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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Ein vergleich: aeneis - ilias & odyssee


1. Drama
2. Liebe

1. DIE AENEIS 1.1 Einleitung:
Die letzten elf Jahre seines Lebens verbrachte Vergil mit der Abfassung der Aeneis, eines 29 v. Chr. von ihm begonnenen mythologischen und zugleich historischen Epos in zwölf Büchern. Er beschreibt darin die sieben Jahre währenden Fahrten und Abenteuer des Helden Aeneas vom Fall Trojas bis zu seinem Sieg über Turnus in Italien. Vergil zufolge stammten die Römer in direkter Linie von Askanios ab, dem Gründer von Alba Longa, dem Ur-Rom.

Im Stil und Aufbau lehnt sich die Aeneis an die homerischen Epen Ilias und Odyssee an. In Teilen sind auch die Einflüsse der Argonautiká des griechischen Dichters Apollonios von Rhodos aus dem 3. Jhdt. v. Chr. und der Annales des römischen Dichters Quintus Ennius erkennbar. In der Aeneis entwickelte Vergil den Hexameter in sprachlicher und technischer Hinsicht zur Perfektion, so daß seinen Versen bis heute Vorbildcharakter zukommt.

Als poetische Vorbilder Vergils sind die homerischen Epen zu nennen. Ganz bewußt fordert Vergil den Vergleich mit ihnen heraus. Durch die Zahl der Bücher, durch die Übernahme der Hauptthemen Kampf und Irrfahrten und Heimkehr des Helden in umgekehrter Reihenfolge, durch die Übernahme der zwei Handlungsebenen - göttliche und menschliche Ebene - und der epischen Darstellungsmittel wie Götterszenen und Proömium mit Musenanruf. Während Ilias und Odysee je 24 Gesänge haben, umfasst die Aeneis zwölf; das ist als Ausdruck der Bescheidenheit gegenüber Homer zu verstehen, der in der Antike als der größte Dichter galt. Doch Vergil begnügt sich nicht mit bloßer Nachahmung - obwohl dies in der Antike nicht abwertend zu verstehen ist - sondern ändert seinen Bezugstext, indem er den homerischen Themen einen neuen Aussagewert verleiht: Aeneas handelt nicht wie die homerischen Helden für sich selbst und für sein Heldentum, sondern im Götterauftrag für sein Volk. Auch sind die vergilischen Götter in ihrem Handeln weniger frei als die homerischen: Sie alle, auch Juppiter, unterstehen dem Fatum, über dessen Durchführung er wacht. Der Gang der Geschichte ist für Vergil ein sinnvoller: Die Mühen und Anstrengungen des Aeneas werden ihren Lohn finden, allerdings nicht mehr zu Lebzeiten des Helden, sondern erst zur Zeit des Augustus, in der sich endlich die Friedensherrschaft erfüllen wird.

Die Aeneis gilt als das erste große literarische Epos. Anders als die ebenfalls kunstvoll komponierte Ilias enthält sie keine der in den früher entstandenen, mündlich überlieferten Dichtungen gebräuchlichen Wendungen. Im Gegensatz zur Ilias ist die Aeneis keine auf Überlieferungen beruhte Darstellung von Ereignissen. Vielmehr handelt es sich um eine auf Augustus´ Wunsch hin entstandene Verherrlichung Roms, in der das Werden der Stadt und die Geschichte ihrer wohl von den Trojanern abstammenden Bewohner in idealisierter Form nachgezeichnet wird.

Die Aeneis war von Anfang an ein viel beachtetes Werk. Bereits ab dem 1. Jhdt. n. Chr. gehörte sie zum Kanon der Schullektüre. In etlichen Kommentaren wurde der Ruhm Vergils vergrößert, der lange Zeit als der größte römische Dichter und als der Dichter schlechthin galt. Im Mittelalter maß man seinem Heldenepos philosophische Bedeutung zu und hielt Vergil für einen zauberkundigen Seher. Dante huldigt ihn im ersten Teil seiner Göttlichen Komödie, indem er ihn dem Dichter als Begleiter durch Hölle und Fegefeuer bis zur Himmelspforte zur Seite stellte. Vergils Stil ud seine Verstechnik hatten großen Einfluß auf das Schaffen der italienischen Renaissancedichter, namentlich auf Torquato Tasso. In Deutschland verlor Vergil im 18. Jhdt. seine Vorrangstellung vor Homer, erlangte jedoch Anfang des 20. Jhdt. wieder mehr Beachtung. Innerhalb der literarischen Moderne setzte Hermann Broch dem Dichter mit Der Tod des Vergils (1945) ein Denkmal.


1.2 Inhalt:

I Nach dem Proömium setzt das Geschehen unmittelbar mit einem von Juno erregten Seesturm ein, der die gerade von Sizilien abfahrende trojanische Flotte zerstreut. Aeneas landet mit sieben Schiffen an der karthagischen Küste. In einem Gespräch mit Venus verheißt Juppiter dem Volk des Aeneas die Weltherrschaft und das Friedensreich des Augustus. Dido, die Königin von Karthago, verspricht den im Sturm von Aeneas Getrennten Hilfe und bald darauf wird Aeneas mit seinen Gefährten gastlich aufgenommen. Cupido nimmt auf Venus´ Veranlassung in Gestalt von Ascanius am Festmahl teil und lässt Dido in Liebe zu Aeneas entbrennen, den sie schließlich um die Erzählung seiner Erlebnisse bittet.

II Aeneas beginnt seine Erzählung mit der Zerstörung Trojas: Von dem Priester Laokoon vergeblich gewarnt, von dem Griechen Sinon betrogen, ziehen die Trojaner das hölzerne Pferd, in dem bewaffnete Griechen Verborgen sind, in die Stadt; die Feinde verlassen dieses in der Nacht und der Kampf beginnt. Aeneas, im Traum durch den gefallenen Hektor gewarnt, kämpft verzweifelt, muß aber schließlich die Ermordung des König Priamos mit ansehen. Aeneas flüchtet dann mit seinem Vater Anchises, seinem Sohn Ascanius und seiner Gattin Creusa ins Idagebirge, die er jedoch im Verlauf der Reise verliert.

III Nach der Abfahrt versuchen die Trojaner zuerst Neuansiedlungen in Thrakien und Kreta, erhalten jedoch in Delos, Kreta und auf den Strophaden Götterhinweise auf das eigentliche Fahrtziel Italien. In Buthrotum gibt ihnen der Seher Helenus Ratschläge und Warnungen für die Weiterfahrt und nennt den Zielort. Die erste Landung in Italien erfolgt beim Castrum Minervae. Während der Weiterfahrt um Sizilien kommen sie bei den am Fluß des Aetna hausenden Kyklopen vorbei. Mit dem Tod des Anchises in Drepanum auf Sizilien endet die Erzählung des Aeneas.

IV Dido ist von der neuen Liebe überwältigt und Juno will mit Venus´ Zustimmung Aeneas in Karthago festhalten. Bei einem Gewitter auf einer Jagd kommt es zur Liebesvereinigung. Das Liebesverhältnis währt den ganzen Winter über und dann greift Juppiter ein und sendet durch Merkur Aeneas den Abfahrtsbefehl. Aeneas beschließt die Weiterfahrt und Dido stellt ihn vergeblich zur Rede. Aus Verzweiflung lässt Dido im Palast einen Scheiterhaufen errichten, um dort angeblich alle Erinnerungen an den Treulosen zu verbrennen - tatsächlich steht ihr Entschluss zum Selbstmord bereits fest. Nachts fährt Aeneas ab und Dido flucht auf Aeneas und seine Nachkommen Unheil und Krieg herab, danach stirbt sie in königlicher Würde.

V Die Trojaner landen nochmals in Drepanum, am Jahrestag von Anchises´ Tod. Die fahrtmüden Trojanerinnen stecken die Schiffe in Brand, doch Juppiter rettet die Flotte durch einen Regenguss. Aeneas aber fasst erst nach einer Erscheinung des Anchises neuen Mut.

VI Nach der Landung in Cumae erhält Aeneas von der dort wohnenden Seherin Sibylle den Auftrag, zuerst den Leichnam des inzwischen verstorbenen Trojaners Misenus zu bestatten und einen geheimnisvollen goldenen Zweig zu pflücken, dann geleitet ihn die Seherin in die Unterwelt. Im Totenreich begegnet Aeneas Dido und heftet den goldenen Zweig an das Palasttor der Unterweltsgötter. Anchises belehrt ihn über die Wiedergeburt der unvollkommenen Seelen und zeigt ihm große Gestalten der künftigen römischen Geschichte (Römerschau), dann entlässt er Aeneas und Sibylle an die Oberwelt.

VII Nach der Landung an der Tibermündung folgt die Erzählung von der freundlichen Aufnahme der Trojaner durch den Landeskönig Latinus, der aufgrund von Vorzeichen Aeneas die Hand seiner Tochter Lavina verspricht, obwohl seine Gattin Amata den Rutulerfürsten Turnus als Schwiegersohn bevorzugt. Auf Junos Befehl hetzt Amata, Turnus und eine Schar latinischer Hirten gegen die Trojaner auf. Nach der Weigerung des Latinus gibt Juno selbst das Zeichen zum Kriegsbeginn.

VIII Aeneas fährt auf Befehl des Flussgottes Tiberinus stromaufwärts, um von dem aus Arkadien in Griechenland stammenden und jetzt in Italien ansässigen König Euander Hilfe zu erbitten. Er wird von den Arkadern freundlich aufgenommen. Nachts schmiedet Vulcanus auf Bitten der Venus neue Waffen für Aeneas. Am nächsten Morgen erhält Aeneas 400 Reiter unter der Führung von Euanders Sohn Pallas. Venus übergibt ihm die neue Rüstung, wobei der Schild mit Darstellungen der römischen Geschichte genau beschrieben wird.

IX Während der Abwesenheit des Aeneas werden die Trojaner, die sich im Lager aufhalten, von den Italikern bedrängt. Turnus eröffnet, von Iris im Auftrag Junos aufgehetzt, den Kampf und steckt die Schiffe in Brand, die jedoch von der Göttermutter Kybele in Nymphen verwandelt werden. Am nächsten Morgen gelingt einigen Feinden unter der Führung des Turnus der Durchbruch ins Lager, jedoch werden sie von den tapfer kämpfenden Trojanern zurückgedrängt und Turnus kann sich am Ende nur durch einen Sprung in den Tiber retten.

X In einer Götterversammlung verbietet Juppiter den Göttern, vor allem Juno, in das Geschehen des folgenden Schlachttages helfend einzugreifen. Aeneas erscheinen auf der Rückfahrt seine in Nymphen verwandelten Schiffe und unterrichten ihn von der Notlage der Trojaner. Nach einer raschen Landung gelingt es Aeneas, das Lager zu befreien, doch der junge Pallas wird von Turnus im Zweikampf getötet.

XI Während eines zwölftägigen Waffenstillstandes werden die Toten bestattet. Aeneas sendet einen Trauerzug mit der Leiche des Pallas zu Euander. In einem Kriegsrat der Latiner, in dem Latinus zum Frieden rät, erklärt sich schließlich Turnus zu einem Zweikampf mit Aeneas bereit, als das Heranrücken des trojanischen Heeres die Hoffnung auf Beendigung des Krieges zerstört.

XII Mit der Einwilligung des Turnus zu dem Zweikampf beginnen die Friedensvorbereitungen. Der zwischen Aeneas und Latinus geschlossene Vertrag wird jedoch von den Rutulern, die Juturna, die Schwester des Turnus, im Auftrag Junos aufhetzt, sofort wieder gebrochen. Es kommt zum allgemeinen Kampf, in dem Juturna Turnus in Gestalt von dessen Wagenlenker ständig den Blicken des Aeneas entzieht. Dadurch, daß Aeneas die bis jetzt verschonte Stadt des Latinus angreift, zwingt er Turnus sich doch zum Zweikampf zu stellen. Nach einem Versöhnungsgespräch zwischen Juppiter und Juno, welches die Voraussetzung für die Beendigung des Krieges bildet, tötet Aeneas Turnus im Zweikampf.

Landkarte mit den Stationen der Fahrt des Aeneas von Troja nach Latium


1.3 Innere Handlung und Aufbau der Aeneis:

Das Geschehen des Epos spielt sich auf drei Ebenen ab, und zwar auf einer ersten Erzählebene der menschlichen Handlungsträger Aeneas, Dido, Turnus usw. Dabei muß man neben der äußeren Handlung, die die Ereignisse ohne Wertung umfasst, auch noch die innere Handlung verfolgen. Auf einer zweiten Erzählebene spielt die Götterhandlung: Juppiter und das Fatum vertreten die Weltordnung, Juno und Venus versuchen parteiisch diese zu verändern. Die handelnden Menschen erfahren vom Willen der Götter nur wenig, im Gegensatz zum Leser, der das Verhalten der Menschen von der Perspektive der Götter aus betrachten kann. Auf einer dritten Ebene steht der Leser der augusteischen Zeit, für den Vergil schreibt.

Der Epos gliedert sich in zwei Hauptteile, die Bücher 1-6 und 7-12, wobei jeder dieser Hauptteile aus einem Anfangs-, Mittel- und Schlußteil besteht. Charakteristisch für den ersten Hauptteil ist, daß Aeneas hier noch ganz an seiner alten Heimat Troja hängt und für die neue Aufgabe innerlich noch nicht bereit ist. Aeneas nimmt vorerst weder den Auftrag Hektors zur Kenntnis, durch den seine pietas gegenüber den Göttern gefordert wird, noch die Information der Creusa, daß Italien seine neue Heimat sein werde. Da er sich seines Zieles nicht mehr bewusst ist erteilt Anchises den Befehl zur Abfahrt. Der Tod seines Vaters bedeutet für Aeneas den Verlust der menschlichen Stütze. So gerät er im Mittelteil in Gefahr seinen Götterauftrag zu vergessen, indem er sich nach der Landung in Karthago in Dido verliebt. Beide, Aeneas und Dido, wissen durch die Erscheinung der Creusa, von der Aeneas Dido berichtet, daß Aeneas in Italien eine neue Gattin bestimmt ist, mißachten jedoch den Willen der Götter. Trotzdem wird Aeneas, als er endlich bereit ist, sein persönliches Glück den Verpflichtungen seinem Volk gegenüber zu opfern und Dido verlässt, auch an Dido schuldig. Im Schlußteil gerät Aeneas noch einmal in eine schwere Krise. Nach dem Schiffsbrand verlässt ihn der Mut und er möchte in Sizilien siedeln. Erst durch eine Erscheinung des Anchises, der ihn auffordert zu ihm ins Elysium zu kommen, kann er zur Weiterfahrt bewogen werden. In Erfüllung der pietas dem toten Vater gegenüber gehorcht Aeneas und wird durch die Heldenschau in der Unterwelt endlich zu einem entschlossenen Handeln und zur Bajahung seines Auftrages befähigt.

Der Anfangsteil des zweiten Hauptteils umfasst den Beginn des Kampfes in Latium, den Juno gegen die Bestimmung des Fatum erregt, indem sie sich die Leidenschaftlichkeit Amatas und die rasche Kriegsbereitschaft des Turnus zunutze macht, gegen die der friedliebende Latinus wehrlos ist. Im Kontrast zu Turnus steht Aeneas. Er nimmt dieses Leid für die Zukunft seines Volkes als vom Schicksal Auserwählter bereitwillig auf sich. Der Mittelteil schildert die Kämpfe bis zur Entscheidungsschlacht. Turnus besiegelt durch die Tötung des Pallas und die Erbeutung von dessen Wehrgehenk bereits sein eigenes Schicksal. Denn Juppiter hatte in der Götterversammlung verkündet, daß dieser Schlachttag schon die Entscheidung bringen werde. Der Schlußteil führt vom Krieg zum Frieden. Latinus drängt - in Unkenntnis von Juppiters Willen - im Kriegsrat, dem menschlichen Gegenstück zur Götterversammlung, zum Frieden, den Aeneas - ebenso ahnungslos - durch sein Heranrücken verhindert. Am Ende des Schlachttages scheitert der Hinterhalt des Turnus, weil Juppiter jetzt auf der Seite des Aeneas eingreift. Am Ende besinnt sich Turnus seiner Heldenpflicht und stellt sich zum Zweikampf mit Aeneas. Dieser besiegt und tötet ihn, trotz der Bitte des Turnus um Schonung - da er den Schwertgurt des Pallas an ihm erblickt, um diesem und Euander gegenüber seine pietas zu erfüllen.


1.4 Der Schicksalsgedanke bei Vergil:

Das Wirken des Fatum oder der Fata ist die bewegende Kraft des Gedichts. Zu Beginn hört man von Aeneas und die Seinen. Juno ist es, die sie mit ihrem Haß verfolgt, aus persönlichem Haß, weil Paris ihre Schönheit verschmäht hatte und aus politischen Gründen, weil wenn es das Schicksal zuließe, würde sie ihre Stadt Karthago zur Weltherrscherin machen, aber der Spruch der Parzen verbietet es ihr und kündet ihn Aeneas den künftigen Zerstörer Karthagos. Daher hindert sie die Heimatlosen daran, in das ihnen bestimmte Latium zu kommen. Erzürnt blickt sie auf die Trojaner, die froh von Sizilien in See stechen. Mitten in der Irrfahrt beginnt wie die Odyssee das Epos Vergils. Auch ihr ist vom Schicksal verwehrt, die Aeneaden ganz von ihrem Bestimmungsort fernzuhalten, denn auch sie ist an die Fata gebunden, aber sie läßt nicht ab von ihrem Groll und mit allen Mitteln erreicht sie einen durch Äolus hervorgerufenen Seesturm. Aeneas und seine Landsleute ahnen von Junos Plänen nichts. Zerschlagen und verzweifelt rettet sich Aeneas mit wenigen Überbleibseln an Libyens Küste. Er tröstet sich mit der Bestimmung und der Zukunft. Die Aeneaden wissen also um ihre Bestimmung. Sie ist das eigentliche Wichtige und Dauernde, die Leiden und Gefahren sind Zwischenfälle. Er selbst sorgt sich noch, zweifelt noch, so wie er im Seesturm das Ende schon nahe glaubte, er ist sich seiner Bestimmung nicht sicher. Er ist ein ringender Mensch, der mehr Kraft hat als die anderen, aber seiner selbst noch nicht gewiß ist. Dies ist die eigentliche Spannung der ersten sechs Bücher, nämlich wie sich Aeneas der Fata gewiß werden kann.

Juppiter, der höchste Gott ist der Verwalter der Fata, die Fata sind sein Wille und dieser Wille bleibt fest und unwandelbar. Er gibt eine Enthüllung der römischen Geschichte über die Kämpfe des Aeneas, die Königsreihe, die Gründung Roms bis zu der Eroberung des Erdkreises und Augustus. Juppiter selbst tut auch noch ein Weiteres nach der Enthüllung des Schicksals: er schickt den Götterboten Merkur zu Dido, der Königin von Karthago, damit sie nicht aus Unkenntnis dessen, was bestimmt ist, die Trojaner abwiese. Denn auch die Einkehr bei Dido ist offenbar vom Schicksal gewollt. Venus schickt Cupido in Gestalt von Ascanius zu Dido, um in ihr die Liebe zu Aeneas zu erwecken. Dies wäre aber nicht notwendig gewesen - und das ist typisch für das Eingreifen der Götter bei Vergil; denn auch ohne ihr Eingreifen würde das Geschehen sinnvoll verlaufen oder anders gesagt: die Götter sind die Symbole der göttlichen Kräfte, die im Geschehen wirken. Auch der Untergang der Heimat war vom Schicksal bestimmt. Die Erzählung der Irrfahrten steht, ohne daß das dritte Buch die letzte Hand erfahren hätte, unter einem einheitlichen Gesichtspunkt, der allmählichen Aufhellung des Fatumwillens und des Fahrtzieles.

Es bedürfte der Ränke der Juno, von der sich Venus zur Mithilfe gewinnen läßt, obwohl sie in Unsicherheit ist wegen des Fatum, ob Juppiter eine Vereinigung von Römern und Karthagern zuläßt nicht. Denn Dido ist von brennender Liebe zu dem Helden erfaßt und vergißt den toten Gatten Sychaeus, dem sie Treue geschworen hat; und Aeneas erliegt der Wirkung der stolzen Frau. Nach ihrer Vereinigung in der Höhle, Junos Werk, scheint Aeneas verfallen. Er hilft Dido beim Bau ihrer Stadt, unbekümmert, was aus den Seinen und seiner Aufgabe wird. Da greift Juppiter persönlich ein. Er läßt den Götterboten Merkur Aeneas hart schelten, daß er keinen Respekt vor der Stimme des Fatum hat. Aeneas erschrickt, erkennt die Stimme des Gottes und fügt sich ihr. Seine pietas läßt ihn gehorsam sein. Der Gang durch die Unterwelt im sechsten Buch zum Vater ist das Schwerste, was Aeneas als Auserwählter unter den Sterblichen überstehen muß, ehe er im Blick auf die letzten Dinge und den Willen des Schicksals zu letzter Sicherheit heranreift.

Damit hat sich die erste Hälfte des Epos, die römische Odyssee, zum Kreis geschlossen. Es folgen die sechs Bücher der römischen Ilias. Die Reihenfolge, die der Reihenfolge der Entstehung der homerischen Epen widerspricht ist nicht zufällig, und die Idee des Fatum ist der Grund davon. In den zwei homerischen Epen kommen die beiden großen Wirklichkeiten des ritterlichen Zeitalters der natürlichen Reihenfolge nach zum Worte: Kampf und Entscheidung und Heimkehr. Die römische Odyssee Vergils ist zwar auch eine Heimkehr zum Ursprung und ein Heimfinden, zugleich aber ist die Bewährung der Standhaftigkeit des Aeneas nicht ein Überstehen wie bei Odysseus, sondern ein Bestimmterwerden und ein Reifwerden für seine Aufgabe.

In Latium, von Aeneas an den Zeichen bald als Bestimmungsort erkannt, hat der König Latinus durch Orakel den Willen des Schicksals erfahren, daß seine Tochter Lavinia einem über See kommenden Fremden als Gemahlin bestimmt ist. Gegen diesen Willen des Schicksals lehnt sich die Königin Amata auf, die sie mit dem Rutulerfürsten Turnus, dem zweiten Achill, der hier im fremden Land Aeneas als Gegner erwächst, verbinden möchte. Aeneas könnte hier rasch eine Stadt gründen und Ruhe finden, wenn nicht Juno wieder Verwirrung stiftete. Zwar weiß sie, sie kann Aeneas nicht mehr an der Herrschaft in Latium hindern, aber sie kann Hemmungen bewirken und einen hohen Blutzoll vorher fordern. Die erste große Schlacht wird in Buch zehn eingeleitet von einem Götterrat, um die bewegenden Kräfte des Geschehens sichtbar zu machen. Venus und Juno führen jede ihre Sache. Venus beklagt sich über Not und Gefahr ihrer Trojaner. Wenn Venus Aeneas hilft, so hat Juno das Recht, den Rutulern und Turnus beizustehen. In diesem Hader parteilicher Rachsucht und Begünstigung, dieser nicht abreißenden Kette von Schuld und Sühne bleibt Juppiter unparteiisch. Im bevorstehenden Kampf wird die Tüchtigkeit beider Parteien, ihr ganzes Sein gewogen. Im Kampfe hat Aeneas sein ganzes Menschentum bewährt, neben seiner virtus und pietas die iustitia, die ihm die Verträge halten, und die clementia, die ihm den Gegner schonen läßt, wo es erlaubt ist. Es ist jener Vierklang von Tugenden, mit deren Aufschrift der Senat Augustus ehrte. In Augustus sind die Tugenden wieder verwirklicht, die am Anfang und Ursprung in Aeneas zur Gründung Roms führten. Wie bei Homer vor dem Zweikampf Hektor-Achill wägt Juppiter die beiden Schicksale. Hektors Waagschale sinkt und drunten auf der Erde eilt Hektor in das Haus des Hades. Zeus hat keinen Einfluß auf das Schickal, das unbegreiflich dem Menschen sein Ende setzt.

 
 

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