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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Das problem der einrichtung der provinz cilicia 102 und die lex de piratis des jahres 100





Erst um die Wende vom 2. zum 1. Jh. bestand für Rom anscheinend ein in das nähere Blickfeld gerückter Handlungsbedarf bezüglich der Piratenfrage. Als unbestrittene mediterrane Hegemonialmacht wurde von Rom die Lösung des die Provinzen und Bündner belastenden Seeräuberproblems gefordert. Infolge dessen wurde dem Praetor M. Antonius 102 die Aufgabe zuteil, gegen das als Seeräuberzentrum (s.o.) berüchtigte Kilikien militärisch vorzugehen, wobei - bei einer denkbar schlechten Quellenlage - auffallend ist, daß hier zum ersten Mal von Cilicia als einer gesonderten provincia die Rede ist, die einem römischen Beamten unterstellt wurde. Über die näheren Umstände dieses Unternehmens (Ursache, Verlauf, Konsequenz) sind wir leider nur schlecht unterrichtet (s.u.) und müssen aus oberflächlichen Quelleninformationen Rückschlüsse ziehen, aber allein die dürftige Quellenlage zusammen mit Dauer und Umfang dieser Polizeiaktion läßt vermuten, daß das römische Engagement nur halbherzig war und lediglich eine Befriedigung unangenehmer Forderungen darstellte.
Zunächst sind die Motive für diese römische Militäraktion des Jahres 102 zu nennen, die sich prinzipiell nicht wesentlich von jenen der Folgezeit bis 67 unterschieden haben dürften. Das römische Selbstbewußtsein hatte durch die sich häufenden Piratenübergriffe merkbar gelitten, ein Anzeichen für Roms wenig später folgenden Zugeständnisse an die hellenistischen Staaten, daß die Meere zukünftig wieder sicher sein würden. Desweiteren hatten zahlreiche in ökonomische Beziehungen verstrickte Gruppen (publicani, socii etc.) ein reges Interesse an einem ungehinderten Geld- und Warenverkehr und wirkten im Falle der zunehmenden Beeinträchtigung desselben appellierend auf die administrativen lokalen oder römischen Institutionen ein.
Man kann davon ausgehen, daß die Aktion des M. Antonius noch im selben Jahr mit einer Verfolgung und Reduzierung der kilikischen Piraten abgeschlossen wurde. Daß es nicht zu einer vollständigen Beseitigung derselben kam, kann man daraus ersehen, daß diese Piraterie eine in den Folgejahren bislang nicht dagewesenen Konjunktur erlebte. Die römische Flotte dieser Zeit wäre ohnehin zu schwach für eine umfassendere Unternehmung dieser Art gewesen, denn erst in den Jahren nach dem 1. Mithridatischen Krieg wurde in Rom der Bau einer eigenen Flotte vorangetrieben.
So vermittelt die Aktion von 102 eher den Eindruck, für Rom selbst noch keine akute Dringlichkeit besessen zu haben. Die dadurch nur leicht geschwächten Piraten wurden zwar als lästig empfunden, aber eine Beseitigung des Problems unter Einsatz wesentlicher eigener Mittel wurde nicht für nötig befunden. Kilikien wurde zwar als Provinz eingerichtet, doch lassen Art und Vorgang dieser Einrichtung den Schluß aufkommen, daß dies nicht unter dem Gesichtspunkt einer gewöhnlichen Administrationstätigkeit geschehen ist. Beispielsweise finden sich in den Folgejahren keine eindeutigen Hinweise auf eine zivile Verwaltungstätigkeit der Römer, eher das Gegenteil mag hier zutreffen, indem durch einen offenkundigen Interessenmangel Roms an einer geographischen Herrschaftserweiterung zur Eindämmung seeräuberischer Umtriebe die Piraten einen regen Machtzuwachs verzeichnen konnten. Dementsprechend zögerlich gestaltete sich dann auch die Eingliederung Kilikiens in den formellen Herrschaftsbereich wohl in den 70er Jahren. Jedenfalls scheint zur Zeit der lex de piratis im Jahre 100 nur ein nach den jeweiligen Erfordernissen zu besetzendes Militärkommando in Kilikien bestanden zu haben, der Grund dafür bleibt jedoch anhand des uns nur fragmentarisch erhaltenen Gesetzestextes, der nur das Faktum der Provinzialisierung mitteilt, unbekannt.
Letztendlich besteht also nach wie vor das Problem, ob die Römer bereits im Jahre 100 uneingeschränkte Herren über Kilikien waren oder dort nach den Aktionen von 102 lediglich ein - evtl. nicht mal dauerhaftes - militärisches Kommando außerhalb der Norm geschaffen hatten.



Die lex de piratis des Jahres 100
In diesen Kontext paßt als Reflex dieser antagonistischen Grundhaltung das Piratengesetz des späten Jahres 100, die lex de piratis. Vermutungen der modernen Forschung, die bereits zu dieser Zeit in dem von einer angeblichen aura popularis durchdrungenem Gesetz eine erste Maßnahme gegen die konstitutionelle Substanz eines optimatischen Senatsregimentes erkennen wollen, lassen sich aus Inhalt und Wortlaut des Textes zwar nicht ersehen, basieren aber auf wohldurchdachten Schlüssen. Die drei einflußreichsten politischen Akteure des Jahres 100, der Konsul Marius, der Prätor C. Servilius Glaucia und der Volkstribun L. Appuleius Saturninus, waren - wenn man zu dieser Zeit den Begriff schon verwenden kann - miteinander verbündete Politker popularer Ausrichtung. Die Art und der Zeitpunkt des Piratengesetzes lassen daher vermuten, daß es dem nach seinem Konsulat aufgabenlosen Marius ein neues, militärisch vielversprechendes Betätigungsfeld zuweisen sollte und dieser sich für die Kodifizierung des Gesetzes der Hilfe seiner beiden innenpolitischen Verbündeten bediente.
Aber schon die Bezeichnung ´Piratengesetz´ ist fragwürdig, weil die Fragmente Passagen aufweisen, die sich mit dem Primärziel einer Piratenbekämpfung nicht in Verbindung bringen lassen (z.B. werden administrative Fragen zur Provinz Macedonia behandelt). Der Piraterie ist also nur ein - wenn auch bedeutsamer - Teilbereich des Gesetzes gewidmet, und zwar in Form einer propagandistischen römischen Absichtserklärung zur Sicherung der Meere, die nicht an umfangreiche militärische Aktionen dachte, sondern vielmehr auf einer defensiven Grundhaltung und dem Bewahren des Status quo bezüglich provinzieller Einflußnahme beruhte. Zu diesem Zweck waren aber präventive Maßnahmen erforderlich, unter denen die Einrichtung der Provinz Cilicia als unbestritten wichtigste fungierte.
Bei der eigentlichen Bekämpfung bzw. Abwehr der Seeräuber wollte Rom keineswegs selbst aktiv werden, vielmehr überließ es den größten Teil der Arbeit seinen socii, wobei den in der Funktion als Seepolizei sehr effizienten hellenistischen Inselstaaten eine besondere Rolle zukam. Es mußte zwar aufgrund seiner Patronatspflicht gegenüber den östlichen Klientelstaaten handeln - deshalb auch die propagierte ´Sicherheit der Meere für Rom und seine Bundesgenossen´, beschränkte sich aber auf defensive Maßnahmen, was auch ein Verbot an die Statthalter Makedoniens und Asiens, die Provinzen zu gleich welchem Zweck zu verlassen, deutlich zeigt. Rom strebte durch das Gesetz also auch eine rechtliche Einschränkung der teilweise ungesetzlichen Vorgehensweisen der publicani und Statthalter und eine Sicherheitsgewähr für die socii an, den Piraten ihren sozioökonomischen Nährboden zu entziehen und die lokalen staatlichen Ordnungsmächte wieder zu stärken.
So haben die meisten Passagen des Gesetzes also eher einen zurückhaltenden, passiven Charakter, eine umfassende Strategie zur Bekämpfung der Seeräuber lag nicht in der Intention des Gesetzgebers, vielmehr dürfte es ein Teil der römischen Bestrebungen gewesen sein, im Osten ein weitgehend stabiles und teilweise selbsttragendes System zu schaffen, daß die politischen und ökonomischen Ressourcen Roms weitgehend schonen sollte. Diese Maßnahmen resultierten aus den mit wechselhaftem Erfolg geführten und fiskalische Lücken reißenden Kriegen der direkt vorangegangenen Zeit - und somit der Notwendigkeit eines stabilen Provinzsystems im Osten zur steuerlichen Deckung dieser finanziellen Einbußen - und den Bedenken der herrschenden Aristokratie bezüglich weiterer Expansionsunternehmungen in Verbindung mit evtl. großen und längeren Kommanden einzelner Feldherren, die nach der Heeresreform des Marius über eine enge Truppenloyalität mitsamt einem daraus entstehenden Machtpotential verfügten. Aufgrund dieser Einstellung verwundert es dann auch nicht, daß die lex de piratis - obzwar wohl nie formell außer Kraft gesetzt - gänzlich wirkungslos blieb. Gleichfalls darf man den innenpolitischen Hintergrund des Gesetzes nicht außer Acht lassen. Das Jahr 100 hatte sich für populare Strömungen als fataler Mißerfolg erwiesen, Saturninus und Glaucia waren, da sie mit großer Volksunterstützung eine sofortige Wiederwahl erreichen und somit gegen die Verfassung verstoßen wollten, aufgrund eines senatus consultum ultimum von Marius verhaftet und hingerichtet worden, der durch dieses Vorgehen gegen seine ehemaligen Verbündeten jede Glaubwürdigkeit verloren hatte und innenpolitisch am Ende war. Daß das wohl von dieser Fraktion initiierte Piratengesetz wirkungslos blieb, zeigt, daß es ein Gesetz allein für die Person des Marius war, denn ansonsten wäre es unverständlich, weshalb ein Kommando gegen die Seeräuber nicht an einen anderen Befehlshaber vergeben wurde.

 
 



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