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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

40er jahre bis gegenwart



Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gründete Agnes v. Zahn-Harnack den Berliner Frauenbund und knüpfte so an die Traditionen der ersten Frauenbewegungen an. Sie prägte diesen überkonfessionellen Verein bis zu ihrem Tod im Jahr 1950 mit ihrem weitgefaßten Politikbegriff, der vom "Nähfaden bis zur Atombombe"(3) reichte. Gemessen an dieser Phase der Frauenpolitik gingen im Nachkriegs-Berlin in den folgenden Jahrzehnten kaum noch wesentliche politische Aktivitäten von den deutschen Frauenverbänden aus.

Erst mit dem Aufkommen der autonomen Frauenbewegung ab 1968 kam es zu neuen Denkanstößen. Ohne an die etablierten Frauenverbände anzuknüpfen, entstand die Neue Frauenbewegung in Auseinandersetzung mit der autoritären Studentenbewegung und den sozialliberalen Strömungen Ende der 60er Jahre. Als Frauen aus dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), dessen Hauptsitz neben Frankfurt am Main, Berlin war, im Januar 1968 den "Aktionsrat zur Befreiung der Frauen" gründeten, legten sie einen Grundstein für diese Bewegung. Anlaß dafür war der von Frauen im Umgang mit linken Männer erlebte Widerspruch, daß diese die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau zwar anklagten, sie jedoch im Privaten aufrechterhielten. Vor allem Mütter im "Aktionsrat" gründeten die ersten Kinderläden der Bundesrepublik und brachten somit eine emanzipatorische Erziehungsdiskussion in Gang. Die noch nicht in Frage gestellte Zugehörigkeit zur Neuen Linken erwies sich jedoch im nachhinein als eine fatale Abhängigkeit, die autonome Ansätze zunichte machte, vor allem als sich die Studentenbewegung immer mehr dogmatisierten. Die von Männern übernommene Denkmodelle und Schulungskonzepte verdrängten den konkreten Frauenalltag und führte zur Auflösung des "Aktionsrates", dessen Nachfolge nun der 1970 neugegründete "Sozialistische Frauenbund" beanspruchte.

Der eigentliche Beginn der Neuen Frauenbewegung war die Gründung eines autonomen
Frauenzentrums im Januar 1972 in Berlin. Die heute nicht mehr bestehende Einrichtung war zunächst Ausgangspunkt aller Initiativen und Projekte. Das Prinzip der Unabhängig-
keit in der Neuen Frauenbewegung besagt, daß jede Bevormundung durch Männer-organisationen sowie deren hierarchische Organisationsformen abgelehnt wurden. Aus-
gehend von der Maxime "Das Private ist politisch" entwickelte sich das Konzept von
Selbsterfahrung und Selbsthilfe zur politischen Strategie der autonomen Frauenbewegung.
Diese aus der amerikanischen Frauenbewegung übernommenen Selbsterfahrungsgruppen
("conscious-raising-groups"), waren anfangs bestimmend für die weitere Entwicklung von Frauenprojekten. In diesen Gruppen vollzog sich ein Lernprozeß, der sich an der gemein-samen Bewußtwerdung persönlicher und gesellschaftlicher Unterdrückungserfahrungen orientierte.

Von Anfang an begriffen sich die Frauen als Feministinnen. Dieser wiederum aus der amerikanischen Frauenbewegung stammende Begriff bedeutet eine neue Sicht der Gesell-schaft durch Frauen sowie das Suchen nach neuen Lebensformen im Befreiungsprozeß aus jeglicher Fremdbestimmung durch die Männer. Das Bewußtsein von der Existenz einer Neuen Frauenbewegung bildete sich jedoch nicht nur in der Auseinandersetzung mit der Männerherrschaft (Patriarchat) und dem Sexismus heraus, sondern zunächst vor allem durch die Massenkampagne für die Streichung des § 218 des Strafgesetzbuches (Verbot der Abtreibung). Die Aktivitäten zu diesem Thema waren der erste massive Frauenprotest in der Nachkriegsgeschichte in ganz Deutschland.

Seit 1972 organisierte das Frauenzentrum zahlreiche Demonstrationen und Aktionen gegen den § 218. Im Verlaufe dieser Kampagne wurde erstmals Gewalt in Familie, Ehe, in den Beziehungen der Geschlechter überhaupt radikal in Frage gestellt und öffentlich gemacht. Gleichzeitig waren diese Thematisierung von Gewalt der Ursprung einer Vielzahl von Selbsthilfeprojekten. Mitte der 70er Jahre entstanden in Deutschland als weitere Aktivitäten der Neuen Frauenbewegung Frauenkulturinitiativen. Dazu gehörten Buchläden, Frauenverlage, Frauencafès und -kneipen und die erste Frauenrockband "Flying Lesbians". Nicht nur in diesen, auch in anderen bedeutenden Frauenprojekten spielten die lesbischen Frauen eine besondere Rolle. 1976 wurden in Berlin Courage, neben "Emma" die zweite überregionale Zeitschrift mit feministischen Anspruch in Berlin gegründet. 1984 stellte sie ihr Erscheinen ein; ihre Funktion als Frauenmitteilungsblatt und Diskussionsforum führen die Publikation "Blattgold" und seit 1979 das Hörfunkmagazin "Zeitpunkte" beim SFB fort. Das Magazin "Zeitpunkte" war zu dieser Zeit das einzig öffentlich-rechtliches, welches von Frauen in eigener Verantwortung produziert wird.

In den 80er Jahren hat sich in Berlin ein weiteres Gebiet der Neuen Frauenbewegung etabliert: die Frauenbildungsbewegung. Ausgangspunkt waren zunächst die Universitäten mit der Herausbildung einer neuen Frauenforschung. Ihr zentrales Anliegen war es, unter
"weiblichen Blickwinkel" das Geschlechterverhältnis als neue soziale Kategorie zu unter-suchen. Der anfängliche Schwerpunkt feministischer Frauenforschung in der Sozial-, Erziehungs- und Kulturwissenschaften erweiterte sich auf Natruwissenschaften und Tech-nik mit Netzwerken von Wissenschaftlerinnen. Die Humbolt-Universität ist seit 1990 bemüht, soziologische Frauenforschung als Aufarbeitungen der eigenen Vergangenheit zu etablieren. Neue Frauenbildungsinitiativen entstanden auch seit Mitte der 70er Jahre an allen Berliner Volkshochschulen. Zentrales Ziel einzelner Feministinnen war dabei, auch nicht-akademische Frauen in Gesprächskreisen und Frauenforen mit diesem breiten Themen-spektrum vertraut zu machen. Diese Aufgaben wird u.a. vom 1978 eröffneten FFBIZ (Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrum) und dem Frauen-kulturzentrum "Begine" wahrgenommen.

Heute kennzeichnet die Frauenbewegung in Deutschland ein umfangreiches Netzwerk zwischen Frauen in den verschiedenen Arbeitsbereichen: Erwachsenenbildung, Frauen-
forschung, Kunst, Literatur und den Medien. Dabei ist es zu einer Annäherung an die
traditionellen Frauenbewegung gekommen. Ein historischer Annäherungsversuch war die
"Erste Berliner Frauenkonferenz der traditionellen Frauenverbände und autonomen Frauengruppen" in Berlin im September 1977. Die traditionellen Gruppen übernahmen feministischen Gedankengut und Formen feministischer Praxis, während die autonomen ein Verhältnis zu Institutionen gewannen, die sie zuvor ignorierten.
Aus dieser Annäherung resultierte 1987 die Gründung der "Frauenaktion", ein informeller Zusammenschluß von Frauen aus traditionellen Frauenverbänden, Gewerkschaften und autonomen Frauenprojekten. Die Veränderung im Verhältnis zu den gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen bei der Neuen Frauenbewegung stand auch im Zusammenhang mit einer zunehmenden Proffessionalisierung ihrer Arbeit. Mitarbeiterinnen in autonomen Projekten streben jetzt eine öffentliche Finanzierung an und versuchen dabei gleichzeitig ihre Unabhängigkeit zu wahren und mit ihrem frauenpolitischen Engagement eine be-friedigende Berufsperspektive zu verbinden. Die dem Feminismus verpflichtete Frauenbewegung ist heute in Deutschland durch verschiedene weltanschauliche Strömungen und Positionen gekennzeichnet. Gemeinsam ist ihnen aber das Eintreten für die Interessen der Frauen, der Kampf gegen den Sexismus und für die Abschaffung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Mit der Ökologie- und Friedensbewegung zu Beginn der 80er Jahre kamen neue Aspekte in die Frauenbewegung: u.a. Kritik an Technokratie, Genmanipulation, dem Umgang mit der Natur, dem atomaren Wettrüsten und dem männlichen Fortschrittsbegriff.

Letztlich hat die Frauenbewegung, die wesentliche Impulse aus der Entwicklung Berlins bekam, bundesweit ihre Wirkungsweise in staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen fortgesetzt. Die erneuerten Gleichberechtigungsdiskussionen, der Frauenförderplan, Frauenbeauftragte und der Quotierungsbeschluß der Sozial-demokratischen Partei Deutschlands (SPD) im August 1988 sowie das Landesanti-diskriminierungsgesetz von 1991 wären ohne sie nicht denkbar.


Emanzipatorische, soziale Bewegungen gab es in der DDR kaum. Die führende Partei, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), und die Regierung erklärten seit 1965, gemäß der marxistisch-lenistischen Ideologie, die Frauenfrage für gelöst. Die gesell-schaftliche Gleichberechtigung der Frauen wurde über ihre Eingliederung in den Produktionsprozeß definiert - und wohl auch weitgehend akzeptiert. Ein Bewußtsein von Diskriminierung von Frauen konnte sich öffentlich ebensowenig entwickeln wie eine eigenständige Frauenkultur. Seit Anfang der 80er Jahre gab es in einigen Kirchen-gemeinden Ost-Berlins und der DDR oppositionelle Frauengruppen. Die offizielle Interessenvertretung oblag hingegen dem SED-nahen, als "Transmissionsriemen" fungierenden Demokratischen Frauenbund Deutschland (DFD). So erklärt sich, daß keine originären Formen der Zusammenarbeit von Frauen entstehen konnten. Die nach dem Fall der Mauer, insbesonders nach der ersten freien Volkskammerwahl entstandenen Frauenprojekte zeichnen sich bisher dadurch aus, daß sie sich weder der traditionellen noch der Neuen Frauenbewegung verpflichtet fühlen. Die Anregung zu eigenständiger Frauenarbeit in Projekten und Initiativen ging im Dezember von einer Frauenversammlung in der Freien Volksbühne aus. Aus der Enttäuschung über die Unmöglichkeit, am Runden Tisch und in den neuen Parteien die eigenen Interessen zu vertreten, wuchs der Wille, selbst Frauenarbeit zu leisten. Am 17.02.1992 erfolgte daraufhin die Gründung des Unabhängigen Frauenverbands (UVV), der ideologisch der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) und dem ehemaligen DFD des alten DDR - Systems sehr nahe steht. Der UVV wurde aus Finanzierungsgründen bald in einen eingetragenen Verein umge-wandelt und organisierte sich von Berlin aus auch in den neuen Bundesländern.

 
 

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