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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Keine fertigen antworten


1. Drama
2. Liebe

Die Anlage des Romans als Liebesgeschichte, seine fehlende Dämonisierung der Täterin (ohne ihre Verbrechen zu beschönigen) wie auch die fehlende Selbstgerechtigkeit des nachgeborenen retrospektiven Erzählers, für den am Ende des Buches gerade nicht alles geklärt und entschieden ist - diese Merkmale von Schlinks \'Vorleser\' sprechen für seine Eignung als Gegenstand des Deutschunterrichts.
Den Studierenden wurden durch den Text gerade nicht fertige Antworten geboten - auch von mir nicht als Lehrer. Ich hoffe jedoch, daß sie gerade bei den produktionsorientierten Formen der Beschäftigung mit dem Text und dem dabei auftretenden Spannungsfeld von Identifikation und Distanz gelernt haben, sich neue Fragen zu stellen, und eventuell auch einige Einsichten gewonnen haben im Hinblick auf grundlegende ethische Fragen wie denen nach Verantwortung und Schuld von Menschen - nicht nur zu Zeiten eines faschistischen Regimes.


Wir befinden uns in einer süddeutschen Kleinstadt währende der fünfziger Jahre. Mit gerade mal fünfzehn Jahren macht der junge Michael Berg, der in diesem Buch als Ich-Erzähler auftritt ,die Bekanntschaft der um viele Jahre älteren Hanna Schmitz.
Magisch fühlt sich der Junge von der erfahrenen und ein wenig rätselhaften Frau angezogen, die ihn in die Geheimnisse der körperlichen Liebe einweiht. Im Laufe der Zeit erfährt Michael zwar, womit seine Geliebte ihr Geld verdient - sie ist Busschaffnerin- aber ansonsten bleibt ihr Leben für ihn ein Geheimnis. Er weiß nicht woher sie kommt, was sie früher gemacht hat, wie ihre Kindheit und Jugend verliefen, ob sie je verheiratet war oder vor ihm andere Männer geliebt hat.
Als Gegenleistung für ihre Liebesdienste erwartet Hanna von dem Jungen, daß er ihr vorliest. Es ist kein billiger Schund, den Hanna bevorzugt, sondern sie liebt die Klassiker und anerkannte Literatur.
Im Zusammensein mit seiner Geliebten reift Michael heran, und als er beginnt, sich auch für gleichaltrige Mädchen zu interessieren, verschwindet Hanna ganz plötzlich von der Bildfläche. Wohin sie geht und warum so plötzlich und ohne Abschied, bleibt für den Jungen lange Zeit verborgen.
Erst Jahre später sieht er sie durch Zufall wieder. Michael, soll im Rahmen seines Studiums einen Naziprozeß beobachten - eine der Angeklagten ist seine frühere Geliebte.
Hannas Verhalten während des Prozesses ist äußerst eigenartig. Sie leugnet nichts, nervt aber alle Beteiligten durch ihre Fragereien. Niemand kann verstehen, warum sie so viel fragt, wo sie doch weiß Gott genügend Zeit gehabt hätte, dich die Anklageschrift und alle Unterlagen genau durchzulesen. Erst als sie sich im Verlaufe der Verhandlung vehement weigert, eine Schriftprobe abzugeben und stattdessen lieber schwere Anschuldigungen auf sich nimmt, entdeckt Michael ihr sorgsam gehütetes Geheimnis: Hanna ist Analphabetin!
Wohl weil er sich in der Schuld seiner früheren Geliebten sieht, beginnt Michael eines Tages ihr Kassetten zu schicken - Kassetten, die er selbst besprochen hat, auf denen er ihr aus Werken namhafter Autoren vorliest. Kein Gruß, kein persönliches Wort nur die Texte anderer Menschen. Dies geht über mehrere Jahre und eines Tages bekommt Michael einen Brief - von Hanna! Sie hat im Gefängnis schreiben gelernt!
Im Verlaufe der vielen Jahre, die Hanna im Gefängnis verbringt, ist Michael ihr einziger Kontakt zur Außenwelt und so verliert sie nach und nach jeden Bezug zur Welt außerhalb der Gefängnismauern.
Am Tag vor ihrer geplanten Entlassung erhängt sie sich.
Der Autor greift in seinem Roman gleich mehrere heiße Eisen auf und betritt Bereiche, die mit starken Tabus besetzt sind.
Da ist zum einen das Thema Pädophilie: Michael ist erst fünfzehn, als er sein erstes sexuelles Erlebnis mit Hanna hat. Nicht nur verklemmte oder spießige Tugendwächter sehen im Geschlechtsverkehr zwischen Menschen so unterschiedlicher Altersstufen heute in jedem Falle einen Mißbrauch des Jüngeren durch den Älteren. Daß der Junge durchaus Spaß bei der Sache hat, spielt keine Rolle.
Zum anderen ist da eine gewisse Sympathie, die der Autor seiner Figur \"Hanna\" entgegenbringt. Obwohl die Frau schreckliche Dinge getan hat, sich an der Ermordung vieler Menschen beteiligte, aus höchst eigennützigen Motiven den Tod gefangener junger Mädchen in Kauf nahm, sieht er in ihr nicht nur die Täterin sondern auch das Opfer.
Indem Schlink die Leser lange Zeit über die Vergangenheit Hannas im Unklaren läßt, sie gelegentlich geschickt auf ihre Seite zieht, zwingt er sie, sich den eigenen fest gefügten Weltanschauungen und Vorurteilen zu stellen und sich damit auseinanderzusetzen.
Ich mag Autoren, die den Mut haben, die Grenzen der \"Political Correctness \" zu überschreiten. Nur Texte, an denen man sich reiben kann, an denen man Ecken und Kanten findet, zwingen uns zum Nachdenken, zum Hinterfragen eigener eingefahrener Denkmuster.
Trotz dieser positiven Tendenz, vermochte mich der Roman jedoch nicht immer in seinen Bann zu ziehen. Dabei war es weniger die Figur der Hanna, die mir Probleme bereitete, sondern eher die des Jungen, der mir gelegentlich trotz des Aufruhrs, der in seinem Inneren tobte, seltsam blutleer erschien. Vielleicht liegt das jedoch nicht an dem Autor, sondern an mir selber, denn mir fällt es relativ schwer, mich in die Seelenlage fünfzehnjähriger Jungen zu versetzen - erstens ist schon eine geraume Zeit vergangen, seitdem ich selber in diesem Alter war und zweitens war ich nun mal ein Mädchen!
Insgesamt halte ich den \"Vorleser\" für ein sehr lesenswertes Buch und ein wichtiges Stück neuerer deutschsprachiger Literatur.

 
 

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