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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Tektonik und figurenkonstellation


1. Drama
2. Liebe

Frischs Roman kann grob in drei Teile unterschieden werden, welche sich noch je in mehrere Partien unterteilen. Der erste Teil findet vor der eigentlichen Handlung statt, Faber erzählt aus seiner Vergangenheit. Dazu zählen einzelne Abschnitte, wie die Liebe mit Hanna und die "Fast-Heirat" mit ihr (S.32/33), Fabers Studium an der ETH (Eidgenössisch Technische Hochschule) Zürich (S.33 oben), sowie die Heirat von Joachim und Hanna etwas später (S.56, 2. Absatz). Der zweite Abschnitt kann in sechs Partien eingeteilt werden: Zunächst der Flug Fabers in Richtung Caracas und die Notlandung in der Wüste (Anfang bis S.33), gefolgt von Fabers Entschluss, "[...] eine Dienstreise einfach zu ändern und einen privaten Umweg über Guatemala zu machen" (S.33, Partie 2 - Joachims Plantage und fortgeführte Dienstreise nach Caracas: S.33-57), seinem Kurzaufenthalt in New York mit seiner Geliebten Ivy (S.57-68), die Schiffsreise nach Europa und das Zusammentreffen mit Elisabeth (S.69-96), und abschließend die letzten beiden Partien (Europareise nach Athen mit Sabeth [S.100-123] und der Urlaubsaufenthalt in Athen mit dem sich anschließendem Tod von Elisabeth/Wiedersehen mit Hanna [S.125-161]Anfang ZWEITE STATION). Den dritten Teil wiederum kann man in drei Unterpartien gliedern: Der zweiten Reise nach Caracas, eingeschlossen ein Krankenhausaufenthalt, und dem kurzen Abstecher bei Herbert Hencke auf dessen Plantage (S. 161-172) folgt ein Aufenthalt in Kuba (S.172-182) und schließlich die Rückreise nach Europa/Athen über Düsseldorf (Videovorführung) und Zürich(Professor O. - Café) (S.185 bis Ende), wo sich ein weiterer Krankenhausaufenthalt anschließt.
Allgemein lässt sich zu Frischs Roman sagen, dass dieser in analytischer Form geschrieben ist, das heißt, dass die eigentliche Handlung vor seinem Beginn liegt.
Eine Besonderheit in Homo faber kommt der Vielzahl von Ellipsen zu (z.B. "Rauchen gestattet", S.8 oben; "Aufenthalt: 20 Minuten!", S.11 oben; "Der pfeifende Wind im Kamin - Wellenschäume - Einmal ein Frachter am Horizont - ", S.79 unten), man kann des Öfteren (den ganzen Roman durchziehend) eine Verkürzung des Syntaxes beobachten. Dabei kommt diesen elliptischen Sätzen oft kaum inhaltliche Bedeutung zu, jedoch sind Ellipsen Frischs am meisten verwendete rhetorische Figuren, es gibt kaum einen Abschnitt in seinem Roman, der "ellipsen-frei" ist. Die Tagebuchform kommt hierdurch verstärkt zum Ausdruck (Näheres zu Ellipsen: siehe 5. Stilfiguren). Auch sind diese elliptischen Gliedsätze meist völlig aus dem Zusammenhang gerissen und passen weniger gut in das Inhaltsgefüge (z.B. "[...] aber es blieb uns nichts anderes übrig, da auf unser Hupen und Pfeifen, oft genug wiederholt, keinerlei Antwort erfolgte -
Die Sonne stieg. Dann eine Gruppe von Indios, [...], die uns sagten, ihr Seňor sei tot.", S.54, 3. Absatz; __ = Kennzeichnung des Verfassers), sie werden einfach eingefügt, wie sie dem Tagebuchverfasser (Faber) seinen Eindrücken entsprechend in den Sinn kommen. Häufig kommt es zu verkomplizierten Satzkonstruktionen, dabei wird z.B. ein Attribut hinten an das Ende eines Satzes angehangen (z.B.: "Mister Lewin wurde geradezu amüsant, da er Wein nicht gewohnt war, und hatte plötzlich Mut genug, mit Sabeth zu tanzen, der Riesenkerl [...]", S.89 - 3. Absatz; Kennzeichnung des Verfassers; "Es war schwüler als je, moosig und moderig, [...]", S.42 - 3. Absatz; Kennzeichnung des Verfassers). Außerdem fällt ein teilweise originaler Sprachgebrauch Frischs auf. Besonders der Hang zu Anglizismen wird mehr als einmal deutlich, so nimmt Walter Faber in einer Bar "einen Drink" zu sich (S.11 oben) oder deutet während des Aufenthalts in der Wüste ironisch auf englisch an: "Hotel Super-Constellation, Holiday in Desert With All Accommodations!" (S. 24 oben), was soviel bedeutet wie, "'Flugzeughotel', Ferien in der Wüste mit allen Annehmlichkeiten". Ebenfalls in englischer Sprache verfasst sind die Ansprachen des Flugzeug- bzw. Flughafenpersonals ("Your Attention please", S.11 unten; "There is no danger at all", S.16 Mitte; "Please to the information desk!", S.13 - 2. Absatz).
Laut Definition ist ein Roman eine Prosaerzählform umfangreicher Art (siehe 7.1. Roman), in der die Darstellungsform frei wählbar ist. Frisch wählte für sein Werk die Berichtform, schon im Titel des Buches heißt es: "Homo faber - Ein Bericht" (z.B. Titelcover), es wird in Tagebuchform berichtet (Frisch setzt schon am Anfang des Romans mit der Berichtform ein: "Wir starteten in La Guardia, New York, mit dreistündiger Verspätung infolge Schneestürmen", S.7 oben; "Ich war todmüde", S.7 - 2. Absatz; "Endlich ging's los", S.7 - 3. Absatz). Auch eine durchgehende Erzählweise, die durch eigene Reflexionen und Einwürfe (z.B.: "Sie lebt? - Ja sagt sie - Von Begrüßung kein Wort. - Dr. Eleutheropulos war gerade hier." S.126 Mitte; Kennzeichnung des Verfassers) des Protagonisten Walter Faber ergänzt wird, kann in Homo faber festgestellt werden.
Bis auf eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Ellipsen herrscht in Homo faber eher ein Mangel an rhetorischen Figuren. Das Oxymoron "blühende Verwesung", welches gleichzeitig eine Synästhesie ist, und die Synästhesie im gleichen Satz, "es stinkt nach Fruchtbarkeit" sind eher eine Ausnahme, wenn man den gesamten Roman betrachtet ("Was mir auf die Nerven ging: die Molche in jedem Tümpel, in jeder Eintagspfütze ein Gewimmel von Molchen - überhaupt diese Fortpflanzerei überall, es stinkt nach Fruchtbarkeit, nach blühender Verwesung". S.51 oben).




I
m Wesentlichen gibt es im Roman Homo faber drei Hauptpersonen, in deren Mittelpunk der Architekt Walter Homo Faber steht. Zusammen mit Hanna Landsberg und Elisabeth Piper ist die gesamte Handlung um diese drei Personen aufgebaut. Andere Figuren wie Herbert und Joachim Hencke, Marcel oder Ivy treten nur sporadisch in Erscheinung, beeinflussen die Handlung jedoch insofern, dass Walter Faber stets eine mehr oder weniger starke emotionale Bindung gegenüber diesen Personen entwickelt(e). Um Ivy und Herbert als Beispiel anzuführen: Sie ist seine Lebensgefährtin und Geliebte in New York, Herbert ist der Bruder von Joachim, einem alten Jugendfreund Fabers, was somit ebenfalls für eine Verknüpfung zwischen Faber und ihm spricht.
Der Protagonist Walter Faber ist gleichzeitig Ich-Erzähler des Romans, er schreibt seine Erlebnisse in Tagebuchform nieder und teilt sie dem Leser in dieser Form mit, was zur Folge hat, das sich der gesamte Roman in leicht ungeordneter und loser Abfolge darstellt. Durch diese Tagebuchform berichtet Faber auch von seinem jüngeren Leben, er wird am 29.04.1907 in einem bürgerlichen Elternhaus geboren. Während der Romanhandlung ist Walter Faber gut 50 Jahre alt. Des öfteren erwähnt er seine Dissertation "Über die Bedeutung des sogenannten Maxwell'schen Dämons", die er während seiner Zeit an der ETH Zürich verfasst. 1936 lernt er Hanna Landsberg kennen, von der er den Namen "Homo faber" erhält; es bedeutet soviel wie "geschickter Mensch". Hier wird auch das erste Mal Fabers rationalistisches Weltbild und sein Bezug zur Technik erwähnt, Faber sagt: "Ich bin Techniker und gewohnt, die Dinge zu sehen, wie sie sind" (S.24, 2. Absatz). Für alle anderen Passagiere der abgestürzten Maschine in der Wüste ist der Mond "[...] zwischen schwarzen Agaven am Horizont [...]" (S.23 unten) ein "Erlebnis" (S.24, oben: "Er fand es ein Erlebnis"), der Techniker Faber jedoch fragt sich, "[...] wieso ein Erlebnis?" (S.24, 2. Absatz). Sachlich erklärt er lieber, was der Mond ist: "[...] eine errechenbare Masse, die um unseren Planeten kreist, eine Sache der Gravitation [...]"(S.24, 2. Absatz). Faber glaubt nicht an "[...] Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen" (S.22, 1. Zeile), und er betont hiermit ein weiteres Mal seine Kompetenz als Techniker und Rationalist. Nicht nur über die staunenden Leute in der Wüste Tamaulipas macht er sich lustig, wegen einem solchen "Ereignisses", auch gegenüber Frauen und anderen Völkern lässt sich Fabers arrogante Einstellung, teilweise sogar Intoleranz, erkennen. Schon allein durch seine Arbeit bei der UNESCO, dem technischen Hilfswerk für unterentwickelte Völker (Kennzeichnung des Verfassers) lässt Faber dies durchblicken. "Ich setzte mich an meine Platz und berichtete, um nicht unausstehlich zu sein, von meiner Tätigkeit, technische Hilfe für unterentwickelte Völker, ich kann darüber sprechen, während ich ganz andres denke."(S.10 - Beginn des 2.Absatzes; Kennzeichnung des Verfassers). Besonders der zweite Teil des eben zitierten Satzes deutet auf die ablehnende Haltung Fabers gegenüber den nichtzivilisierten Völkern der dritten Welt hin, während er noch darüber spricht, denkt er schon wieder an etwas ganz anderes, nicht zum Beispiel an eine Ebenbürtigkeit jener. Die Mayas, "[...] mit ihrer Mathematik, die man anerkennen muss [...]" (S.44 unten) waren trotz dessen laut Faber "[...]dem Untergang geweiht - " (S.44 unten). Der Techniker Faber findet es "ein kindisches Staunen" (S.44 - ca. Beginn 3. Absatz), wie die Mayas ihre Tempel bauten und als ebenfalls "kindisch" und "weibisch" (S.24: "Wozu weibisch werden?") erachtet er etwas zu "erleben". Auch andere Personen, die Faber während seinen Reisen trifft, behandelt er teilweise herablassend und unhöflich, wie z.B. seinen Flugnachbarn Herbert Hencke ("Menschen sind anstrengend." S. 8 - 2. Absatz; "[...] meinerseits keinerlei Bedürfnis nach Bekanntschaft." S.8 - 2. Absatz) oder den Studenten Marcel ("Manchmal ging er mir auf die Nerven wie alle Künstler, die sich für höhere oder tiefere Wesen halten, bloß weil sie nicht wissen, was Elektrizität ist." S.39 unten), mit dem er ein paar Tage im Dschungel von Yucatan verbringt ( auf dem Weg zu Joachim Henckes Plantage).
Als Techniker hasst Faber natürliche Einflüsse ("Was mir auf die Nerven ging: die Molche in jedem Tümpel, in jeder Eintagspfütze ein Gewimmel von Molchen - überhaupt diese Fortpflanzerei überall, es stinkt nach Fruchtbarkeit, nach blühender Verwesung". S.51 oben), er liebt es unter anderem rasiert zu sein. "Ich fühlte mich nicht wohl, wenn unrasiert; nicht wegen der Leute, sondern meinetwegen. Ich habe dann das Gefühl, ich werde etwas wie eine Pflanze, wenn ich nicht rasiert bin, und ich greife unwillkürlich an mein Kinn." (S.27 - 3. Absatz). Im Folgenden wird Fabers rationalistisches Weltbild verstärkt: "Ich holte meinen Apparat und versuchte alles mögliche, beziehungsweise unmögliche, denn ohne elektrischen Strom ist mit diesem Apparat ja nichts zu machen, dass weiß ich - das war es ja, was mich nervös machte: dass es in der Wüste keine Strom gibt kein Telefon, keinen Stecker, nichts (S. 27 - 3. Absatz)." Ohne Strom (und somit "Zivilisation") kann der Techniker Faber nicht leben, er unternimmt so z. B. all seine Reisen mit Transportmitteln wie Flugzeug, Schiff oder Auto (z. B. New York - Caracas). Er muss außerdem, ohne etwas erreicht zu haben, seine erste Dienstreise nach Caracas wegen noch nicht eingetroffener Turbinen später wiederholen. Durch diese technische Betrachtungsweise der Welt und überhaupt des Lebens unterscheidet sich Faber deutlich von der Künstlerin Hanna Landsberg ("[...] sie. Ich habe offen gesprochen, nie daran geglaubt, dass Philologie und Kunstgeschichte sich bezahlt machen." S.143 - letzter Absatz). Dies spiegelt sich u. a. schon in der unterschiedlichen Auffassung von Erziehung der beiden wieder: Dass Hanna ihr Kind (Elisabeth) allein aufgezogen hat und als eine der wenigen Frauen arbeitet, betrachtet Faber etwas argwöhnisch und mit einem gewissen Neid ("Es steht ihr, eine Arbeit zu haben. Schon in der Ehe mit Joachim, scheint es, hat sie stets gearbeitet, Übersetzungen und Derartiges. Und in der Emigration sowieso." S. 143 - letzter Absatz). Die emanzipierte Frau Hanna Landsberg hat Walter Faber vorzuwerfen dass er einmal sagte "dein Kind", anstatt "unser Kind". Hanna wird von Faber mit grauen Haaren, kleiner Gestallt beschrieben (S.125 unten). "[...] abgesehne von ihren blauen Augen [...]" (S.126 oben), könnte es das Gesicht "[...] von einem alten Indio sein" (S.126 oben). Faber ist erstaunt von Hannas Aussehen ("Hanna mit weißen Haaren!" S.126 - 2. Absatz), aber auch von ihrer Lebensart ("Du hast dich verändert!" S.133 Mitte; ", sage ich, !" S.133 unten). Laut Faber ist die Wissenschaft "[...] ein männliches Monopol [...]" (S. 133 unten), und genau dies ist der Grund für den starken Kontrast (und Konflikt), der zwischen den beiden Figuren besteht. Hanna hat sich in einer Branche, die in dieser Zeit hauptsächlich von Männern dominiert wird, etabliert, sie ist "hochgebildet" (S.142 oben) und Dr. phil. geworden. Faber spottet geradezu über sie, kann und will ihre Stellung in der Gesellschaft als selbst gebildeter Techniker nicht akzeptieren ("Ich fand sie komisch, eine Frau von fünfzig Jahren, die wie ein Backfisch philosophiert, eine Frau, die noch so tadellos aussieht wie Hanna, geradezu attraktiv, dazu eine Persönlichkeit, das war mir klar, eine Dame von ihrem Ansehen, [...] wie eine Professorin, eine Nobelpreisträgerin! - sie tat mir leid." S.140 unten; Kennzeichnung des Verfassers). So gibt es einen weiteren Kontrast zwischen Walter Faber und Hanna Landsberg, in Form der gemeinsamen Tochter Elisabeth "Sabeth" /Elsbeth Piper. Durch den Inzest zwischen Faber und Elisabeth, der dadurch verursacht wurde, dass Hanna Faber dessen Vaterschaft vorenthalten hatte und dann Elisabeth allein großzog, entsteht Distanz zwischen Mutter und Vater. Der Inzest trägt maßgeblich dazu bei, dass Hanna von sich behauptet, ihr Leben sei "verpfuscht" ("[...] Hanna, hätte nur ein einziges Leben, ein Leben, das verpfuscht sei [...]", s.139 oben).
Als Faber die junge Elisabeth Piper das erste Mal sieht, während seiner Schiffsreise, die er ja sowieso nur zufällig unternahm, fällt Sabeth ihm schon auf. Er beschreibt sie als "ein junges Mädchen in schwarzer Cowboy-Hose , kaum kleiner als ich (Faber - Anmerkung d. Verfassers), Engländerin oder Skandinavierin, [...] ihren blonden oder rötlichen Rossschwanz, der bei jeder Bewegung ihres Kopfes baumelte" (S.70 oben). "Sie trug [...] einen schwarzen Pullover mit Rollkragen, [...], dazu Halskette aus gewöhnlichem Holz, Espadrilles, alles ziemlich billig" (S. 70 Mitte) (abwertende Meinung Fabers; Kennzeichnung des Verfassers). Elisabeth befindet sich auf dem Heimweg nach Europa, genauer Athen, sie kommt von einem einjährigen Universitätsaufenthalt in Yale (S.83 und 84). Die Studentin hat mit ihrer Mutter Hanna Landsberg ein hohes künstlerisches Interesse gemeinsam - während der Reise durch Europa, wo die junge Piper eine enge emotionale Bindung zu Faber aufbaut, besuchen die beiden zahlreiche Museen und Galerien. Begeistert von Sabeth entwickelt der sonst eher künstlerisch-desinteressierte Faber sogar ein gewisses kulturell-künstlerisches Verständnis. ("Das war meine Entdeckung [...] Hier fand ich: großartig, ganz großartig, beeindruckend, famos, tiefbeeindruckend", S.111 - 2. Absatz). Des weiteren durchreisen beide gemeinsam die Metropolen Paris, Lyon, Rom und Athen, zuvor jedoch kommt es in der französischen Stadt Avignon zu einer (bis dorthin unbewussten) inzestuösen Vereinigung. Fabers Liebe zu Elisabeth wird schließlich mit ihrem Tod bezahlt. Außerdem "vereinigt" sich diese tragische Ereignis mit dem Wiedertreffen Hannas nach über 20 Jahren - somit erhält die Beziehung Landsberg - Faber einen weiteren Riss. Fabers minderwertige Meinung von Frauen kann neben Hanna auch auf Elisabeth übertragen werden. Hat es zunächst noch den Anschein, durch die Liebe zu Sabeth hätte er seine Einstellung geändert, so wird bei genauerer Betrachtung deutlich, dass Faber sie mehr als junges Mädchen bzw. als Kind bezeichnet (S.105 oben), jedoch: "Sabeth war schon eine richtige Frau, wenn sie so lag, kein Kind" (S.81). Spricht Faber (bzw. Frisch) den Leser direkt an, so wird Sabeth als Frau dargestellt, bei einer Beschreibung jedoch, verrät Faber, dass er sie mehr als Kind sieht (s. Zitate oben). Eine weitere Geliebte in Homo faber ist Fabers New Yorker Lebensgefährtin Ivy. Die modebewusste Dame der fünfziger Jahre ("Ivy in ihrem Kolibri-Hütchen", S.68) stellt in vielen Punkten das krasse Gegenteil zu der emanzipierten Hanna dar. Sie hängt sehr an Faber, und nicht einmal "Krach um jede Kleinigkeit" (S.30 Mitte) bringt sie dazu, die Beziehung mit Faber zu beenden, im Gegenteil - der Protagonist beschreibt Ivy als "[...] eine Art von Amerikanerin, die jeden Mann, der sie ins Bett nimmt, glaubt heiraten zu müssen" (S.30 oben). Symbolisch für dieses anhängliche Verhalten steht ihr Name Ivy, der soviel bedeutet wie "Efeu". Demnach bedrängt ("umwickelt") Ivy Walter Faber wie eine Schlingpflanze. Efeu ist giftig - gemäß diesem Satz entscheidet sich Faber, die Liaison mit ihr in Bälde zu beenden, auch aufgrund der Oberflächlichkeit der Beziehung (z. B.: "Vater und Mutter hatte sie nie erwähnt, ich erinnerte mich nur [...];Kennzeichnung des Verfassers). "[...] Als sie die schweren Taue lösten" (S.68 Mitte): Mit dieser Aussage ist einerseits das Ablegen des Schiffes vom Ufer, andererseits aber auch die nun lokale Trennung von Ivy gemeint, eine Last fällt von Faber ( die schweren Taue).

In die Gruppe der "Kontrastfiguren" reiht sich der US-amerikanische Musikstudent Marcel aus Boston ein, den Walter Faber während seiner Reise mit Herbert Hencke nach Guatemala begegnet. Er ist wie Hanna und Elisabeth künstlerisch interessiert, d.h. der technisch-sachlichen Sichtweise Fabers steht die künstlerisch-ästhetische des Kunststudenten gegenüber. Faber fühlt sich durch Marcels ständigen Drang, etwas über die Kunst zu erzählen, leicht gestört, manchmal regelrecht genervt. So wird dieser ab und zu von Faber ironisch als "unser Ruinen-Freund" (S.39 - letzter Absatz) bezeichnet, der viel "schwatzte" ("Nur unser Ruinen-Freund schwatzte viel [...]", S.39 - letzter Absatz). Marcels Hobby im Dschungel von Palenque besteht darin, Eins-zu-eins-Kopien von alten Maya-Reliefs anzufertigen ("Seine Arbeit: er spannte Pauspapier über die steinernen Reliefs, um dann stundenlang mit einer schwarzen Kreide darüber hinzustreichen [...], S. 42 - 1. Absatz). Es bestätigt sich wieder einmal Fabers abwertende Haltung in bezug auf andere Lebenseinstellungen, wie hier die von Marcel. ("[ ...] die Maya liebt, gerade weil sie keine Technik hatten", S.43 oben; Kennzeichnung des Verfassers; "Menschen sind komisch!"). Doch Walter Faber ist nicht der einzige, der Marcel nicht richtig ernst nimmt: sein vorübergehender Gefährte und Schachspielerfreund Herbert Hencke ist ein ähnlich von Technik begeisterter Zeitgenosse wie Faber, der Marcel nur als Künstler sieht. Schon seine vorurteilbelastete Aussage, wenn er über die russischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg spricht, zeigt, wie er gegenüber anderen Personen auftritt (so auch seine Einstellung zu Marcel). Herablassend bezeichnet Hencke den russischen Soldaten hier mehrmals als "Iwan" (S.9 unten; innerhalb von drei Zeilen wird dieser Begriff allein drei mal erwähnt), und dass dieser "[...] nur durch Waffen zu belehren sei" (S.9 unten). Kurz darauf widerspricht sich Hencke, wenn er sagt, "Unterscheidung nach Herrenmenschen und Untermenschen, wie's der gute Hitler meinte, sei natürlich Unsinn; aber Asiaten bleiben Asiaten" (S.9 unten; Kennzeichnung des Verfassers). Die Auffassung des 30-jährigen Deutschen ist noch vom Nationalsozialismus geprägt ("[...] der gute Hitler [...]", S.9 unten). Der "Düsseldorfer" entscheidet sich nachdem Joachim Hencke tot auf der "Hencke-Bosch-Plantage" aufgefunden, wird allein dort zu bleiben. Faber besucht ihn dort im Laufe seiner Reisen ein paar Jahre später noch einmal, wo dieser völlig apathisch erscheint ("Herbert war verändert, man sah es auf den ersten Blick [...] sein Misstrauen", S.166 Mitte; "Seinerseits keinerlei Pläne!" S.167 - 2. Absatz) - Faber reist enttäusch weiter.
Überhaupt spielen Reisen in Homo faber eine große Rolle. So gut wie alle handelnden Figuren, die im Roman auftreten, stammen nicht von dem "Fleckchen Erde", auf dem sie sich gerade befinden. Das heißt, jede der Hauptpersonen reist während der Romanhandlung, sei es Faber selbst mit seinen zahlreichen Unternehmungen (z. B. Schifffahrt nach Europa), Sabeth, die gemeinsam mit Faber eine Autoreise quer durch Europa unternimmt, oder Hanna die in ihrem Leben schon in Ostdeutschland, England oder Griechenland wohnte - für Faber ist jede seiner Reisen (Schauplätze sind: New York, Guatemala, Europa:
Paris/Avignon/Rom/Neapel/Athen/Zürich, Venezuela und Kuba)
nicht nur eine lokale, sondern auch eine mentale Veränderung. Im Einfluss der Zivilisation spottet er noch über das "Ereignis" des aufgehenden Mondes (S.23 unten), während er später im "Taumel der Langeweile" sogar die Lust am Filmen verliert, was sonst eine seiner Lieblingsbeschäftigungen darstellt ("Sogar zum Filmen war ich zu faul." S.40 unten). Ein anderes Beispiel sind Fabers Fortbewegungsmittel. Er startet mit dem hochmodernen, äußerst schnellen Flugzeug in New York, fährt dann später mit dem unbeweglichen Schiff nach Europa, unternimmt eine Autoreise durch Europa und versucht schließlich Sabeth mit einem Eselskarren ins Krankenhaus zu bringen. Dies kann symbolisch für seinen mentalen Abstieg stehen, aber zeigt ihm gleichzeitig auch auf, dass man die Gesellschaft/Welt nicht so rational wie er sehen kann. Für den "Sieg" über ihn steht Hanna mit ihrem Weltbild (s. weiter oben), Fabers "Niederlage" wird mit seinem (wahrscheinlichen) Tod umschrieben. Dafür ein letzter Textauszug: "Heute nur noch Tee, noch einmal die ganze Untersucherei, nachher ist man erledigt. Morgen endlich Operation [...] Sie haben meine Hermes-Baby genommen (Anmerkung des Verfassers: seine geliebte Schreibmaschine) [...] Hanna ist nochmals da gewesen [...] Verfügung für Todesfall [...]" (alles S.198/199). Erst deutet Faber seinen Tod mit "erledigt" an, dann wird er "geschröpft" indem man ihm seine Schreibmaschine, die er aufgrund vieler guter Dienste liebevoll "Hermes-Baby" nennt, wegnimmt. Hanna als "besiegende Kraft" taucht noch einmal bei ihm auf und schließlich besiegelt Faber verbal seinen Tod ("Verfügung für Todesfall"). Er sieht ein, das er eine falsche Auffassung von vielen Sachen hat(te) und lässt zu guter Letzt anordnen, seine Zeugnisse, Berichte, Briefe etc. zu vernichten - "es stimmt nichts" (S.199 oben).

 
 

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