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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Realistische kunst und das theater der wirklichkeit


1. Drama
2. Liebe



Geschichte, Religion und Literatur stellen den Protagonisten des Revolutionsdramas ein Repertoire von Rollen und Verhaltensmustern zur Verfügung, die eine stilisierende Vermittlung des eigenen und eine Deutung fremden politischen Handelns erlauben. Den größten Anteil an den auffällig zahlreichen literarischen und historischen Anspielungen und Zitaten hat die Welt der Antike. Das gilt für das griechische Kostüm der Dantonisten nicht weniger als für die römische Toga ihrer Gegner im jakobinischen Lager. Die antiken Zitate verdichten sich tendenziell zu einem eigenständigen Code der politischen Kommunikation. Die Selbst und Fremdwahrnehmung der politischen Akteure im Drama greift konsequent auf die normativ hochbesetzten heroischen Deutungs und Legitimationsmuster der Antike zurück. Gegen die auf ihn gemünzte taciteische Tyrannenschelte setzt Robespierre Sallusts Verschwörung des Catilina (16), die in der Tat das Legitimationsmodell für die Liquidierung der dantonistischen >Konspiration< abgeben wird. Der Dolch des Brutus wechselt gar die Seiten: Dantons Kampf gegen die jakobinische Diktatur soll er zur Hand gehen (29), aber auch St. Just reklamiert ihn für den Kampf der »Feinde der Tyrannei [. . .] in Europa und auf dem ganzen Erdkreise« (45). Das Volk erscheint im mythischen Denken der bürgerlichen Revolutionäre als »Minotaurus« (18), die Revolution dagegen »wie Saturn, sie frißt ihre eignen Kinder« (22). Das integrative Bezugsmodell für die im Zitat angeeigneten Rollen und Verhaltensmuster ist die Theatermetapher, die das Handeln, besonders das Handeln im öffentlichen Raum, als Rollenhandeln ausweist. Die Revolution selbst erscheint im Horizont der Theatermetaphorik als politische Inszenierung, als die kollektive Aufführung eines vorbestimmten dramatischen Texts. Robespierre beschwört in seiner Anklage gegen die Hébertisten »das erhabne Drama der Revolution« (14 f.), und besonders Danton begreift und reflektiert den politischen Handlungsraum der Revolution im Bild des Welttheaters. Die Welt als Theater, der Mensch als Rollenträger, sein Handeln als fremdbestimmtes Spiel: der Topos des Welttheaters ist »immer schon als Aussage darüber zu lesen, was Wirklichkeit ist.« Büchner fand die Theatermetaphorik in den Quellen zur Geschichte der Französischen Revolution vor. Ihr Einsatz im Drama legt gezielt den ideologischen Gehalt tradierter literarischer und historischer Muster frei, wobei die Kritik primär die gesellschaftliche Wirksamkeit der erborgten Rollen und Handlungskonzepte erfaßt. Aus dem anachronistischen Repertoire der klassischen Muster speist sich die historisch unangemessene politische Stilisierung der revolutionären Führer, und noch die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Wirklichkeit im Bewußtsein der >kleinen Leute< ist durch eine Theatralisierung der Politik bestimmt. Karl Marx hat in seiner Analyse des 18. Brumaire die ideologische Funktion dieser heroischen Kostümierung nachgewiesen und den Totendienst der bürgerlichen Revolutionshelden scharf kritisiert. »Die soziale Revolution des neunzehnten Jahrhunderts kann ihre Poesie nicht aus der Vergangenheit schöpfen, sondern nur aus der Zukunft.« Die Theatermetaphorik in Dantons Tod erfüllt eine doppelte Aufgabe: sie demonstriert die ideologische Verblendung der politischen Akteure, kritisiert aber mit der Theatralisierung der Politik zugleich eine ästhetisierende Aneignung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Im Drama erscheint die Theatermetapher als potenziertes Zitat: zitiert wird das historisch verbürgte Zitat, wobei der Akzent weniger auf dem Zitierten als auf dem Gestus des Zitierens liegt. Als Geschichtszitat problematisiert die Theatermetaphorik in Dantons Tod historisch dominante Formen der Wirklichkeitsaneignung; dabei erscheint das Theater nicht so sehr als Kunst, sondern als eine Vermittlungsform gesellschaftlicher Realität. Als Metapher für die Produktion und Rezeption von Wirklichkeitsbildern steht das Theater für einen spezifisch defizitären Zugang zur gesellschaftlichen Realität. Mit dem potenzierten Einsatz der Theatermetaphorik verschärft Büchner die Ideologiekritik des politischen Diskurses und überführt diese zugleich in eine fundamentale Kritik der gesellschaftlichen Produktion von Wirklichkeit. Die Aporien des politischen Handelns werden über ihre ideologische Begründung hinaus auf elementare Formen der Aneignung von Realität zurückgeführt. Die KunstFigur Simon, mit der Büchner die Grenzen eines realistischen Figurenkonzepts bewußt überschreitet, demonstriert die fatalen Folgen einer universalen Theatralisierung der Wirklichkeit. Die komische Diskrepanz resultiert nicht allein aus der unfreiwilligen Verwechslung der zitierten Rollen, sie ergibt sich ebenso aus dem lächerlichen Verfehlen der lebensweltlichen Realität. Der betrunkene Souffleur, der die der Not geschuldete Prostitution seiner Tochter auf der Folie antiker und bürgerlicher heroischer Muster stilisiert (Kabale und Liebe, VirginiaMotiv, Emilia Galotti, Lukretia, Philemon und Baucis, Porcia, Hamlet), setzt einen bezeichnenden Rahmen für den anschließenden >Auftritt< Robespierres. Die pathetische Gebärde, die der Politiker Robespierre dem »erhabnen Drama der Revolution« schuldig zu sein glaubt, erscheint vor diesem Hintergrund erborgt, hohl und unzeitgemäß. Die überraschende Nähe zwischen dem berufsmäßigen Ein und Vorsager und dem jakobinischen Revolutionsführer wird an anderer Stelle bestätigt: Bei der Verhaftung Dantons (40), die Simon mit ShakespeareReminiszenzen und geflügelten Worten aus den Befreiungskriegen aufpoliert, bedient sich der Souffleur der gleichen vaterländischen Rhetorik, die Robespierre in der folgenden Szene wirkungsvoll an das Ende seiner Rede vor dem Konvent setzt (43). Die SimonFigur zeigt in komischer Übertreibung einen theatralisch bedingten Wirklichkeitsverlust, der tendenziell alle politischen Akteure der bürgerlichen Revolution bedroht.Erscheint die Theatermetaphorik bei Simon, und in gewisser Hinsicht auch bei Robespierre, in reflexionsloser Gestalt, so erfährt sie bei Danton eine reflexive und kritische Wendung. Im Bild des Welttheaters thematisiert Danton die individuell erfahrene Entfremdung vom historischen Prozeß der Revolution. Zugleich aber wird ihm die Theatermetapher zu einer avancierten Chiffre für die Wahrnehmung des eigenen Verlusts von Wirklichkeit: »wir stehen immer auf dem Theater, wenn wir auch zuletzt im Ernst erstochen werden« (31). Keineswegs zufällig findet das Bild vorn Revolutionstheater zuerst im Zusammenhang der öffentlichen Spektakel des Todes Verwendung. Der Tod als äußerste menschliche Grenzerfahrung verstärkt den Bedarf an Sinn für die Lebensgeschichte der individuellen Existenz. Danton radikalisiert die Legitimationsproblematik gesellschaftlicher Sinnwelten, indem er, restlos desillusioniert, nach der Wirklichkeit der Wirklichkeit fragt. Im Bild des Welttheaters formuliert er die an sich selbst erfahrene Ohnmacht des Subjekts und die Fremdbestimmtheit des menschlichen Eingriffs in den historischen Prozeß der Revolution: »Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!« (40. ) In der Todeszelle schließlich büßen die öffentlichen Rollen ihre letzte Legitimation ein. Hier ist es Camille, der die Maskenhaftigkeit der in der Phrase überlebenden politischen Existenz seiner Freunde entlarvt: »wir sollten einmal die Masken abnehmen, wir sähen dann, wie in einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen uralten, zahllosen, unverwüstlichen Schafskopf, nichts mehr, nichts weniger« (72). Die forcierte Verwendung der Bühnen und Rollenmetapher signalisiert die Entfernung der Revolutionäre von der Revolution. In der Theatermetapher wird die Divergenz von geschichtlichem Prozeß und individuellem Handeln festgehalten, aber nicht auf den Begriff gebracht. Ihre Verwendung indiziert also nicht nur hellsichtig das Fehlen historisch angemessener Formen politischen Handelns; sie zeugt zugleich vom Unvermögen, diesen Mangel als politischen zu begreifen. Noch die kritische Wendung, die die Theatermetaphorik bei Danton erfährt, bezeichnet einen eingeschränkten Bewußtseinsstand, der auf der Figuren und Handlungsebene des Dramas nirgends überschritten wird. Ihr Erkenntniswert bleibt begrenzt. Zwar erlaubt sie Danton zeitweise die Identifikation mit einer Zuschauerrolle im historischen Prozeß, einer Rolle, die den aufgezwungenen Handlungsverzicht reflexiv zu bewältigen versucht, doch fehlt Dantons WeltTheater im Vergleich zu seinem barocken Vorgänger jede verbindliche Verankerung in einem transzendenten Sinnsystem. Erweitert zum >Spiel<, bewirkt die Theatermetapher eine erneute, wenn auch reflektierte Ästhetisierung der sozialen und politischen Wirklichkeit und verstellt letztlich den Weg von der Reflexion zur geschichtlich verantwortlichen Tat. Sie wirkt im Grunde als ein zusätzliches »Quietiv«. Im Kostüm des Zuschauers bleibt Danton in den engen Grenzen des Bildes vom Revolutionstheater befangen. Erst im Horizont des eigenen Todes wird das Theater als metaphorisches Vehikel der Konstitution gesellschaftlicher Wirklichkeit ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Die Kritik einer universalen Theatralisierung der Alltagswelt ist in einem neuen Wirklichkeitsbegriff fundiert, der im ästhetischen Diskurs von Dantons Tod selbst entfaltet wird. Die Straßenszene (»Eine Promenade«, II,2) verknüpft auf subtile Weise den politischen und den ästhetischen Diskurs des Stücks. Durch die Erweiterung der Theatermetaphorik zum Organ der Wirklichkeitskonstitution gewinnt auch die anschließende kunsttheoretische Reflexion (35 f.) eine außerästhetische Bedeutung. Die Straßenszene führt exemplarisch die lebensweltliche Funktion bürgerlichidealistischer Kunst vor. In der Form eines hart gefügten Simultantheaters verstärkt sich noch die bereits in den alltagsweltlichen Szenen angelegte Theatralik. Ein ästhetisierender Zugang beherrscht nicht nur die Überlegungen zur republikanischen Namensgebung, die noch einmal den kultischen Ursprung der klassischen Muster und ihre Nähe zum Personenkult (Robespierre) illustrieren. Auch die stilisierte Abendstimmung und die idealisierende Verklärung der Natur, die sich im Gespräch der bürgerlichen Dreiergruppe bemerkbar macht, greift auf literarische Muster der Wirklichkeitswahrnehmung zurück. Besonders deutlich bezeichnet der Dialog der beiden Herren die lebensweltliche Antithese von Kunst und Wirklichkeit. Das eitle Gerede von technischer Revolution und menschlichem Fortschritt erweist sich im Hinblick auf die Unfähigkeit, eine banale Alltagssituation - die >gefährliche< Pfütze - zu bewältigen, als haltloses Geschwätz. Die angenommenen Phrasen einer modernen Halbbildung können zudem durchaus mit einem pseudowissenschaftlichen Aberglauben - »Ja, die Erde ist eine dünne Kruste, ich meine immer, ich könnte durchfallen, wo so ein Loch ist« (35) - bestehen. Die Lebensfremdheit des falschen Allgemeinen betrifft nicht minder die Kunst. Das Theater definiert sich geradezu über seine Distanz zur Lebenswelt. Die theatralisch angerichtete geistreichkühne Verwirrung, die offenbar auf Unverständnis trifft und Schwindel auslöst, wird zum bestimmenden Merkmal einer Kunst, deren Schöpfung folgerichtig nur einem >bizarren Kopf< gelingen kann. Das bürgerlichidealistische Theater, das hier karikiert wird, verdankt seine Triumphe einer kalkulierten Distanz zum Leben. Die in solcher Kunst vorgefundenen idealisierenden Konstitutionsformen von Wirklichkeit verfehlen zwar auf groteske Weise die Realität, erlangen aber gleichwohl eine reale gesellschaftliche Wirksamkeit. Sie verhindern die Ausbildung eines praxisbezogenen Wirklichkeitssinns und damit jede realistische lebensweltliche Orientierung; sie verstärken im Gegenteil die Lebensuntüchtigkeit eines Publikums, das die Grenzen des Theaters auch im Leben nicht zu überschreiten vermag. Indem die Straßenszene die Entfernung von Kunst und Lebenspraxis vor Augen führt, kritisiert sie nicht allein die tradierte Form des bürgerlichen Theaters, sondern auch dessen prekäre Wirkung. Mit der Kritik der Theatralisierung der Alltagswelt stößt Büchner auf die fundamentale Erkenntnis der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit. Die historisch vorgefundene Theatermetaphorik und die im Zitat überlieferten Lebensformen aus zweiter Hand demonstrieren exemplarisch die prinzipielle Vermitteltheit gesellschaftlicher Realität. Das Bewußtsein erscheint als gesellschaftliches Produkt, ebenso aber die Wirklichkeit, auf die es sich richtet. In Dantons Tod werden dominante Formen der gesellschaftlichen Konstitution von Wirklichkeit kritisch überprüft. Büchner setzt dabei bewußt an den tradierten Formen der Selbstdeutung der historischen Subjekte an. Das gilt für die das gesamte dramatische Werk des Autors bestimmende Sprachkritik nicht weniger als für die Theatermetaphorik, der im Revolutionsdrama ein besonderes Gewicht zukommt. Das Theater als Konstitutionsform gesellschaftlicher Wirklichkeit verbindet den politischen und den ästhetischen Diskurs in Dantons Tod. Die Fundamentalkritik gesellschaftlicher Produktion von Wirklichkeit bestimmt daher auch das >Kunstgespräch< (35 f.), das - in der Negation idealistischer Kunst - erste Ansätze einer politischen Ästhetik des Realismus erkennen läßt. Camilles kunsttheoretischer Exkurs thematisiert die zuvor szenisch entfaltete Theatralisierung der Wirklichkeit. Mit der bürgerlichidealistischen Kunst werden die ihr zugehörigen Rezeptionsformen kritisiert. Die vehemente Zurückweisung der herrschenden Kunstformen verweist implizit auf ein neues Konzept des ästhetischen Realismus. »Von der Schöpfung, die glühend, brausend und leuchtend, um und in ihnen, sich jeden Augenblick neu gebiert, hören und sehen sie [die Leute] nichts« (35). Die Aufgabe kommender Kunst wäre die Ausbildung eines neuen Wirklichkeitssinns, der die gesellschaftliche Produktion einer Wirklichkeit befördert, die in Camilles Bild von einem permanenten und allgegenwärtigen Prozeß der Schöpfung nur recht vage Umrisse gewinnt. Die neue Kunst betreibt eine gesellschaftliche Schulung der deformierten menschlichen Sinne; sie schult das genuin soziale Vermögen, Wirklichkeit zu konstituieren. Freilich kann die emphatische Beschwörung der neuen Wirklichkeit für eine politisch fundierte Strategie des ästhetischen Realismus kaum einstehen. Auch Dantons Kritik an dem sachlichunbeteiligten, emotionslosen politischen Naturalismus des Malers JacquesLouis David gelangt über eine eher marginale Festlegung der realistischen Manier nicht hinaus. Es hat sich in der Forschung eingebürgert, die kunsttheoretische Reflexion in Dantons Tod um das Kunstgespräch in Büchners Erzählfragment Lenz zu erweitern und beide Textpassagen gemeinsam als das realistische Programm des Autors auszugeben. Selbst dann, wenn die methodische Crux dieses Verfahrens außer Betracht bleibt (die Abstraktion vom ästhetischfiktionalen Kontext, die Aufhebung der streng durchgehaltenen erzählerischen bzw. dramatischen Perspektive), erscheint eine solche Bewertung fragwürdig. Lenz' Position wird in der Erzählung ausdrücklich als eine historische eingeführt: »Die idealistische Periode fing damals an.« Das Konzept eines prononciert antiidealistischen Realismus ist einem noch unproblematischen, vergleichsweise naiven Wirklichkeitsbegriff verpflichtet. Die Nachahmungsvorstellung und der Rekurs auf die Mitleidsästhetik knüpfen durchsichtig an Positionen der Aufklärung an, deren Reflexionsniveau Büchner längst überschritten hat. Die an Beispielen entwickelte Realismuskonzeption unterschätzt nicht nur die Vermitteltheit gesellschaftlicher Realität, sondern auch die Mittelbarkeit der Kunst, den konstruktiven Charakter eines ästhetischen Realismus.
Ohne Zweifel besaß die in der LenzFigur gestaltete Ablehnung idealistischer Verklärung und die ungeschminkte, von der Liebe zur Menschheit getragene Darstellung >der Wirklichkeit< als historische Position Büchners Sympathie; nichts berechtigt aber zu der Annahme, hier hätte die politische Ästhetik des Realismus, die Büchner als drängendes Gebot der eigenen Zeit praktisch entwickelt hat, eine programmatische Formulierung gefunden. Büchners Position ist keineswegs mit der von Lenz, Camille oder Danton identisch. Zwar thematisiert Camille in der Kritik der Theatralisierung der Wirklichkeit bereits den Wirklichkeitsbegriff, der dem neuen Realismuskonzept zugrunde liegt, doch findet dieses Konzept im Drama keine explizite programmatische Formulierung: Eingelöst wird es allein auf der Ebene der dramatischen Struktur.Das organisierende Prinzip der ästhetischen Struktur von Dantons Tod ist, wie Albert Meier zu Recht festgestellt hat, die Negation vorgefundener Verzerrungen gesellschaftlicher Wirklichkeit. Das geschichtliche Material, in dem mit den Selbstdeutungen der historischen Protagonisten zugleich herrschende Konstruktionsformen von Wirklichkeit überliefert sind, wird so in den Text eingefügt, daß sich seine immanente Widersprüchlichkeit radikalisiert. Das Drama stellt ein musivisches Gebilde streng perspektivierter disparater Einzelmomente dar, deren widersprüchlicher Zusammenhang sich erst in der eigenen Reflexion auf die Wirklichkeit der Wirklichkeit entdecken läßt. Der in der dramatischen Struktur objektivierte ästhetische Realismus ist politisch fundiert, er ist direkt auf die ideologiekritische Intention und auf die Kritik der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit bezogen. Als Bezugsrahmen der politischästhetischen Strategie des neuen Realismus fungiert eine praxisnah entwickelte Gesellschaftstheorie, die auf eine Beseitigung des Klassengegensatzes von Arm und Reich und auf die Aufhebung gesellschaftlich erzeugter Entfremdung gerichtet ist. Politische Theorie erscheint bei Büchner fast ausschließlich im Modus der Kritik; sie ermöglicht die bestimmte Negation der historisch vorgefundenen politischen und sozialen Ordnung. Büchners Realismus überführt eine strategisch wichtige, aber auf ihr idealistisches Gegenüber negativ fixierte bürgerliche Position der Kunst (Lenz, Camille, Danton) in eine neue, politisch fundierte Ästhetik. Die Kunst steht im Dienst der sozialen Revolution, und Dantons Tod erscheint vor diesem Hintergrund als ein praktisches Manifest der neuen Kunst, die radikal mit der bürgerlichen Tradition bricht. Büchners Theater hat ein anspruchsvolles Programm, denn es begnügt sich nicht mit einer Kritik der Ideologie. Als Schule der Wirklichkeit will es ein neues >Sehen und Hören< lehren, mit der Ausbildung realistischer Sinne die Voraussetzung für kollektives politisches Handeln, für die Verwirklichung einer sozialen Revolution schaffen.

 
 



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