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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Pulcher


1. Drama
2. Liebe

Pulcher reagiert auf seine Niederlage gegen Zinnober, indem er sich umzubringen versucht, lässt sich dann aber von Balthasars Aufforderungen zum Widerstand gegen Zinnober mitreissen. "So hat mir irgend eine höllische Macht alle Hoffnung geraubt und ich will ein Leben freiwillig opfern" (S.50) Ähnlich wie z.B. Sbiocca und Terpin ist auch Pulcher bis zu diesem Zeitpunkt auf gesellschaftliche Anerkennung fixiert. Bei seiner (ersten) Begegnung mit Alpanus scheint er einen mysthischen Zugang zur Welt gefunden zu haben (vgl. S. 52 "in der Tat, es wehen Töne durch den Wald, die die anmutigsten, herrlichsten sind, welche ich in meinem Leben gehört und die mir tief in die Seele dringen"). Dagegen spricht, dass es für ihn nicht singende Büsche oder Blumen sind, die diese Töne erklingen lassen. Von da an bleibt also Pulcher realistischer als Balthasar (vgl. auch Kapitel Balthasar). Pulcher ist möglicherweise ein guter "Kompromiss" für eine Weltanschauung, die zwischen den Extremen Terpin und Balthasar steht. Eine solche Personenkonstellation ist typisch für die das ganze Buch durchziehende und für Hoffmann zentrale Dialekitk: Die Suche nach ,dem Dritten', dem ,richtigen, idealen' Verhältnis zwischen Phantasie und Realität, geht immer weiter, und niemand (am ehesten aber noch Alpanus) hat die Wahrheit für sich gepachtet und stellt die ideale Antwort auf die zentrale Frage dar, wie der Zugang zur Welt möglich ist (durch Wissenschaft? Mysthik? oder von beidem etwas?). Das sehr grosse Personenspektrum des Buches erlaubt einen ausführlichen Diskurs über die einzelnen Positionen, die durch die verschiedenen Figuren dargestellt werden. Diesen zu führen ist nötig und zwar mit dem kritischen Blick, der die Satire des Buches (die sich v.a. gegen die Leute richtet, die die Welt des aufgeklärten Absolutismus und der Wissenschaft zu Hoffmanns Zeiten repräsentieren) durchschaut. Die Satire zu durchschauen erfordert eine sorgfältige Auseinandersetztung auch mit jenen Positionen, die von Philadelphus (Lehre), Paphnutius (Politik) und Andres (Politik, Wirtschaft) so schlecht vertreten werden. Denn die Verwirklichung der (utopischen Träume der Romantiker ist über sehr viel schwieriger als die vereinfachende theoretische Konzeption derselben. Dies wiederum muss zu einer Relativierung des Anspruchs führen, eine bessere Welt wäre im Konzept der Romantik bereits entworfen und müsste nur noch umgesetzt werden, um das neue goldene Zeitalter einzuläuten.

Die Diskussion um den Fragenkomplex, wieviel Mystik bzw. Realismus ein Mensch verträgt und braucht, und welche Möglichkeiten der einzelne hat, gegen Missstände in der Welt (in Kerepes v.a. der überhandnehmende Realismus/Opportunismus) etwas auszurichten, wird dadurch erschwert (und damit differenziert), dass die Regeln dieser Märchenwelt nicht mit denen unserer Welt übereinstimmen und damit Lösungen für Problemstellungen im Märchen nicht eins zu eins auf unsere Welt übertragen werden können. Balthasar z.B. formuliert die Regel: "Ist irgend ein höllischer Zauber im Spiele, so kommt es nur darauf an, ihm mit festem Sinn entgegenzutreten, der Sieg ist gewiss, wenn nur der Mut vorhanden."(S.50/51) Der Ausgang der Geschichte gibt ihm recht und auch die Art, wie Zinnobers Zauber funktioniert. "Balthasar: Nur in Candidas Gegenwart hat der Zauber keine Macht über mich." (S.46) Poetische und wahrhaft liebende Gemüter widerstehen dem Zauber besser als andere, was sich auch bei Candida zeigt: wenn sie recht lebhaft an Balthasar dachte, konnte sich sich für kurze Zeit von der Verzauberung lösen (vgl. S.97). Diese Regel lässt sich grob so festhalten und sie gilt in diesem Märchen. Dass solches Verhalten auch unserer Welt "guttäte" darf allgemein angenommen werden. Zinnobers Zauber hat durchaus auch eine reale Entsprechung bei uns, insofern Hoffmann erkennt, wie die Entmündigung des Menschen und dessen Entfremdung vor Natur und Mitmenschen mit der Reduktion der Vernunft auf eine rein instrumentelle einhergeht. Damit ist also jedem einzelnen eine persönliche Verantwortung gegeben, eine solche Entwicklung zu unterbinden. Solche Parallelen können Lösungen aufzeigen, wenn sie sich auf Massenphänomene beziehen. ,Wenn alle so wären wie Balthasar, würde die Welt besser' (vgl. aber auch Hoffmanns Kritik an Balthasar!). Aber dies kann Leuten wie Balthasar nicht weiterhelfen, wenn sie in krasser Minderheit leben, während um sie herum Nützlichkeitsdenken, Machtpolitik, Egoismus/Opportunismus, Gedankenlosigkeit und oberflächlicher Kunstgenuss grassieren. Ein einzelner für sich hat nicht die Macht, durch seine Einsichten die Welt nachhaltig zu verändern, er wird leiden müssen. Da kann dann wirklich nur noch ein Zauberer mit einem Wunder (im Sinne von Magie), der Lorgnette, helfen. Mit eher roher schriftstellerischer Gewalt erzwingt Hoffmann so zum Schluss ein Happy End, das aber sehr wohl durchblicken lässt, wie unbefriedigend es ist (vgl. weiter unten). Lösungen findet Hoffmann hier nicht und zeigt dies auch, indem er neben Balthasar eine Figur wie Sbiocca stellt, die in dieser Auswegslosigkeit durchaus auch auf eine Art handelt, die zu erwägen ist, wenn keine Wunder helfen-wie es auch bei Hoffmann und seinem politischen Umfeld nicht zu erwarten war. In unserer Welt ist also womöglich erheblich mehr Realismus/ Pessimismus angebracht, wenn Leute wie Hoffmann sich in einer ähnlichen politisch-sozialen Umfeld wiederfinden wie Balthasar.

 
 

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