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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die komödien


1. Drama
2. Liebe



Inhaltsverzeichnis 1. Vom Wesen und den Werken Friedrich Dürrenmatts .... 2

2. Friedrich Dürrenmatt und die Komödie .... 4

3. Die Physiker .... 7

3.1. Inhalt .... 7

3.2. Interpretation .... 9

4. Der Besuch der alten Dame .... 11

4.1. Inhalt .... 11

4.2. Interpretation .... 13

5. Der Meteor .... 14

5.1. Inhalt .... 14

5.2. Interpretation .... 17

6. Quellenverzeichnis .... 19

6.1. Primärliteratur .... 19

6.2. Sekundärliteratur .... 19



1. Vom Wesen und den Werken Friedrich Dürrenmatts

Friedrich Dürrenmatt wird am 5. Jänner 1921 in Konolfingen (Kanton Bern) als Sohn eines Pfarrers geboren. Sein Großvater ist ein konservativer Nationalrat, der mit satirischen Gedichten Bürokratismus und ähnliche Mißstände anprangert. Dieser erreicht mit seinen Gedichten etwas, um das ihn Friedrich immer beneidet. Er muß nämlich für ein Gedicht ins Gefängnis. Eine \"Ehre\", die seinem Enkel nie zuteil wird. Im Gegenteil. Friedrich Dürrenmatt erringt mit seinen gesellschaftskritischen Werken immer nur Ehrungen und Ehrentitel.

Trotz seiner Erziehung in einem Pfarrhaus hat er zu Gott und Glauben ein eher distanziertes Verhältnis. Ursprünglich will Dürrenmatt Maler werden und wird von seinen Lehrern mit den Naturwissenschaften bekannt gemacht. Einem Wissensgebiet, zu dem Dürrenmatt auch später noch eine sehr enge Beziehung hat und das auch Stoff eines seiner größten Werke wird. Friedrich Dürrenmatt besucht das Gymnasium mit mäßigem Erfolg und studiert anschließend Philosophie und Germanistik, ohne jemals einen Abschluß zu machen.

Zu schreiben beginnt er während des Zweiten Weltkrieges, den er, in der Schweiz lebend, durch Zeitungen und Rundfunk erlebt. Seine ersten Werke haben eine apokalyptisch-phantastisch-schauerliche Note an sich.

\"Ein Mensch erschlug seine Frau und verwurstete sie (...)\" . So beginnt die Geschichte \"Die Wurst\". In diesem Stück geht es um einen Mann, der seine Frau ermordet und sie zu Wurst verarbeitet hat. Als er dann vor Gericht gestellt wird, wird er natürlich zum Tod verurteilt. Er hat aber noch einen Wunsch: Er möchte die letzte verbliebene Wurst, die als Beweisstück im Prozeß gedient hatte, essen. Seinem Wunsch wird stattgegeben. Als die Wurst jedoch geholt werden soll, stellt sich heraus, daß sie bereits der Richter verzehrt hat.

In seinem gesamten Schaffen der damaligen Zeit sind derart makabere und absurde Begebenheiten zu finden. Auch die Motive seiner Bilder sind in dieser Zeit meist Folterknechte, Scharfrichter, Skelette, Krüppel, Menschentiere und Figuren aus seinen Geschichten.

Erste abendfüllende Dramen von Dürrenmatt erscheinen nach dem Zweiten Weltkrieg. Allen diesen Stücken ist eine grausame und machthungrige Hauptperson gemeinsam. Er versucht in diesen Stücken als einer der ersten die noch keine fünf Jahre zurückliegende Vergangenheit aufzuarbeiten und dem Trauma, das der Zweite Weltkrieg bei allen Menschen hinterlassen hat, ein Ende zu bereiten.

Dürrenmatt gerät 1949 durch seine Zuckerkrankheit, der Geburt seines zweiten Kindes und einigen Mißerfolgen in finanzielle Bedrängnis und beginnt 1950 für die Zeitung \"Der Schweizerische Beobachter\" an einem Fortsetzungsroman zu schreiben. Der Roman mit dem Titel \"Der Richter und sein Henker\" erscheint in acht Folgen und wird zu einem großem Erfolg.

Es ist der erste Kriminalroman Dürrenmatts. Ein Roman voll überraschender Wendungen, aber auch voll von Satirischem über das Genre des Kriminalromans, über die ganze Schweiz, die Polizei und über die Gangster. Auch Dürrenmatts zweiter Kriminalroman \"Der Verdacht\", den er 1952 für die gleiche Zeitung schreibt, und der mehr oder weniger eine Fortsetzung des ersten ist, wird ein Erfolg.

Nach seinen Erfolgen als Kriminalautor beginnt sich Dürrenmatt mehr mit Gesellschaftsproblemen zu beschäftigen. Es entstehen die wahrscheinlich wichtigsten Werke Dürrenmatts: \"Der Besuch der alten Dame\" (1956) und \"Die Physiker\" (1962).

Ab 1966 beginnt eine neue Schaffensphase, die Bearbeitung fremder (König Johann nach Shakespeare, Play Strindberg nach Strindbergs Totentanz, Urfaust nach Goethe) und eigener Werke für die Bühne. Dürrenmatt nimmt eine Zeitlang eine feste Stelle beim Theater an. Die historischen Stoffe treten nun in den Hintergrund und die aktuellen Themen verstärken sich.In den letzten Lebensjahren entwickelt sich zwischen Dürrenmatt und seinem Publikum bzw. seinen Kritikern ein immer gespannteres Verhältnis. Friedrich Dürrenmatt stirbt am 14. Dezember 1990 im Alter von 69 Jahren in seinem Haus in der Schweiz in Neuchatel.



2. Friedrich Dürrenmatt und die Komödie

Dürrenmatt ist ein schonungsloser Moralist und Satiriker, zu dessen literarischen Ahnen Aristophanes, Plautus, Moliere, Nestroy, G. Kaiser, Wedekind, Sternheim, Giraudoux, Pirandello, Wilder zählen. Er erkennt keine dramatischen Gesetze an; in dem Vortrag \"Theaterprobleme\" (1955) erklärt er die Komödie zur einzigen heute möglichen Bühnenform, aus der heraus sich das Tragische wie bei Shakespeare noch erzielen lasse. Die Tragödie im Sinne Schillers setze eine überschaubare Welt voraus, die im Atomzeitalter nicht mehr gegeben sei.

Er will nicht \"allzu billig\" Trost geben, vielmehr mit dem \"Abenteuer die Wahrheit sagen\", sein Publikum \"ärgern\", will \"grotesk sein aus der Notwendigkeit heraus, tendenziös und künstlerisch zugleich aufzutreten\". Er weiß \"um das Absurde dieser Welt\", verzweifelt aber nicht, \"denn wenn wir auch wenig Chancen haben, sie zu retten - es sei denn, Gott sei uns gnädig -, bestehen können wir sie immer noch\". So hält er in einfallsreichen Farcen und parodistischen Fabeln, stofflich der Moritat und Räuberpistole verwandt, formal vom Lyrischen bis zum Kabarettistischen gespannt, dem Zeitgenossen mit heizendem Humor, Witz und Zynismus den Weltspiegel vor, daß dessen Gewissen geweckt werde.

Schon der umstrittene Erstling \"Es steht geschrieben\" (Tragikomödie, 1947) mit 41 Rollen, ein ironisch skeptischer Bilderbogen aus der münsterischen Schreckensherrschaft der Wiedertäufer, brachte Dürrenmatt in den Ruf eines \"unbequemen Zeitgenossen\". In der leichteren \"ungeschichtlichen historischen Komödie\" bzw. späteren \"komischen Tragödie\" \"Romulus der Große\" (1949; zweite Fassung 1957) verulkt Dürrenmatt sarkastisch die Staatsraison im Beispiel des letzten römischen Kaisers, der hühnerzüchtend das Imperium liquidiert, weil man \"das Vaterland weniger lieben soll als den Menschen\" .

Unmittelbar die Zeitgenossen trifft die \"leichenreiche\" Komödie \"Die Ehe des Herrn Mississippi\" (1952; Neufassung 1957), Mischung aus Moritat, Panoptikum, moralischem Überbrettl und dramatischem Pamphlet, die Dürrenmatts Weltruf begründete. Drei Weltverbesserer, ein Staatsanwalt, der im Sinne einer Wiedereinführung des Gesetzes Mosis seine ungetreue Ehefrau vergiftet hat, ferner ein Edelkommunist und ein heruntergekommener Tropenarzt, letzterer ein idealistischer Liebender, gehen darin zugrunde, auch eine Witwe, die lügenhafte Geliebte ähnlich der Lulu Wedekinds, die ihren Mann vergiftet hat und darum vom Staatsanwalt zu gemeinsamer \"Sühne\" zur Ehefrau genommen wird; lediglich ein brutaler Machtmensch überlebt, davon überzeugt, daß man \"alles ändern\" könne, \"nur den Menschen nicht\".

Weniger moralisierende Zeitsatire als parodistische Phantasmagorie, ein Märchen und zugleich kabarettistisches Gleichnis ist die \"Komödie\" \"Ein Engel kommt nach Babylon\" (1953; Neufassung 1957), ausgezeichnet mit einem Anerkennungspreis der Stadt Bern; der tyrannische König Nebukadnezar, unfähig, der Macht zu entsagen und arm zu werden, verliert darum ein reines Mädchen, das von einem Engel auf die Welt gebracht worden war, an einen Bettler und attackiert mit einem Turmbau frevelhaft den Himmel.

International erfolgreich war die tragische Komödie \"Der Besuch der alten Dame\" (1956; Uraufführung 1956 im Schauspielhaus Zürich), in der eine amerikanische Milliardärin in ihren verschuldeten Heimatort kommt und von den Einwohnern gegen ein Milliardenangebot ihren Jugendgeliebten, der sie schändete und verstieß, als Leiche fordert - und bekommt, nachdem die zunächst entrüstet ablehnenden Bürger Kredit auf das lebende Opfer aufgenommen haben und dieses schließlich aus \"moralischen Beweggründen\" töten.

In der Komödie \"Die Physiker\" (1962) brandmarkt Dürrenmatt den Griff der Großmächte nach atomaren Vernichtungsmitteln und kennzeichnet die Last der Verantwortung, die auf Forschern und Erfindern ruht; aber nicht einmal in der Abgeschiedenheit eines Irrenhauses sind sie vor einer heimtückischen Auswertung ihrer Forschungen durch eine vom Wahnsinn besessene, machtgierige Welt sicher.

Ein großer Bühnenerfolg war die 1966 im Züricher Schauspielhaus uraufgeführte, sich an die klassischen Regeln der drei Einheiten haltende, äußerst konzentrierte Komödie \"Der Meteor\", in der Dürrenmatt die Thematik des Wunders der Auferstehung behandelt.

Das Weltgefühl, das aus Friedrich Dürrenmatts Werken spricht, liegt vor aller rationalen Erfahrung, es ist ursprünglich und unauflöslich: das Gefühl der Kleinheit und Ohnmacht des Menschen vor einer chaotischen, nicht zu bewältigenden Welt, die ein Ungeheures ist, ein Rätsel an Unheil, das hingenommen werden muß, vor dem es jedoch kein Kapitulieren geben darf. In seinen theoretischen Äußerungen leitet Dürrenmatt dieses Gefühl immer wieder aus dem heutigen Zustand der Welt ab, aus dem Terror der Apparate und Organisationen, aus der Bürokratisierung und Technisierung aller Gesellschaftsformen, die das entmachtete Individuum unter sich begraben - im Grunde aber sind das nur Erscheinungen, in denen ein ursprüngliches Gefühl der Ohnmacht sich bestätigt findet, eine Verlorenheit, die nicht durch eine veränderte Gesellschaft aufgehoben werden könnte, sondern durch den Glauben an eine allseits gerechte göttliche Ordnung der Welt.

Obwohl Dürrenmatts Werke immer wieder Erscheinungen unserer Zivilisationsgesellschaft aufgreifen, obwohl er selbst immer wieder Art und Stil dieser Werke nicht nur zu unserer Zeit in Beziehung setzt, sondern sogar theoretisch aus ihr ableitet, sind sie im wesentlichen nicht Auseinandersetzung oder gar Antworten auf diese Zeit. Sie stellen im Kostüm unserer Welt Ursituationen dar, tragen unter den Bedingungen unserer Zeit Urkonflikte aus.

Es geht in Ihnen nicht um den Wohlfahrtsstaat, das kapitalistische System oder den Atomkrieg, sondern um Verrat, Schuld, Sühne, Treue, Freiheit und Gerechtigkeit nicht um Psychologie, Soziologie, Politik, sondern zuerst und zuletzt, im absolutesten Sinne des Wortes, um Moral.

Ein Drama soll - das ist für Dürrenmatt die Möglichkeit und Pflicht des Theaters - den Zuschauer aufstören, soll in ihm Fragen provozieren, aber nicht Fragen an das Stück, sondern an ihn selbst, an seine eigene Moral. Dürrenmatts Geschichten bringen in einer unmoralischen (untragischen) Weit Menschen in Konfliktsituationen, die sie zu moralischen (tragischen) Entscheidungen zwingen. Das heißt für Dürrenmatt: Theater ist eine Sache sinnvoller Übertreibung, es wirkt nicht durch Nuancen, sondern durch möglichst starke Kontraste, Wendungen müssen nicht subtil vorbereitet werden, sondern möglichst direkt und frappant zustande kommen, die Konturen dürfen nicht durch psychologische Verästelung verwischt werden, vielmehr müssen die Personen schon durch Habitus und Redeweise drastisch typisiert sein, die Distanz zwischen den Gegenspielern soll möglichst extrem sein: der erste und der letzte, König und Bettler, Richter und Henker, Mörder und Opfer. Die Theatralik dieser Weit der Superlative ist enorm, so enorm, daß es manchmal unmöglich scheint, der Auseinandersetzung zwischen Treue und Verrat, zwischen Schuld und Sühne, die in ihr ausgetragen wird, ähnliche Dimensionen zu geben.

Dürrenmatts Einfälle, seine Anfänge sind immer unanfechtbar zwingend, ihre dramaturgische Entwicklung aber kann die Gegenspieler in so extreme Positionen treiben, daß alle moralischen Kategorien gesprengt werden, sie nähern sich Punkten jenseits der Dialektik von Gerechtigkeit und Gnade, wo nur noch rhetorische Rückzüge möglich sind, weil dramaturgisch notwendiges und moralisch zwingendes Handeln nicht mehr übereinstimmen. So ist zu erklären, daß Dürrenmatts Geschichten oft in verschiedenen Fassungen verschiedene Schlüsse haben. Viel später erst als mit der Notwendigkeit, vom Einfall auszugehen und ins Blaue hinein zu schreiben, hat Dürrenmatt sich mit der Schwierigkeit auseinandergesetzt, seine sich eigenmächtig entwickelnden Fabeln zu einem zwingenden Schluß zu führen, und postuliert: \"Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat.\"



3. Die Physiker

3.1. Inhalt

Die Handlung des Stücks spielt im Salon der Villa eines privaten Sanatoriums, oder besser gesagt eines Irrenhauses. Während im südlichen, neu gebauten Teil des Sanatoriums prominente Gäste ihr Dasein zu horrenden Preisen fristen, leben in der schon etwas verlotterten Villa nur mehr drei Patienten. Es sind dies drei Physiker. Sie nehmen gemeinsam ihr Essen ein, diskutieren über physikalische Probleme oder leben eingesponnen ihr eigenes Leben. Ihre drei Zimmer grenzen direkt an den Salon an.

Leiterin und Gründerin des Irrenhauses ist Fräulein Dr. h. c. Dr. med. Mathilde von Zahnd. Einzig noch lebender Sproß einer einst angesehenen und mächtigen Industriellenfamilie. Sie genießt einen Weltruf als Menschenfreund und Psychiater.

Es ist kurz nach halb fünf Uhr nachmittags. Aus einem der den Salon angrenzenden Zimmer dringt Geigenspiel mit Klavierbegleitung. Auf dem Boden des Salons liegt die Leiche einer Krankenschwester. Im Raum herrscht Unordnung. Um die Leiche bemühen sich mehrere Kriminalbeamte. Inspektor Richard Voß befragt gerade die Oberschwester zur Person des Opfers und des Täters. Über den Täter muß er erfahren, daß es sich um Ernst Heinrich Ernesti handelt. Ernesti ist einer der drei Physiker, er hält sich für Einstein.

Während der Inspektor auf die Leiterin des Hauses wartet, betritt Herbert Georg Beutler den Salon. Beutler, der sich für Newton ausgibt, erkundigt sich nach dem Lärm, der im Salon herrscht. Als Newton erfährt, daß Einstein seine Pflegerin erdrosselt hat, wundert sich Newton, wie man nur eine Krankenschwester erdrosseln kann. Der Inspektor entgegnet ihm, daß auch er, Newton, seine Krankenschwester erdrosselt hätte. Newton erklärt dem Inspektor, daß es bei ihm ganz anders gewesen sei. Seine Krankenschwester hätte sich in ihn verliebt, und er erwiderte diese Liebe. Dieses Dilemma sei nur noch mit einer Vorhangkordel zu lösen gewesen. Allein schon der Altersunterschied, er müßte doch jetzt schon über zweihundert Jahre alt sein, wäre ein Hindernis gewesen. Außerdem, so vertraut er dem Inspektor an, sei er gar nicht verrückt. Er tue nur so, damit Ernesti nicht verwirrt sei, denn Ernesti ist in Wirklichkeit Newton und er ist Einstein.

Nach diesem verwirrenden Zwiegespräch betritt die Leiterin des Hauses den Raum. Als ihr der Inspektor von seinem Gespräch mit Newton erzählt, meint sie, daß er das jedem erzähle, daß er sich aber tatsächlich für Newton halte, denn sie bestimme in diesem Haus für wen sich ihre Patienten halten.

Der Inspektor weist Frau Zahnd darauf hin, daß der Staatsanwalt nach diesem zweiten Mord nun darauf besteht, daß starke männliche Pfleger die Betreuung der drei Physiker übernehmen müssen. Nach einigem Zögern gibt sie nach und sichert zu, daß sie hier von nun an männliche Pfleger einsetzen wird.

Nachdem der Inspektor verschwunden ist, erscheint Frau Rose mit ihrem Mann und ihren Kindern. Sie ist die ehemalige Frau von Johann Wilhelm Möbius, dem dritten Physiker. Frau Rose hat den Missionar Rose geheiratet und will sich nun von Möbius verabschieden.

Sie erkundigt sich nach dem Befinden, und fragt ihn, ob ihm König Salomo noch immer erscheine. Möbius kann sich nur schwach an seine Kinder erinnern, und beginnt den Irren zu spielen. Er schüchtert seine Familie ein und wirft sie mit wüsten Beschimpfungen aus dem Raum.

Nachdem die Familie den Raum verlassen hat, beruhigt Schwester Monika den aufgebrachten Möbius. Sie hat bemerkt, daß er gar nicht verrückt ist. Dabei gesteht sie ihm ihre Liebe und berichtet ihm, daß sie die Erlaubnis habe, mit ihm das Irrenhaus zu verlassen und in einem kleinen Dorf eine neue Existenz aufzubauen. Möbius ist das zuviel, und er erdrosselt sie. Nach diesem dritten Mord erscheinen nun riesenhafte Pfleger, die Türen werden abgeschlossen und die Fenster vergittert.

Beim Mittagessen überrascht Newton die beiden anderen Physiker mit einem Geständnis. Er gesteht, daß er Alec Jasper Kilton sei, der Begründer der Entsprechungslehre, und daß er sich in das Irrenhaus eingeschlichen habe, um hinter das Rätsel um Möbius Verrücktheit zu kommen. Er sei Angehöriger eines Geheimdienstes und hat seine Krankenschwester nur deshalb umgebracht, weil sie seine wahre Identität erahnt hat. Er hält Möbius für den größten Physiker aller Zeiten, hat alle seine Dissertationen gelesen und muß ihn nun bewachen und notfalls entführen, falls sich ein gewisser Verdacht bestätigt.

Nach diesem Geständnis gibt Einstein ebenfalls zu, daß er nicht verrückt ist. In Wahrheit ist er Joseph Eißler, der Entdecker des Eißler-Effekts. Auch er arbeitet für den Geheimdienst, und seine Aufgabe ist es, Möbius zu bewachen.

Nun bekennt auch Möbius, daß er eigentlich gar nicht verrückt ist. Weil er hinter das Geheimnis der Schwerkraft gekommen ist und nun fürchtet, daß seine Entdeckung für die Menschheit verheerende Folgen hätte, wenn sie bekannt würde, ist er ins Irrenhaus geflüchtet.

Newton entgegnet Möbius, daß Physiker Pionierarbeit zu leisten hätten und daß die Erkenntnisse, die sie machen, der Menschheit zugeführt werden müssen. Ob die Menschen mit diesen Erkenntnissen richtig umgehen, sei nicht Sache der Physiker. Darauf meint Einstein, daß die Verantwortung des Physikers nicht außer acht gelassen werden darf, und daß nur der Physiker entscheiden darf, was mit seinen Erkenntnissen geschieht. Beide Agenten bemühen sich um Möbius und halten sich gegenseitig in Schach. Doch sie müssen sich eingestehen, daß nur Möbius selbst entscheiden kann, welcher Seite er sein Wissen zur Verfügung stellt.

Da gesteht Möbius, daß er seine Manuskripte bereits verbrannt hat. Er begründet dies damit, daß er nicht in die Abhängigkeit von Politikern kommen möchte. Es fällt der Kernsatz des Stückes: \"Es gibt Risiken, die man nicht eingehen darf: Der Untergang der Menschheit ist ein solches\" . Er hat sich daher entschlossen, sein Wissen nicht zu veröffentlichen. Die Menschheit ist nicht reif genug für sein Wissen: \"Wir müssen unser Wissen zurücknehmen, und ich habe es zurück- genommen\" . Möbius bleibt im Irrenhaus. Nach diesem Geständnis entschließen sich auch Newton und Einstein, ebenfalls im Irrenhaus zu bleiben, als vermeintlich Irre wollen sie weiterleben: \"Verrückt, aber weise. Gefangen, aber frei. Physiker, aber unschuldig.\" .

Da erscheint die Leiterin des Irrenhauses mit ihren Pflegern im Salon. Zur Überraschung der Physiker spricht sie sie mit ihren richtigen Namen an. Aus ihrem Mund müssen die Physiker erfahren, daß sie ihr Bündnis umsonst geschlossen haben. Seit Jahren hat die Anstaltsleiterin alle Manuskripte von Möbius heimlich fotokopiert. In einem mächtigen, von ihr geschaffenen Trust wird sie auch das System aller möglichen Erfindungen für den Weg zur Weltherrschaft ausnutzen. Dies alles geschehe im Auftrage des goldenen Königs Salomo, der auch ihr erschienen sei. Es zeigt sich, daß die Irrenärztin selber geisteskrank ist. Die Lage der Physiker ist aussichtslos geworden. Sie müssen, als gefährliche Geisteskranke zum Schweigen verurteilt, ihr Dasein weiterhin im Irrenhaus fristen. In kurzen Schlußmonologen geben sie ihrer tiefen Resignation Ausdruck.



3.2. Interpretation

Dürrenmatt bezeichnet das Stück als Komödie mit der Begründung, daß in der heutigen Zeit nur noch das Komische dem Realen beikommt. Die klassische Tragödie kann die heutige Zeit nicht mehr darstellen. Die klassische Tragödie verlangt einen Helden, der frei entscheiden kann und daher auch für sein Schicksal selbst verantwortlich ist. In der heutigen Zeit ist dies jedoch nicht möglich. Jeder ist eingeschlossen in einem Gesellschaftssystem, aus dem es für ihn kein Entrinnen gibt. Er handelt nicht mehr nach freiem Willen, sondern muß sich dem Willen vieler unterwerfen. Diese Komödie ist ein beklemmendes Beispiel dafür.

Der Physiker Möbius entdeckt eine Formel, die alle Probleme der Physik löst. Er erkennt, welche Macht in dieser Formel steckt und opfert sein Leben als freier Bürger, nur um die Menschheit vor dem sicheren Untergang zu bewahren. Erst am Ende erkennt er, daß es umsonst war: \"Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden\" .

Die Geschichte des genialen Physikers Möbius ist keineswegs eine erfundene. Möbius steht in dem Stück stellvertretend für Albert Einstein. Einstein legte mit seinen Erkenntnissen den Grundstein für den Bau einer Atombombe und konnte, nachdem er die Gefährlichkeit seiner Erfindung erkannt hatte, die Herstellung einer solchen nicht verhindern. \"Im Sommer 1939 hätten noch zwölf Menschen durch gemeinsame Verabredung den Bau verhindern können (...). Doch sie taten es nicht.\"

So ernst, wie die Situation der Menschheit, ist Dürrenmatts Gegenstand. In einem Gespräch hat er seinen dramatischen Ansatz im Grundsätzlichen charakterisiert: \"Das Komödiantische ist suspekt, wird nicht voll, nicht ernst genommen. Ich bin jedoch von hier aus zu verstehen, vom ernst genommenen Humor her. In diesem paradoxen Satz drückt sich meine Liebe zur Tragikkomödie aus. Ich gehe vom Komödiantischen aus, vom Einfall, um etwas ganz Unkomödiantisches zu tun: den Menschen darzustellen - so könnte ich vielleicht meine Kunst definieren.\"

Dürrenmatt formuliert hier die Bankrotterklärung der Wissenschaftler. Nur im Irrenhaus darf noch geforscht werden. Außerhalb seiner Umgrenzungen führt Forschen zu irrsinnigen Zuständen.

\"Physiker\" und \"Techniker\" sind hier im Sinne modellhafter Vereinfachung gebrauchte Synonyme. Sie stehen für diejenigen, welche kraft höherer Einsicht die Folgen wissenschaftlicher Entwicklungen abzusehen vermögen und für jene anderen - mithin die Masse der Menschen - die zum Fortschrittsglauben mangels besserer Einsicht ein ungetrübtes Verhältnis bewahren. Wissen ist hier zu Macht geworden. Sie hat dem Menschen Macht gegeben, sich selbst zu vernichten. Das Stück ist ein Appell an die Wissenschaft, manches Denkbare nicht zu denken.

 
 



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