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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Unerklärliches in "erlebnis des marschalls von bassompierre"


1. Drama
2. Liebe




Besonders Hofmannsthals Neigung zum offenen Schluss könnte vermuten lassen, er habe die Erzählung des Marschalls von Bassompierre, entstanden 1900, wegen der Unerklärbarkeit des Endes aufgegriffen. Hofmannsthal erzählt die Geschichte vom Erlebnis des Marschalls nach Goethes Vorlage aufs neue. Es handle sich aber nicht um eine bloße "Nacherzählung" des Textes; charakteristische Abweichungen von der Vorlage bezeugen eine eigene Intention.



Angesichts der Gliederung der Erzählung in sechs ungleich umfangreiche Teile lässt sich leicht erkennen, wo das Bedeutungszentrum für Hugo von Hofmannsthal liegt. Erzählt wird die Geschichte des Marschalls von Bassompierre, erfolgreicher Soldat am Hofe König Ludwigs XIII., der eine Beziehung zu einer schönen Krämerin anknüpft. Ein Rendezvous wird für den nächsten Tag vereinbart. Die Begegnung der beiden in einem der öffentlichen Häuser von Paris und die Schilderung der Liebesnacht nimmt so viel Raum ein wie die übrigen Teile zusammen. Zunächst ist Bassompierre nur oberflächlich betroffen. Obgleich er zweifellos fasziniert ist von der außergewöhnlichen Erscheinung der Krämerin, kann es ihm doch passieren, dass er sie "mit einer ganz anderen aus früherer Zeit verwechselte" . Mitten in der Nacht erwacht Bassompierre und erkennt erst jetzt, "wie groß und schön sie war" . Er sieht sie plötzlich mit anderen Augen, er sieht sie "zum ersten Male" . Ein unmerklicher grammatischer Wechsel zeigt die Änderung von Bassompierres Einstellung an. Wird bis dahin genau zwischen "sie" und "ich" unterschieden, so heißt es von nun an "wir" und "unser". Aber der nächste Morgen offenbart peinlich der "Vorsprung" an Gefühl, um den die Krämerin mit ihrer voll gereiften Liebe dem Marschall mit seiner frisch erwachten voraus ist. So kleinlich erscheinen Bassompierre auf einmal die Ausreden, durch die er sich anfangs verhindert glaubt, die Geliebte wiederzusehen und so wird ein neues Stelldichein für den folgenden Sonntag im Hause einer Tante verabredet.

Doch eine gewisse Unruhe zwingt Bassompierre schon in der folgenden Nacht, die schöne Krämerin wiedersehen zu wollen. Seine Leidenschaft hat nun endlich die ihre eingeholt, nun erst, nachdem es unwiderruflich zu spät ist. Denn seine Unruhe wird nur noch gesteigert, als er durch die Fensterläden ihres Hauses späht und einen Mann, offensichtlich den Mann der Krämerin, sieht. Er hatte sich diesen als einen "unförmlichen dicken Menschen oder als einen dürren gebrechlichen Alten" vorgestellt, erblickt aber zu seinem Erstaunen einen "ungewöhnlich großen und sehr gut gebauten Mann [...] mit einer Stirn von fast seltsamer Erhabenheit" . Bassompierre sieht aber nicht nur den Mann, der ihm die geliebte Frau entwendet hat, er bekommt auch einen Einblick in die Welt, in der sie zu Hause und aus der sie zu ihm gekommen ist, eine reinliche und gepflegte Welt. Anders als das fragwürdige Haus, in dem er ihr begegnet ist, anders auch als der zerstörte Raum, in dem er sie wiederfinden wird.

Die Geheimnisse werden von nun an nur noch vermehrt, nicht mehr erhellt und so sehnt Bassompierre voller Verwirrung den Tag des Wiedersehens entgegen. In seiner Verblendung erwartet er nichts als die Wiederholung der leidenschaftlichen Nacht und begibt sich ohne jede Vorahnung zu dem verabredeten Stelldichein. Zu seinem Erschrecken sieht er aber statt der schönen Geliebten die Leichen zweier anscheinend an der Pest verstorbener Menschen, von Totemwärtern umgeben, die das Bettstroh verbrennen. Dieses Bild sei gewissermaßen die "makabre Travestie der Liebesnacht seiner Erinnerung und seiner Erwartung" . Das Liebesgemach wurde zur Todeskammer, die die getrennten Gatten wieder vereint hat und den Liebhaber ausschließt. Taumelnd flieht der Marschall und reist am nächsten Tag nach Lothringen ab. Den letzten Abschnitt bilden zwei Sätze, in denen der Bassompierre berichtet, er habe nach seiner Rückkehr vergeblich versucht, etwas von dieser Frau zu erfahren.



Wiederum wird also von dem tödlichen Einbruch eines dunklen Schicksals in ein geordnetes Leben berichtet und erneut begegnen wir im "Erlebnis des Marschalls von Bassompierre" dieser Rätselhaftigkeit, dieser unerklärbaren Unruhe. Richard Alewyn hat das in eindrucksvoller Weise formuliert:



"Alles, was in dieser Geschichte geschieht, ist von Dunkel umgeben, dem Dunkel der Heimlichkeit in der ersten, dem Dunkel der Unheimlichkeit in der zweiten und dem Dunkel der Zweideutigkeit in der mittleren Nacht."



Wirkungsvoll verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass die Geschichte nicht durch einen allwissenden anonymen Erzähler berichtet wird, sondern von dem, der sie miterlebt hat und der daher auch nichts zu sagen weiß, als das, was er selbst gesehen oder gehört hat.

Liebe und Tod sind im Werk des jungen Hofmannsthal keine Feinde, sondern eng verwandt. Ob der Tod im "Erlebnis des Marschalls von Bassompierre" ein Liebestod ist oder eine Strafe, ob er nun schön oder grausig ist, das ist genauso wie die Tatsachen, anders als in der "Reitergeschichte", in Unsicherheit getaucht. Ohne Zweifel bleibt nur des Marschalls unbegreifliche Erfahrung, sein subjektives Erlebnis, nämlich



"die Leidenschaft einer ihm Fremden, die alles hingibt ohne ein anderes als die Stunde zu wollen, und daß er die, die er nach der seltsamen Vereinigung ersehnt, als eine Tote wiederfindet."



Die Pest wird zum Werkzeug des befremdlich großen Schicksals, das für die Liebenden nie eine Aussicht und für ihre unsägliche Beglückung keine Wiederholung hatte.






 
 



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