielleicht das wiedergeben, was ihnen tagtäglich genommen wird: ihre Geschichte.

Quelle: Klaus Schlesinger, in Hermann Glaser (Hrsg.): Die Mauer fiel, die Mauer steht. Ein deutsches Lesebuch 1989-1999, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999, S.220

Die westdeutschen Parteien brachen über das Land herein und begruben unter sich alles, was sich eben geregt hatte. Mit maßloser Arroganz verkauften sie uns ihre Demokratie. Wenige haben sich gewehrt; die klägliche Schar der Dissidenten focht auf verlorenem Posten. Schon am Runden Tisch, wo wir Demokratie ganz elementar lebten, waren wir in Wirklichkeit abgeschlagen. Wir wussten es nur noch nicht. Meinen Landsleuten im Osten kann ich verzeihen, dass sie mutlos waren und geblendet von der westdeutschen Wohlstandsdemokratie. Aber den Parteistrategen im Westen, die für sich das einzig Richtige, für uns aber das genau Falsche getan haben, denen verzeihe ich ihren Raubzug nicht. Denn sie unterbrachen nicht nur das Mündigwerden, sie bedienten sich auch auf





unerträgliche Weise der christdemokratischen und liberalen und nationalen Genossen, die eine DDR lang mit der SED kollaboriert hatten. Sie bedienten sich der Stasi-Knechte und Wirtschaftshöflinge, die für den Ruin des Landes jenseits der Elbe verantwortlich sind.

Quelle: Konrad Weiss, in Hermann Glaser (Hrsg.): Die Mauer fiel, die Mauer steht. Ein deutsches Lesenbuch 1989-1999, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S.186

Das Grundproblem der noch nicht gelungenen inneren Vereinigung sehe ich in der fortgesetzten Weigerung der auf die Vereinigung innerlich überhaupt nicht eingestellten Westdeutschen, durch die Vereinigung irgend etwas in ihrem Lebensvollzug zu ändern. Die Ostdeutschen haben sich den neuen Bedingungen in jeder Weise anpassen müssen und haben auch viele darin liegende Möglichkeiten wahrgenommen. Es gab aber eine schwer begreifliche Weigerung, die Chance der Vereinigung wahrzunehmen, nicht nur pragmatisch zu reagieren, sondern normativ. Die Chance der Anpassung des Grundgesetzes an die Herausforderungen am Ende des 20. Jahrhunderts wurde bis auf einige kosmetische Korrekturen verpasst.
Im Übrigen wurde die Ordnung der Bundesrepublik, einschließlich einiger Überleitungsgesetze, einfach auf die erloschene DDR übertragen. So muss sich hier nun alles nach den Normen der Bundesrepublik richten.

DDR-Betriebe, in das kalte Wasser der Marktwirtschaft geworfen und ohne ausreichende Liquidität, gingen entweder gleich bankrott oder werden in den nächsten Jahren den Konkurrenzkampf nicht überleben, sofern sie nicht vorher infolge der Treuhandpolitik ,,erledigt" wurden. Die gerade wieder zum Leben erwachenden Innenstädte werden sehr schnell wieder veröden, weil die Großmärkte auf der grünen Wiese alle Kaufkraft abziehen.


Nach dem Ende der Planwirtschaft müssen wir uns schon fragen, ob die Wirtschaft der Planlosigkeit uns nicht ans Ende bringt!
Seit 1989/90 verwandelte sich die Gesellschaft vom wir zum ich, von der Siegerfaust zum Sieg des Ellbogens, von
der Parole ,,Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen" zur endlich offen ausgesprochenen Parole ,,Go West", von der Sicherheit des Beschäftigungsplatzes auf die Bank im Arbeitsamt, von der hemmenden Planwirtschaft zur ungehemmten Marktwirtschaft. Nun sieht jeder zu, wo er bleibt, und findet keine Zeit zu sehen, wo der andere bleibt.

Friedrich Schorlemmer: Vom "Ruf nach Freiheit" zur Sehnsucht nach Ordnung, in: Bernward Baule/Rita Süssmuth (Hrsg.): Eine deutsche Zwischenbilanz. Standpunkte zum Umgang mit unserer Vergangenheit, Olzog Verlag, München/Landsberg am Lech 1997, S.208 ff.
































Ost- und Westdeutsche im Spiegel von Meinungsumfragen


Seit der Wende befragen Soziologen, Psychologen und Meinungsforschungsinstitute ostdeutsche Bürgerinnen und Bürger. Dabei wurde alles Mögliche festgestellt. Ostdeutsche gehen weniger in die Kirche und sind weniger religiös als Westdeutsche, sie schätzen ihre neue Freiheit wenig, sie lassen sich lieber fremdbestimmen und wohlfahrtsstaatlich betreuen.
Wenn sie arbeitslos werden, machen sie dafür den Staat und die Politik verantwortlich, überhaupt sehnen sie sich mehrheitlich nach dem starken Staat. Sie halten soziale Gerechtigkeit und Gleichheit für weitaus wichtiger als Freiheit. Sie glauben weniger als die Westdeutschen an die Vorzüge von Demokratie und Marktwirtschaft und sind mehrheitlich der Meinung, dass die Lebensqualität sich im Osten nach der Wende verschlechtert habe.
Mehr Ostdeutsche als Westdeutsche glauben, dass die Reichen immer reicher und die Gesellschaft in Zukunft immer rücksichtsloser werden. Sie fühlen sich persönlich unsicherer als Westdeutsche, fordern härtere Strafen für Kriminelle und sind mehrheitlich für die Todesstrafe.
Sie suchen mehr Befriedigung in der Familie als im Arbeitsleben und äußern sich positiv über ihre Erziehung in der ehemaligen DDR, denken insgesamt positiver über ihre Kindheit und ihre Eltern als die Westdeutschen - trotz Kinderkrippe und Kindergarten.
Und was sagt das alles?
Sind diese unterschiedlichen Einstellungen verständlich angesichts der unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen Ost- und Westdeutsche aufwuchsen?
Ist es angemessen, dass Westdeutsche diese Unterschiede als Ausdruck von Undankbarkeit, Unbelehrbarkeit, Starrköpfigkeit und Hinterwäldlertum abtun?


Wenn Sie an die Tage zurückdenken, als die Mauer fiel: Welche Erwartungen hatten Sie damals? Sind Ihre Erwartungen erfüllt worden?









Wie geht es Ihnen heute persönlich im Vergleich zur Zeit vor dem Fall der Mauer?








Wäre es besser, wenn die Mauer zwischen Ost und West heute noch stehen würde?








Für den Aufbau Ost wurden bis heute 1,5 Billionen Mark ausgegeben. Hat sich das gelohnt?


Wie zufrieden sind Sie mit der Demokratie in der Bundesrepublik und unserem politischen System?







Denken Sie einmal fünf bis zehn Jahre weiter: Sehen Sie dieser Zeit eher mit Hoffnung oder eher mit Ängsten entgegen?







Wie die Ostdeutschen die Westdeutschen und die Westdeutschen die Ostdeutschen beurteilen: Welche der Eigenschaften treffen auf die jeweils anderen Deutschen zu?











Quelle: Forsa-Umfrage vom 8.-10.9.1999,
veröffentlicht im Magazin Stern 38/99 vom 16.9.99, S. 34-35


Zur Situation der ostdeutschen Wirtschaft

Insgesamt sind bis 1998 1,37 Billionen Mark in die neuen Bundesländer geflossen. Nach vorläufigen Schätzungen werden 1999 weitere 199 Milliarden Mark dazukommen, sodass Ende 1999 weit über 1,5 Billionen Mark nach Ostdeutschland geflossen sein werden. Diese Transferleistungen haben bewirkt, dass die Ostdeutschen inzwischen einen ähnlichen Lebensstandard erreicht haben wie die Westdeutschen, auch wenn die Wirtschaftsleistung in den neuen Bundesländern noch zu wünschen übrig lässt und 1998 pro Kopf erst 56 Prozent der Wirtschattsleistung im Westen betrug. Die Sozialleistungen, die wegen der verheerenden Lage auf dem Arbeitsmarkt fast die Hälfte der Zahlungen aus-machten, dienten der unmittelbaren Einkommensverbesserung der Ostdeutschen. Für den Aufbau einer modernen Infrastruktur (Investitionen) und neuer leistungsfähiger Unternehmen (Subventionen) wurden bis 1998 338 Milliarden Mark ausgegeben. Was den Arbeitsmarkt betrifft, so hat sich seit der deutschen Vereinigung ein Drama abgespielt. Die Zahl der Arbeitslosen hat sich von 1990 bis 1998 nahezu versechsfacht.















Anlage

Gregor Gysi
Stand des Vereinigungsprozesses zehn Jahre nach Herstellung der staatlichen Einheit
Dr. Gregor Gysi (PDS): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen heute eine Debatte um ein wahrhaft welthistorisches Ereignis. Ich finde, wir Deutschen sind schon ein merkwürdiges Volk: Wir bekommen es tat sächlich fertig, uns aus diesem Anlass Zitate um die Ohren zu hauen und den Etat der deutschen Botschaften im Ausland zu diskutieren. Das sagt vielleicht auch ein bisschen über unseren Zustand aus.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS und der SPD)
Das für mich wichtigste Ereignis bei der Wiederherstellung der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 wurde heute noch nicht genannt: 40 Jahre lang bestand die reale Gefahr, dass der Kalte Krieg zwischen den Blöcken zum schrecklichsten Krieg der Weltgeschichte und zur Vernichtung der Bevölkerung in beiden deutschen Staaten hätte führen können. Mit dem 3. Oktober 1990 war diese Gefahr gebannt. Letztlich war das der Besonnenheit von Politikern auf beiden Seiten zu verdanken. Ich verstehe deshalb nicht die Angriffe aus den Reihen der CDU/CSU gegen Politiker der SPD und anderer Parteien sowie auch gegen den Bundeskanzler, wenn es um Äußerungen aus den Jahren 1989/90 geht, in denen auf Gefahren hingewiesen wurde.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ach!)
In dieser Zeit konnte doch niemand mit Sicherheit abschätzen, welche Politik Gorbatschow durchsetzen kann und ob die Sowjetunion wirklich auf ihre Einflusssphären verzichtet. Gerhard Schröders diesbezügliche Aussagen waren deshalb auch Ausdruck von Verantwortungsbewusstsein und nicht von mangelndem Einheitswillen.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS Lachen bei der CDU/CSU)
Wenn ich den Friedensgedanken so hervorhebe, dann muss ich andererseits betonen: Die Beendigung des Gleichgewichtes des Schreckens hat zwar die Gefahren des ganz großen Krieges gebannt, Kriege in begrenzterem Umfang aber auf neue Art ermöglicht, und das, wie wir im letzten Jahr erlebten, auch unter Beteiligung Deutschlands. Ich denke, meine Fraktion hat sich aus sehr guten und nachvollziehbaren Gründen konsequent gegen diesen Krieg gestellt.
(Beifall bei der PDS)
Der 3. Oktober 1990 hat durch die Beendigung der Systemauseinandersetzung auch dazu geführt, dass der europäische Integrationsprozess eine andere Dimension und ein anderes Tempo angenommen hat. Erstmalig besteht die Chance, auch Osteuropa in diesen Prozess einzubeziehen. Es wäre gefährlich, wenn irgendjemand in diesem Hause oder außerhalb dieses Hauses versuchte, antislawische Vorbehalte zu nutzen oder zu schüren, um den europäischen Integrationsprozess zu beschränken.
(Beifall bei der PDS)
Ich bin sicher, meine Damen und Herren von der Union: Diesbezüglich hat der Altkanzler Helmut Kohl immer so gedacht. Er hat die deutsche und die europäische Vereinigung immer als Einheit gesehen. Dasselbe gilt für Wolfgang Schäuble. Daran sollten Sie sich bei den entsprechenden Verhandlungen erinnern.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS sowie des Abg. Markus Meckel [SPD])
Zumindest heute und hier ist es eher müßig, darüber zu streiten, wer sich mit welcher Aussage vor und nach der Einheit geirrt hat. Tatsache ist, dass die ökonomischen Strukturen der DDR, insbesondere die Industriestrukturen nach der Einheit, fast völlig zusammenbrachen. Die am häufigsten wiederholte Erklärung dafür lautet, die Produktivität sei so extrem niedrig gewesen, dass diese wirtschaftlichen Strukturen nicht zu retten gewesen wären. Die Argumentation ist durch einen Umstand allerdings nicht ganz schlüssig: In der Landwirtschaft der DDR war die Produktivität nicht niedriger als in der alten Bundesrepublik. Dennoch sind auch dort Unternehmen massenhaft geschlossen und zwei Drittel der Arbeitsplätze abgebaut worden.
(Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die alten Betriebsleiter!)
Die Treuhandanstalt ist willkürlich verfahren. Das eine Unternehmen bekam nichts und wurde sofort ins Aus geschickt, während ein anderes wiederum sehr umfangreich subventioniert wurde. Die Maßstäbe blieben eher unklar. Mit dem enormen Verlust von Arbeitsplätzen waren und sind nicht nur soziale Probleme verbunden es ging nicht nur massenhaft so genanntes Humankapital verloren , sondern auch eine Vielzahl mentaler Probleme, die bis heute bestehen. Während sich viele von den Langzeitarbeitslosen in der früheren DDR gebraucht fühlten, haben sie heute das Gefühl, überflüssig zu sein. Das löst einen Verlust von Selbstwertgefühl aus und führt zu Frust, nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch bis in die Familien hinein. Die Frauen wurden am konsequentesten aus dem Arbeitsprozess gedrängt. Sie werden oft als die eigentlichen Verliererinnen der Einheit bezeichnet. Aber das ist natürlich nur die eine Seite der Medaille. Man muss vor allem die gewonnenen Freiheiten und Rechte sowie das völlig neue Angebot an Waren und Dienstleistungen hervorheben. Die wirtschaftlichen Entwicklungen sind enorm, insbesondere durch die Sanierung von Millionen Wohnungen, die Rekonstruktion vieler Stadtzentren und eine ungeheure Entwicklung der Telekommunikation, des Straßenbaus und anderer Bereiche.
So finden sich im Osten nur wenige, die über die Entwicklung nach der Einheit ein eindeutiges und klares Urteil fällen. Ein Aber in der einen oder anderen Richtung werden Sie fast immer antreffen. Nicht zu unterschätzen waren von Anfang an mentale Verhaltensweisen und Bewertungen. Wer die DDR komplett delegitimiert sehen wollte, der delegitimierte irgendwie immer auch deren Bevölkerung ob er das wollte oder nicht. Die Ostdeutschen mussten das Gefühl bekommen, 40 Jahre lang irgendwie falsch produziert, falsch gelebt, falsch gedacht, falsch gefühlt und falsch geliebt zu haben. Mit dieser Delegitimierung war von Anfang an verbunden, die westdeutschen Strukturen kaum infrage zu stellen. Es war wichtig und richtig, alles Undemokratische, Autoritäre, Diktatorische, Antiökologische und ökonomisch Ineffiziente aus der DDR zu überwinden. Menschen, denen Unrecht geschehen war, musste, so weit es ging, Wiedergutmachung zuteil werden. Das gilt für viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, für Christdemokratinnen und Christdemokraten, für Liberale, auch für nicht wenige Sozialistinnen und Sozialisten, für nicht wenige Kommunistinnen und Kommunisten und für viele andere, die sich politisch so nicht einordnen lassen. Es wäre für die Ost- und die Westdeutschen aber richtig und wichtig gewesen, sich bestimmte Dinge aus der DDR genauer anzusehen. In diesem Zusammenhang wurde oft über die Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch, über die flächendeckende Versorgung mit Kindertagesstätten und schulischen Horteinrichtungen, über die ökologisch sinnvolle Sekundärrohstofferfassung und -verwendung, über die zwölf Klassenstufen bis zum Abitur, über die Vorzüge bei der Berufsausbildung, bei der Ausbildung von Fachärztinnen und Fachärzten und über Polikliniken gesprochen. Letztlich ist nichts davon übernommen worden. Erst heute wird wieder darüber diskutiert, das eine oder andere zu revitalisieren. Dabei geht es mir viel weniger um das einzelne Moment, sondern mehr um das damit verbundene Erlebnis: Was hätte es für das Selbstvertrauen der Ostdeutschen bedeutet, wenn von den Verantwortlichen in der Politik akzeptiert worden wäre, dass sie in einzelnen Bereichen Lösungen gefunden hatten, die über jene in der alten Bundesrepublik hinausgehen?
(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vor allem aber ist zu fragen: Wie anders wäre die Einheit von den Westdeutschen akzeptiert worden, wenn sie unmittelbar erlebt hätten, dass sich durch die Übernahme solcher Problemlösungen ihr Leben positiv verändert hätte? Damit hätte verhindert werden können, dass die Westdeutschen den Eindruck gewannen, das Hinzukommen des Ostens habe den meisten von ihnen nichts als Kosten gebracht. Durch solche Übernahmen wäre mehr das Bild einer Vereinigung und weniger das Bild eines Beitritts entstanden. Das wäre umso wichtiger gewesen, als der Ersatz des sozialen Wettbewerbs der Systeme durch den Standortwettbewerb frühere soziale Sicherungen gerade für die Westdeutschen in Frage stellten.
(Beifall bei der PDS)
Durch solche Übernahmen hätten wir also mehr erreichen können. Am wenigsten habe ich allerdings verstanden, weshalb der Beitritt so wenig dazu genutzt wurde, verkrustete Strukturen im Westen zu überwinden.
(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will mich auf ein einziges Beispiel konzentrieren: Seit Jahren beklagen fast alle hier im Hause das ausufernde Heer der Beamten. Die DDR kannte keine Beamten.
(Werner Schulz [Leipzig] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die hießen Funktionäre!)
Sie kannten den Status nicht, Herr Schulz. Dies wäre die Chance gewesen, den Status auf den hoheitlichen Kernbereich des Staates zu reduzieren, ihn in der ehemaligen DDR nur insoweit einzuführen und ihn in Westdeutschland in anderen Bereichen schrittweise abzubauen. Wozu muss denn jede Lehrerin und jeder Hochschullehrer verbeamtet sein? Das konnte mir bislang noch niemand erklären.
(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)
Aber nein, das ganze ausufernde, verkrustete System musste auch im Osten eingeführt werden. Dadurch kam die PDS selbst in die Bredouille: Einerseits wollten wir das nicht, andererseits konnten wir aber nicht zulassen, dass diejenigen nicht verbeamtet werden, die im Westen das Recht darauf gehabt hätten. Das war eine Frage von Chancengleichheit und Gleichberechtigung. Ich weiß, dass die de-Maizière-Regierung die alte Bundesregierung darum gebeten hat, den Beamtenstatus, wenn sie ihn schon einführen wollte, für die Betroffenen wenigstens gleich einzuführen und eine Klausel aufzunehmen, wonach Einzelne daraus wieder entlassen werden können, wenn sich später herausstellen sollte, dass Umstände in ihrer Person sie dafür ungeeignet erscheinen lassen. Das hätte nämlich bedeutet, zunächst einmal allen zu vertrauen und dann bei Einzelnen zu sagen, man habe sich geirrt. Sie aber sind den umgekehrten Weg gegangen, haben die Betroffenen drei Jahre lang nicht verbeamtet, um erst einmal alle zu überprüfen und dann im Einzelfall zu entscheiden, wer Beamter werden kann. Das bedeutete, einen Generalverdacht auszusprechen. Das ist etwas, was die Einheit auch geprägt hat.
(Beifall bei der PDS)
Vielleicht gab es auch im DDR-Sport mehr als nur Doping. Ich sehe mit Vergnügen, dass französische Ruderteams plötzlich Medaillen gewinnen. Das war früher nicht der Fall; es war nicht ihre Sportart. Nun hörte ich wie der Sportreporter erklärt, die Mannschaft werde inzwischen vom ehemaligen Cheftrainer der DDR für Rudern betreut. Soviel ich weiß, ist gegen diesen Mann nie ein Vorwurf erhoben worden. Ist es völlig falsch zu glauben, dass es so sein könnte, dass die westdeutsche Trainerriege ihn erst gar nicht in ihre Nähe kommen lassen wollte, damit er ihnen nicht etwas wegnimmt?
(Beifall bei der PDS sowie des Abg. Markus Meckel [SPD])
War es wirklich unmöglich, diesen Mann einzusetzen? Ich denke, er hat seinen Job gefunden; die französischen Teams sind zufrieden. Das alles sagt aber etwas aus: Der Westen hatte genügend eigene Eliten. Er brauchte die aus dem Osten nicht. Deren Ablösung wurde aber für die Ostdeutschen zu einem Identitätsproblem und hat die Umstrukturierungen erschwert.
(V o r s i t z : Vizepräsident Rudolf Seiters)
Die linken und rechten Eliten in Westdeutschland waren über Jahrzehnte tief gespalten. Sie vereinigten sich aber bei der Ablösung der ostdeutschen, denn sowohl der linke Altachtundsechziger als auch der Konservative erhielten ihre Professur im Osten.
(Beifall bei der PDS)
Zur Gleichwertigkeit, auch zum Empfinden eigener Gleichwertigkeit gehört nun einmal, dass man für gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn erhält. Nach wie vor sind hier die Unterschiede erheblich. Das hat viele Konsequenzen: Es bedeutet im Falle von Arbeitslosigkeit geringere Arbeitslosenunterstützung, geringere Arbeitslosenhilfe und im Alter eine geringere Rente. Das werden die heute Zwanzigjährigen noch in 45 Jahren spüren, wenn sie ihren Rentenbescheid bekommen. Dieser spiegelt dann wider, dass sie Ossis waren, denn sie bekommen für bestimmte Beitragszeiten geringere Renten. Da sie ja nicht nur ein Jahr, sondern 20 Jahre lang Rentnerinnen und Rentner sein werden, bekommen sie das auch in 65 Jahren noch mitgeteilt.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS)
Insofern, Herr Bundeskanzler, ist doch unsere Forderung nicht unberechtigt, wenigstens einen verbindlichen Fahrplan vorzulegen, aus dem sich ergibt, in welchen Schritten und in welchen Fristen die Angleichung erfolgen soll, und damit eine Perspektive zu geben.
(Beifall bei der PDS sowie des Abg. Markus Meckel [SPD])
Wir hätten dann auch Auskunft darüber, welches der erste Jahrgang sein wird, der nicht mehr dadurch benachteiligt sein wird, dass er in Ostdeutschland geboren ist.
(Christel Hanewinckel [SPD]: Der wird dann besonders ertragreich!)
Ich verstehe auch nicht, warum nicht in einem einzigen Punkt, wenn man ein neues Rentenreformkonzept vorlegt, darauf eingegangen wird, in welchen Fristen die Renteneckwertpunkte Ost denen im Westen angeglichen werden sollen. Das gehört doch zu einem solchen Reformprojekt.
(Beifall bei der PDS)
Unabhängig von solchen Fragen mache ich mir aber keine Illusionen: Meine Generation wird die innere Einheit Deutschlands ebenso wenig wie die europäische Integration vollenden können. Wir konnten Türen aufstoßen, aber es wird letztlich die nächste Generation sein, die solche Prozesse vielleicht auch deshalb anders abschließen kann, weil sie nicht mehr mit den Vorurteilen meiner Generation behaftet ist. So sehr wir uns mühen und so sehr auch ich selbst mich bemüht habe: Es fällt schwer, sich von einmal erworbenen Vorurteilen gänzlich zu verabschieden. Wir haben aber darauf zu achten, dass wir wenigstens nichts unternehmen, was es der nachfolgenden Generation unmöglich macht, die Aufgaben zu lösen, die wir nicht mehr gänzlich packen werden. Um nicht missverstanden zu werden: Ich will keinen Konsens zwischen allen. Der ist weder möglich noch erstrebenswert. Wir brauchen die politische Auseinandersetzung, auch die streitige. Es muss legitim sein und bleiben, für einen demokratischen Sozialismus zu streiten. Aber die Auseinandersetzungen müssen auf einer höheren Ebene politischer Kultur erfolgen, auf der Ebene der Akzeptanz und des Respekts des Gegenübers.
(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)
Einen Wunsch habe ich, obwohl es im Augenblick gar nicht so aussieht, dass der nächsten Generation gelingen sollte, was uns nicht gelungen ist und zu Katastrophen im 20. Jahrhundert geführt hat: Es geht mir um die Überwindung der Ausläufer des Mittelalters, das heißt des Rassismus, des Antisemitismus, der Fremdenfeindlichkeit und des Nationalismus. Sie haben mit Zukunft, wie ich sie verstehe, nichts zu tun.
(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)
Da ich heute das letzte Mal zu Ihnen als Fraktionsvorsitzender spreche, gestatten Sie mir wenige abschließende Sätze: Nicht wenige von Ihnen haben es mir in den vergangenen zehn Jahren schwer gemacht. Ich kann nur hoffen, dass ich es Ihnen auch nicht immer leicht gemacht habe.
(Heiterkeit und Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich wusste, welche Art Stellvertreterrolle ich hier zuweilen zu spielen hatte und dass ich dadurch eine bestimmte Form der Auseinandersetzung auf mich ziehen musste. Ich räume ein: Manches ging mir zu weit, war höchstpersönlich, verletzend und wohl auch so gemeint. Ich hoffe, dass Sie mir nachsagen können, in der Auseinandersetzung zwar hart, aber nie persönlich oder verletzend reagiert zu haben. Mein besonderer Dank gilt meiner eigenen Fraktion, die es auch nicht nur leicht mit mir hatte, die sich aber immer solidarisch mir gegenüber verhielt. Er gilt all jenen Kolleginnen und Kollegen in allen anderen Fraktionen, die das Gebot der Fairness mir gegenüber nie verletzten. Ich wünsche mir einfach Normalität, eine neue Form politischer Kultur und des Dialogs zwischen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, demokratischen Sozialistinnen und demokratischen Sozialisten, aber auch zwischen Linken und Konservativen; sie sollten sich gegenseitig als Herausforderung begreifen und sich nicht jeweils gegenseitig wegwünschen. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich, dass ich Ihnen allen nicht floskelhaft, sondern aufrichtig Gesundheit, persönliches Glück und Wohlergehen wünsche. Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass ich in den letzten zehn Jahren zumindest mehr Freiheit leben konnte und mehr gelernt habe als in vielen früheren Jahrzehnten meines Lebens. Danke schön.
(Beifall bei der PDS, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

 
 



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