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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Ceija stojkas "wir leben im verborgenen" im vergleich zu karl stojkas "auf der ganzen welt zu hause"



7. 1. Funktion des Schreibens- Schreibbeginn

Die beiden Geschwister Ceija und Karl Stojka begannen aus unterschiedlichen Gründen ihre beiden Werke zu schreiben. Ceija war es, die mit ihrem Buch das Schweigen über ihre Vergangenheit nicht mehr akzeptieren wollte. Sie wollte mit jemandem darüber reden und sie sagte im Interview mit Karin Berger: "Es war aber niemand da, der mir zugehört hätte, und - Papier ist geduldig." Aber auch in einem Gespräch mit Christa Stippinger erklärte sie: " Ich schreibe, weil ich niemanden habe, mit dem ich reden kann, wenn mich etwas bewegt. Die Kinder willst du nicht belasten. Der Mann hat auch keine Geduld, will das auch gar nicht hören. Ein Blatt und ein Bleistift sind aber geduldig." Scheiben war fürCeija einen ungewohnte Tätigkeit, da ihr als Rom der Schulbesuch während der NS- Zeit verboten worden war. Sie ging zwar nach dem Krieg in eine Schule und konnte zumindest die Grundbegriffe des Schreibens und Lesens lernen, doch das Scheiben bereitete ihr dennoch Probleme. Sie selbst erzählte uns, daß sie dem Verlag die Originalnotitzen nicht geben wollte, da so viele Fehler drinnen waren. Mit der Zeit schossen ihr dann jedoch die Erinnerungen nur so heraus , und die Blätter in der Küchenlade wurden immer mehr . Anerkennung oder Unterstützung hatte sie keine. Ihr Mann- wie bereits erwähnt- hatte kein Verständnis dafür, und auch von ihrem Bruder Karl kamen keine aufbauenden Worte: Denn als sie ihm ein Blatt zum Lesen gab, sagte er nur: "Geh, das Gekritzel, schmeiß' weg." Daher blieben ihre Memoiren vorerst weiter in der Küchenlade. Den Grund für diese Reaktion ihres Bruders glaubt Ceija in der Eifersucht zu finden, daß sie vor ihm zu schreiben begonnen hatte. Ceija sagt, daß sie nicht für die Öffentlichkeit , sondern für sich selbst geschrieben hat. "Und wenn ich einmal meine Augen zumache: für meine Kinder. Ich hab' nie gedacht, daß es an die Öffentlichkeit kommt." Daß es aber dann so ein "Bestseller" wurde, glaube ich, war der ausschlaggebende Grund für Karls Schreibbeginn. Sein Werk erschien vier Jahre nach Ceijas Buch - nämlich 1994. Ich bin auch der Meinung, daß er es nicht ertragen konnte, zu sehen, wie seine kleine Schwester plötzlich durch ihre Memoiren im Rampenlicht stand. Er, der ja die selbe Erfahrung wie seine Schwester machen mußte, war nicht zuerst auf die Idee gekommen, diese niederzuschreiben! Das bestätigte mir auch Ceija persönlich in unserem Interview: Sie, die "kleine Frau hat mit der Welt zu tun, gibt die Hand den Höchsten und redet mit ihnen." Dies konnte Karl, der sich immer in den Mittelpunkt drängen möchte, nicht verkraften.
Karl Stojka selbst jedoch, nennt in seinem Buch andere Beweggründe für seinen Schreibbeginn: Daß es heute immer noch Ausschreitungen gegenüber Zigeunern gibt, macht ihn sehr traurig, und er meint, daß sie auch in Österreich vor der Auslöschung stehen:

"Einst waren die Zigeuner die Sterne am Firmament Europas, isoliert zwar, aber verbunden durch das gemeinsame Licht, das sie ausstrahlten, haben sie die Nacht erhellt. Hitler hat die Sterne vom Himmel geholt, hat sie weggewischt in seinen Konzentrationslagern und hat den Himmel der Zigeuner verdunkelt. Die wenigen, die übergeblieben sind, sind nun zu weit voneinander entfernt, das Licht verbindet sie nun nicht mehr miteinander, und langsam verlöschen auch sie."

Aber auch die moderne Zeit setzt der Zigeunerkultur ein Ende. Bald werden nur mehr "Karikaturen übrig sein, die geigenden Zigeuner in den Lokalen, die den Touristen vorspielen, wie es nie gewesen ist.Und die Touristen werden nie begreifen, was es einst hieß, ein stolzer Zigeuner zu sein." Daher möchte Karl mit seinem Werk versuchen, diese Zeit des Umbruch zu beschreiben - all das, was er in den letzten 60 Jahren erlebt hat.




7. 2. Handlungs- und Erzählzusammenhang

Ceijas Buch "Wir leben im Verborgenen" ist eine KZ- Autobiographie. Hier steht die Zeit während der NS- Herrschaft- der Zeit der Verfolgung- im Mittelpunkt der Erzählung. Die Vorgeschichte, die die Ereignisse ab 1939- also die Zeit vor ihrer Inhaftierung- schildert, ist äußerst knapp gehalten und bietet nach der Beschreibung ihrer Familie einen kurzen Einblick in die Situation bevor ihr Vater verhaftet wurde.
Der Hauptteil ihrer Erinnerungen stammt aus dem Alltagsleben in den verschiedenen KZs. Hier beschreibt sie die grausamen Bedingungen und ihre Erlebnisse in den Lagern Auschwitz- Birkenau, Ravensbrück und Bergen- Belsen in chronologischer Reihenfolge. Aber auch auf die Zeit nach der Befreiung durch die Alliierten kommt Ceija kurz zu sprechen. Dabei steht vor allem das Wiedersehen mit den, in den Lagern getrennten, Geschwistern im Vordergrund.
Umrahmt werden Ceijas Erinnerungen durch ein Vorwort der Herausgeberin Karin Berger zu Beginn und durch ein Interview mit Ceija am Ende des Buches. Im Vorwort schildert Karin Berger ihre Beweggründe für die Herausgabe dieses Buches; sie erzählt von Ceija, deren Schreibbeginn, von der Situation der Roma zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und deren Probleme heute. Den Schluß bildet dann ein Gespräch von Karin Berger mit Ceija Stojka. Hier berichtet die Roma- Angehörige über ihre Kindheit, ihre Eltern, über die Zeit im KZ und über die Zeit danach. Dabei kommt sie auch auf das Bild der Zigeuner zu sprechen und auf die "Wiedergutmachung" durch den Staat. Dieses "Eingebettet- sein" von Ceijas Erzählung in das Werk der Herausgeberin, verdeutlicht meiner Meinung nach Ceijas Aussage, daß sie das Buch nicht für die Öffentlichkeit schreib und damit nie alleine zu einem Verlag gegangen wäre.
Karl Stojka hingegen präsentiert sein Werk ohne Herausgeber. Jedoch nicht ganz ohne Hilfe, da auch ein Co- Autor aufscheint, auf den jedoch nicht weiter eingegangen wird und dessen Rolle ungeklärt bleibt. Im Vorwort spricht Karl über seine Schreibmotivation und über die Zeit des Umbruches der Zigeunerkultur. Danach schildert er seine Erlebnisse aus der Zeit, in der er mit seiner Frau und seinen Kindern in Amerika unterwegs war. Dabei blickt er in Rückblenden auf seine Geburt, seine Kindheit, auf die Aufenthalte in den KZs, den Todesmarsch und auf das Leben nach der Befreiung zurück. Er erzählt von den Ereignissen der letzten 60 Jahren, wie er es im Vorwort bereits ankündigt. "Die 17 Kapitel sind kurz gehalten, die einzelnen Erzählungen vordergründig situationsgebunden, und dennoch zieht sich ein dünner Faden durchs ganze Werk, gebildet durch ein splitterhaftes Aufzeigen von Elementen der Romakultur. Die groben Teile dieses "Puzzles" bilden das Leben des Karl Stojkas als Händler mit Stoffen und Teppichen [...]"
Daher kann man einen Bericht aus der Sicht eines zurückblickenden Erwachsenen vorfinden, der jedoch auch manchmal kindliche Erlebnisse und Eindrücke schildert.
Ceija hingegen erzählt ihre Geschichte nicht aus der Perspektive eines Erwachsenen, sondern aus der eines Kindes, das erlebt, beobachtet und beschreibt. Es bedeutet für sie ein Wiedererleben und ein Sichzurückversetzen.
Durch diese beiden Erzählperspektiven unterscheiden sich die Werke der beiden Geschwister gänzlich.




7. 3. Eigenart der Sprache

Entsprechend der gewählten kindlichen Perspektive, hat Ceija auch die kindliche Sprache in ihrem Werk verwendet. "Die Sätze sind kurz und einfach strukturiert, die Wahl der Wörter unterstreicht die kindliche Tendenz" . Wenn Ceija zum Beispiel von ihrer Mutter spricht, zu der sie ja eine ziemlich enge Beziehung hatte, so nennt sie sie neben "meine / unsere Mutter" auch einfach liebevoll "meine Mama"- wie ein Kind, das sehr an seiner Mutter hängt. Kennzeichnend sind auch "der wiederholte Stimmungswechsel und die Gabe, Kleinigkeiten schön bzw. "herrlich" zu finden.
Die Erzählung ist auch nicht völlig ident mit der Wirklichkeit. In ihrem Werk steht nicht die Vermittlung von Fakten im Vordergrund, sondern die Vermittlung von persönlichen Einstellungen. Man hat das Gefühl, daß es sich um eine Erzählung handelt, in der sie all ihre persönlichen Eindrücke und Erinnerungen - v.a. die, die sie als Kind wahrgenommen hat- eingebaut hat. Dennoch kann man an manchen Stellen einen Wechsel der Perspektiven feststellen. Wenn sie berichtet: "Die kleinen Kinder weinten, wir hatten ja kaum etwas an" , dann wechselt sie im Satz von der rückblickenden Erwachsenenperspektive, in die eines erlebenden Kindes. So versucht sie die Erinnerung aus der Sicht eines Erwachsenen einerseits, mit ihren alten Empfindungen, die sie damals als Kind hatte, andererseits, zu verknüpfen.
Ceija kam sich nicht nur klein vor, weil sie noch ein Kind war, sondern auch weil sie als Rom- Zigeunerin, genauso wie alle andere, machtlos gegenüber der NS war. Das sieht man sehr deutlich in der Schilderung über die Großrazzien der SS- Leute: "Sie drückten unsere kleine Tür ein, rissen uns aus den Betten und hielten uns ihre Leuchtbatterien in die Gesichter." Die Beschreibung "unsere kleine Tür", drückt meiner Meinung nach ihre Macht- und Hilflosigkeit aus, ihren Eindruck, daß sie keinen Schutz mehr hatten gegen all die Attacken durch die SS-Leute. Obwohl sie in dieser Zeit sehr viel Leid miterleben mußte, fehlt in ihrem Werk- aber auch in ihren Aussagen bei Interviews- jegliche Aggressivität. Dennoch bietet sie eine schonungslose Berichterstattung über den Alltag in den Konzentrationslagern, die jedem Leser "unter die Haut" gehen muß. Auch in unserem Interview mit ihr sagte sie zu uns: "[...] -ich bin nicht einmal auf Hitler böse, weil ich sage, er war ein Narr: er hat seine eigenen Menschen vernichtet. Er muß ein Irrer gewesen sein! Er hat Kinder an die Front geschickt!" Diese Einstellung kann man auch in ihrem Buch "Wir leben im Verborgenen" wiederfinden, wo sie immer wieder versucht, das brutale Verhalten der Aufseher und Aufseherinnen zu begründen und zu entschuldigen. So zum Beispiel auch bei ihrem Bericht über ihre Ankunft im Frauenlager Ravensbrück: "Die Aufseherin war schon ziemlich ungeduldig, es war ja ziemlich spät." Bei ihren kindlichen Beobachtungen versucht Ceija auch immer wieder vergeblich vom Äußeren eines Menschen innere Werte abzuleiten. Für sie war es unverständlich, wie so schöne Frauen- wie sie die Wärterinnen beschreibt- überhaupt kein Herz haben konnten.
Sich selbst und die anderen Häftlinge, vergleicht sie oft mit Tieren. Bei ihrer Ankunft im Lager Auschwitz beschreibt sie die Insassen dort als "Menschen, die wie Tiere aussahen, dürr, geisterhaft [...]"
Bezüglich ihrer Sprache ist auch auffallend, daß sie Gebete, Ausrufe usw. in ihrem Buch immer zuerst auf Romanes schreibt und erst danach die deutsche Übersetzung in Klammer hinzufügt. Dabei sind es meist die emotionalem Ausrufe und Aufforderungen der Mutter, die sie auf diese Art und Weise "getreu" wiedergibt und an die sie sich heute noch erinnert.
In ihrem Buch ist auch ein Lied abgedruckt, das im Lager Auschwitz entstanden ist. Dieses Lied, das allerdings auf deutsch geschrieben ist, drückt die Gefühle, Ängste und Stimmungen der Insassen aus- all das, was sie sonst nie zeigen durften, denn es mußte immer nach außen hin den Anschein haben, daß es allen gut geht.
Obwohl sich Ceija noch genau an Aussprüche, Lieder usw. aus dieser Zeit erinnert, erinnert sie sich nicht an genaue Datumsangaben , bzw. will sie sich nicht daran erinnern. In ihrer Biographie fehlen jegliche Zeitangaben, da sie für sie nicht wichtig waren. Im Interview mit Christa Stippiner erklärt sie: "Die vier Jahreszeiten sind unser Kalender gewesen"
Karl hingegen spart nicht mit genauen Zahlen-, Datum- und Ortsangaben. Er erinnert sich noch genau an Zahlen, die bei Ceija nicht erwähnt werden, und an Gassennamen, z. B. an die Paletzgasse, wo sich seine Mutter vor der Verhaftung bei Ceijas Taufpatin versteckt hat. Ich habe das Gefühl, daß er ein Präzessionsmensch ist, der immer alles perfekt und genau machen möchte. Bei ihm fehlt auch diese kindliche Tendenz, die wir bei seiner Schwester finden und er verzichtet auf Formulierungen wie "meine Mama" usw.
Aber auch bei der Formulierung der Erzählung drückt sich Karl etwas gewählter als Ceija aus - so als wollte er sie mit seinem Werk überbieten. Er verwendet zwar ebenfalls eher kurze und einfach gebaute Sätze, die jedoch sachlicher und stilistisch besser geschrieben sind. So etwa schreibt er zum Beispiel über den Transport nach Auschwitz: "Ich kann also sagen, ich bin 2. Klasse auf dem Weg in die Hölle auf Erden gebracht worden." Ceija verzichtet auf solche überschwenglichen Formulierungen. Sie schreibt nur darüber, daß sie in einen Waggon hineingepreßt wurden. Aber auch Karl kann sich an die Aussprüche und Gebete der Mutter, und die seines Bruders auf Romanes erinnern, und man findet diese auch in seinem Buch wieder- natürlich mit Übersetzung danach. Dadurch behält das Buch auch noch die Ähnlichkeit zu einer mündlichen Erzählung, wie es auch bei seiner Schwester der Fall ist.
Für mich war sein Buch jedoch viel schockierender als das von Ceija, da er detailgenau von den Grausamkeiten der NS- Leute berichtet. So schildert er zum Beispiel die Exekution eines Häftlings auf dem Todesmarsch folgendermaßen: "Der SS-Soldat trat hinter ihn, legte ihm die Mündung des Gewehres an den Kopf und schoß. Aus dem Loch schoß eine Blutfontäne, zuerst 25 Zentimeter hoch, ich konnte den Blick nicht abwenden, dann wurde sie immer weniger, 15 Zentimeter, zehn Zentimeter, fünf Zentimeter und dann nur noch leises Getropfe [...]". Darauf verzichtet Ceija, aber man hat dennoch einen genauen Eindruck, wie schrecklich das Leben im KZ gewesen sein muß.
Man findet auch in Karls Werk ein Lied, das die russischen Gefangenen in Buchenwald immer gesungen haben und das ihm heute noch in Erinnerung geblieben ist, aber auch ein Kochrezept seiner Mutter, das zum Nachkochen einlädt.
Fraglich ist natürlich, was in diesem Buch aus der Feder des Co- Autors Reinhard Pohanka stammt. Denn es scheint in keinem Teil des Buches auf, in welcher Weise er Karl Stojka geholfen hat. Er wird eigentlich nur auf dem Umschlag kurz erwähnt, wo man seinen Werdegang lesen kann. Ich persönlich vermute, daß Reinhard Pohanka Karls Erinnerungen für ihn zu Blatt brachte, da jener selbst bereits zahlreiche Bücher publiziert hatte, wie man es dem Umschlag entnehmen kann.



7. 4. Darstellung der eigenen Person

Über ihre eigne Person erfahren wir in Ceijas Buch eigentlich recht wenig. Sie erzählt hauptsächlich von den Menschen, die ihr am Wichtigsten waren- nämlich von ihrer Mutter und ihren Geschwister. Dabei hat man den Eindruck, daß sie ihren kleinen Bruder Ossi am meisten gemocht hat. Auch in ihrem Werk schreibt sie, daß sie - obwohl es verboten war- in die Krankenstation zu Ossi schlich. Als sie aber dann ein Wärter entdeckte, schlug er ihr auf den Kopf, doch das machte ihr nichts aus, denn ihr Schmerz, daß ihr geliebter Bruder gestorben war, war ja größer.
Über sich selbst sagt sie nur: "Die Angst machte mich zum Meister." - nämlich als sie, um die Selektion zu bestehen, mit einer viel zu großen Schaufel Schutt einschaufeln mußte. Diese Angst, so sagt sie, hat sie heute nicht mehr: "Meine Angst ist in Auschwitz geblieben, und in den Lagern." In all der schrecklichen Zeit, gab es immer wieder kurze Momente für sie, die sie wieder aufbauten. So zum Beispiel war es für sie ein herrliches und unvergeßliches Gefühl, als ihre Schwester in der Baracke einmal zu singen begann , oder als sie einmal kurz die Möglichkeit hatten, Tempelhüpfen zu spielen, vergaß sie für eine Weile ihr Elend.
Daß sie ein herzensguter Mensch ist, konnte sie auch unter Beweis stellen, als sie nach der Befreiung in Bergen- Belsen einem SS- Mann mit seiner Pistole über den Kopf hätte schlagen sollen. Sie aber schreibt: "Er zeigte es mir, aber ich konnte es nicht tun." Das zeigt auch, daß sie keine Aggressivität oder Haß verspürte, obwohl sie zuvor derart leiden hatte müssen.
Ich glaube, ihr Bruder Karl hätte in dieser Situation anders reagiert, da er heute noch mehr Haß empfindet als Ceija. Er schreibt zwar, daß er den Deutschen nicht böse ist , aber in seinen Aussagen spiegelt sich tiefer Haß wider, wie ich es selbst in einer Vorlesung erlebt habe.
Karl bezeichnet sich selbst als ein Produkt der Zwischenzeit, da er sowohl noch die alte Romakultur durch seine Eltern erleben durfte, aber dann nach dem Krieg dieses alte Leben gegen den Wohlstand eintauschte. Gänzlich konnte er sich jedoch an dieses neue Leben nicht gewöhnen, denn er erzählt: "Manchmal hat mich zwar noch der alte Geist gepackt, ich habe alles aufgegeben und bin mit Frau und Kindern ins Ungewisse aufgebrochen, habe alles zurückgelassen und dort neu angefangen, weil ich es nicht ausgehalten habe, so lange auf einem Platz zu sein."
Karl besitzt auch keinen Mangel an Selbstbewußtsein, da er sich das ganze Buch hindurch immer nur selbst rühmt und über sein Aussehen spricht. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Stelle, in der er von einer Bekanntschaft mit einer Deutschen in Florida berichtet, die mit ihrem Mann dort lebte. "Irgendwie hatte ich gemerkt, daß ich der alten Lady gefiel, was auch kein Wunder war, denn ich war wirklich ein schöner Mann damals. Ich hatte schwarze Haare und Locken, ich war braungebrannt von der Sonne Floridas, und dazu war ich noch von Natur aus braun, ein richtig fescher Zigeuner." Aber auch sonst streicht er immer seine wichtige Position heraus und er hält sich für irrsinnig wichtig, wie uns auch seine Schwester bestätigte. Er schreibt nämlich zum Beispiel über Auschwitz: "Trotzdem wären wir alle umgekommen, wenn ich nicht durch Zufall in die Kantine versetzt worden wäre." Ceija hingegen erwähnt nur, daß ihr Bruder in der Kantine arbeitete . Für sie war es die Mutter, die die wichtigste Überlebenshilfe darstellte. Karl ist aber fest davon überzeugt, daß er damals der "Held" war, denn er sagt: "Damals habe ich als Kind meine Familie durchgebracht, und meine Mutter hat später oft gesagt, wenn ich nicht gewesen wäre, hätte keiner überlebt."
Wir haben Ceija bei unserem Interview darauf angesprochen, und ihre Reaktion war folgende: "Das ist alles nicht richtig" . Sie erzählte uns außerdem, daß es einen gewissen Machtkampf zwischen Aussagen und Aussagen zwischen den beiden gibt und daß Karl lange gesagt hatte: "Meine kleine Schwester, die kann das gar nicht wissen- die war viel zu klein!"
So berichtet Karl zum Beispiel in seinem Buch, daß sein Vater nach Mauthausen gebracht wurde, während Ceija beweisen kann, daß er in Dachau gestorben ist. Dennoch aber beharrt Karl aber noch auf seiner Aussage.
Ceija schreibt in ihrem Buch nur sehr wenig über Karl. Sie berichtet hauptsächlich über ihren kleinen Bruder Ossi , den sie "unser kleiner Liebling Ossi" nennt, und über ihre Schwester Kathi. Aber auch bei Karl erfahren wir recht wenig über Ceija oder über seine Beziehung zu ihr und er erwähnt nur ihren Namen. Ossi dürfte auch für ihn sehr wichtig gewesen sein, denn abgesehen von seinem Bruder Hansi, mit dem er die Zeit im KZ verbrachte, kommt er auch auf ihn zu sprechen.
Der Grund, warum beide recht wenig über den anderen berichten, kann darin liegen, daß Karli und Hansi bereits nach Auschwitz vom Rest der Familie getrennt wurden. Ceija berichtet dann nur, daß sich ein ältere Mann um Karli und Hansi angenommen hat. Ceija gestand uns aber auch im Interview, daß sie schon immer ihre Probleme mit Karl hatte, weil er sich immer so wichtig vorkommt und immer im Mittelpunkt stehen möchte. Möglicherweise ist das der Grund, warum beide so wenig über einander berichten.




7. 5. Darstellung der Mutter

Ihre Mutter war für Ceija Vorbild, "Überlebensretterin", Hoffnungsschimmer und Schutz in dieser schrecklichen Zeit. Jede Minute ohne sie war schrecklich. Als die zum Beispiel in den Krankenblock mußte, schreibt Ceija:" Gott sei Lob und Dank kam unsere Mama wieder aus dem Krankenblock, nun waren wir nicht mehr so allein." Ihre Mutter war es auch, die immer das Essen für alle Kinder aufhob und gerecht verteilte- sie war daher in ihren Augen eine Überlebenshilfe: "Unsere Mutter organisierte immer von irgendwoher ein Stück Brot oder ein paar Kartoffel. Wir Kinder krochen immer in unsere Mutter. Ohne sie hätte ich kaum überlebt" , sagt Ceija heute über sie. Sie lehrte den Kindern, was sie den SS- Leuten bei Fragen zu antworten hatten, um sie vor Schlägen zu beschützen, und Ceija wußte, daß sie keinen Fehler machen durfte, da sonst ihre Mama darunter leiden hätte müssen. . Ihre Mutter sorgte auch stets für trockene Kleidung und gab Anweisungen für ihr Überleben. Sie sorgte nicht nur für ihre Familie, sondern sie nahm sich auch anderer Frauen an, die Hilfe benötigten, und sie teilte auch das Essen mit anderen Freundinnen und deren Kindern. Ceija bezeichnet ihre Mutter als "tapfere Frau" und als sehr "erfinderisch" . Sie erkläre uns im Interview: "Und für mich war meine Mama das äh... wenn sie mich mit ihre Augen angesehen hat, habe ich den Hunger und den Durst vergessen, weil es war jemand da, der ein Stück- ja mir gehört, wo ich Fleisch und Blut bin, ja."
Karl hingegen beschreibt seine Mutter immer nur in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter. Bei ihm fehlt, meiner Meinung nach, diese enge Bindung, die Ceija mit ihr hatte. Karl berichtet zum Beispiel nur, welche Probleme seine Mutter nach dem Seßhaftwerden hatte- nämlich daß sie nichts mit Herd und Ofen anfangen konnte und lieber vor dem Haus auf dem offenen Feuer gekocht hätte. Weiters betont er, daß sie bei ihrem Wiedersehen nach dem KZ kräftig auftischte, da er schreibt: "Und sie begann zu kochen, soweit es die wenigen Lebensmittel des Jahres 1946 in Wien zuließen."
Karl erklärt auch: "Bei den Roma besorgte die Frau das täglich notwendige Geld" , und ich glaube, daß er bis heute noch an dieses Rollenverteilungs- Schema glaubt. Daher ist es für ihn wichtig, daß seine Mutter kräftig aufgetischt hat usw. Er sagt von ihr auch: "Meine Mutter war, wie man auf Romanes sagt: Harniko, fleißig." Aber auch ihre Religiosität ist für ihn erwähnenswert. Von der kurzen Zeit im KZ mit ihr berichtet er aber auch, daß er sich mit seinen Geschwistern nicht von der Pritsche herunter traute, wenn sie gerade arbeiten mußte und so nicht bei ihnen sein konnte. Und als Ossi krank wurde, war sie es, die ihn in die Krankenbaracke brachte. Außerdem rettete sie sein und Ceijas Leben, als sie den Wärtern bei einer Selektion erklärte, daß die beiden Zwerge wären.
Für beide Geschwister war die Mutter sehr wichtig, doch ich glaube Ceija hatte einfach ein engeres Verhältnis zu ihrer "Mama" als Karl. Ceija selbst erklärte uns, daß das möglicherweise an der Trennung in den KZs lag- als sie nicht mehr zusammen sein durften, da Männer und Frauen getrennt wurden. Damals stand Karl dann ohne seine Mutter da, während Ceija diese immer noch schutzbietend an ihrer Seite hatte.

7. 7. Darstellung des Vaters

Über ihren Vater erzählt Ceija nicht viel. Vielleicht deshalb, weil er bereits 1942 in Wien von der SS verhaftet und weggebracht wurde, da er ein Zigeuner war. An ihre Kindheit, die Reisen und das Herumziehen mit ihm kann sie sich aber noch gut erinnern. Besonders aber an den Tag, der für alle Kinder äußerst aufregend ist: "Ich erinnere mich noch an meinen ersten Schultag, mein Vater Wackar brachte mich dahin. Ich war mächtig stolz." Das ist die Sicht eines kleinen Mädchens, das- wie jedes andere- stolz auf seinen Vater ist. Sie bewunderte ihn auch, da er sehr geschickt war: Er machte nämlich aus alten Schuhen neue für seine Familie. "Mein Vater hat immer Sensationen hervorgebracht." , berichtet sie, als er ihr aus einem alten Sonnenschirm mit seinen eigenen Fingern einen "Sonnenrock" nähte. Mit diesem Rock wurde Ceija später verhaftet, jedoch er wurde ihr in Auschwitz abgenommen. Ihr Vater war zu diesem Zeitpunkt schon längst tot: Er starb im Alter von 33 Jahren in Dachau. Ihr Bruder Karl behauptet jedoch, er wäre in Mauthausen gestorben- so auch in seinem Buch. Im Interview mit Ceija hörten wir über den Aussagenkonflikt der beiden Geschwister: Obwohl Ceija eine Bestätigung fand, daß ihr Vater in Dachau ermordet wurde, behauptet Karl immer noch, er wäre in Mauthausen gestorben. Ceija dazu: "Ich als Schwester, bei Zigeuner also, da muß ich immer einen Schritt zurück sein, gell. Aber umgekehrt wollte ich mir auch meine Rechte nicht nehmen von ihm und meine Behauptung gelten lassen- was wahr ist, was stimmt, nicht." Über eine negative Erinnerung mit ihrem Vater erzählte sie uns im Interview: Als sie alle registriert wurden, stand Ceija mit ihrer Familie wartend am Gang. Da gab der Vater den Buben ein Stück Knackwurst, und Ceija ging leer aus, da nicht genug für alle da war. Sie sagte zu uns: " Wir waren alle sehr schnell wieder draußen. Aber ich habe die Wurst im ganzen KZ- Sein, mein Vater war schon tot, nie vergessen. ich hab' immer gesagt: 'Wenn mein Vater gelebt hätte, hätte ich ihn fragen können, warum er mir von dieser Wurst nicht auch ein Stückchen geben hätte können'".
Während Ceija hauptsächlich über die väterlichen Eigenschaften spricht, erfährt man in Karls Buch eher mehr über die Rechte und Sitten des Mannes bei den Zigeunern. Er schreibt, daß die Mutter die Familie ernähren mußte und daß der Vater erst dann Geld hergab, wenn zum Beispiel ein Pferd krank oder ein Rad gebrochen war- also erst, "wenn sie Familie in Not war" . Ich glaube, das ist für ihn selbstverständlich, da er sagt, daß es damals so üblich war: "Der Mann hat immer die Hosen angehabt und hatte das Sagen in der Familie. Ein Mann konnte durch seine Frau auch unrein werden. Wenn er zum Beispiel gesessen ist, und eine Frau ist über seine Füße gestiegen, so war er unrein und wurde für ein paar Tage von den anderen gemieden." Auch diese Roma-Sitte läßt er in seinem Werk völlig ohne Kommentar im Raum stehen. Ich glaube, daß diese alte Einstellung noch immer tief in ihm drinnen steckt und daß er sie nicht ablehnt.
Aber auch sein eigenes Handeln versucht er durch das seines Vaters zu rechtfertigen. Seine Mutter hatte ihm nämlich erzählt, daß sein Vater von Zeit zu Zeit all seine Rösser verkauft, sein bestes Gewand angezogen hatte und mit weißen Glacéhandschuhen im Wiener Nachtleben untergetaucht war. Die Mutter hatte dann immer besonders fleißig gearbeitet, da sie gewußt hatte: spätestens nach einer Woche kommt er pleite nach Hause. Sie hatte damals nie etwas gesagt, sondern ihm ihr bestes Essen vorgesetzt und ihm Geld für neue Pferde gegeben. Der Vater hatte sich dann immer geschämt, jedoch viel genützt hatte es nicht . Da das "Ausreißen" daher quasi in der Familie liegt, rechtfertigt Karl damit auch seine eigenen Ausbrüche aus dem zivilisierten Leben: Auch er hatte nämlich einmal seine Frau einfach verlassen und war- ohne ihr eine Nachricht zu hinterlassen- nach Lissabon gefahren, da ihn das Reisefieber gepackt hatte .
Über die Verhaftung seines Vaters weiß Karl noch, daß er einen Pepita- Anzug trug, als er ins Polizeigefängnis Rosauerlände gebracht wurde. Im sogenannten Zweier Landesgericht am Hernalser Gürtel versuchte er ihn noch einmal durch die Eisenstäbe zu küssen, jedoch diese waren zu dick. Das war auch das letzte Mal, daß er seinen Vater sah, bevor dieser starb.



7. 7. Darstellung der NS- Männer und Frauen

Ceija geht vor allem immer auf das Aussehen der Wärter und Wärterinnen ein. Wie bereits erwähnt, versucht sie immer vom Äußeren auf innere Werte zu schließen. So auch bei den Wärterinnen. So beschreibt sie zum Beispiel eine Aufseherin: "Sie war eine große, vollschlanke blonde, sehr elegante Frau, sehr streng und eiskalt. Ihre Haare waren kunstvoll zu einem Knoten hochgesteckt, sie hatte wunderschöne Lackstiefel an, ihre Mütze saß perfekt, es fehlte nichts an ihr." Da diese Frau so perfekt zu sein schien, konnte sich Ceija nicht vorstellen, wie eine so schöne Frau kein Herz haben konnte. Aber auch die SS- Männer beschreibt sie immer als "sehr groß und schlank" und sie spricht auch immer von ihren "hochpolierten Stiefeln" Als Kind war sie ja noch ziemlich klein und blickte daher bei den SS- Leuten immer zuerst auf diese Stiefel, die ihr heute noch in Erinnerung geblieben sind. Über die SS- Männer schreibt sie: "Die SS- Männer waren so arg, daß kein Tier so böse sein konnte, denn selbst das wildeste Tier wird einmal müde und gibt auf. Aber die SS konnte niemand müde machen." Die Frauen waren jedoch noch schlimmer als die Männer in Auschwitz, und Ceijas Mutter sagte einmal zu ihr: "Wir müssen aufpassen daß wir nicht auffallen, denn diese Aufseherinnen sind zu allem fähig." Ceija sagt auch, daß sie von den Wärterinnen den Eindruck hatte, daß es für sie das schlimmste war, die gleiche Luft mit den Gefangenen einzuatmen. Sie versucht aber auch immer die brutalen Aktionen der Wärter zu rechtfertigen, indem sie sagt, daß sie viel lieber bei ihrer Familie wären und daher ihren Zorn an den Häftlingen auslassen. Auf allzu genaue und vor allem schreckliche Schilderungen über brutale Folterungen oder Hinrichtungen verzichtet Ceija bewußt, da sie meint, daß sich jeder vorstellen kann, wie schrecklich diese Zeit war.
Karl hingegen schildert vor allem die Grausamkeiten, die Prügel und Ungerechtigkeiten der NS und deren Verhalten, da zum Beispiel jede auch noch so unbedeutende Bemerkung die Ursache für Prügel oder den Tod sein konnte. Er schreibt auch, daß die SS- Leute mit der Zeit immer grausamer wurden und die Zigeuner wie Vieh behandelten. Aber auch vor allem Menschen mit Tätowierungen verschwanden immer wieder.
Er berichtet auch von einem Österreicher namens Kurt, dem brutalsten Aufseher, der es besonders auf Kinder abgesehen hatte. Er schlug und prügelte sie immer, wenn er sie nur sah. Karl mußte ihm auch einmal in der Nacht in seinen Raum folgen. Dort mußte er seine Kleider ausziehen und sich drehen, während der Wärter wohl erregt war.
Aber auch er hat die selbe Meinung über die Wärterinnen wie Ceija: "Nach der Selektion in Auschwitz, durch die wir wie durch ein Wunder alle hindurchgekommen waren, wurden die Mutter und die Schwestern ins Frauen-KZ nach Ravensbrück gebracht. [...] Sie haben fürchterlich dort gelitten unter den Aufseherinnen, die vielleicht schlimmer waren als all die SS-Männer, die uns bewachten."
Karl bezeichnet die Nazis auch als "schlau", da die zuerst die Männer verhafteten und Frauen und Kinder zunächst in Ruhe ließen, da diese ihnen nicht so leicht davonlaufen hätten können. Über das Aussehen der Aufseher und SS-Leute berichtet er nichts. Ich glaube, für ihn scheint immer nur deren Verhalten erzählenswert, während sich Ceija auch mit deren Aussehen auseinandersetzt.




7. 8. Beschreibung der Situation im KZ

Für Ceija war vor allem der Zusammenhalt zwischen den Häftlingen sehr wichtig. Sie schreibt, daß es immer einen engen Zusammenhalt im KZ gab, um das Leid zu mindern- vor allem unter den Müttern, die stark zusammen hielten . So retteten alle Frauen unter anderem einem kleinen Buben das Leben, indem sie ihm Frauenkleidung anzogen, da er sonst als Bub in die Gaskammer gekommen wäre. Aber auch manche anderen Lagerinsassen waren nicht nur auf das eigene Überleben bedacht: So gab es zum Beispiel manchmal eine Weißrussin, die ihnen eine Kartoffel schenkte, oder die die Kartoffel so dick schälte, daß sich die Gefangenen mit der Schale stärken konnten. Daran kann sie sich heute noch beim Kartoffelschalen erinnern. Ceija fand auch einige Freundinnen: Tante Ria, die Blockälteste, der sie immer half, eine alte Polin, Resi, die an den Folgen ihrer Zwangssterilisation starb, und einige andere. Aber sie berichtet auch, daß sich ein älterer Mann- der auch Stojka hieß- nach der Trennung der Buben von der Mutter, um Karli und Hansi angenommen und als deren Großvater ausgegeben hatte.
Karl erwähnt das jedoch mit keinem Wort.
Ceija erzählt außerdem von der Weihnachtsfeier am 24.12.1944, die von der Lagerleitung für die Kinder veranstaltet wurde, wo alle "Stille Nacht" singen mußten, und von der grausamen Sterilisation, der sie jedoch durch Glück entkommen konnten.
Karl erklärt sowohl in seinem Buch, als auch bei seinen Vorträgen, daß es überhaupt keinen Zusammenhalt im KZ gab, daß jeder nur auf sein eigenes Überleben bedacht war und daß höchstens die Familien zusammenhielten. Er und sein Bruder Hansi hätten nur überlebt, da sie raffinierter als viele andere Kinder waren: "Wenn auf einer Pritsche ein alter ausgemergelter Mann saß und sein Brot in der Hand hielt, so sausten wir vorbei, einer gab ihm einen Stoß, der andere klaute ihm das Brot aus der Hand, und wir überlebten wieder einen Tag." Daß heißt, daß es keinen Zusammenhalt gab, sondern eher einen Kampf ums Überleben. Um auch an Essen und sonstiges zu gelangen, gab es sogar im Lager Tauschhandel und sogar so etwas wie Prostitution: "Frauen, die nichts zu tauschen hatten als ihren Körper, stellten sich manchmal an den elektrischen Zaun am Russenlager und hoben die Röcke und ließen sich von allen Seiten bewundern, dafür haben die Russen Zigaretten und Brot über den Zaun geworfen." Karl berichtet aber auch von Kannibalismus unter den Häftlingen: "[...] einmal hat ein Häftling versucht, an unserem Feuer ein Stück Fleisch zu rösten, von dem man sehen konnte, daß es Menschenfleisch war." Keiner sagte etwas darüber, und er selbst rechtfertigt es damit, daß jeder das Recht zu überleben hat.
Von vielen Freundschaften erwähnt er nichts. Nur sein Bruder und ein Freund namens Fredl halfen ihm auf dem fürchterlichen Todesmarsch, als er unter Durchfall litt und sie ihn beim Gehen stützten.

Wie man sieht, gibt es auch hier konträre Aussagen und unterschiedliche Ansichten über die Zeit, die die beiden Geschwister im KZ verbrachten. Klar ist, daß jeder diese schreckliche Zeit auf unterschiedliche Weise erlebte und in Erinnerung behielt. Es sind schließlich zwei verschiedene Menschen, die nur das selbe Schicksal teilen mußten. Ausschlaggebend für all diese Unterschiede im Stil, der Beschreibung von Situationen und Menschen ist sicher auch, daß Ceija eine Frau ist, während Karl sich als eitler und stolzer Rom zeigt.
Ceija sagte im Interview zu uns: "Hätte er früher [geschrieben], hätte ich keine Chance überhaupt, eine Aussage zu machen. Bei mir hat er alle Chancen: Ich bin eine Frau!" Ich persönlich muß auch sagen, daß sich auch die Persönlichkeit der beiden in ihren Werken widerspiegelt: Ceija, die kleine sympathische Schwester und der große, stolze, selbstsichere Bruder. Beide haben jedoch ein individuelles Werk geschaffen .

 
 

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