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geographie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Ein vergleich des betrieblichen vor¬schlags¬wesens mit kaizen



In diesem Kapitel wird das Betriebliche Vorschlagswesen mit KAIZEN verglichen.
Da es sich beim BVW um eine Einrichtung handelt und bei KAIZEN in erster Linie um ein Unternehmungsleitbild, muß erst eine geeignete Vergleichsbasis gefunden werden. Zu die-sem Zweck wurden Unterscheidungsmerkmale aufgestellt, die in
Tabelle 4.1 aufgeführt sind. Diese Unterscheidungsmerkmale werden im folgenden Di-mensionen genannt. Anhand dieser Dimensionen wird ein Vergleich möglich. Die Ta-belle enthält neben den Dimensionen die Ausprägungen beim BVW und bei KAIZEN. Eine kurze Diskussion der Dimensionen und deren Ausprägungen schließt sich an die Ta-belle an.

ART DES FORTSCHRITTS
Während der Westen bei Innovationen sehr stark ist, ist Japan bei kontinuierlichen Ver¬besserungen überlegen. Dies zeigt sich auch darin, daß das japanische Vorschlagswesen gegenüber dem europäischen um etwa den Faktor 200 produktiver ist. Hinter KAIZEN steht die Idee, daß viele "kleine" Vorschläge einen größeren Nutzen für die Unternehmung haben, als wenige "große" Verbesserungsvorschläge. Neben der Innovation muß sich daher der Fortschritt einer Unternehmung auch auf die kontinuierliche Verbesserung stützen, zu-mal es bereits zum Erhalt des Status quo schon Anstrengungen in Form von kontinuier¬-
lichen Verbesserungen bedarf.
Entgegen der kontinuierlichen Verbesserung bei KAIZEN zielt das BVW primär auf quali-tativ hochwertige Verbesserungsvorschläge ab. Vorschläge, die nur einen geringen Nutzen für die Unternehmung haben, werden durch das System nicht erfaßt.


Dimension BVW KAIZEN
Art des Fortschritts Innovationsschübe durch wenige "gute" Vorschläge kleine kontinuierliche Verbesse-rungen durch viele "kleine" Vor-schläge
Ausrichtung ergebnisorientiert prozeßorientiert
Realisierungsdauer der Vorschläge lang kurz
Prämien hoch; es dauert lange bis sie ausgezahlt werden niedrig; schnelle Auszahlung der Prämien
Standardisierung nebensächlich Einhaltung ist Grundlage für Ver-besserungen
Bedingungen für die Prämierung von Vor-schlägen klar und eng definiert kaum begrenzt
Organisation Verwaltung, Bürokratie; wenig Partizipation; zentrale Entscheidungsfindung unbürokratisch; hohe Partizipation; dezentrale Entscheidungsfindung

Information;
Kommunikation zentralisiert, geheim; kaum Kommunikation, kanalisiert dezentralisiert, offen, wichtig ist die Visualisierung; rege Kommunika-tion, unbürokratisch
Ziele der Mitarbeiter individuell und egoistisch; Menschenbild nach
Theorie X unternehmungsbezogen und ge-meinschaftlich; Menschenbild nach Theorie Y
Beschäftigungs-politisches Modell unsicher, fluktuierend ("hire & fire"); Spezialisten, geringe Qualifikation, stationärer Per-sonaleinsatz, informelle Gruppen, wenig Gruppenar-beit sicher, stabil ("Human-ressourcenentwicklung"); General-isten, hohe Qualifikation, Rota-tionsmodell, organisierte Gruppen
Unternehmungs-leitbild nicht explizit explizit
Methoden und Werkzeuge keine, Lösungen werden eher zufällig gefunden arbeitet weitgehend methode-nunterstützt
Einführungsdauer kurzfristig langfristig
Erfolgschancen geringes Risiko mit relativ wenig Erfolg hohes Risiko mit relativ hohem Er-folg

Tabelle 4.1 Vergleich zwischen dem BVW und KAIZEN


AUSRICHTUNG
Anhand der Dimension "Ausrichtung" wird nachfolgend diskutiert, inwieweit das BVW und KAIZEN prozeß- bzw. ergebnisorientiert sind. Die theoretische Grundlage dazu wurde auf Seite 51 ff. gelegt.
Das BVW ist ergebnisorientiert. Dies zeigt sich beispielsweise in der starken Fokussierung auf die Qualität der Vorschläge. In der Praxis werden darunter häufig Rationalis-ierungsmaßnahmen verstanden, deren Einsparung berechenbar sind. Die Ergebnisorien-tierung zeigt sich auch darin, daß z. B. in Firmenzeitschriften im Zusammenhang mit dem BVW meistens nur "großartige" Verbesserungsvorschläge präsentiert werden. Dadurch werden bei den Mitarbeitern insofern Barrieren aufgebaut, als daß sie ihre Verbesserungs-vor¬schläge an den präsentierten Vorschlägen messen. Dies kann dazu führen, daß die Mi-tarbeiter ihre eigenen Vorschläge als zu geringfügig anzusehen und sich darum nicht am BVW beteiligen. In einer empirischen Studie nach WEHNER et al. sind weiterhin selten Verbesserungen von Verbesserungen bei der inhaltsanalytischen Auswertung von Verbesserungsvorschläge im Rahmen des BVWs gefunden worden. Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf die Ergebnisorientierung des BVWs. Die einmal erreichte Ver-besserung ist das erwünschte Ergebnis und nicht wieder Ausgangspunkt für neue Verbesse-rungen.
KAIZEN ist zwar auch ergebnis-, aber vor allem prozeßorientiert. Es erfolgt eine Konzen-tration auf die Prozesse, die zu einem Ergebnis führen. Diese Prozesse gilt es zu ver¬bessern, ehe verbesserte Ergebnisse erwartet werden können. KAIZEN setzt zudem ver-netztes Denken voraus und nicht nur ausschließlich lineares Denken, da die langfristig positiven Auswirkungen einer Verbesserung zu Beginn oft nicht erkennbar sind. Proze߬orientiertes und vernetztes Denken führt zu Verbesserungen in kleinen Schritten, und es erfordert Zeit, bis sich die Verbesserungen akkumulieren und erkennbar werden.

REALISIERUNGSDAUER DER VORSCHLÄGE
Die Realisierungsdauer der Vorschläge beim BVW ist im Vergleich zu KAIZEN länger. Dies liegt im wesentlichen an der komplexen Ablauforganisation mit einem hohen admin-istrativen Aufwand. In der Praxis treten bedingt durch den formalen Ablauf noch weitere Hemmnisse auf, die zur Verzögerung der Realisierung führen können. Zu nennen sind hier beispielsweise Rückfragen des Gutachters an den BVW-Beauftragten, wenn die Ano-nymität des Einreichers gewahrt werden muß.
Die Ablauforganisation und der administrative Aufwand ist bei KAIZEN wesentlich ger-inger. Eine Kommission im Sinne des BVWs ist nicht explizit vorgesehen. An Stelle eines BVW-Beauftragten tritt ein Koordinator für das personenorientierte KAIZEN. Dieser ist jedoch nur für die Rahmenbedingungen des Vorschlagswesens zuständig, nicht für jeden einzelnen Vorschlag. Die Verbesserungsvorschläge werden nach Möglichkeit direkt von dem zuständigen Vorgesetzten im Dialog mit dem Mitarbeiter bewertet oder von der Prob-lemlösungsgruppe entschieden. Die Entscheidungskompetenz wird damit an den Ort der Problemlösung verlagert. Die Möglichkeit, einen Verbesserungsvorschlag anonym einzureichen, widerspricht dem Gedanken von KAIZEN und ist nicht vorgesehen. Inner-halb von einem KAIZEN-Vorschlagswesen muß es den Mitarbeitern auch möglich sein, ihre Vorschläge selbst umsetzen zu können. Doch nicht nur die verkürzte Realisierungszeit von Verbesserungsvorschlägen spricht dafür, daß die Mitarbeiter ihre Ideen selbst umset-zen sollten. Wenn andere Personen ihre Verbesserungsvorschläge realisieren, dann entspricht die Umsetzung oft nicht dem, was sich die Mitarbeiter vorgestellt haben. Weiterhin wird durch die Realisation durch die Mitarbeiter vor Ort erreicht, daß eine in-terne Feedbackschleife gebildet wird. Die Mitarbeiter lernen im Sinne eines try-and-error-Prinzips die Auswirkungen ihres Handelns und ihrer Verbesserungen. Diese Erfah-rungen können wieder Grundlage für neue Verbesserungsideen sein.
Es gibt bereits Vorschlagssysteme, bei denen die Mitarbeiter nur noch über die Realis-ierung eines Verbesserungsvorschlages berichten. Die Firma Mettler-Toledo führte 1994 ein solches Berichtssystem mit großen Erfolg ein. Grundgedanke war dabei, daß überhaupt keine Verbesserungsvorschläge gewünscht sind sondern nur Meldungen von realisierten und bewährten Verbesserungen.

PRÄMIEN
Bei KAIZEN sind, im Vergleich zum BVW, die Prämien für einen einzelnen Vorschlag wesentlich geringer. Es werden jedoch auch geringwertige Vorschläge prämiert, die auf-grund der oft hohen Mindestprämie beim BVW nicht vorkommen. Eine hohe Mindest-prämie führt zu systemimmanenten Barrieren (vgl. Seite 32) und damit zu weniger Ver¬besserungsvorschlägen. Zudem haben bei einem KAIZEN-Vorschlagswesen die Mitar-beiter mehr Möglichkeiten Vorschläge einzureichen, da die Ausschlußkriterien für Ver¬besserungsvorschläge und deren Prämierung geringer sind.
Die Aussicht auf eine Prämie steht innerhalb von KAIZEN nicht an erster Stelle, um die Mitarbeiter zur Beteiligung am Vorschlagswesen anzuregen (vgl. Seite 61).
Das die Aussicht auf eine Prämie Menschen kreativ werden läßt, ist umstritten. SPRENGER schreibt dazu: "Was immer wir über die Quellen der Kreativität wissen: Von außen lassen sie sich niemals induzieren".
Durch die vereinfachte Ablauforganisation und durch die dezentrale Entscheidung über Annahme und Ablehnung von Verbesserungsvorschlägen werden zudem die Auszahlung der Prämien an die Mitarbeiter beschleunigt. Die Zeitdauer, bis Prämien an die Mitarbeiter ausbezahlt werden, ist beim BVW aufgrund des bürokratischen Ablaufs wesentlich länger.
STANDARDISIERUNG
Die Standardisierung und deren Notwendigkeit wurde auf Seite 53 f. erläutert.
Bei KAIZEN ist eine wichtige Aufgabe des Managements, darauf zu achten, daß alle Mi-tarbeiter nach den gleichen Standards arbeiten. Diese Standards stellen jedoch nur die Aus-gangslage dar, von der weitere Verbesserungen ausgehen.
Innerhalb des BVWs gibt es keine Betonung der Standardisierung. Nur in einigen Unternehmungen ist der BVW-Beauftragte, der Gutachter oder die BVW-Kommission für die Prüfung zuständig, ob ein Vorschlag auch in weiteren Bereichen eingeführt werden kann.
BEDINGUNGEN FÜR DIE PRÄMIERUNG VON VORSCHLÄGEN
Innerhalb des BVWs kann ein Mitarbeiter Verbesserungsvorschläge aus allen Bereichen der Unternehmung einreichen. Eine Prämierung erfolgt in der Regel jedoch nur für Ver¬besserungsvorschläge, die nicht zu seinem Aufgaben- und Verantwortungsbereich ge-hören. Ferner soll der Mitarbeiter nicht nur auf Probleme hinweisen, sondern er muß eine konkrete Lösung zu deren Behebung aufzeigen. Weiterhin sind in vielen Unternehmungen innerhalb des BVWs Sperrfristen für neu eingeführte Maschinen und Einrichtungen vorge-sehen. Eine empirische Studie nach WEHNER et al. zeigte, daß nach Ablauf dieser Frist die Anzahl der Verbesserungsvorschläge für diese Anlage sprunghaft zunahmen. Der sprunghafte Anstieg ist darauf zurückzuführen, daß Schwachstellen der Anlagen schon während der Implementierungsphase durch die Werker, Schlosser und Elektriker vor Ort erkannt, aber nicht kommuniziert werden. Bei KAIZEN wird jedoch darauf gedrängt, daß einmal erkannte Fehler sofort abgestellt werden. Dies sollte unmittelbar durch die Mitar-beiter vor Ort geschehen. Dadurch wird vermieden, daß bekannte Schwachstellen wochen- oder sogar monatelang nicht beseitigt werden.
Die Bedingungen für die Annahme von Vorschlägen sind bei KAIZEN weiterhin nicht so klar und eng definiert wie beim BVW. Die Verbesserungsvorschläge sollten den Zielen der Unternehmung entsprechen, zu einer Verbesserung im Sinne einer Lieferanten-Kunden-Beziehung beitragen und eine Änderung der bisherigen Arbeitsmethode beinhalten. Das personenorientierte KAIZEN ist jedoch auch ein Motivationsinstrument. Verbesserungs-vorschläge werden daher auch durchgeführt, wenn es dadurch zu verbesserten Arbeits-bedingungen für die Mitarbeiter kommt, auch wenn zunächst kein direkter Nutzen er-sichtlich ist.
Vorschläge aus dem eigenen Arbeits- und Verantwortungsbereich werden bei KAIZEN gefördert und bevorzugt. Die weitverbreitete Regelung beim BVW, daß Vorschläge aus dem eigenen Aufgabenbereich nicht prämiert werden, scheint den Versuch von Belegschaftsmitgliedern, die eigene Arbeitssphäre zu verbessern, von vornherein vereiteln zu wollen. Je weiter sich Mitarbeiter vom sicheren Terrain Ihrer eigenen Arbeitsauf-gaben entfernen, desto schwieriger wird es, Verbesserungen in die Praxis umzusetzen. Das liegt daran, daß sie anderen den Wert Ihrer Idee klarmachen müssen, und diese Aufgabe setzt voraus, daß Sie die Kunst der Überzeugung beherrschen.
ORGANISATION
Die Organisation beim BVW ist durch eine weitgehende Aufgabenteilung, zentralisierte Entscheidungen und durch einen formalen Ablauf, insbesondere bei den Kommunikations-wegen, gekennzeichnet. Das BVW spiegelt damit die tayloristische Aufgabenteilung und deren hierarchische Anordnung nach FAYOL wider. Wesentliche Funktionen wie beispielsweise die Begutachtung der Vorschläge, die Prämierung und die Realisierung wurde von den Aufgaben der Mitarbeitern und direkten Vorgesetzten getrennt. Positiv kann hier vermerkt werden, daß damit zumindest die organisatorische Voraussetzung geschaffen wurde, individuelles Know-how von den Mitarbeitern auf andere Organisation-seinheiten zu übertragen. Diese Aufgabe wird allerdings durch das heutige BVW nicht bezieh¬ungsweise nur unzureichend erfüllt.
KAIZEN bedarf im Gegensatz zum BVW einer expliziten Unternehmungskultur, welche die "Triebkraft" darstellt. Bei KAIZEN steht der unbürokratische Dialog innerhalb der Problemlösungsgruppe bzw. zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten im Mittelpunkt. Der formale Ablauf eines KAIZEN-Verbesserungswesens ist gegenüber dem BVW wesentlich einfacher, da weniger Personen bei der Prüfung und Umsetzung eines einzelnen Ver¬besserungsvorschlages beteiligt sind. Im Idealfall ist das nur der Mitarbeiter als Einreicher und sein direkter Vorgesetzter. Nach Möglichkeit sollte sogar die Realisierung durch den Mitarbeiter geschehen. KAIZEN hat zudem partizipative Elemente, da die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung eines Vorschlages so weit wie möglich "nach unten" ver-lagert wird. Die Entscheidungskompetenzen gelangen somit an den Ort der Problemlösung. Beim BVW erfolgt die Entscheidung über Realisierung und Prämierung eines Verbesse-rungsvorschlages zentral und fernab des Ortes der Verbesserung. Das geht sogar soweit, daß nur in Ausnahmefällen das Problem der Prämienhöhe vor Ort diskutiert wird. Die Mi-tarbeiter werden zudem auch bei der Realisierung von Verbesserungsvorschlägen selten mit einbezogen.
GOSHI vertritt die Meinung, daß Probleme zwischen dem Management und der Belegschaft im Westen eher im Rahmen von Verträgen und Abkommen, in Japan hingegen eher auf-grund gegenseitigem Vertrauen, Zusammengehörigkeitsgefühl und gegenseitigem Ver-ständnis gelöst werden. Die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern entwickelten sich in Japan im Laufe der Jahre aufgrund bewußt unternommener, ge-meinsamer Anstrengungen beider Seiten zur Lösung eines einzelnen Problems nach dem anderen. Sowohl die Belegschaft als auch das Management suchen viel mehr Überein-stimmung als Konfrontation, indem sie gegenseitig Probleme diskutieren. Die Organisa-tion, die KAIZEN ermöglicht, ist durch Vertrauen gekennzeichnet. Sie ist eine Ver-trauensorganisation.


















Abbildung 4.1 Mißtrauens- versus Vertrauensorganisation
Aus der Organisation des BVWs kann geschlossen werden, daß Mißtrauen das Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Management bestimmt. Beim BVW werden die Verbesserungs-vorschläge in der Regel direkt an den BVW-Beauftragten gerichtet, direkte Vorgesetzte werden dabei umgangen. Durch eine paritätisch besetzte Kommission, dem BVW-Beauftragten als Einspruchsstelle und durch eine umfangreiche, sehr formale Ablaufor-ganisation wird versucht, Probleme zu lösen bzw. nicht entstehen zu lassen. Dieser Inten-tion steht oft der betriebliche Alltag gegenüber. Gerade durch die Organisation des BVWs entstehen häufig Probleme und schließlich Mißtrauen. Daher entspricht die Organisation des BVWs eher der einer Mißtrauensorganisation. Abbildung 4.1 verdeutlicht die Unterschiede zwischen einer Vertrauens- und einer Mißtrauensorganisation.

INFORMATION UND KOMMUNIKATION
Informationen und die Kommunikation zwischen allen Beteiligten haben einen hohen Stel-lenwert bei KAIZEN. Damit KAIZEN erfolgreich sein kann, müssen Informationen jedem Mitarbeiter zugänglich gemacht werden. Sie stellen eine "Bringschuld" des Managements dar, keine "Holschuld" der Mitarbeiter. Wichtig ist, daß Informationen soweit wie möglich visualisiert werden, z. B. durch Stelltafeln, Ausstellungen in Verbesserungsecken und Pub-likationen. Informationen können sich durchaus auch nur auf einzelne Abteilungen oder Gruppen beziehen. Aktuelle Informationen können schnell und lokal auf Stelltafeln visual-isiert werden. Die Informationsverarbeitung erfolgt somit dezentral.
Beim BVW erfolgt die Information immer vom BVW-Beauftragten bzw. von der BVW-Abteilung aus. Das kann mittels schwarzer Bretter, Artikeln in Firmenzeitschriften oder Faltblättern erfolgen. Die Informationen sind meist ergebnisorientiert. Durch die zentrale Steuerung der Information erfolgt eine Vorfilterung der Informationen mit der Konsequenz, daß die Mitarbeiter nur die Information erhalten, die der BVW-Beauftragte anbietet.
Für KAIZEN ist die direkte Kommunikation wichtig für die Ideenfindung und -ausarbeit¬ung. Eine rege Kommunikation unterstützt den Informationsaustausch. Auf die direkten Vorgesetzten kommen besondere Aufgaben zu, da sie es sind, die im Dialog mit ihren Mi-tarbeitern Informationen weitergeben und diesen die Ziele der Unternehmung vermitteln müssen.
Im BVW gibt es keine oder kaum Ansätze für die Förderung der Kommunikation zwischen den Einreichern, Gutachtern, dem BVW-Beauftragten und sonstigen Mitarbeitern. Nur bei anonymen Verbesserungsvorschlägen hat der BVW-Beauftragte die Aufgabe, als Vermit-tler zwischen Einreicher, Gutachter und Kommission zu fungieren. Nach BUCK wirkt sich eine Anonymisierung des Einreichers zudem stark nachteilig auf die Beteiligungs¬quote aus. In seiner Erhebung lag die durchschnittliche Beteiligungsquote im BVW der be-trachteten Unternehmungen, die grundsätzlich Anonymität wahren, bei 9,2 %. Bei Betrie-blichen Vorschlagswesen, bei denen der Einreicher nicht anonymisiert wird, lag die durchschnittliche Beteiligungsquote bei 19,1 %.
ZIELE DER MITARBEITER
Zur Voraussetzung von KAIZEN gehört, daß die Ziele der Mitarbeiter mit denen der Unternehmung übereinstimmen. Das Management strebt daher eine Win-Win-Situation an. Sowohl die Mitarbeiter als auch die Unternehmung sollen von den Veränderungen profitieren. KAIZEN geht von einem Menschenbild aus, daß jeder Mensch Verbesserungen anstrebt und nicht nur auf Anreize oder Bestrafungen reagiert. Dieses Menschenbild läßt sich dem Menschenbild nach der Theorie Y von MC GREGOR zuordnen. Die Prämie spielt bei KAIZEN eine eher untergeordnete Rolle. Andere Aspekte, wie beispielsweise die Möglichkeit für jeden Mitarbeiter den eigenen Arbeitsplatz zu ver-bessern, stehen im Vordergrund (vgl. S. 61). In Japan werden die Mitarbeiter zudem in Form von Boni am Unternehmungsgewinn beteiligt und sind daher eher am gemein-schaftlichen Gesamtergebnis interessiert.
Die Ziele und Motive der Mitarbeiter, sich am BVW zu beteiligen, sind eher individueller Natur. In einer Studie von THOM gaben die Mitarbeiter folgende Rangordnung der Ziele an:
1. Arbeit erleichtern und sicherer machen
2. Geldprämie

3. Persönliche Anerkennung
4. Schöpferische Mitarbeit
Es ist wichtig festzuhalten, daß die Geldprämie auch beim BVW nicht das herausragende Ziel der Mitarbeiter ist. Das wird in der betrieblichen Praxis jedoch kaum zur Kenntnis ge-nommen.
Obgleich die gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen unterschiedlich sind, herrscht die Meinung vor, daß japanische Managementmethoden übernehmbar sind. Innerhalb des MIT-Berichtes schreibt WOMACK et al.: "Wir kümmern uns wenig um die besonderen Merkmale der japanischen Gesellschaft - die hohe Sparrate, die nahezu vollständige
Alphabetisierung, eine homogene Bevölkerung, die oft behauptete Neigung, persönliche Wünsche den Gruppeninteressen unterzuordnen, und die Bereitschaft, ja sogar der Wunsch, viele Stunden zu arbeiten. Manche Beobachter führen den japanischen Erfolg auf diese Merkmale zurück, aber wir glauben, daß sie von zweitrangiger Bedeutung sind". Auch IMAI erwähnt, daß viele japanische Managementtechniken erfolgreich sind, weil sie einfach gut sind. "Dieser Erfolg hat mit kulturellen Faktoren wenig zu tun". Und etwas später: "Meine Überzeugung, daß das KAIZEN-Konzept nicht nur für Japan, sondern auch für andere Länder gültig ist, gründet auf meiner Beobachtung, daß allen Menschen ein instink-tives Verlangen nach Selbstverbesserung innewohnt".
BESCHÄFTIGUNGSPOLITISCHES MODELL
Die MIT-Studie zeigte, daß Lean-Production-Organisationen hinsichtlich der Qualifika¬-
tion ihrer Humanressourcen besonders aufwendig sind.
Abbildung 4.2 zeigt in der dritten Zeile am Beispiel der japanischen Automobilproduzen-ten, daß japanische Firmen wesentlich mehr für die Qualifikation ihrer Mitarbeiter in-vestieren. Für KAIZEN bedarf es ebenfalls einer umfangreichen Qualifizierung der Mitar-beiter. Insbesondere die Gruppenarbeit und die Anwendung von Methoden und Werkzeugen setzt eine intensive Qualifizierung voraus. Im Sinne einer langfristigen Hu-manressourcenentwicklung werden die Mitarbeiter als das wichtigste Kapital einer Unternehmung betrachtet. Kernüberlegung dabei ist, daß der Mensch nicht als "Produk-tionsfaktor" zu behandeln ist, sondern als Quelle der Wertschöpfung, der Ideen, der Inno-vation und der sozialen Beziehungen in der Unternehmung und der Gesellschaft. Das Risiko der Humankapitalinvestitionen ist bei japanischen Firmen geringer durch die leben-slange Beschäftigung der Mitarbeiter. Dies ermöglicht eine sehr langfristige und teil-weise sogar lebenslange Entwicklung der Mitarbeiter.
Beim BVW hingegen sind keine besonderen Schulungsmaßnahmen vorgesehen. Die Einrichtung BVW ist eher dazu da, daß Mitarbeiter ihre Ideen vortragen können ("Es dür-fen keine Ideen versiegen"), als daß die Mitarbeiter gezielt dabei unterstützt werden. Eine Unternehmung verläßt sich damit vor allem auf die Spezialisten in den entsprechenden Ab-teilungen als auf die Mitarbeiter am Ort der Wertschöpfung. Vor dem Hintergrund eines kurz- oder höchstens mittelfristigen beschäftigungspolitischen Modells werden Qualifi¬-
zierungsmaßnahmen nur punktuell und bei unmittelbarem Bedarf durchgeführt. Durch eine
Abbildung 4.2 Vergleich zwischen japanischen, amerikanischen und europäischen Automobilproduzenten

hohe Qualifizierung würde der "Marktwert" des Mitarbeiters steigen und damit das Risiko für die Unternehmung, daß dieser zu einem anderen Unternehmen wechselt.
Die Ursache für die "innere Kündigung" von Mitarbeitern ist nicht in der Überforderung, sondern in der Unterforderung der Mitarbeiter zu suchen, bedingt durch die bisherige tayloristische Arbeitsteilung. Die Mitarbeiter im BVW sind meist Spezialisten in ihrem Arbeitsbereich und sind an ihren Arbeitsplatz gebunden. Es gibt in der Regel keine Job Ro-tation, was dazu führt, das die Mitarbeiter eine beschränkte Qualifikation besitzen. Dies führt dazu, daß ihnen das Wissen aus vor- und nachgelagerten Arbeitsbereichen fehlt, was wiederum eine schlechte Ausgangssituation für das Entwickeln von Verbesserungsvor-schläge ist. Die Gefahr, durch Verbesserungsvorschläge sich selbst oder den Arbeitsplatz von Kollegen überflüssig zu machen, ist eminent. Da die Mitarbeiter Spezialisten sind, kann das ihre Entlassung aus der Unternehmung bedeuten.
KAIZEN verlangt nach Generalisten. Dies setzt eine starke "Verflüssigung" von Berufen voraus, die sowohl mit der hiesigen Ausbildung als auch mit den beruflichen Erwart¬ungen kollidieren könnte. Die Mitarbeiter müssen hoch qualifiziert sein und proze߬orientiert, was durch die Job Rotation unterstützt, aber auch vorausgesetzt wird. Das erhöht letztlich auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes für jeden einzelnen Mitarbeiter, weil er bei einem wirtschaftlichen Abschwung oder aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen durch Ver-besserungsvorschläge eher versetzt werden kann und nicht entlassen werden muß.
Innerhalb des BVWs gibt es nur die informelle Gruppe als Einreichergemeinschaft. Sie erhält keine organisatorische Unterstützung durch das Management. Gruppenvorschläge sind relativ selten, da die Mitglieder einer solchen Gruppe organisatorisch nicht unterstützt werden und die Mitglieder sich die Prämie teilen müssen.
Problemlösungsgruppen werden bei KAIZEN hingegen organisatorisch unterstützt. Die Problemanalyse und -lösung in der Gruppe ist Teil des Aufgabenbereichs. Die Gruppen zeichnen sich durch eine klare Zielsetzung und methodisches Vorgehen aus.

UNTERNEHMUNGSLEITBILD
KAIZEN setzt eine explizite Unternehmungskultur voraus, die durch die Unternehmungss-trategie und organisationalem Verhalten beeinflußt wird. Um die Unternehmungskultur nachhaltig zu beeinflussen, muß das Unternehmungsleitbild daher jedem Mitarbeiter ver-traut sein. Es gibt ihm Unterstützung bei Entscheidungen und erzeugt ein "Wir-Gefühl" unter der Belegschaft.
Das BVW ist meist ein Bestandteil von vielen der Unternehmung und wird in der Regel nicht explizit vom Management unterstützt und gelebt. Zwar lebt jede Unternehmung ihre eigene Unternehmungskultur, aber dies erfolgt meist unbewußt. Gerade in Klein- und Mit-telbetrieben fehlt oft eine Definition und Festlegung eines Unternehmungsleitbildes durch das Management.
METHODEN UND WERKZEUGE
Bei KAIZEN werden Methoden und Werkzeuge zur Problemidentifikation, -bewertung und Problemlösung eingesetzt, insbesondere bei der Arbeit der Problemlösungsgruppen. Beim BVW hingegen finden solche Methoden keine Verwendung, es wird eher zufällig und nach dem "Gießkannenprinzip" vorgegangen.
EINFÜHRUNGSDAUER
Die Einführungsdauer eines Betrieblichen Vorschlagswesens richtet sich nach der Unternehmungsgröße. THOM weist auf einen durchschnittlichen Zeitraum von einem hal-ben Jahr hin. Die Einführungsdauer bezieht sich hierbei auf den Aufbau einer Organisa-tion und der Rahmenbedingungen.
Bei KAIZEN dauert es mindestens zwei Jahre bis es zu einer spürbaren Verbesserung der Leistungsfähigkeit einer Unternehmung kommt. Diese Zeit wird gebraucht, um die Mi-tarbeiter zu trainieren und einen Wandel in der Unternehmungskultur herbeizuführen.

ERFOLGSCHANCEN
Mit der Einführung eines BVWs geht die Unternehmung ein niedriges Risiko ein, da bei jedem akzeptierten und realisierten Vorschlag Einsparungen erzielt werden. Die Erfolgs¬chancen einer Einführung sind hoch, da die Mitarbeiter nun die Möglichkeit haben, ihre Ideen vorzutragen. Das Problem liegt mehr in der Aufrechterhaltung der Beteiligung der Mitarbeiter. Die durch die Organisation bedingte lange Bearbeitungsdauer der Ver¬besserungsvorschläge und durch die eingeschränkten Möglichkeiten der Anerkennung von Vorschlägen werden viele Mitarbeiter entmutigt.
Das Risiko der Einführung von KAIZEN ist im Vergleich zu der Einführung eines BVWs höher. Die Unternehmung geht das Risiko ein, daß das Vertrauen enttäuscht werden kann, welches die Mitarbeiter und das Management einbringen müssen. Es müssen wesentlich mehr Rahmenbedingungen geschaffen werden, als das beim BVW nötig ist. Dazu gehören die Qualifikation der Mitarbeiter, vertrauensbildende Maßnahmen und einen Wandel in der Organisationsstruktur.
In der Summe jedoch läßt ein richtig verstandenes KAIZEN einen wesentlich höheren, nicht nur finanziellen, Nutzen erwarten als das BVW. MINORU TOMINAGA, Unternehmens-berater in Düsseldorf, betont, daß in Japan etwa nur 10 Prozent der Unternehmungen KAIZEN praktizieren. Dies seien allerdings die großen und erfolgreichen, die einen Mark-tanteil von 90 Prozent repräsentieren.

 
 

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