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geographie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Berge

Moral hazard





A. Einführung 1. Was ist moral hazard?
Moral hazard wird meistens mit "moralische Wagnisse" übersetzt. Auch moral hazard beruht auf ungleicher Verteilung von Informationen. Buchanan definiert moral hazard so: "Moral hazard is every deviation from correct human behavior that may pose a problem for an insurer." Da diese Definition nicht aussagt, was unter "korrektem menschlichem Verhalten" zu verstehen ist, ist sie sehr allgemein. Genauer definiert Schumann: "Damit ist gemeint, daß Versicherte den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführen oder geringe Sorgfalt in der Vermeidung des Versicherungsrisikos walten lassen."
Noch präziser ist die Definition von Nell: Moral hazard nennt er "... versicherungsindu¬zierte Verhaltensänderungen von Versicherungsnehmern, die dann und nur dann auftreten, wenn der Versicherer das Verhalten des Versicherungsnehmers und das exogene Risiko nicht getrennt beobachten kann."
Das bedeutet: Während der Versicherte sein Risiko kennt, ist für die Versicherung die "Sorgfältigkeit" eines Individuums nicht meßbar, d.h. die Versicherung kann nicht hinreichend zwischen objektivem (="exogenem") Risiko einer Beschädigung und fahrlässigem Verhalten unterscheiden. Deckt sie das gesamte Risiko ab, erleiden Versicherte keinen Schaden, wenn sie sich nachlässig verhalten. Da Sorgfalt Geld oder Zeit kostet, werden rationale Individuen nach Abschluß einer Versicherung ihr Verhalten ändern und mit ihrem Eigentum weniger sorgfältig umgehen. Da Versicherte ihre Sorgfalt nach Abschluß der Versicherung einschränken, erhöhen sie damit die Wahrscheinlichkeit, daß ein Schadensfall auftritt. Sie befinden sich in einer Situation des moral hazards.
2. Beispiele für Moral hazard
In einem Dorf mit 100 Hausbesitzern beträgt der Wert jedes Hauses 100.000 DM. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Haus innerhalb einer Periode abbrennt und dadurch völlig zerstört wird, ist 1%. Die Bewohner kennen die Wahrscheinlichkeit, wissen aber nicht, welches Haus als nächstes zerstört wird.
Ein Hausbesitzer wird bereit sein, 1000 DM (100.000 DM*0,01) in eine gemeinsame Kasse zu bezahlen, um denjenigen, dessen Haus zerstört wurde, zu entschädigen. So geht der Verlust im Brandfall auf 1000 DM zurück (die Zahlung in die Gemeinschaftskasse).
Eine Firma zur Brandbekämpfung macht einem Hauseigentümer jetzt ein Angebot: Durch Schutzmaßnahmen wird die Wahrscheinlichkeit des Feuers von 1% auf 0,5% reduziert. Ohne Versicherung wäre dem Hauseigentümer das Angebot mindestens 500 DM wert (100.000 DM*0,005).
Ist der Hausbesitzer versichert, sinkt seine Zahlungsbereitschaft auf 5 DM (1000 DM*0,005), denn falls ein Haus abbrennt, zahlt er ja nur die Versicherungsprämie von 1000 DM. Sein Interesse an Feuerschutzmaßnahmen ist gesunken; der Hauseigentümer hat weniger Anreiz, auf sein Eigentum zu achten, als wenn keine Versicherung bestünde. Nach Abschluß der Versicherung ändert sich sein Verhalten.
Versicherungen können auch dazu führen, daß die Nachfrage der Versicherten nach dem versicherten Gut ansteigt. Beispiel Krankenversicherung: Ohne Versicherung hat jedes Individuum eine bestimmte Nachfrage nach ärztlichen Leistungen. Bezahlt nun eine Versicherung alle Kosten, so bezahlt der Versicherte -neben der Versicherungsprämie- nichts mehr. Als Folge dieser Verbilligung werden mehr oder teurere Leistungen nachgefragt; ist das Angebot starr, so steigen die Preise.
In den USA fiel bei Krankenversicherungen der Anteil der Selbstbeteiligung zwischen 1950 und 1974 von 35% auf 10%. In dieser Zeit stieg der Konsumentenpreisindex um 122%, der Preisindex für medizinische Leistungen dagegen um 700%.
Auch in Betrieben finden sich Situationen des moral hazard. Eine Aktiengesellschaft besteht vereinfacht aus Kapitalgebern und Management. Die Interessen beider Gruppen sind möglicherweise nicht gleich: Ziel der Eigentümer ist eine hohe Verzinsung ihres Kapitals, d.h. ein hoher Gewinn. Das Management verfolgt neben der Erzielung eines hohen Gewinns eventuell noch eigene Ziele wie teure Reisen auf Firmenkosten, teure Firmenwagen und andere persönliche Vergünstigungen.
Diese Vergünstigungen schmälern den Gewinn der Unternehmung, erhöhen aber den Nutzen des Managers. Besitzt der Manager Aktien der Unternehmung, etwa 1% des Wertes der Firma, dann verringert sich sein Gewinn nur um einen Pfennig, wenn er eine Mark für persönliche Vergünstigungen ausgibt.
Arbeiter haben bei Einstellungsgesprächen Anreiz, ihre Leistungen überzubewerten, um eingestellt zu werden. Im Arbeitsleben wird ihre Leistungsbereitschaft sinken, da Arbeitseinsatz negativ in ihre Nutzenfunktion eingeht. Nach Vertragsschluß ändern sie also ihr Verhalten und schaden damit dem Unternehmen (auch als shirking ("Drückebergerei") bezeichnet).
B. Mikrotheoretische Überlegungen

1. Der Modellrahmen
In diesem Abschnitt wird in enger Anlehnung an Nell (1993) formal und graphisch untersucht, wie eine Versicherung das Verhalten des Versicherten beeinflußt.
Ein risikoaverses Wirtschaftssubjekt steht vor der Entscheidung, sich gegen ein bestimmtes Risiko versichern zu lassen. Der erwartete Nutzen bestimmt sich nach dem Bernoulli-Kriterium, nach dem für verschiedene Umweltzustände eine "Nutzenfunktion für die Konsequenzen" zwischengeschaltet wird:
E[U(x)] = p1*U(x1) + p2*U(x2) + p3*U(x3) + ...
Zu Beginn der Periode besitzt das Individuum ein Vermögen w; mit einer Wahrscheinlichkeit p kommt es während der Periode zu einem Schaden in Höhe von D. Durch präventive Maßnahmen kann das Wirtschaftssubjekt die Höhe des Schadens beeinflussen, nicht aber die Schadenswahrscheinlichkeit p. Diese präventiven Maßnahmen (etwa vorsichtige Fahrweise) können bewertet werden durch ein "Maß für das Schadensverhütungsniveau" s. Nicht möglich ist es, die Schadenshöhe auf Null zu setzen. Die präventiven Maßnahmen sind für das Wirtschaftssubjekt mit Kosten c verbunden.
Unterstellt wird eine abnehmende Grenzwirkung der Schadensverhütung, D=D(s) mit D´(s) < 0 und D´´(s) > 0, sowie steigende Grenzkosten der Schadensverhütung, c=c(s) mit c´(s) > 0 und c´´(s) > 0.

2. Ohne Versicherungsmöglichkeit
Beim optimalen Maß an Schadensverhütung wird das Wirtschaftssubjekt den erwarteten Nutzen seines Vermögens am Ende der Periode maximieren:
maxs E(u) = (1-p)*U[w - c(s)] + p*U[w - D(s) - c(s)]
Ableiten ergibt die Bedingung erster Ordnung für das optimale Schadensverhütungsniveau:

mit U1 = U[w-c(s)] und U2 = U[w-D(s)-c(s)].
So ergibt sich das Maß für die optimale Schadensverhütung zu:


Gleichung 1
Im Optimum der Schadensverhütung entsprechen die Grenzkosten dem Grenzertrag der Schadensverhütung. Der Grenzertrag der Schadensverhütung ist dabei die marginale Verringerung der Schadenshöhe, gewichtet mit der Schadenswahrscheinlichkeit.
Mit steigendem Grad der Risikoaversion steigt der Grenzertrag der Schadensverhütung (ausgedrückt durch die Bernoulli-Nutzenfunktion). Daher wird ein Wirtschaftssubjekt um so mehr präventive Maßnahmen ergreifen, je risikoscheuer es ist.
3. Mit Versicherungsmöglichkeit
Die Risikosituation kann im Modell mit Versicherung auf zwei Weisen beeinflußt werden: Das Wirtschaftssubjekt kann neben der Höhe seiner eigenen Schadensvorsorge über die nachgefragte Menge an Versicherungsschutz entscheiden.
 sei der Deckungsgrad der Versicherung, d.h. derjenige Teil des Schadens, der durch die Versicherung abgedeckt ist; 1- der Selbstbehalt des Versicherten (etwa Selbstkostenbeteilung bei der Vollkaskoversicherung). Annahmegemäß kann der Versicherer das Verhalten des Versicherungsnehmers beobachten und verlangt eine Versicherungsprämie, die proportional ist zum erwarteten Schaden. Sie beträgt q**p*D, wobei q einen Zuschlag darstellt, um die Betriebskosten des Versicherers zu decken.
Das Maximierungskalkül des Wirtschaftssubjektes wird damit zu:
maxs,  E(u) = (1-p)*U[w - pqD(s) - c(s)] + pU[w - pqD(s) - (1-)D(s) - c(s)]
Die beiden Bedingungen erster Ordnung für eine innere Lösung sind:


Gleichung 2
mit U3 = U[w - pqD(s) - c(s)] und U4 = U[w - pqD(s) - (1-)D(s) - c(s)].
Die optimale Schadensverhütung ergibt sich aus Gleichung 2/(1) zu:


Gleichung 3
Berücksichtigt man, daß aus Gleichung 2/(2) folgt:

Gleichung 4
so läßt sich Gleichung 3 vereinfachen zu:


Dies ist gleich:
c´(s)=-pqD´(s)

Gleichung 5
Im Optimum sind die Grenzkosten der Schadensverhütung gleich der marginalen Änderung der Versicherungsprämie (die wiederum ja proportional war zum erwarteten Schaden). Dies ist unabhängig vom Grad der Risikoscheu, da die individuelle Nutzenfunktion nicht als Argument auftritt. Graphisch läßt sich Gleichung 5 so darstellen:

Abbildung 1: Grenzkosten und Grenzertrag der Schadensverhütung
Die Grenzkosten der Schadensverhütung steigen mit zunehmender Sorgfalt. Mit zunehmender Sorgfalt sinkt aber auch die Schadenswahrscheinlichkeit und damit auch die Versicherungsprämie. Das optimale Maß der Schadensverhütung ist dann durch den Schnittpunkt bestimmt.
4. Vergleich der optimalen Schadensverhütung mit und ohne Versicherung
Im vorigen Abschnitt zeigte sich, daß der Grad der Risikoaversion keinen Einfluß auf die Schadensverhütung ausübt, wenn Versicherungsschutz nachgefragt wird. Ohne Versicherung steigen die Ausgaben für präventive Maßnahmen, je risikoscheuer das Wirtschaftssubjekt ist. Jetzt soll gezeigt werden, daß Versicherungsschutz zu einer Verringerung der Schadensverhütung führt, mithin zu moral hazard.
Damit das der Fall ist, muß gelten:

Dafür läßt sich -unter Berücksichtigung von Gleichung 4- schreiben:

Umformen ergibt folgende Bedingung:

Gleichung 6
U1 bzw. U3 ist der Nutzen im Nicht-Schadensfall, U2 bzw. U4 der Nutzen im Schadensfall (jeweils ohne und mit Versicherung). "U1 muß größer sein als U3, da ohne Versicherung auch keine Versicherungsprämie gezahlt wird und U4 ist größer als U2, da Versicherung zu einer verbesserten Vermögensposition im Schadensfall führt." Gleichung 6 ist damit für konkave Nutzenfunktionen immer erfüllt.
Das bedeutet: Der Grenzertrag präventiver Maßnahmen ist ohne Versicherung höher als mit Versicherung. Deshalb betreibt ein versichertes Wirtschaftssubjekt c.p. weniger Schadensverhütung als ein unversichertes. Graphisch läßt sich dies so verdeutlichen:

Abbildung 2: Die Höhe der optimale Schadensverhütung mit und ohne Versicherungsschutz
Da die Möglichkeit der Versicherung den Grenzertrag präventiver Maßnahmen senkt, sinkt auch das optimale Maß an Schadensverhütung. Ein risikoaverses Wirtschaftssubjekt zieht einen höheren Grenznutzen aus der Schadensvorsorge, deshalb würde es ohne Versicherung noch mehr Schadensverhütung betreiben als ein risikoneutrales.
Damit ist gezeigt, daß in diesem Modell das Vorhandensein von Versicherungsschutz Änderungen im Verhalten der Wirtschaftssubjekte impliziert. Ihre Maßnahmen zur Schadensverhütung nehmen ab, d.h. sie haben Anreiz, nach Vertragsschluß ihr Verhalten zu ändern und damit Anreiz zum moral hazard.
Allokativ ist diese versicherungsinduzierte Verringerung der Schadensverhütung in diesem Modellrahmen positiv zu beurteilen: Der Versicherer kann ja (gemäß Annahme) die Schadensverhütungsaktivitäten beobachten und bei der Prämiengestaltung berücksichtigen. Er steht also der Verringerung an Schutzmaßnahmen indifferent gegenüber. Der Versicherungsnehmer dagegen verbessert sich durch die Verringerung an Schadensverhütung. Daher führt die Verringerung zu einer Pareto-Verbesserung.
C. Der Unterschied zwischen moral hazard und adverse selection

1. Was ist adverse selection?
Am Beispiel des Losverkäufers (siehe Informationsasymmetrie) läßt sich demonstrieren, wie adverse selection (=Negativauslese) wirkt: Weiß ein potentieller Loskäufer, daß ihm nur noch Nieten angeboten werden, dann wird er kein Los kaufen. Der Absatz dieser Lotterielose wird auf Null zurückgehen und das Geschäft verschwinden.
"Klassisches Beispiel" für adverse Selektion ist der Markt für Gebrauchtwagen. Durch den Prozeß der Selbstauslese kann die Qualität der angebotenen Wagen negativ beeinflußt werden.
2. Unterschiede beim Selektionsmechanismus
Bei moral hazard und adverse selection verhindert Informationsasymmetrie, daß beide Marktparteien sachliche Präferenzen bilden können. Beidemal erscheint das Warenangebot homogen, obwohl tatsächlich unterschiedliche Qualitäten auftreten. Moral hazard und adverse selection sind zwei "verwandte" Phänomene, was sich z.B. bei freiwilligen Versicherungen zeigt, etwa der Unfallversicherung: Sind die Prämien hoch, dann lassen sich nur Personen mit hohem Risiko versichern. Es findet also eine Negativauslese statt. In einer zweiten Phase, nach Vertragsschluß, haben sie zusätzlich Anreiz, ihr Verhalten zu ändern und so das Versicherungsrisiko weiter zu erhöhen: Das wäre dann ein moralisches Wagnis.
Beide Phänomene unterscheiden sich im Selektionsmechanismus: Kennzeichnend für moral hazard ist, daß erst nach dem Vertragsabschluß Anreiz besteht, das Verhalten zu ändern und damit die Qualität der Leistung negativ zu beeinflussen. Im Unterschied dazu steht bei adverse selection bereits bei Vertragsabschluß die Qualität der Leistung fest, die negative Auslese findet also vor Vertragsschluß statt.

 
 



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